Fasora, Lukáš ř Hanuš, Jift filozofická fakulta Masarykovy univerzity. Pohledy na dijiny a soHÓatnoit [Die Philosophische Fakxtlát der Masaryk-Universitat. RtfraihtHtigert zu. Gt$chkbtt und Gegenwart}, Masarykovi univerzita, Brnu 20I0„ J41 S,h y.jhlr. Abb.. engl. ZtmnunenFiSSüilg, ISBN: 978 ■ SŮ-21Ó-5J2É-7, Natürlich ließe sich sagen, 90 Jahre im Leben einer „Provinz-u ni versi tatK stellen keine jí lvu lange Zeitspanne dat, noch dazu wenn die Alma Mater - und damit auch deren Philosophische Fakultät- erst 1919 gegründet wurde- Dieses Vorurteil bedarf allerdings einer grundlegenden Korrektur, spiegeln sich doch in den neun seither vergangenen Dekaden sämtliche Brüche wider, welche die Geschichte Ost mittel- europas, noch mehr jedoch diejenige der Tschechoslowakei und die Geschichte einer Stadt kennzeichnen, die bis 1945 in erheblichem Umfang auch eine Stadt der (mährischen) Deutschen war. 20C9 beging die nach dem Siaaisgründer Tomáš G. Masaryk benannte Universität in Brünn,, die in den Jahren 19Ů0-19S9 den politisch unverfänglichen Namen des 1869 verstorbenen böhmischen Physiologen und Pathologen Jan Evangelista Pur-kyné trug, ihr neunzigjähriges Gründlings Jubiläum, Aus der Konkursmasse der habsburgiseben Doppelinonarehie ging IS IM .weh die Erste Tschechoslowakische Republik hervor, die mit der seit 1882 nach ethnisch-nationalen Prinzipien geteilten Karls-Universität zu Prag über eine einzige Alma Mater verfügte. Uic Gründung einer zweiten nationalen Hochschule stellte geradezu eine staatspolitisch notwendige Aufgabe dar, die die Tschechen energisch angingen und dabei in Mahren an bereits erprobte Versuche nur Platzierung von Universitäten in O trnut* (die 1573 ge- grüildelL U im LTMliil büßte IříSŮ Nirm Staiüs uirt und wurde er hl 1 'Hft unieuLTl) urui Brünn seit dem 18. Jahrhundert anzuknüpfen vermochten. Die Autoren der vorliegenden Darstellung der Geschichte der Philosophischen E-'.ikultüt der Universität Brünn zeichneten 2QQ9 bereits für eine Geschichte der Mjsarvk-Universiiäi verantwortlich, die inhaltlich eine ähnliche Struktur aufweist, jedoch die Historie der Alma Mater in toto zu berücksichtigen hatte,1 Sowohl Jiří Hanuš als auch Lukáš Fasora sind als kulturgeschichtlich-religionsphilosophiseh bzw. sozialgcschichtlieh orientierte Historiker mit Forschungsschwerpunkten im 19. und 20.Jahrhundert ausgewiesene Kenner der Materie. Die zeitliche Oriemie-run^sachse für die Geschichte der Brün nur Alma Mater im Allgemeinen wie auch ihrer Philosophischen Fakultät int Besonderen bilden selbstredend die Jahre 1919, 1939, 1945, 1948, 1968 und 19*9, die die Entwicklung der Masaryk-Universitär in ganz unterschiedlicher Weise geprägt haben. Hanuš und Fasora bemühen sieh mit Erfolg um eine in höchstem Maße sachliche und angemessen kritische Reflexion der zurückliegenden 90 Jahre, keineswegs geht es um eine „institutionelle Hagiografie" bzw. rein formale Jubiläumsschrifr. Die Autoren nähern sich ihrem Untersuchungs-gegenstand dabei aus sechs Betrachtungsperspektiven. Die Gliederung erfolgt nicht chronologisch, sondern nach Sachthemen, die - vor dem Hintergrund der einschneidenden historischen Ereignisse - zahlreiche Querverbindungen aufweisen, Zunächst geht es um Jie „Politik4*: Nach der Gründung der Fakultät entwickelte sich in den zwanziger Jahren bald eine vielversprechende Tradition akademischer Freiheit, die weitgehend mit dem politischen System korrespondierte. Die Philosophische Fakultät kristallisierte sieb in der Zwischenkriegszeit als ein Ort heraus, an dem der Demokratisierungsgrad des Staates getestet und bewiesen werden konnte- Was folgte, war für Jahrzehnte - mit zwei kurzen Atempausen - die Zeit totalitärer Regime: Einer Diktatur (1939-45) folgte eine weitere (ab 1943), wobei in ei item sich rasant wandelnden politischen Klima gerade die nach Kriegsende neu gegründete Pädagogische Fakultät eine Vorreiterrollc auf dem Weg zum Totalitäresmus 1 Faiora, Lukii/fíamí, Jih: Masarykovi univerzita v Brní, Přibili vidí lani a vfdy ve stri-Jni Lvrupř [Dir Masaryk-Universiüi in Brünn, Line Geschichte von Bildung und Wissenschaft in Mitteleuropa], Brno JQCJ- spielte, während die Juristische Fakultät das genaue Gegenteil verkörperte und die Phikisophisehe Fakultät sich iii der politischen Mine wähnte. Doch auch hier schritt die Politisierung der akademischen Sphäre, «seh voran, wie u.i die so genannte Soffra-Affarc (1946) oder das gescheiterte HabiIicationsverfahren des Historikers und Literaturwissen schaftlers Bohdan Chudoba (1945-47) unterstreichen. Die Autoren zeigen sehr präzise, wie sieh seit den fünfziger Jahren die so genannte „Kadersituation" entwickelte und politische Säuberungen, wenn auch im Vergleich 7.VT Situation in Prag in abgeschwächter Form, kollektivistischer Grundsätzen und einer Stalinisierung den Weg, ebneten - eben zu Lasten wissenschaftlicher Beschäftigung. Mit Blick auf die Situation unter den Historikern sind hier sicherlich sehr genaue Differenzierungen notwendig. Die Autoren verdeutlichen, wie politischer Druck von der KSČ .ausgeübt wurde - auf Professoren sowie Dozenten, die sich mitunter korrumpieren ließen, und Studentin (Exmatrikulationen) gleichermaßen. Vor allem in dm filnf/.igcr und siebziger Jahren «igte sieh in der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung die vulgarisierte und dogmatische Gestalt des Mars ismus, was sich dramatisch auf den Umfang und das Niveau der wissenschaftlichen Arbeit juKwirkte, žurnál es —von wenigen Nischen abgesehen - um die Applikation des so genannten „historischen und dialektischen Materialismus" ging. Verwiesen wird aber auch auf die Auswirkungen der Perestrojka-Politik sowie die „Samtene Revolution" im Spätherbst 1939 und den aktiven Anteil der Studenten an den nachfolgenden grundlegenden Veränderungen an der Universität, Line solche Folge war auch die Rehabilitierung von insgesamt 2H7 vor 19£9 in Ungnade gefallenen Personell. In den nachfolgenden Kapiteln geht es um „Wirtschaft und Funktionsweise", den „Kampf um das wissenschaftliche Niveau" sowie „Lehrer und Studenten", Lxcm-plarisch werden für das letztgenannte Themenfcld auch persönliche Lrinnerungcn von Wissenschaftlern und ehemaligen Studenten seit den fünfziger Jahren herangezogen, die einen vielschichtigen Einblick in den Universiiätsalltag bis 1989 gewähren. Das ausgewählte Bildmaterial spricht in diesem Kontext mitunter für sich, etwa wenn auf S. 161 der Historiker Jan Janák als zwangsverpflichteter Leiter der Zivilverteidigung in entsprechender Ausrüstung, zugleich jedoch schwejkhafter Manier, das politische System vor 198? ad absurdum führt. Die beiden letzten Kapitel widmen sieh den „Autienbei-.iehungen* sowie „Gegenwart und Perspektiven der Fakultät", wobei die Autoren auch eine knappe Übersieht v.u den insgesamt 24 Instituten und Kabinetten innerhalb der Philosophischen Fakultät bieten, Den Abschluss bilden ein Quellen- und Literaturverzeichnis, eine Übersicht der Dekane seit 1920, ein Ahbildungsver/.eichnis, ein Namenregister sowie ein englisch sprachiges Re-SÜrtlCt- Auch wenn zu Beginn vieles ein Provisorium war und anfangs manche Wissenschaftler nur widerwillig an die neugegründete Universität in Brünn wechselten -heute ist die Universitär Masarykiana eine moderne, leistungsfähige und international wahrgenommene Hochsehyle- Leipzia Thomas Krzenck Krzenck, Thomas, Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Böhmischen Länder 2011 51, s. 324-326