2. Problemstellung: Flexionsklassen und Natürlichkeit 2.1. Zum Status der Flexionsklassen Zu den im vorangegangenen Kapitel diskutierten morphologischen Grundbegriffen gehörte auch der der Flexionsklasse. Wir hatten angenommen, daß in einer Sprache eine einheitliche und selbständige Flexionsklasse existiert, wenn für eine entsprechende Gruppe von Wörtern jede abgeleitete Kategorie bzw. jedes abgeleitete Kategorienbündel formal einheitlich symbolisiert wird und die Gesamtheit der abgeleiteten Flexionsformen aller anderen Wortgruppen formal distinkt ist. Die Konstituierung von Flexionsklassen beruht auf der Einheitlichkeit und Distink-tivität der Paradigmen, so wie jede Klassifizierung auf den gemeinsamen und unterschiedlichen Eigenschaften der jeweils zu klassifizierenden Elemente beruht. Die gemeinsamen bzw. unterschiedlichen Eigenschaften der Paradigmen sind die in den relevanten Kategorien auftretenden Marker und Markerkombinationen. Die in einer gegebenen Sprache vorkommenden Marker gehören keinem universellen vorgegebenen Inventar von Markern an, morphologische Marker sind strikt einzelsprachlich.1 In diesem Sinne haben die Flexionsklassen anders als beispielsweise phonologische Klassen keine universelle Basis. Phonologische Klassen fassen bekanntermaßen Lautsegmente mit gemeinsamen phonologischen Merkmalen zusammen, und phonologische Merkmale beruhen auf den allen Menschen eigenen Möglichkeiten der Artikulation und Perzeption. Phonologische Klassen besitzen eine universelle Basis. So ist es z. B. durchaus sinnvoll, wenn man bei der Untersuchung typologischer Gemeinsamkeiten danach fragt, ob es im Russischen, im Ostjakischen, im Suaheli wie im Deutschen Segmente mit den Merkmalen ,+ konsonantisch, -f- frikativ, + stimmhaft', also stimmhafte Spiranten, gibt. Dagegen hat es offenbar keinen Sinn, danach zu fragen, ob es in diesen Sprachen wie im Deutschen eine substantivische Flexionsklasse gibt, deren G.Sg. mit /s/, deren Plural mit /e/ und deren D.P1. mit /n/ gebildet wird. Typo-logisch interessant ist, ob es in einer Sprache Flexionsklassen gibt, nicht dagegen, mit welchen Suffixen sie realisiert werden. Auch hinsichtlich des Status von in einer Einzelsprache vorhandenen Flexionsklassen und phonologischen Klassen existieren entsprechende Unterschiede. Wenn z. B. in einer Sprache eine Klasse von stimmhaften und eine Klasse von stimmlosen Nasalkonsonanten (Segmente mit den Merkmalen ,+ konsonantisch, + nasal, -f- stimmhaft' und ,-f- konsonantisch, + nasal, — stimmhaft') vorhanden sind, dann ergibt sich bereits aus den Merkmalkombinationen, daß beide Klassen nicht einfach gleichwertig' sind. Ohne weitere Kenntnis der betreffenden Einzelsprache läßt sich vorhersagen, daß beim Eintreten einer Neutralisation beider 1 Das bedeutet freilich nicht, daß die Klasse der morphologischen Marker bzw. ihre Teilklassen keine universellen Eigenschaften hätten, die sie von anderen sprachlichen Einheiten (Basismorphemen, Derivationsmorphemen) unterscheiden. So unterliegen z. B. additive Marker (grammatische Morpheme) in der Regel strengeren phonologischen Strukturbedingungen als andere Morpheme (sie sind kürzer, enthalten nur bestimmte Phoneme und Phonemkombinationen; vgl. Abschn. 1.3.), bilden immer sehr kleine, nur stark begrenzt erweiterbare Klassen usw. 72 2. Flexionsklassen und Natürlichkeit Klassen die stimmlosen Nasale stimmhaft werden und nicht umgekehrt. Wenn dagegen in einer Sprache zwei substantivische Flexionsklassen existieren, von denen eine den G.Sg. mit /s/, den N.P1. mit /ar/ und den A.P1. mit /a/ und die andere den G.Sg. mit /ar/, den N.P1. mit /ir/ und den A.P1. mit /i/ bildet, so kann man aus dieser Kombination der Marker nicht ersehen, in welcher Relation diese beiden Flexionsklassen zueinander stehen und demzufolge auch keine Vorhersagen über künftige Entwicklungen machen. Das alles erweckt den Anschein, als seien die Flexionsklassen einfach zufällige Zuordnungen von Markern zu Kategorien, eine so gut wie die andere, und als sei entsprechend die Problematik der Flexionsklassen ohne jedes theoretische Interesse und bilde bestenfalls eine Domäne für die beschreibende' Grammatik. Dieser Anschein wird noch dadurch verstärkt, daß die Flexionsklassenproblematik auch kaum einer theoretisch orientierten Behandlung für wert befunden wurde.2 Es gibt jedoch eine ganze Reihe von linguistischen Bereichen, deren Fakten klar erweisen, daß die anscheinende Zufälligkeit von Flexionsklassen nur eine scheinbare ist, daß die Flexionsklassen innerhalb der Einzelsprache für den Sprecher durchaus nicht den gleichen Status haben. Wir stellen im folgenden die wohl wichtigsten dieser Faktenbereiche zusammen und exemplifizieren an ihnen den Status der schwachen und starken Verben im Neuhochdeutschen:3 Sprachveränderung: In neuhochdeutscher Zeit sind eine ganze Anzahl von ursprünglich starken Verben wie bellen, mahlen, kreischen, schmiegen und spalten zu den schwachen übergetreten. Weitere Verben wie z.B. gären, gleiten, glimmen, melken, saugen, triefen usw. befinden sich gegenwärtig im Ubergang von der starken zur schwachen Flexion. Neben den alten Flexionsfornien des Typs gor/gegoren gibt es jetzt in zunehmendem Maße solche des Typs gärte 'gegärt. Es treten hingegen (gegenwärtig) keine Verben von den schwachen zu den starken über. Behandlung von Neuwörtern: Alle Neuwörter (Entlehnungen und Neubildungen), wiez. B. filmen, funken, kraulen, morsen, streiken, turnen und röntgen, aber auch fetzen, poppen usw. flektieren schwach.4 Die starken Verben erhalten keine Neuzugänge. Behandlung von Nonsenswörtern:. Wenn man Nonsensverben wie *hinnen, *tiegen oder *schnelfen erfindet und sie von einer Testperson konjugieren läßt, bildet diese auf Anhieb die schwachen Formen, vgl. *hinnte,gehinnt usw. Fehlerlinguistik: In der Kommunikation kommen eher Versprecher des Typs *ratetejgeratet anstatt riet/geraten und *greifte/gegreift anstatt griff'/gegriffen vor als Versprecher des Typs *wiet\gewaten anstatt watetejgeicatet und *riff/geriffen anstatt reifte/gereift. 2 Als Ausnahmen dazu aus jüngster Zeit sind Cabstatbs (1979) und (1980) zu nennen. 3 Streng genommen stellen die starken Verben keine Einzelklasse, sondern eine ganze Gruppe nach ähnlichen Prinzipien funktionierender Flexionsklassen dar; vgl. den Begriff der Flexionsklasse in Abschn. 1.4. 4 Vgl. dazu den charakteristischen Fall des vom Substantiv Zwinge gebildeten Verbs zwingen ,in eine (Schraub-)Zwinge einspannen', das trotz des Vorhandenseins des starken Verbs zwingen ,cogere' nicht ,analog' zu diesem stark, sondern schwach konjugiert wird. Ähnlich auch das auf das englische (starke!) Verb swing zurückgehende Wort swingen, das trotz schwingen (schwang, geschwungen) schwach flektiert: ich swingte, geswingt. 2.1. Status der Flexionsklassen 73 Aphasische Störungen: Bei Aphatikern mit einschlägigen Störungen ist die Bildung der Flexionsformen starker Verben im allgemeinen in stärkerem Maße beeinträchtigt als die Bildung der Flexionsformen schwacher Verben.5 Spracherwerb und Kindersprache: Die Kleinkinder beherrschen die Begeln zur Bildung schwacher Flexionsformen vor den Regeln zur Bildung starker Flexionsformen. Es ist im Deutschen ein wesentliches Charakteristikum der sogenannten Kindersprache, daß die starken Verben schwach konjugiert werden: ich gebtejich hob gegebt usw.8 Fremdspraehenerlernung in der Kommunikation: Die Regeln zur Bildung schwacher Konjugationsformen werden eher beherrscht als die Regeln zur Bildung der starken Formen. Akzeptabilität ungrammatischer Formen: Ungrammatische, d.h. von den geltenden morphologischen Normen abweichende, Flexionsformen nebeneinanderstehender Flexionsklassen sind für die nativen Sprecher durchaus nicht immer in gleichem Maße unakzeptabel (,falsch'); sie können sich in ihrer Akzeptabilität unterscheiden. So werden auch abweichende Flexionsformen im verbalen Bereich von den Sprechern eher akzeptiert, wenn es sich um schwach gebildete Formen starker Verben handelt, als wenn es sich um stark gebildete Formen schwacher Verben handelt. Präteritalformen wie z. B. *er fechtete zu fechten, *er schwimmte zu schwimmen, *er Schlagte zu schlagen und *er bietete zu bieten werden von nativen Sprechern des Deutschen spontan als ,besser' bewertet als etwa die Formen *er knocht zu knechten, *er tramm zu trimmen, *er sug zu sagen und *er mot zu mieten.7 Alle acht genannten Kriterien weisen klar in eine einheitliche Richtung, was mit Sicherheit kein Zufall ist: Die Klasse der schwachen Verben ist im Neuhochdeutschen in einem noch näher zu explizierenden Sinne ,normaler' als die Klasse(n) der starken Verben. Zwar kommen die unterschiedlichen Normalitätsgrade von in einem Flexionssystem miteinander konkurrierenden Flexionsklassen bei diesem Beispiel besonders deutlich zum Ausdruck (alle acht Faktenbereiche liefern hier in eindeutiger Weise einschlägige Fakten), doch stellt die deutsche Verbalflexion in dieser Hinsicht keineswegs einen Ausnahmefall dar, sondern einen für die Relationen der Flexionsklassen in einem Flexionssystem zueinander typischen Fall. Miteinander konkurrierende Flexionsklassen unterscheiden sich in der Regel in ihrem Normalitätsgrad.8 Zur Stützung dieser Annahme seien noch einige weitere Beispiele konkurrierender Flexionsklassen mit unterschiedlichen Normalitätsgraden angeführt, wobei wir es allerdings der Kürze halber beim Vergleich der Akzeptabilität der entsprechenden ungrammatischen Flexionsformen belassen wollen: Bei den starken maskulinen Substantiven (d. h. denjenigen mit e/0-Pluralbildung) sind ungrammatische Pluralformen mit Umlaut akzeptabler als ungrammatische Pluralformen ohne Umlaut, vgl. z. B. *die Hunde, *die Punkte (statt der korrekten Formen die Hunde, die Punkte) mit *die Flusse, *die Wolfe (statt die Flüsse, die Wölfe). Bei den entsprechenden Neutra 5 Dieser Feststellung liegen eigene (leider nicht systematische) Beobachtungen von Aphatikern in der damaligen Arbeitsgruppe von E. Weigl in Berlin zugrunde. 6 Vgl. dazu die überzeugenden Fakten in Atjgst (1975: 261). — Was für die Kindersprache gilt, trifft übrigens auch auf die sogenannte Ammensprache (baby talk) zu. ' Man beachte, daß es sich bei der Überprüfung solcher Formen um .Experimente in der Sprachwissenschaft' im Sinne von Schtscheeba (1976: 11 ff.) handelt. 3 Das muß jedoch nicht in jedem Fall so sein; vgl. Absehn. 4.2. 74 2. Flexionsklassen und Natürlichkeit sind die Verhältnisse gerade umgekehrt. Ungrammatische Pluralformen ohne Umlaut wie *die Floße, *die Kloster (statt die Flöße, die Klöster) sind hier akzeptabler als ungrammatische Pluralformen mit Umlaut wie *die Böte, *die Wunder (statt die Boote, die Wunder). Im Einklang damit können wir den Klassenübertritt nichtumlautender Maskulina zu den umlautenden und umlautender Neutra zu den nichtumlautenden in der jüngsten Vergangenheit beobachten, vgl. die Mopse, die Strande, die Zwange9 > die Möpse, die Strände, die Zwänge einerseits und die Böte, die Röhre (zu das Rohr) > die Boote, die Rohre andererseits.10 Die auf einen phonologisch kurzen (phonetisch halblangen) Vokal außer /e/ endenden deutschen Substantive verteilen sich auf zwei Flexionsklassen: Sie bilden ihren Plural entweder mit dem Flexiv /s/ wie Kino — Kinos oder mit /en/ und ,Auslassung' des Auslautvokals wie Fresko — Fresken.11 Dabei sind ganz eindeutig ungrammatische Pluralformen auf /s/ akzeptabler als ungrammatische Pluralformen auf /en/, vgl. *die Freskos, *die Firmas (statt die Fresken, die Firmen) mit *die Kinen, *die Polken (statt die Kinos, die Polkas). Substantive wie das Konto, das Aroma schwanken in ihrer Pluralbildung mit Tendenz zum s-Plural. Schließlich sind bei den Modalverben ungrammatische Formen der 3. Ps. Sg. Präs. ohne das Flexiv /t/ akzeptabler als die entsprechenden ungrammatischen Formen mit /t/, vgl. *er brauch (statt er braucht) mit *er kannt, *er darft (statt er kann, er darf). In bestimmten umgangssprachlichen Varianten des Deutschen hat sich die f-lose Form von brauchen bereits durchgesetzt. In den erwähnten Beispielfällen, die leicht durch viele weitere ergänzt werden könnten, stehen sich also jeweils Flexionsklassen mit unterschiedlichen Normalitätsgraden gegenüber. Obwohl die Flexionsklassen, wie wir festgestellt haben, strikt einzelsprachlich sind, Waben sie — bezogen auf die Einzelsprache — durchaus nicht immer einen gleich-hertigen Status. Es ist offenbar typisch, daß im Rahmen eines gegebenen Flexions-wstems eine Flexionsklasse FKj gegenüber einer Flexionsklasse FKj in ähnlicher syeise vom Sprecher bevorzugt wird wie z. B. in allen phonologischen Systemen die phonologische Klasse der stimmhaften Nasalkonsonanten gegenüber der Klasse der stimmlosen. Die Bevorzugung der stimmhaften gegenüber den stimmlosen Nasalen läßt sich leicht durch die unterschiedliche phonologische Natürlichkeit beider Segmentklassen erklären, die wiederum in angebbarer Weise auf die Funktionsprinzipien der menschlichen Artikulations- und Perzeptionsorgane zurückgeführt werden kann. Wenn wir dagegen den in den linguistischen Fakten verschiedener Bereiche zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Status von konkurrierenden Flexionsklassen mit dem Begriff der einzelsprachlichen Normalität kennzeichnen, so ist damit noch nichts erklärt. Es gilt also zu ermitteln, welche allgemeineren Eigenschaften des einzelsprachlichen Flexionssystems der Normalität von Flexionsklassen zugrunde liegen oder, anders ausgedrückt, durch welche Faktoren die Normalität von Flexionsklassen innerhalb eines gegebenen Systems determiniert ist. Damit ist die Problemstellung für den Hauptteil der vorliegenden Arbeit formuliert. Wir werden im folgenden versuchen, die sich aus dieser Problemstellung ergebenden Teilfragen sukzessive zu beantworten. Da der Großteil der in diesem Abschnitt ange- 9 Nach Paul (1917: 11) gibt es nur die unumgelauteten Pluralformen. 10 Die Formen mit Umlaut werden in Pact, (1917: 18) als „nicht selten" charakterisiert, heute sind sie ausgeschlossen. 11 Beim Typ Fresko — Fresken liegt eine Pluralbildung mit Stammflexion vor, vgl. Abschn. 1.3 sowie 3.1 und 3.3. 2.2. Normalität und Natürlichkeit 75 führten linguistischen Faktenbereiche nicht für ausreichend viele Sprachen und Sprachzustände zur Verfügung steht, werden wir im wesentlichen Fakten aus der Sprach Veränderung zu Rate ziehen. 2.2. Morphologische Normalität und morphologische Natürlichkeit Wir haben oben Mayeethalees Konzept der morphologischen Natürlichkeit relativ ausführlich diskutiert. Jetzt soll überprüft werden, ob dieses Konzept auch diejenigen morphologischen Erscheinungen mit abdeckt, die wir unter dem Begriff der morphologischen Normalität zusammengefaßt haben. Mayeethalees Natürlichkeitskonzept, dem umgekehrt proportional der Begriff der Markiertheit zugeordnet ist (,je mehr Natürlichkeit, umso weniger Markiertheit' und umgekehrt), geht von einer universell gefaßten semantischen Markiertheit der grammatischen Kategorien aus und setzt diese in Relation zur Art ihrer formalen Kodierung. Die Kernfrage innerhalb dieses Konzepts ist, ob die Asymmetrie zweier Kategorien hinsichtlich ihrer semantischen Markiertheit auf eine entsprechende Asymmetrie der Symbolisierung abgebildet wird. Morphologische Natürlichkeit liegt immer dann vor, wenn in diesem Sinne einem semantischen ,Mehr' auch ein konstruktionelles ,Mehr' entspricht. Für ein solches Konzept sind in allererster Linie die Symbolisierungsverhältnisse innerhalb der Paradigmen interessant. Die Flexionsklassenproblematik kommt erst dadurch ins Spiel, daß sich die verschiedenen Flexionsklassen eines Flexionssystems in bezug auf die Prinzipien der Symbolisierung von Kategorien recht unterschiedlich verhalten können. So gibt es etwa den Fall, daß eine markierte Kategorie wie z. B. der Plural in einer Flexionsklasse FKj merkmalhaft (also durch einen Marker), in der Flexionsklasse FK^ dagegen merkmallos (ohne Marker) repräsentiert ist. Weiterhin kann der Fall auftreten, daß in zwei nebeneinanderstehenden Flexionsklassen FKj und FKj eine Kategorie durch morphologische Marker mit unterschiedlichen Ikonismusgraden, also beispielsweise in FKj durch einen additiven Marker und in FKj durch einen modifi-katorischen Marker, symbolisiert wird. Führen wir für beide Konstellationen je ein Beispiel an: Im modernen Englischen gibt es außer der s-Pluralklasse, zu der Fälle wie dog — dog-s, cat — cat-s und horse — horse-s gehören, noch eine kleine Klasse von 0-Pluralen, vgl. sheep — sheep, fish — fish, deer — deer und buffalo — buffalo (neben buffalo(e)s). Da in dieser 0-Pluralklasse kein Pluralmarker erscheint, ist sie weniger natürlich als die Klasse mit dem Pluralmarker -s (/z/). Wenn wir der durchaus plausiblen Annahme folgen, daß für die Spreeher des Englischen die 0-Pluralklasse weniger normal ist als die dominierende s-Klasse, dann zeigt sich hier, daß die Normalität in die gleiche Richtung weist wie die morphologische Natürlichkeit. Ebenso ist es im bereits etwas ausführlicher erörterten Fall der schwachen und starken Verben im Neuhochdeutschen. Hier konkurrieren Flexionsklassen mit additiver bzw. modifika-torischer Tempusbildung, vgl. reif-en — reif-t-en einerseits und greif-en — griff-en andererseits. Die Flexionsklasse mit den natürlicheren additiven Formen ist bei diesen Beispielen zugleich die normalere Klasse. Es sieht also so aus, als sei die einzelsprachliche morphologische Normalität nichts anderes als eine Erscheinungsform der universell gefaßten morphologischen Natürlichkeit. Doch man muß nicht lange suchen, um Beispielfälle zu finden, die erweisen, daß dem nicht so ist. Man braucht hier zunächst nur einmal an solche Fälle zu denken, wo