91. Mehrsprachigkeitskonzepte 825 Vygotsky, Lev S. 1978 Mind in society. The development of higher psychological processes. Cambridge, M.A.: Harvard University Press. Watanabe, Yuko und Merrill Swain 2007 Effects of proficiency differences and patterns of pair interaction on second language learning: collaborative dialogue between adult ESL learners. Language Teaching Research 11: 121Ϫ142. Wood, David, Jerome Seymour und Gail Ross 1976 The role of tutoring in problem-solving. Journal of Child Psychology and Psychiatry 17: 89Ϫ100. Karin Aguado, Kassel (Deutschland) 91. Mehrsprachigkeitskonzepte 1. Einleitung 2. Deutsch als zweite oder weitere Fremdsprache 3. Relevanz für Deutsch als zweite Fremdsprache 4. Ausblick 5. Literatur in Auswahl 1. Einleitung Wie auch diese zweite Auflage des Handbuchs DaF belegt, hat das Unterrichtsfach und Forschungsfeld Deutsch als Fremdsprache einen festen Platz in der internationalen Fremdsprachendidaktik und Sprachlehr- und -lernforschung inne. Jedoch bestehen seit einiger Zeit auch Änderungen im Erscheinungsbild vom DaF-Unterricht, so dass das Fach DaF heute kaum auf sehr enge Weise betrachtet werden darf. Um die Änderungen präziser zu beschreiben: Weniger hat sich die Situation des DaFUnterrichts geändert als unsere Auffassung darüber. Denn wobei die DaF-Lern- und Lehrforschung sich früher auf genau dies Ϫ das Lernen und Lehren von Deutsch Ϫ konzentrierte (bzw. je nach erwerbstheoretischem Hintergrund des Forschenden oder angewandter Unterrichtsmethode auch die Muttersprache als Einflussfaktor im Deutschlernen) und dabei oft die Lernenden aus dem Blick verlor, fokussiert sie heute vielmehr individuelle Unterschiede der Lernenden (s. Kapitel IX, Artikel 92Ϫ99) und das Individuum als autonom(er) und selbst bestimmend/agierend. Im Rahmen eines Kapitels zu Mehrsprachigkeitskonzepten stehen hier vor allem die individuellen Unterschiede in Bezug auf sprachliche Hintergründe unserer Lernenden im Zentrum. Die typischen Deutschlernenden haben wesentlich breitere sprachliche Erfahrungen, auf deren Basis sie sich an die neue Sprache begeben, als häufig von Lehrkräften bzw. Lehrmaterialien anerkannt wird. VIII. Spracherwerb und Sprachenlernen: Modelle und theoretische Ansätze826 So kommen weltweit Lernende in den Deutschunterricht nicht nur mit zwei oder auch mehr Muttersprachen (L1, erste Sprache/n), wie es in mehrsprachigen Ländern der Fall ist (z. B. Berber und Arabisch in Marokko oder eine Migrantensprache wie Russisch sowie Deutsch in Deutschland). Auch Lernende, die mit nur einer Muttersprache aufgewachsen sind, haben bereits Erfahrungen mit anderen Sprachen, i. d. R. mit Englisch als erster schulischer Fremdsprache (L2) vor Deutsch. Ist Englisch erst die zweite Fremdsprache, so liegt dies meist an der sprachlichen Situation des jeweiligen Landes Ϫ so lernen als L2 arabische Schulkinder in Palästina zunächst Hebräisch oder kasachisch sprechende Schulkinder zuerst Russisch. Erst später wird eine zweite (L3) und dann eventuell weitere (L4, L5, Ln) Fremdsprache/n gelernt. Diese weiteren Sprachen werden, wenn auf die Nomenklatur geachtet wird, in der Mehrsprachigkeitsliteratur für gewöhnlich mit dem Begriff Tertiärsprache gekennzeichnet Ϫ hierzu gehören also alle Sprachen, die nach der ersten Fremdsprache gelernt werden. Somit kehren wir zurück zur Eingangsbehauptung, dass das Erscheinungsbild des Faches Deutsch als Fremdsprache sich geändert hat: In der Tat muss in der Regel vom Fach Deutsch als Tertiärsprache die Rede sein, denn Deutsch wird fast immer nach Englisch und oft auch weiteren Fremdsprachen gelernt. Warum diese neue Situation für den DaF- (bzw. auch DaZ-, obwohl wir in diesem Artikel nicht gesondert auf die besondere Situation des DaZ-Erwerbs eingehen) Unterricht von Relevanz ist, wird nach Betrachtung zweier Fragestellungen deutlich: (1) Inwiefern ist der Lernprozess von Tertiärsprachenlernenden unterschiedlich zu dem von Lernenden einer ersten Fremdsprache? und (2) Welche Konzepte bestehen für einen dieser sprachlichen Situation angemessenen Deutschunterricht? 2. Deutsch als zweite oder weitere Fremdsprache 2.1. Wie lernen Tertiärsprachenlernende? Wir wenden uns zunächst der ersten Frage zu: Was unterscheidet das Tertiärsprachenlernen vom Lernen einer ersten Fremdsprache? Als theoretische Basis nehmen wir hier das Lernmodell von Hufeisen, welches zeigt, was die Unterschiede zwischen dem Erwerb der L1, dem Lernen der L2 und dem Lernen der L3 (und weiterer Tertiärsprachen) sind. Dabei sollen der Erwerb der L1 und das Lernen der L2 hier nicht intensiver diskutiert werden (vgl. Artikel 83, 84 und 86). Der Erstspracherwerb eines Kindes wird hauptsächlich von neurophysiologischen Faktoren (einer angeborenen Spracherwerbsfähigkeit, vgl. hierzu Szagun 2006) sowie lernerexternen Faktoren wie der Lernumgebung, in der das Kind aufwächst, sowie der Art und dem Umfang des Inputs beeinflusst. Diese zwei Einflüsse tragen zu einem mühelosen Erwerb der Muttersprache bei. Beim Lernen einer L2 treten zum ersten Mal weitere, bedeutende Faktoren zum Lernprozess und Lernerfolg auf. Diese sind: Ϫ Emotionale Faktoren (z. B. Mag ich diese Sprache? Motivation, diese Sprache zu lernen, Angst beim Sprechen oder bei Prüfungen, empfundene Nähe/Distanz zwischen den Sprachen …) 91. Mehrsprachigkeitskonzepte 827 Ϫ Kognitive Faktoren (z. B. Bewusstheit über Sprachen, linguistische Bewusstheit, Wissen um den eigenen Lerntyp, Lernstrategien) Ϫ Linguistische Faktoren (L1, die Interlanguage der L2) Mit der Konfrontation mit einer zweiten Fremdsprache wie Deutsch als Tertiärsprache (ϭ DaT) verändert sich die Lage um einiges: Hierbei gibt es nicht nur quantitative Änderungen (Lernende nähern sich einem weiteren Sprachsystem), sondern auch vor allem qualitative Unterschiede, die im Faktorenmodell als fremdsprachenspezifische Faktoren bezeichnet werden. Die Erkenntnisse zu diesen Faktoren basieren auf der Forschung zum Tertiärsprachenlernen (vgl. Jessner 2008). Im Folgenden werden die Faktorenbündel in Bezug auf ihre Tertiärsprachenspezifik dis- kutiert: Zu den emotionalen Faktoren zählen nun folgenden Charakteristika für L3-Lernende: Sie scheinen zielorientierter als L2-Lernende, dem Fremdsprachenlernen offener gegenüber, risikofreudiger, selbstständiger, sie sehen formale Richtigkeit als weniger wichtig an, und sie gehen gelassener vor, wenn sie etwas nicht auf Anhieb kennen oder können. Zu den kognitiven Faktoren zählt, dass L3-Lernende kreativer im Sprachgebrauch als L2-Lernende sind, sie haben bereits ein Konzept von Fremdsprachenlernen entwickelt, verstehen, wie sprachliche Einheiten zusammengesetzt werden, dass Wörter abgeleitet werden können, und haben schon ein grammatik-analytisches Verfahren entwickelt. Weiterhin haben sie sich vermutlich umfangreichere und erfolgreichere Lernstrategien im Laufe des L2-Lernens angeeignet und können diese bereits zu Beginn des L3-Unterrichts zielgerichtet einsetzen. Die linguistischen Faktoren sind nun auch erweitert; L3-Lernende haben inzwischen konkretes Wissen sowohl über das System der L1 als auch über die L2 (Englisch und evtl. andere Sprachen). Schließlich sind fremdsprachenspezifische Faktoren zu nennen, die erst bei (mindestens) bilingualen Lernenden vorkommen können. Hierzu gehört die Erfahrung im sprachenübergreifenden Denken bzw. im interlingualen Erschließen, wobei dies nur durch den Erwerb mindestens zweier Vergleichssprachen eingesetzt werden kann. Dies ist übrigens eine bedeutende Größe beim Tertiärsprachenlernen, denn diese Fähigkeit kann insbesondere, wenn sie zielgerichtet eingeübt wird, das Lernen effektiver und effizienter machen, wie eine Studie von Marx (2005) zum Einsetzen eines DaFnE-gerechten (Deutsch als Fremdsprache nach Englisch) Unterrichts ergab. Wie kann ein nun solchermaßen DaFnE-gerechter Unterricht aussehen? 2.2. Richtlinien der Tertiärsprachendidaktik Im Folgenden grenzen wir Konzepte der Tertiärsprachendidaktik (die sich auf das Lehren und Lernen einer zweiten oder weiteren Fremdsprache bezieht) von Konzepten der Mehrsprachigkeitsdidaktik (die an einer sprachübergreifenden Vorgehensweise interessiert sind, insbesondere an der Aneignung mehrerer Sprachen gleichzeitig) und von Konzepten der rezeptiven Mehrsprachigkeit (die Teilkompetenzen in verschiedenen Sprachen erzielen) ab. Beim Lernen und Lehren einer Tertiärsprache bestehen zwei mögliche Ausgangspositionen: Entweder wird mit den möglichen Transferquellen (Ähnlichkeiten und Erfahrun- VIII. Spracherwerb und Sprachenlernen: Modelle und theoretische Ansätze828 gen ausnutzen) angefangen, oder es wird vor möglichen Interferenzen Ϫ also vor Fehlerquellen aus der L1, der L2 oder anderen Sprachen Ϫ gewarnt. Im Rahmen der Tertiärsprachendidaktik ziehen wir eindeutig die erste Auffassung vor. In den Lernprozess mit einbezogen werden sollen demnach drei Wissens- und Erfah- rungsbereiche: Ϫ deklaratives Wissen über die Systeme der L1, L2, L3, Ln sowie über den Prozess des Sprachenlernens Ϫ prozedurales Wissen über das Herangehen an neue Sprachen (z. B. Lernstrategien) Ϫ interkulturelle Erfahrungen und Kenntnisse über die eigenen Kulturen und fremde Kulturen. Die folgenden Richtlinien der Deutsch-als-Tertiärsprachendidaktik sind leicht modizifiert übernommen von Neuner et al. (2008) und versuchen, die Lernsituation DaFnELernender (s. o.) in Betracht zu ziehen. (1) Kognitive Vorgehensweise mit einem bewussten Sprachenvergleich DaT-Lernende sind älter als beim ersten Kontakt mit einer L2, meistens schon Jugendliche oder Erwachsene. Sie haben dadurch bereits ein verändertes Lernverhalten (eher kognitiv als imitativ) und verlangen auch nach einer kognitiven Vorgehensweise. Daraus folgt für den DaT-Unterricht, dass bekannte Sprachsysteme Ϫ auch die Muttersprache Ϫ reflektiert betrachtet werden sollten. Dabei kann die Lehrkraft Ähnlichkeiten entdecken, besprechen, und vergleichen lassen; auffällige Unterschiede werden ebenfalls entdeckt und zur Kenntnis genommen. Lernverfahren werden überlegt und der eigene Lernprozess (und die Lernprogression) kann bedacht werden. Überzeugende Beispiele eines solchen Verfahrens sind auch u. a. bei Berger und Colucci (1999) sowie bei Neuner und Kursisˇa (2006) finden. Dazu fordert die Tertiärsprachendidaktik auf, den Bereich der Lernstrategien und Lerntechniken verstärkt einzusetzen und zu besprechen. Somit lernen Schülerinnen und Schüler, sich schneller und effektiver in einer neuen Sprache zu orientieren und ihre sprachlichen Bedürfnisse zu decken (s. auch Artikel 93). (2) Inhalts- und Textorientierung DaT-Lernende sind oft wählerischer in Bezug auf Lernmaterialien; werden sie mit vermeintlich einfachen, thematisch uninteressanten oder gar kindlichen Texten konfrontiert, die schon gelegte Wissensstrukturen nicht mit aufnehmen, lehnen sie diese schnell ab. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für Strukturen Ϫ scheint die Progression zu langwierig, geben Lernende aufgrund der Unterforderung schneller auf. Lernmotivation wird dementsprechend durch eine geeignete Themenauswahl erhöht. Das kann auch bedeuten, dass Lernende allein arbeiten können, um für sie interessante Themen zu erforschen, oder in Grammatikwerkstätten Strukturen selber erschließen lernen. Dabei soll Neues stets vor dem Hintergrund des schon Bekannten gelernt werden. (3) Fokus auf Teilkompetenzen als Grundlage Neue Elemente im Deutschen können schnell mit Hilfe der schon bestehenden Kenntnisse aus anderen Sprachen Ϫ vor allem verwandten Sprache wie dem Englischen Ϫ verstanden werden. Warum sind rezeptive Fertigkeiten hierbei von besonderer Bedeutung? Erstens kann vor allem in den Anfangsstadien ein Fokus auf rezeptive Kompetenzen gelegt werden, 91. Mehrsprachigkeitskonzepte 829 um vom Verstehen zur Äußerung arbeiten zu können und somit eine schnelle (rezeptive) Progression zu erlangen. Zweitens ist das Ziel eines Tertiärsprachenunterrichts nicht mehr eine gleichmäßige Steigerung über alle Fertigkeiten, sondern je nach Handlungsbedarf ein ungleichmäßiger Ausbau bestimmter Fertigkeiten. Wichtig ist, dass wir erkennen, dass bestimmte Fertigkeiten gewichteter sind für bestimmte Ziele Ϫ die meisten Fremdsprachensprechenden brauchen dementsprechend besser ausgebaute Hör- und Lesefertigkeiten als z. B. Schreibfertigkeiten. So verbringen wir weitaus mehr Zeit mit Hören als mit Sprechen, und mehr Zeit mit Lesen als mit Schreiben. (4) Fokus auf Lernerautonomie Im Tertiärsprachenunterricht werden Lern- und Kommunikationsstrategien immer wichtiger, da auf das (lebenslange) Lernen weiterer Fremdsprachen vorbereitet wird. L3Lernende kennen bereits viele (vgl. das einschlägige Werk von Missler 1999). Wenn Strategien jedoch im L2-Unterricht nicht oder nur wenig behandelt wurden, fällt die Vorbereitungsarbeit für ein lebenslanges Fremdsprachenlernen dem L3-Unterricht zu, und Strategien sollen daher im Unterricht thematisiert und ausprobiert werden. Das Ziel dabei ist, Strategien nicht nur kennen zu lernen, sondern angemessen in einer Lernsituation einzusetzen (ein Kennzeichen guter Sprachenlernender). 3. Relevanz ür Deutsch als Fremdsprache In Anlehnung an die oben erwähnten Richtlinien der Tertiärsprachendidaktik und v. a. mit Blick auf die DaT-Situation, muss von gängigen Lehr- und Lernkonzepten gefordert werden, dass sie sich an diesen aktuellen Rahmenbedingungen orientieren. Hier schlägt sich eine gewisse Tendenz nieder: Obwohl sich schon seit Ende der 1990er Jahre Ansätze der Tertiärsprachendidaktik in DaF-Lehrwerken herausbilden, bleiben die daraus gezogenen Konsequenzen oft bei einer recht oberflächlichen Behandlung (weiteres dazu s. Marx 2008). Anfangs Ϫ das ist noch nicht lange her Ϫ hat die neue Tertiärsprachendidaktik zu einer Fokussierung auf eine kontrastive Fremdsprachendidaktik geführt, worin vor allem interlinguale Lern- und Erschließungsstrategien (bezogen fast ausschließlich auf L2-L3) herangezogen wurden. Jedoch bleibt auch bei den meisten neueren Lehrwerken die Tertiärsprachendidaktik unberücksichtigt. Die jetzt zum Usus gewordenen vereinzelten Übungen zum internationalen oder englischen Wortschatz im Deutschen, die sich in den ersten Lehrwerkkapiteln befinden, spiegeln längst nicht eine angemessene Tertiärsprachendidaktik wider; denn diese versucht, durchgängig und über alle sprachlichen Bereiche (Phonetik, Morphologie, Syntax, Semantik; aber auch Pragmatik und Interkulturelles) weitere Sprachkenntnisse und (interlinguale) Lernerfahrungen hinaus zu berücksichtigen. Naturgemäß ergeben sich direkt im Anfangsunterricht erheblich mehr Schnittstellen Ϫ sowohl in deklarativen als auch in prozeduralen Wissensbereichen. Dies hat einerseits mit der Etymologie der englischen und deutschen Sprachen zu tun (v. a. bei einfacheren Strukturen und im Basiswortschatz decken sich die Strukturen und die Semantik der zwei Sprachen), aber auch mit den Lernstrategien, die bei unteren Lernniveaus verstärkt eingesetzt werden müssen, um trotz fehlender sprachlicher Kenntnisse erfolgreich Kommunikationsziele zu erreichen. Dies wird auch in Lehrwerken reflektiert: Wenn Ter- VIII. Spracherwerb und Sprachenlernen: Modelle und theoretische Ansätze830 tiärsprachenkonzepte in Lehr- und Lernmaterialien aufgenommen werden, dann vor allem bis zum A2-Niveau. Es bleibt zu konstatieren, dass jede Deutschlehrkraft die eigenen Lehrwerke auf Basis der Richtlinien für eine Tertiärsprachendidaktik untersuchen muss, um herauszufinden, inwiefern sie den Leitlinien gerecht wird. Über die generellen Anforderungen an eine zeitgemäße kommunikativ-kognitive Fremdsprachendidaktik hinaus müssen sich DaTLehrkräfte auch die Fragen stellen: Ϫ Wie wird die L2 verstanden Ϫ als eine Hilfestellung oder Brücke zur zu lernenden Fremdsprache, oder als reine Kontrastsprache? Ϫ Werden frühere (Fremdsprachen-)Lernerfahrungen berücksichtigt, und zwar nicht nur sprachliche und prozedurale, sondern auch interkulturelle? Ϫ Werden Lern- und Erschließungsstrategien einbezogen, die auf Korrespondenzen und Unterschiede zwischen schon erworbenen und gelernten Sprachen und der L3 basie- ren? Ϫ Werden Gelegenheiten für eine Reflexion bereits bestehender sprachlicher und prozeduraler Kenntnisse (z. B. aus dem früheren FSU) eingeräumt? Ϫ Werden die Prinzipien nur ansatzweise bzw. in den ersten Lehrwerkskapiteln einbezogen, oder kontinuierlich? Eine Lehrwerkserie für DaT, die diesen Prinzipien konsequent und kontinuierlich folgt, orientiert sich besser an den kognitiven Voraussetzungen mehrsprachiger Lernender, bezieht Erfahrungen mit der Mehrsprachigkeit zum Vorteil des Deutschlernens mit ein, und hilft Lernenden, autonomer an fremdsprachliche Systeme heranzugehen Ϫ und baut somit nicht nur eine Brücke zum Deutschen, sondern auch zu jeder weiteren Sprache, an die sich Lernende im Laufe ihres Lebens heranwagen. 4. Ausblick Nachdem es sich bei den Mehrsprachigkeitskonzepten um relativ junge Forschungsarbeiten handelt, gibt es noch viele Bereiche, die genauer betrachtet werden müssten. So müssten die sprachlichen Fertigkeiten sowie die Bereiche der Aussprache, Wortschatz, Morphosyntax, Textkompetenz und Fachsprache in Bezug auf Sensibilisierungsmöglichkeiten untersucht werden. Die Relevanz möglicher Sprachlerneignung müsste in Relation zur Transferfähigkeit zwischen einzelnen Sprachen bedacht werden. Einzelne sprachsystematische Aspekte könnten in den Blickpunkt gerückt werden: Eigenen sich alle grammatischen, lexikalischen, syntaktischen und textuellen Bereiche des Deutschen für interlinguale Vergleiche? Ein zweiter großer Bereich, der von den Ergebnissen der Mehrsprachigkeitsforschung profitieren könnte, ist die Lehrerausbildung: Welche und wie viele Kenntnisse sollten Lehrende über sprachenübergreifende Spracherwerbstheorien wissen? Wie viel eigene Sprachenkenntnisse benötigen Lehrende, um mehrsprachigkeitsorientiert zu unterrichten? Wie müssten Lehrveranstaltungen zur Didaktik und Methodik gestaltet bzw. verändert werden, wenn sie das Lehren und Lernen von Deutsch als L3 im Kontext anderer Sprachen betrachten? Die nächsten Jahre der Mehrsprachigkeitsforschung werden zeigen, in welchen linguistischen Bereichen sich die individuelle Mehrsprachigkeit besonders nachweisen lässt, 91. Mehrsprachigkeitskonzepte 831 wie sich die festgestellten Unterschiede zwischen dem Lernen einer ersten Fremdsprache und dem Lernen von Tertiärsprachen beim Lernprozess selbst niederschlagen und wie der Lehrprozess noch spezifischer darauf eingehen kann. 5. Literatur in Auswahl Berger, Maria Christina und Alfred Colucci 1999 Übungsvorschläge für „Deutsch nach Englisch“. Fremdsprache Deutsch 20: 22Ϫ25. Deutsch als zweite Fremdsprache 1999 Themenheft: Fremdsprache Deutsch 20. Hufeisen, Britta und Nicole Marx 2005 Auf dem Wege von einer allgemeinen Mehrsprachigkeitsdidaktik zu einer spezifischen DaFnE-Didaktik. Fremdsprachen lehren und lernen (FLuL) 34: 146Ϫ155. Hufeisen, Britta und Gerhard Neuner 2003 Mehrsprachigkeitskonzept Ϫ Tertiärsprachenlernen Ϫ Deutsch nach Englisch. Straßburg: Europarat Jessner, Ulrike 2008 Teaching third languages: Findings, trends and challenges. Language Teaching 41(1): 15Ϫ56. Marx, Nicole 2005 Hörverstehensleistungen im Deutschen als Tertiärsprache: zum Nutzen eines Sensibilisierungsunterrichts im „DaFnE“. Baltmannsweiler: Schneider. Marx, Nicole 2008 Wozu die Modelle? Ϫ Sprachlernmodelle in neueren DaF-Lehrwerken Ϫ am Beispiel der Tertiärsprachendidaktik. Fremdsprache Deutsch 38: 19Ϫ25. Neuner, Gerhard, Britta Hufeisen, Anta Kursisˇa, Nicole Marx, Ute Koithan und Sabine Erlenwein 2008 Deutsch im Kontext anderer Sprachen. Tertiärsprachendidaktik: Deutsch nach Englisch (Fernstudieneinheit 26) Langenscheidt/Goethe-Institut: München. Neuner, Gerhard und Anta Kursisˇa 2006 Deutsch ist easy! Lehrerhandreichungen und Kopiervorlagen. Ismaning: Hueber. Nicole Marx, Paderborn (Deutschland) Britta Hufeisen, Darmstadt (Deutschland)