5 I. TEIL DAS RECHTSDENKEN Was ist Rechtsdenken? Welche Eigenschaften bestimmen es? Ist es eine spezielle Denkweise? Brauchen die Juristen dazu besondere Fähigkeiten? Bevor diese Fragen beantwortet werden können, sollen zunächst die Hauptmerkmale betrachtet werden, welche das Denken kennzeichnen. 1. WAS IST DENKEN? GEGENSTAND DES DENKENS Das Denken ist die höchste Stufe der psychischen Tätigkeit des Menschen. Denken ist eine Funktion des menschlichen Gehirns. Die Denkprozesse äussern sich durch verschiedene Formen, Strukturen und Prozeduren. Beim Denken reflektieren wir unsere Welt als Objektwelt. (Das Denken kann für sich selbst ein Objekt sein.) Das erste Merkmal lautet: Das Denken bezieht sich immer auf einen Gegenstand. Bemerkung: Die Frage nach den Grundlagen, nach der Natur und der Funktion des Denkens steht im engen Zusammenhang mit den Grundfragen und deren Beantwortung in der Philosophie. DENKEN IST RATIONALE, VERMITTELTE ERKENNTNIS Das Denken verarbeitet die Materialien der Sinneserfahrung, in denen Allgemeines und Besonderes, Wesentliches und Unwesentliches, Notwendiges und Zufälliges in bunter Mannigfaltigkeit vereinigt sind. Es hebt aus dieser undifferenzierten Einheit das Allgemeine, Wesentliche und Gesetzmässige durch eine Reihe analytisch-synthetischer Operationen heraus und fixiert es in abstrakten Begriffen. Das Denken erzeugt ideelle Begriffe vor allem durch Abstraktion und Verallgemeinerung. Mit Hilfe der Begriffe befähigt es die Menschen, ihre Welt besser zu erkennen.