Lesen- und Schreibenlernen als Aufgabe der Schule Der Beherrschung der Schriftsprache kommt für die Entfaltung der Persönlichkeit, die sprachliche Verständigung, den Erwerb von Wissen und Können, die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen sowie für den Zugang zum Beruf und für das Berufsleben besondere Bedeutung zu. Eine grundlegende Vermittlung von Sprach- und Sprechfertigkeiten sowie eine gewissenhafte Sprachpflege gehören daher zu den Hauptaufgaben der Schule. Insbesondere die Grundschule muss dafür Sorge tragen, dass sich möglichst alle Schüler die grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechtschreiben aneignen. Unbeschadet der hohen Bedeutung sicherer Rechtschreibkenntnisse darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass technische Kommunikationsmittel zunehmend in der Lage sind, diesbezügliche Störungen oder Schwächen teilweise auszugleichen. Bei einer nicht geringen Zahl von Schülern ist der Schulerfolg durch besondere Schwierig- keiten im Lesen und Rechtschreiben beeinträchtigt. Davon sind insbesondere Schüler der Grundschule, aber auch Schüler aller anderen Schularten betroffen. Die nachstehenden Grundsätze und Regelungen sollen dazu beitragen, bei einer vorliegenden Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche angemessene Fördermaßnahmen einzuleiten und durchzuführen, dem Entstehen solcher Teilleistungsstörungen im Rahmen des Möglichen vorzubeugen und auftretende Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens soweit möglich zu überwinden. 1. Voraussetzungen für das Erlernen des Lesens und Rechtschreibens Das Erlernen des Lesens und Schreibens vollzieht sich in einem sehr differenzierten Prozess, der Sprach- und Sprechfähigkeiten, optische und akustische Wahrnehmung und Differenzierung als Grundlage für phonologische Bewusstheit, rhythmische Gliederungsfähigkeit, Symbolverständnis sowie feinmotorische Fertigkeiten der Hand voraussetzt. Wichtig sind aber auch allgemeine Lernvoraussetzungen wie Selbstvertrauen, Freude am Lernen, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit, intellektuelle Neugierde, Denkfähigkeit, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. Weil die Schulanfänger unterschiedliche Lernvoraussetzungen mitbringen, hat die Lehrkraft zu Beginn der Jahrgangsstufe 1 die Ausgangslage jedes Schülers durch gezielte Beobachtung festzustellen und zu berücksichtigen. Soweit die Schüler die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Vorschulalter noch nicht erworben haben, müssen diese besonders im Anfangsunterricht systematisch entwickelt werden, bevor mit dem Lese- und Schreiblernprozess begonnen wird. 2. Unterricht Ein sorgfältig durchgeführter Erstlese- und Erstschreibunterricht berücksichtigt nicht nur die individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler, sondern sichert auch die einzelnen Stufen und Phasen des Schriftspracherwerbs. Dabei muss sich der Unterricht an den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen sowie dem individuellen Lernverhalten und Lerntempo der Schüler orientieren. Der verbindliche Übungswortschatz erlaubt zunächst eine Konzentration des Rechtschreibunterrichts auf die intensive Einübung ausgewählter Wörter, bildet aber nur die Grundlage für die Übertragung und Weiterentwicklung rechtschriftlicher Erkenntnisse und Regelungen in alters- und entwicklungsangemessener Weise. Dazu eignen sich auch alle anderen Fächer. Variierende Übungsformen, die sowohl dem rechtschriftlichen Charakter des Wortes als auch einem kind- und zeitgerecht gestalteten Unterricht Rechnung tragen, sowie häufige Wiederholung tragen dazu bei, erworbene Rechtschreibkenntnisse zu sichern. Auf diese Weise gelingt es, bestehende Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben angemessen zu berücksichtigen, durch geeignete Unterrichtsverfahren und gezielte Fördermaßnahmen entstehenden Schwierigkeiten vorzubeugen und ein Versagen im Lesen und Schreiben und seine negativen Auswirkungen auf das gesamte schulische Lern- und Leistungsverhalten zu verhindern. Die genannten Hilfen im Fach Deutsch gelten sinngemäß auch beim Erlernen von Fremdsprachen. III Fördermaßnahmen Fördermaßnahmen im Rahmen des Unterrichts “Die Grundschule betreut jedes Kind mit dem Ziel seiner allseitigen Förderung. Sie sucht individuelle Begabungen bestmöglich zu entfalten, bemüht sich, Rückstände aufzuholen, Schwächen zu beheben oder anderweitig auszugleichen und leitet – wenn dies nicht mög-lich ist – dazu an, mit ihnen zu leben” (Lehrplan für die Grundschule, KMBl I, So.-Nr. 20/1981). Entsprechendes gilt für alle anderen Schularten. Viele Schüler haben Schwierigkeiten bei der Schriftsprachentwicklung, bei manchen hal-ten diese Schwierigkeiten an. Die Lernfortschritte eines Schülers sind deshalb von Anfang an sorgfältig zu beobachten. Treten in der Grundschule beim Erlernen des Lesens und / oder Rechtschreibens besondere Schwierigkeiten auf, ist zu versuchen, diese mit geeig-neten Fördermaßnahmen im Rahmen der inneren Differenzierung im regulären Unterricht sowie in den in der Stundentafel für die Grundschule besonders ausgewiesenen Förder-stunden zu beheben. Die Fördermaßnahmen werden in der Regel vom Klassenlehrer durchgeführt. Eine Ausgliederung ist dabei in der Jahrgangsstufe 1 zu vermeiden. In den anderen Jahrgangsstufen der Grundschule wie auch in der Hauptschule können klassen-übergreifende Stütz- und Förderkurse gebildet werden (Bestimmungen zur Stundentafel, Nr. 4.3). Eine äußere Differenzierung, z.B. in Form sog. Legasthenikerklassen, ist nicht statthaft. Für Schüler, deren Lese- und Rechtschreibschwäche über die Grundschule hinaus besteht, können geeignete Fördermaßnahmen in den weiterführenden Schularten einschließlich der Jahrgangsstufe 10 ergriffen werden. Besondere Fördermaßnahmen In Anwendung des § 10 Abs. 4 Nr. 1 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern kann für Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens an Grund- und Hauptschulen besonderer Förderunterricht eingerichtet werden. In einzelnen Fällen wird es nötig sein, insbesondere zur Unterscheidung von Schülern mit Legasthenie und solchen mit einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche, die Beobachtungen der Schule durch gezielte Untersuchungen zu ergänzen. Soweit nicht eine medizinische Untersuchung angezeigt erscheint, können besonders fachkundige Lehrkräfte (Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen) damit beauftragt werde. Tests sollen dabei jedoch nicht nur der Feststellung von Art und Ausmaß bestimmter Schwä- chen dienen, sondern in erster Linie geeignete Fördermaßnahmen aufzeigen. Da punk- tuelle Tests allein nicht aussagekräftig genug sind, sollten sie durch gezielte Langzeit- beobachtungen gestützt werden. Bei Schülern, deren Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben in Zusammenhang mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf stehen, ist bei Fortdauer erheblicher Schwie- rigkeiten ggf. zu überprüfen, ob eine weitere Förderung in der Grundschule bzw. in der Hauptschule in angemessener Weise möglich ist. 3. Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten Die Erziehungsberechtigten von Schülern mit Legasthenie bzw. mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche sollen frühzeitig über Art und Ausmaß der Teilleistungsstörungen und über die Möglichkeiten, sie zu überwinden bzw. mit ihnen zu leben, informiert werden. Ihnen sind Beobachtungen zu Verhaltensweisen des Schülers beim Lesen und Schreiben mitzuteilen wie umgekehrt auch Beobachtungen der Eltern in die schulische Beurteilung und Förderkonzeption einfließen sollen. In den Volksschulen unterrichten die Klassenlehrer, in den weiterführenden Schularten die Fachlehrer für Deutsch bzw. für die Fremdsprachen die Erziehungsberechtigten über bestehende oder neu auftretende Schwierigkeiten frühzeitig und ausführlich und versu- chen im Gespräch, unnötigen Ängsten vorzubeugen. Darüber hinaus erhalten die Erzie- hungsberechtigten Hinweise auf die Methode des Schriftspracherwerbs bzw. des Erwerbs der Fremdsprache, auf besondere Lehr- und Lernmittel, häusliche Übungs- und Förder- möglichkeiten sowie Verhaltensweisen gegenüber dem Schüler. Wo es erforderlich ist, sollen die Erziehungsberechtigten über die Notwendigkeit der Förderung beraten werden. Sie sind über die beabsichtigten schulischen Förder- maßnahmen zu informieren. Erziehungsberechtigte von Kindern, bei denen Verdacht auf Legasthenie besteht oder Legasthenie festgestellt wurde, sollen darüber hinaus über weitere außerschulische Fördermöglichkeiten und entsprechende Einrichtungen, z.B. das Jugendamt, beraten werden. Zur Förderung dieser Kinder hält die Schule engen Kontakt mit diesen Ein- richtungen und stimmt die eigenen Fördermaßnahmen mit den dort tätigen Fachkräften ab. Falls von den Erziehungsberechtigten eines Kindes mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche nach Abschluss der Grundschule ein Übertritt des Kindes an das Gymnasium oder die Realschule beabsichtigt ist, sind sie vor einer Entscheidung auf die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Schulart, insbesondere im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen, hinzuweisen. IV Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung, Zeugnisse 3.2 Fremdsprachen In den weiterführenden Schulen stellen sich für Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche beim Erlernen einer Fremdsprache die gleichen Probleme wie im Fach Deutsch. Soweit rein rechtschriftliche Leistungen abgeprüft werden, ist bei Schü- lern mit gutachterlich festgestellter Legasthenie analog zum Fach Deutsch auch in der Fremdsprache von einer ziffernmäßigen Bewertung des Lesens und Rechtschreibens abzu- sehen. Bei der Festlegung der Zeugnisnote sollen je nach Art und Ausmaß ihrer Teilleis- tungsstörung die mündlichen Leistungen im Vordergrund stehen. Bei Schülern mit gut- achterlich festgestellter Legasthenie sind schriftliche und mündliche Leistungen im Ver- hältnis 1: 1 zu gewichten. Die Festsetzung der mündlichen Note erfolgt auf der Basis von rein mündlichen Leistungsnachweisen (nicht Stegreifaufgaben), je nach Schulart in ange- messener Anzahl. In der Zeugnisbemerkung ist darauf entsprechend einzugehen.