Das Belohnungssystem Wenn der Lernstoff und die Lernsituation mit angenehmen Gefühlen verbunden und möglichst frei von Stress und Ängsten sind, belohnt uns ein uraltes biologisches System mit lustvollen Gefühlen. Sein Zentrum liegt in einer Ansammlung von Nervenzellen, dem ventralen Tegmentum (1). Die Fortsätze der Nervenzellen ragen in das Stirnhirn (2) und eine Gruppe von Nervenzellen namens Nucleus accumbens (3). Wenn jemand etwas erfolgreich gelernt hat, schüttet der Nucleus einen körpereigenen Botenstoff, Dopamin (4), aus. Der bewirkt wiederum die Ausschüttung von opiumähnlichen Stoffen im Gehirn. Weil das angenehm ist, streben wir immer wieder danach und lernen so immer wieder Neues. DEUTSCH FÜR DEN BERUF ­ MATERIALIEN AUS DER PRESSE 17. Jahrgang 2009www.goethe.de/markt Inhalt AUSGABE 44Fitness fürs Gehirn Wer in Beruf und Schule vorn bleiben will, muss sein Wissen täglich erweitern. Neueste Forschungen zeigen, mit welchen Strategien das Lernen leichtfällt ­ und zudem Spaß macht. Management Fitness fürs Gehirn ...................................... 1 ,,Nicht auf Wundermittel warten" ............. 2 Finanzkrise Das Lexikon der Finanzkrise ...................... 3 Rettung in der Not ...................................... 4 Reife Zeit ..................................................... 5 Rhetorik Überzeugen mit Emotionen ........................ 6 Knackiger vortragen .................................... 7 Kommunikation Was reden die da bloß? ............................... 8 Immer mit der Ruhe ................................... 8 Nicht der Rede wert .................................... 9 Entschieden auftreten ................................. 9 Verhandlungstaktik Ihr Ass im Ärmel ....................................... 10 Karriere Einzigartigkeit schlägt Employability ....... 11 Die wichtigsten Zukunftskompetenzen .... 11 Wunschliste für perfekte Kandidaten ....... 12 Bewerbung leicht gemacht ........................ 13 Tipps zur Online-Bewerbung ................... 13 Hilfe bei Stellensuche und Bewerbung ..... 13 Nachwuchs im Spagat .............................. 14 Burnout: Nichts geht mehr ....................... 15 Arbeitswelt Ihr Einfluss aufs Stimmungsbarometer .... 16 Alles Lüge .................................................. 18 Pinocchios Effekt ....................................... 18 Marketing Gratis ist nicht immer geschenkt .............. 19 Die letzte Seite Von Tieren lernen ..................................... 20 Editorial ...................................................... 2 Impressum ................................................ 19 Im MARKT-LexIKon (Heftmitte): Absetzung für Abnutzung Altersvorsorge Arbeitsvertrag EBIT Innenfinanzierung Mindestlohn Testmarkt Jahrzentelang gesichert Die Speicherplätze ­ das Gedächtnis ­ sind über das gesamte Gehirn verteilt. Sekunden nach 48 Stunden im Langzeitgedächtnis Großhirn (Gedächtnis) Dopamin wird ausgeschüttet Medikamente wie Ritalin greifen in das Dopaminsystem ein Stirnhirn (Präfrontalcortex) Nucleus accumbens Hirnstamm ventrales Tegmentum Kleinhirn null bis zwei Jahre zwei Jahre bis Pubertät Erwachsener Synapsen elektrische Impulse Nervenzellen Lernstoff Vokabeln, Rechenregeln, geometrische Formen. Kurzzeitgedächtnis Informationen halten nur etwa zehn Sekunden, sie verschwinden, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Einüben Durch wiederholtes Üben und Verknüpfen (Eselsbrücken) bleiben die Informationen länger oder dauerhaft im Gedächtnis. Langzeitgedächtnis große Kapazität, jahrzehntelang speicherbar, unterteilt in episodisches Gedächtnis (die erste Freundin), semantisches Gedächtnis (Schulwissen und prozedurales Gedächtnis (Golf spielen). Wie und wo das Gehirn Informationen speichert Pillen Das Medikament Ritalin (5) greift in des Dopamin-System des Gehirns ein und sorgt dafür, dass der Botenstoff länger wirkt. Der erhöht wiederum das Konzentrationsvermögen. Entwicklung der Synapsen Bei Säuglingen bilden die Nervenzellen ein gleichmäßiges dichtes Netz, des Reize in alle Richtungen weiterleitet. Bis zum zweiten Lebensjahr nimmt die ZahI dieser Verknüpfungen (Synapsen) zu. Wenn das Kleinkind Iernt, Reize auf bestimmte Bahnen zu lenken, verstärken sich diese Synapsen. Die weniger genutzten verkümmern. Je vielfältiger die Anregungen, desto vernetztere Strukturen bilden sich. Mit der Pubertät ist dieser Prozess abgeschlossen, dem Erwachsenen steht das gebildete Netz zur Verfügung. Großhirn (Gedächtnis) Dopamin wird ausgeschüttet Medikamente wie Ritalin greifen in das Dopaminsystem ein Stirnhirn (Präfrontalcortex) Nucleus accumbens Hirnstamm ventrales Tegmentum Kleinhirn null bis zwei Jahre zwei Jahre bis Pubertät Erwachsener Synapsen elektrische Impulse Nervenzellen or wenigen Wochen gab mein Telefon im Büro den Geist auf. Das Ersatzmodell war so modern, dass sich die gespeicherten Nummern und Adressen nicht ins neue Gerät übertragen ließen. Fast ware ich deshalb ausgeflippt, dann erkannte ich das Ärgernis als Chance: Statt alle Nummern neu einzutippen, würden meine kleinen grauen Zellen jetzt wieder selbst arbeiten und zumindest einige der Nummern auswendig lernen ­ Hirnjogging pur! Das ist ganz im Sinne des japanischen Hirnforschers Ryuta Kawashima. ,,Wir überlassen dem Computer immer mehr Arbeit und vernachlässigen damit unsere Denkfunktionen", warnt er vor geistiger Trägheit. Seine Schlussfolgerung: ,,Das Gehirn muss genauso trainiert werden wie Muskein und Ausdauer." An der Tohoku-Universität hat Kawashima Rechenaufgaben, Wortspiele, Sudokus und Konzentrationsübungen entwickelt, die den Denkapparat in Schwung bringen. So entstand 2005 das Spiel ,,Dr. Kawashimas Gehirnjogging" für den japanischen SpielekonsolenHersteller Nintendo. Es hat sich mitsamt der zweiten Version weltweit bereits über 24 Millionen Mal verkauft. Seit wenigen Tagen bietet Namco Bandai Games diesen Knobeltrainer auch als Download-Version für Mobiltelefone an. Ein Weg zum Erfolg, so propagieren es nicht nur Nintendo und Kawashima, ist das sogenannte Gehirnjogging, das systematische Training des Denkapparats. Der heute an der Universitätsklinik Erlangen forschende Psychologe Siegfried Lehrl behauptet das schon seit 26 Jahren. Er hat die Gripsgymnastik quasi erfunden und, um ihre Verbreitung zu fördern, 1989 die Gesellschaft für Gehirntraining gegründet. Mit speziellen Messverfahren stellte Lehrl im Labor fest, dass der Intelligenzquotient des Menschen ohne ständiges Gehirntraining merklich sinkt. Die aktuellen Erkenntnisse der Hirnforscher, Kognitionswissenschaftler und Didakten lassen sich zu acht Ratschlägen zusammenfas- sen: n Genau überlegen, was man wirklich lernen will, und eine passende Lernstrategie dazu entwickeln. n Den Lernstoff in beherrschbare Portionen aufteilen. n Realistische Teilziele setzen und sich für deren Einhaltung beloh- nen. n Regelmäßiges Lernen bringt mehr als eine Megasitzung pro Woche. n Erwachsene lernen zwar langsamer als Kinder, dafür können sie leichter an Bekanntem anknüpfen. Deshalb: Gezielt Brücken vom alten zum neuen Wissen bauen! n Den Stoff auf verschiedene Weise wiederholen. Eine gute Übung zum Behalten ist es, das Gelernte anderen zu erklären. n Sich eine angenehme Lernumgebung schaffen. n Neues bleibt besser haften, wenn es mit Gefühlen verbunden ist. So erlernt sich die Fremdsprache leichter mit packender Lektüre, einer Brieffreundschaft oder einem Urlaub in dem betreffenden Land. susanne.kutter@wiwo.de; Wirtschaftswoche, 29.9.2008 V Management Editorial Ausgabe 44 Seite 1 den Geist aufgeben (ugs.) kaputt gehen ausflippen (ugs.) die Kontrolle, Selbstbeherrschung verlieren kleine graue Zellen (ugs.) Gehirn knobeln rätseln Grips (ugs.) Verstand, Gehirn quasi sozusagen packend spannend Seite 2 wie warme Semmeln (ugs.) sehr gut, außergewöhnlich gut Augenwischerei (Selbst-) Täuschung ETH Eidgenössische Technische Hochschule Handy Mobiltelefon pauken (ugs.) intensiv lernen purzeln fallen eintrichtern (ugs.; hier:) lernen verballhornen verfremden einbläuen (ugs.; hier:) einprägen, lernen büffeln (ugs.) lernen Push Anstoß, Stoß vollpumpen vollstopfen Geheimratsecken (ugs.) (bei Männern:) Lücken im Haaransatz rechts und links der Stirn Frau Stern, sogenannte Hirnjogging-Programme verkaufen sich derzeit wie warme Semmeln. Ist das Geld gut angelegt? Das hängt vom Anspruch ab. Um sich geistig in Schwung zu halten, sind die Spiele eine gute Grundlage. Sie können vor Langeweile bewahren und vermitteln Kompetenzerleben. Noch viel herausfordernder für unser Gehirn ist aber, sich in ganz neue komplexe und interessante Gebiete einzuarbeiten. Was dem Gehirn dabei abgefordert wird, können Hirnjogging-Programme nicht ersetzen. Was passiert beim Hirnjogging ei- gentlich? Wer regelmäßig mit den Programmen arbeitet, merkt, dass er täglich schneller und besser wird, denn man übt ja laufend dieselben Sachen. Das verschafft eine Befriedigung, die manchen richtig süchtig werden lässt. Der gleiche Effekt stellt sich bei vielen Computerspielen ein. Verbessert sich so auch die Gehirnleistung, wie die Erfinder des Hirnjoggings behaupten? Nur in Maßen, denn das Gehirn ist eben kein Muskel, den man mit Aufbautraining generell fit machen kann. Es ist darauf ausgelegt, ganz spezifische Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten: Wenn wir Mathematik lernen, lernen wir Mathematik und nichts anderes. Und wenn wir Hirnjogging machen, dann werden wir besser im Gehirnjoggingspielen, nicht mehr und nicht weniger. Aus meiner Sicht ist es Augenwischerei zu glauben, dass man nach ein paar Wochen Gripsgymnastik, Vokabeln, Formeln oder neue fachlich-berufliche Inhalte leichter lernt als zuvor. Gilt diese Einschätzung auch für Programme zum Üben von Englisch oder Mathematik? Das ist für mich mehr als reines Gehirnjogging, denn sie vermitteln sehr spezifisches Wissen. Wenn ich mir das auf amüsante und unterhaltsame Weise aneignen kann, umso besser. Wer so ein Programm einsetzt, um beim Warten an der Bushaltestelle Vokabeln zu lernen, nutzt die Zeit sinnvoll. Wenn Kinder, die sonst schreiend vor Rechenaufgaben davonlaufen, Spaß an Zahlenspielen am Computer haben, kann auch das eine Moglichkeit sein, sie an die Mathematik heranzufüh- ren. Viele Menschen merken sich heute nicht einmal die eigene Telefonnummer, sie ist ja im Handy oder Computer gespeichert. Verlieren wir darüber die Fähigkeit, wichtige Dinge immer parat zu haben? Die Gefahr sehe ich nicht. Wir müssen eben selektieren, was wir abrufbereit haben wollen. Denn das Auswendiglernen kostet ja auch Zeit. Halten Sie es überhaupt noch für zeitgemäß? Es gehört auf jeden Fall zum Lernen dazu. So sollten Kinder das Einmaleins auswendig lernen, um eine Vorstellung vom Aufbau des Zahlenraums entwickeln zu können. Und wer eine Sprache beherrschen will, muss Vokabeln pauken. Je sicherer sie sitzen, umso einfacher der Abruf. Das kann jeder an sich selbst beobachten, wenn er sich in einer Fremdsprache unterhält. Muss ich ständig nachsuchen, dann unterlaufen mir garantiert mehr Grammatikfehler, als wenn mir die Wörter nur so auf die Zunge purzeln. Das Gehirn ist dann zu sehr abgelenkt. Verbessert also stures Pauken die Hirnleistung? Das auf keinen Fall. Das Periodensystem der chemischen Elemente auswendig zu lernen ist genauso unsinnig, wie wenn ich mir zehn chinesische Vokabeln aus der Sanitär- und Heizungstechnik merke. Ohne Anknüpfungspunkt zu einem konkreten Sachverhalt vergesse ich den mühsam eingetrichterten Stoff ganz schnell wieder. Entscheidend ist die richtige Mischung aus Auswendiglernen und Verstehen. Wenn Kinder sich Gedichte oder Lieder merken, lernen sie dabei neue Redewendungen und erwerben so sprachliche Kompetenz. Weil sie zudem Liedtexte gerne verballhornen, gewinnen sie zusätzlich sprachliche Flexibilität. Und sie lernen Lernstrategien kennen: So stellen sie fest, dass es nichts bringt, sich alle Zeilen auf einmal einbläuen zu wollen. Viel schneller geht es Zeile für Zeile, Strophe für Strophe. Sie lernen so, den Lernstoff richtig zu portionieren. Ist dies das Geheimnis erfolgreichen Lernens? Das Aufteilen des Lernstoffes in beherrschbare Portionen ist elementar. Erwachsene neigen dazu, sich viel zu viel zuzumuten. Das produziert Frust. Sie müssen lernen, sich selbst zu belohnen und so die Motivation hoch zu halten. Das bedeutet, den Stoff in kleine Häppchen aufzuteilen und sich mit den erreichten Zwischenzielen Kompetenzerlebnisse zu verschaffen. Welche Tipps können Sie noch ge- ben? Zu Beginn ist es wichtig, sich über das Lernziel klar zu werden. Will ich nur etwas auswendig lernen, oder will ich etwas verstehen? Will ich eine Sprache richtig gut können, oder genügt es mir, im Urlaub Essen und Trinken bestellen zu können? Das hat ganz unterschiedliche Lernstrategien zur Folge. Im letzten Fall brauche ich weder allzu viele Vokabeln zu büffeln noch die Feinheiten der Grammatik einzuüben. Möchte ich mich hingegen an beruflichen und gesellschaltlichen Diskussionen beteiligen können, muss ich in der Lage sein, mich differenziert auszudrücken. (...) Vielleicht entdeckt die Pharmaindustrie aber einen Stoff, der das Lernen leichter macht. Ich bin mir sicher, dass es solche Lernpillen nie geben wird. Wer glaubt, wir könnten eines Tages im Schlaf lernen, der träumt. (...) Viele Studenten scheinen jedoch an die Macht der Chemie zu glauben und schlucken vor Prüfungen Medikamente wie Ritalin, das eigentlich für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen gedacht ist. Kann der Glaube Berge verset- zen? Das wäre wohl die naheliegendste Erklärung. Denn es ist wissenschaftlich nicht erwiesen, dass ein Medikament wie Ritalin Gesunden das Lernen erleichtert. Es hilft Kindern, deren Gehirn eine gewisse Anomalie aufweist. Den Aufmerksamkeits-Push beim Lernen oder bei der Prüfung kann ich mir vermutlich genau so gut mit einer Tasse Kaffee oder Tee verschaffen. Und am besten noch mit einem Schokoriegel oben- drauf. Der Nobelpreistrager Eric Kandel entwickeltinseinemUnternehmen Memory Pharmaceuticals Lernpillen für gesunde Menschen. Ist der Mann ein Scharlatan? Sigmund Freud hat sich mit Kokain vollgepumpt in der Hoffnung, damit seine Hirnleistung steigern zu können. Ich würde nicht auf solche Wundermittel warten, sondern akzeptieren, dass das Lernen eine anspruchsvolle und mühsame Angelegenheit ist und bleiben wird. Wir können es geschickter anstellen als bisher, aber wir werden uns auch weiterhin eine Menge Zeit dafür nehmen müssen. susanne.kutterwiwo de Liebe Leserinnen und Leser, die Möglichkeiten der Hirnforschung sind ein derzeit viel diskutiertes Thema ­ so auch in der neuen MARKT-Ausgabe, wo Sie in den ausgewählten Artikeln u.a. Tipps zu Gehirn- bzw. Gedächtnistraining finden. Weitere Hauptthemen sind in Fortsetzung von MARKT 43 die * Finanzkrise (S. 3-5) sowie * Rhetorik und Kommunikation (S. 6-10) * Karriere (S. 11-15) * Arbeitswelt (S. 16-18) Und wie immer finden Sie: Worterklärungen zu fast allen Artikeln, sieben Fachbegriffe wie ,,Arbeitsvertrag", ,,eBIT", ,,Mindestlohn" im MARKT LexIKon (Heftmitte) sowie Übungen und Didaktisierungen in MARKT onLIne (www.goethe.de/markt). Mit den besten Grüßen Dr. Werner Schmitz ,,Nicht auf Wundermittel warten" Schnell gemerkt Fünf Tipps der Jugend-Gedächtnis-Weltmeisterin Christiane Stenger 1. Visualisierung spielt in unserem Denken und bei unserem Erinnern eine große Rolle: Bilder bleiben besser haften als abstrakte Daten und Fakten. Versuchen Sie, sich Informationen, die Sie sich einprägen möchten, bildlich vorzustellen. 2. Wir erinnern uns leichter an Informationen, wenn wir sie in einen bekannten Kontext stellen. Ordnen Sie neue Informationen bereits vorhandenem Wissen zu. Stellen Sie Zusammenhänge her, die das Abrufen der Erinnerung erleichtern. 3. Noch besser erinnern wir uns an ausgefallene, lustige oder emotionsbehaftete Vorfälle. Denken Sie sich eine kleine Geschichte aus, in der alle Informationen vorkommen, die Sie behalten möchten. Je verrückter die Geschichte ist, desto leichter prägt sie sich ein. Zugleich schulen Sie auf diese Weise Ihre Kreativität und Fantasie. Hier ein Beispiel für eine Geschichte, mit der sich eine Einkaufsliste merken lässt: Zwei Wasserflaschen werfen mit Tomaten nach einer Küchenrolle, die sich schnell hinter einer Tüte Mehl versteckt. Diese kippt durch den Aufprall um und fällt in die Kartoffeln, die nun aussehen, als hätte es geschneit. 4. Auch Zahlen behält unser Gehirn besser, wenn ihnen Bilder zugeordnet werden. Die Null könnte ein Ei sein, die Eins eine Kerze, die Zwei ein Fahrrad, die Fünf eine Hand, die Sieben die sieben Zwerge und so weiter. Wollten Sie sich also zum Beispiel den PIN-Code 7201 merken wollen, stellen Sie sich die sieben Zwerge vor, die auf einem Fahrrad fahren und dabei ein Ei auf einer Kerze ba- lancieren. 5. Das Merken von Namen und Gesichtern setzt höchste Aufmerksamkeit im Moment des Kennenlernens voraus. Assoziieren Sie Bilder mit dem Namen ­ etwa Franz Eckert. Franz klingt ähnlich wie fransig. Und bei Eckert könnte Ihnen die Ecke in den Sinn kommen. Dann suchen Sie nach einem markanten Merkmal im Gesicht des Gegenübers. Vielleicht hat Herr Eckert Geheimratsecken. NunverknüpfenSiealleErinnerungsstützen zu einem Bild: Stellen Sie sich vor, dass Herrn Eckerts Haare fransig in seine Geheimratsecken fallen. Um später die Namen auf Visitenkarten mit einem Gesicht in Verbindung zu bringen, hilft es, direkt nach dem Kennenlernen Stichpunkte zum Aussehen auf der Karte zu notieren. Wirtschaftswoche,29.9.2008 Elsbeth Stern, 50, leitete fast zehn Jahre eine Gruppe am renommierten Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Seit Ende 2006 lehrt die Professorin für Kognitionsforschung am Institut für Verhaltenswissenschaften der ETH Zurich. Ausgabe 44 Management Groschen 10-Pfennig-Münze das Pfeifen im Walde (= Redewendung:) sich Mut machen durch laute Melodien Chartanalyse Technik zur Vorhersage zukünftiger Börsenkurse anhand historischer Kursentwicklungen (z. B. Trends) Dow Jones Index zur Messung des US-amerikanischen Aktienmarktes Dax Deutscher Aktienindex (Durchschnittskurs von 30 wichtigen deutschen Aktien) Euro Stoxx Aktienindex, der die 50 größten europäischen Unternehmen der Eurozone beinhaltet säumig (zu) spät, verspätet Was ist eigentlich passiert? Der Ursprung der Finanzkrise liegt gut acht Jahre zurück. Sie beginnt mit den US-Immobilien. Seit dem Jahrtausendwechsel kauften viele Amerikaner Häuser, die sie sich nicht leisten konnten. Sie bezahlen sie mit Krediten, die niedrige Zinsen haben ­ aber nicht fix sind. Die Käufer ignorieren, dass sie keinen ersparten Groschen miteinbringen. Denn sie hoffen, dass der Wert ihrer Immobilie steigt und sie später mit einem Schlag den Kredit zurückzahlen können, wenn sie das Haus verkaufen. Und erst geht alles gut. Überall wird gekauft, die Preise steigen, der Wert der Häuser auch. Weil das Haus immer wertvoller wird, leiht sich mancher mit dieser Sicherheit noch zusätzlich Geld für Auto, Fernseher, zweites Auto und dritten Fern- seher. Solange der Wert der Immobilien steigt und die Zinsen stabil bleiben, entwickelt sich dieser Kreislauf ungehindert weiter. Das ist der sogenannte Subprime-Markt. Früher war das nur ein kleiner Bereich der Immobilienfinanzierung, dann vervielfachte er sein Volumen binnen weniger Jahre. Die Weltbank rechnet mit einem Verlust von etwa einer Billion Dollar durch die Finanzkrise, allein die Banken haben bisher 344 Milliarden Dollar Verluste zugegeben. Wo ist das Geld geblieben? Teilweise in den Taschen der Handwerker, die die Häuser bauten, teilweise in denen der Banker, die mit Provisionen und Weiterverkaufen von Krediten Geld verdienten. Zum guten Teil ist es aber einfach weg. Deutsche Normalbürger merken das zum Beispiel, wenn ihre Lebensversicherung ihnen schreibt, dass sie sich zum Ablauf der Police doch nicht über so viel Geld freuen dürfen, wie noch vor Jahren vorhergesagt. Ist die Finanzkrise nun überstan- den? Ist man Pessimist, dann hört man auf Worte wie die des Chefs Kreditanalyse von Uni-Credit, Jochen Felsenheimer. Er geht davon aus, dass es einen weiteren Schlag geben wird, der die Banken in aller Welt belastet. Hält man es eher mit den Optimisten, dann orientiert man sich am Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der glaubt, dass der Markt zwar labil, aber das Schlimmste überstanden sei. Ob Sie das für Pfeifen im Walde halten oder nicht, hängt auch ganz von Ihnen persönlich ab. Experten in aller Welt schmücken ihre Aussagen gerne mit vielen Konjunktiven und sichern ihre Vorhersagen so gut ab, wie Banken vorher ihre Risiken hätten absichern sollen. Selbst wenn die Krise für die Banken schon nahezu Geschichte ist, bekommen viele Menschen die Folgen noch zu spüren. Nur am Benzinpreis ­ an dem ist die Finanzkrise ausnahmsweise nicht schuld. Gewarnt wurde vor der Immobilienblase seit Jahren. Warum hörte keiner auf die Signale? Richtig ist, dass die Immobilienblase vorhergesagt wurde. Noch richtiger ist, dass viele Investoren Warnungen in den Wind schlagen, wenn es darum geht, noch schnell mit auf einen scheinbar noch fahrenden Zug aufzuspringen ­ auch wenn der ins Abstellgleis rast. Und für viele Beteiligte gab es auch lange nach den ersten Warnungen noch viel zu verdienen. Wieder andere hatten einfach keine Ahnung, dass sie auch mit Krediten Geld verdienen wollten, die sie bei genauerer Prüfung nie gekauft hätten. (...) Warum konnten die Chartanalysten das nicht vorhersehen? Konnten sie. Haben sie. Aber auch nicht früher als Analysten, die mit anderen Methoden die Signale einer Katastrophe sahen. Und danach handeln muss man schon noch selbst ­ als Bankmanager wie als Privatanleger. Der S&P Home-builders-Index, der die US-Hausfinanzierer, Hausbauer und deren Umfeld wiedergibt, zeigte aus der Sicht der klassischen Chartanalyse schon im Frühjahr 2006 eindeutige Signale: Es gibt Ärger. Im Juni 2007 wurden die Signale stärker. Die pessimistische Aussage zackiger Kurvendeuter: Das wird auch langfristig nichts mehr. Erst Anfang 2008 trottete der allgemeine Markt (etwa Dow Jones, Dax oder Euro Stoxx) hinterher. Da war es nur für viele Anleger schon zu spät. Was macht jemand wie der USMilliardär Warren Buffett in dieser Situation? Das Gleiche wie vorher: Anteile von Unternehmen kaufen, von denen er versteht, was die tun. (...) Woran erkenne ich die nächste Blase? Lesen Sie genau (auch in der Wirtschafts-Woche). Bei den fantastischen Geschichten ums Geldverdienen, die sich etwa um Rohstoffe, Gold oder Asien-Aktien drehen, sind einige Fragen unbeantwortet. Vorsicht ist also immer geboten, wenn Sie irgendwo hören, das sei gerade das total heiße Investment. Swingsänger Roger Cicero bringt es auf den Punkt: ,,Gute Freunde geben Tipps / Noch bessere Freunde sagen nix." (...) Wie erkenne ich, dass mein Hypothekenkredit von meiner Bank verkauft wurde? Es gehört zum Alltag einer Bank, dass sie ihre Kreditforderungen, die sie an einen Schuldner hat, an eine andere Bank verkauft ­ soll die doch sehen, wie sie das Geld zurückbekommt. Verkauft werden zunächst einmal die Kredite von säumigen Zahlern. Laut der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltsverein müssen sich aber immer haufiger auch ordentliche Zahler damit abfinden, dass sie an jemand anderes die Raten zurückzahlen als der Bank, mit der sie den Vertrag abgeschlossen haben. Der neue Gläubiger kann auch im Ausland sitzen. Wer nicht bei Unterzeichnung seines Kreditvertrages so eine Abtretung ausgeschlossen hat, kann das nicht verhindern. Das Bundesministerium der Justiz plant eine Regelung, die zur Folge hätte, dass Kunden vor Abschluss ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen. Für alle, die schon einen Kreditvertrag haben, kommt das zu spät. Ob Ihr Vertrag verkauft werden kann, steht drin ­ oder Sie rufen an und lassen es sich schriftlich geben. Die Notenbanken haben die Banken mit mehreren Milliarden Dollar unterstützt. Wie holen die sich ihr Geld zurück? Auch wenn es oft so klingt, als seien das Barspenden: Gemeint ist, dass die Notenbanken den Privatbanken unverschämt günstige Kredite gewährt haben, damit diese ihr Geschäft weiterlaufen lassen können. Die Bank verschenkt also kein Geld ­ sie verleiht nur günstig. Dadurch geht ihr Gewinn verloren, der verlorene Gewinn geht dem Staat verloren. Der kann weniger mit den geringeren Gewinnen anstellen; auch diese Rechnung landet beim Steuer- zahler. Finanzkrise Das Lexikon der Finanzkrise Wo ist das Geld geblieben? Warum hat niemand die warnenden Signale gehört? Und wieso heißen faule Kredite Subprime? Einfache Fragen und ihre Antworten. Das Glossar der Finanzkrise Die wichtigsten Begriffe, die Sie kennen sollten. AAA/Aaa Die höchste Adelung unter den (­>) Ratings, die Ratingagenturen wie Standard & Poor's, Fitch und Moody's für die Kreditwürdigkeit von Unternehmen vergeben können, aber auch für Kreditpakete. Der Ruf dieser privat geführten Agenturen ist jedoch spätestens seit der Skandalpleite des US-Energieriesen Enron Ende 2001 angeknackst ­ kurz zuvor bescheinigte Standard & Poor's noch die beste Zahlungsfähigkeit. Abschreibung Wenn keiner mehr in der Bank glaubt, je sein Geld wiederzusehen, dann machen die Buchhalter einen Haken hinter Summe X in der Bi- lanzundsagen:abgeschrieben.Wenn Sie sich privat damit abgefunden haben, für lhren Gebrauchten statt 15 000 Euro nur noch 10 000 Euro bekommen zu haben, dann schreiben Sie 5000 Euro ab. Wenn Sie die für den Neuwagen verplant hatten, dann fällt der nun eine Nummer kleiner aus. Eine Nummer größer fallen die Abschreibungen der Banken aus: Allein die Citigroup schrieb mindestens 40 Milliarden Dollar ab. Etwas anderes ist die Wertberichti- gung. Asset Backed Securities (ABS) Was macht eine Bank, wenn sie nicht auf Risiken aus Krediten sitzen bleiben will? Sie verkauft die Kredite, also die Schulden, die Menschen bei ihr haben. Sie bündelt sie in Wertpapieren, genannt Securities. Abgesichert, sprich ,,backed", sind diese durch die Forderungen, die ,,Assets", also die Rückzahlungen der Kreditnehmer. Gebündelt werden können zum Beispiel ganz normale Verbraucherkredite. Sind es Kredite für Häuser, heißen die Bündel Mortgage Backed Securities (MBS). Zahlen alle Schuldner ihre Schulden zurück, läuft alles rund, genau das aber konnten viele Hausbesitzer in den USA nicht mehr. Einmal verkauft, verschwinden diese gesammelten Kredite aus der Bilanz, und alles scheint wieder gut ­ für die Bank, die den Schrott los ist. Zugegriffen haben (­>) Hedgefonds, Finanzinvestoren oder andere Banken, die dachten, sie hätten ein gutes Geschäft gemacht. (...) Geldmarkt Geld kaufen, wie auf einem Markt, klingt zunächst paradox. Der Geldmarkt ist auch eher ein Basar, auf dem sich Banken gegenseitig Geld leihen. Weil sich wegen der faulen Häuserkredite die Banken gegenseitig misstrauten, konnten einige ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Mit billigen Krediten in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro halfen die staatlich finanzierten Notenbanken aus, denen mit diesen Billigkrediten Gewinne entgehen. Den Staat wiederum finanzieren Sie als Steuerzahler. Sie zahlen also für den Schaden. Hedgefonds Sie sammeln das Geld privater Investoren ein und leihen sich zusätzlich welches bei Banken, um ihren Geschäften nachzugehen. ,,Hedgen" bedeutet eigentlich absichern. Ziel war es ursprünglich, Risiken abzusichern. Die rund 9000 Hedgefonds weltweit kaufen jedoch vor allem Wertpapiere, Aktien, und auch CDOs. Sie können aber auch mit Rindfleisch oder Devisen aus touristisch unerschlossenen Ländern spekulieren. Internationale Hedgefonds unterliegen keinen Richtlinien. In der Tat handeln sie hochriskant (wegen der vielleicht hübschen Rendite), in Deutschland waren sie bis Anfang 2004 verboten, heute ziert die Prospekte von Dach-Hedgefonds der Hinweis: ,,Der Bundesminister der Finanzen warnt: Bei diesen Investmentfonds müssen Anleger bereit und in der Lage sein, Verluste des eingesetzten Kapitals bis hin zum Totalverlust hinzunehmen." Rating Agenturen wie Standard & Poor's, Fitch und Moody's bewerten mit einem Rating die Bonität von Unternehmen und die Qualität ihrer Schuldpapiere. Die Arbeit von Ratingagenturen bewertet niemand. (...) thorsten.firlus@wiwo.de,Wirtschaftwoche,26.5.2008 4 Ausgabe 44 Management Ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Unikat Einzelstück schleimen schmeicheln Miesepeter mürrischer, unzufriedener Mensch GfK Gesellschaft für Konsumforschung maulen murren, trotzig widersprechen feuern (ugs.) entlassen (...) ,,Spätestens im zweiten Halbjahr 2009 steigt die Arbeitslosigkeit an", prognostiziert etwa Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA). Auch die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sagen in ihrem Herbstgutachten voraus, dass die Arbeitslosenquote 2009 von derzeit 7,4 auf 8,3 Prozent steigen konnte. Ende des kommenden Jahres werde es fast 400 000 Arbeitslose mehr geben. ,,Die Konjunktur ist im Keller", fasst ifo-Präsident Hans-Werner Sinn die Lage zusammen. Keine Branche wird sich der fatalen Spirale aus Finanzkrise and Nachfragerückgang entziehen können. Stellenabbau und Einstellungsstopp sind die unausweichliche Folge. Umso wichtiger, dass sich jeder schon heute auf die Arbeitsmarktkrise von morgen vorbereitet. (...) Rettung in der Not Die Finanzkrise schlägt auf den deutschen Arbeitsmarkt durch: 20 Tipps, wie Sie sich schon jetzt auf die Jobkrise vorbereiten und unentbehrlich machen können. Zeit für Optimisten 0 Tipps, wie Sie Ihren Arbeitsplatz absichern können. Kurzfristig Engagieren Rund ein Drittel der Deutschen ist derzeit kaum engagiert, fand das Marktforschungsinstitut Psychonomics heraus. Bis zu 20 Prozent aller Erwerbstätigen sind sogar demotiviert. In Krisenzeitcn wirkt das besonders fatal. Denn Arbeitseinsatz und Anwesenheit gelten nach wie vor als Indizien für Engagement. Wer jetzt also nur Dienst nach Vorschrift schiebt, landet garantiert auf der Abschussliste. Besser, Sie legen ­ sichtbar ­ ein paar Überstunden ein und beharren auch nicht darauf, diese ausbezahlt zu bekommen. Motto: Wir sitzen alle in einem Boot ­ also leiste auch ich meinen Solidaritätsanteil. Sie müssen es damit ja nicht übertreiben. Netzwerken 60 Prozent der Deutschen Arbeitnehmer ziehen es vor, ohne Beziehungen Karriere zu machen, ergab eine Umfrage der Internet-Stellenbörse Monster unter 958 Erwerbstätigen. Das ist zwar ehrenwert, aber dumm. In Zeiten, da jeder um seinen Arbeitsplatz bangt, zählt erst recht ein stabiles Netz, das zu einer neuen Stelle verhelfen kann, Motto: ,,Ich kenne da jemanden, der jemanden kennt, der jemanden sucht." Dafür müssen Sie Ihr Netzwerk aber pflegen. Und zwar nicht erst dann, wenn die Entlassungswelle rollt ­ dann schreiben alle Panik-Mails. Melden Sie sich lieber heute bei früheren Kollegen und Kommilitonen. Tauschen Sie sich über private Dinge aus ­ und legen Sie so den Grundstein für später. Vermarkten Bescheidene Menschen mögensympathischsein ­ erfolgreicher sind die anderen: Eine Umfrage des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater ergab, dass 28 Prozent falsche Bescheidenheit für einen der Karrierekiller halten. Umgekehrt: Laut einer Umfrage des Deutschen Führungskräfteverbands hält jeder dritte Manager gutes Selbstmarketing für den entscheidenden Erfolgsfaktor. Wenn Ihr Chef also nach seinen besten Leuten gefragt wird, sollte ihm Ihr Name einfallen. Wie das geht? Kümmern Sie sich um Themen und Projekte, die bisher niemand anpacken wollte, die aber für das Unternehmen wichtig sind. Bringen Sie neue Ideen ein, inspirieren Sie die Kollegen in Meetings, kurz: Verströmen Sie Euphorie. So werden Sie in Krisenzeiten zum wertvollen Unikat ­ von dem man sich nur ungern trennt. Sparen Bisher gingen Sie gerne auf Firmenkosten essen, flogen Business-Klasse, stiegen in besseren Hotels ab? Damit sollte jetzt Schluss sein. Aktuell müssen Sie dokumentieren, dass Sie unternehmerisch denken. Heißt: Kosten sparen, wo man kann. Versuchen Sie sich bei anstehenden Ausgaben zu disziplinieren ­ und falls Sie Abteilungsleiter sind: Disziplinieren Sie die Kollegen gleich mit. Sagen Sie Ihrem Arbeitgeber auch, wo er weitere Kosten sparen kann oder neue Einnahmequellen findet. Das erhöht indirekt Ihre Produktivität und schafft Mehrwert ­ auch für Ihren Marktwert. Schleimen Zugegeben: Schleimer sind etwas eklig. Dennoch ist Schleimen eine der erfolgreichsten Strategien. Das bestätigten etwa Chad Higgins von der Universität von Washington in Seattle und sein Kollege Timothy Judge von der Uni von Florida in Gainesville in einer Studie. Studenten, die den Personalverantwortlichen im Bewerbungsgespräch schmeichelten, bekamen häufiger einen Job als jene, die nur für ihre Kompetenzen warben. Chefs zu loben ist jedoch eine Kunst. Sobald er die Absicht dahinter spürt, verkehrt sich die Wirkung. Deshalb sollte Ihr Lob ehrlich sein; bleiben Sie bei den Fakten, und übertreiben Sie nicht. Der zweite Trick: Seien Sie emotional. Echte Begeisterung erhöht die Glaubwürdigkeit des Laudators. Drittens: Verzichten Sie auf sämtliche Einschränkungen. Jeder Schönheitsfleck degradiert das Lob zur Fassade. Lächeln Warum ist eine Depression schlimmer als eine Rezession? In einer Rezession verliert nur der Kollege den Job ... Derlei zynische Witze kursieren gerade zuhauf. Angesichts des Unheils sind solche Scherze naheliegend, aber gefährlich. Wer jetzt den Miesepeter gibt, verstärkt die schlechte Stimmung. Gutgelaunte dagegen erhöhen die Produktivität: Fröhliche Kollegen machen durchschnittlich 175 Verbesserungsvorschläge, Griesgrame nur 8,4, ermittelte das Marktforschungsinstitut Ifak. Wie sehr gute Laune nützt, hat auch Alice Isen, Psychologieprofessorin der Cornell-Universität in Ithaca, New York, herausgefunden: Gut gelaunte Mitarbeiter sind nicht nur beliebter, sie werden sogar häufiger befördert. Deshalb: Lächeln Sie! Das hebt bei allen die Stimmung ­ auch Ihre: Dem Gehirn ist es egal, ob wir aus Freude oder grundlos lächeln. Die daran beteiligten Muskeln signalisieren den grauen Zellen, dass gegrinst wird, woraufhin diese Glückshormone freisetzen. Die wirken motivierend, schmerzstillend, angstlösend. Entspannen 75 Prozent der deutschen Arbeitnehmer fühlen sich übermäßig belastet, so eine Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK. Das war allerdings vor der Finanzkrise. Inzwischen dürfte der Druck gestiegen sein. Versuchen Sie dennoch gelassen zu bleiben. Erst im Sturm zeigt sich, welcher Charakter souverän ist. Und Ihrem Vorgesetzten beweisen Sie so, dass er auf Sie zählen kann, während bei anderen schon die Nerven blank liegen. Mancher hat sich so schon für Führungsaufgaben empfohlen. Verzichten Bei der letzten Gehaltserhöhung sind Sie übergangen worden? Weihnachtsgeld fällt aus? Und der Dienstwagen hat das Klassenziel nicht erreicht? Ärgerlich, das ­ maulen sollten Sie trotzdem nur vorsichtig. Wer für den Arbeitgeber teurer wird, erhöht das Sparpotenzial, falls man ihn feuert. Vorübergehender Verzicht wiederum zeigt, dass Sie Teamspieler sind und nicht nur Ihr eigenes Wohl im Blick haben. Womöglich denkt Ihr Chef auch gerade darüber nach, auf was er verzichten kann. Ganz oben auf der Liste landen meist notorische Forderer. Benehmen Ganze 96 Prozent der Führungskräfte halten gute Manieren im Beruf für ,,enorm wichtig", so eine Umfrage der Düsseldorfer Personalberatung LAB. Zugleich sehen sie einen direkten Zusammenhang zwischen gutem Benehmen und persönlichem Erfolg. Mehr noch als gute Tischmanieren sind damit Tugenden wie Pünktlichkeit. Disziplin oder Ordentlichkeit gemeint. Die schätzen Chefs vor allem. Wer morgens rechtzeitig und tipptopp vorbereitet im Meeting erscheint, seine Berichte akkurat aufbereitet und auch mit dem Sonnenuntergang nicht sofort den Stift fallen lässt, sammelt jetzt Pluspunkte. Ausgleichen Krisenzeit ist Konfliktzeit. Wenn die Aussichten düster sind und die Ersten den Job verlieren, steigt die Gefahr, zu mobben oder gemobbt zu werden. Hier sollten Sie eine klare Grenze ziehen und fair bleiben. Wer sich aus Kleinkriegen raushält und versucht, die Rolle des Mediators einzunehmen, arbeitet dem Büroklimawan- 1 4 5 6 7 8 9 10 Wirtschaftswoche,3.11.2008 Ausgabe 44 5 Management buckeln (ugs.) (den Rücken krümmen) etwas ohne Widerspruch akzeptieren auf der Kippe stehen (ugs.) wackeln, instabil sein Sippenhaft Haftung der ganzen Sippe (Familie) für das Vergehen eines einzelnen Familienmitglieds weitertratschen (ugs.) weitererzählen Schönfärber jemand, der schlechte Dinge beschönigt heillos (hier:) maßlos, außergewöhnlich unverblümt direkt, ungeschönt Tausendsassa jemand, der sehr viele Dinge kann und bewundert wird IT Informationstechnologie promovieren den Doktortitel erwerben Sozialauswahl Kündigung nach sozialen Gesichtspunkten herausschlagen (ugs.) gewinnen drucksen etwas nicht oder nur widerwillig sagen wollen Söldner jemand, der für Geld Kriegsdienste leistet Obacht! Achtung! die gegangen werden (= falsches Passiv; ironisch:) die entlassen werden, unfreiwillig gehen müssen del entgegen und beweist Charakterstärke. Zu offenen Konflikten gesellen sich meist aber auch innere: Buckeln Sie bei strittigen Fragen vor dem Chef ­ oder schlagen Sie sich auf die Seite des Kollegen, der eigentlich recht hat? Stärken Sie einem Mitarbeiter, der auf der Kippe steht, noch den Rücken ­ oder halten Sie still, um keine Sippenhaft zu riskieren? Bei solchen Fragen gilt die Maxime: Verhalten Sie sich so, wie Sie es sich auch von den Kollegen wünschen würden. Mittelfristig Schweigen In Krisenzeiten läuft der Flurfunk heiß, auf den Büroetagen wird dann viel über die Unternehmenslage und den Subtext in der Geschäftsleitungsprosa diskutiert. Gegen gelegentlichen Klatsch ist nichts einzuwenden, er kann sogar die Produktivitat erhöhen und Stress abbauen, wie die Arbeitspsychologin Kathryn Waddington von der City Universität London herausfand. Je häufiger das Gerücht aber weitergetratscht wird, desto spektakulärer wird die Erzählung, auch bekannt als Stille-Post-Phänomen. Panikmacher sind in schweren Zeiten aber nicht willkommen. Und wer erst den Ruf einer verorteten undichten Stelle genießt, landet auf der Abschussliste. Deshalb: Beschränken Sie sich in den Plauderrunden möglichst auf das Zuhören. Lernen Kein Chef wird Sie feuern, weil Sie einen Fehler machen. Ernster wird die Lage erst, wenn Sie diesen Fehler immer wieder begehen. Besteht bei Ihnen Wiederholungsgefahr? Dann fertigen Sie sich eine Liste mit bereits monierten Fauxpas an. Merken Sie sich, welche Fehltritte Ihren Chef besonders verärgern ­ und tun Sie Ihr Bestes, diese zu vermeiden. Und falls Sie doch einen Listenfehler begehen, dann stehen Sie dazu. Schönfärber stehen automatisch in Verdacht, auch Schlimmeres zu vertuschen. Erleichtern Strengen Sie weniger an! Nicht: Strengen Sie sich weniger an, sondern machen Sie weniger Mühe. Es gibt Mitarbeiter, die zapfen einem das letzte bisschen Kraft aus dem Leib. Ganz vorn dabei: die Denkfaulen. Das sind Kollegen, die durchaus gute Ideen haben, dann aber müde werden, sie auszureifen. Diese Leute mögen beste Absichten haben. Weil sie aber Unausgegorenes zurücklassen, sind sie eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Sie sind wie Kinder, die sich einen Hund wünschen, ohne darüber nachzudenken, wer hinterher Gassi geht, den Tierarzt bezahlt und sich im Urlaub darum kümmert. Wer sich selbst einen Gefallen tun will, sollte seine Krisenhilfsprojekte zu Ende analysieren, bevor er sie vorschlägt. Perfekt muss es nicht sei ­ aber die wichtigsten Einwände sollten Sie berücksichtigen. Helfen Sie haben das Projekt eines Kollegen übernommen, weil der damit heillos überfordert war? Lobenswert! Nicht aber, falls Sie das Ihrem Chef umgehend und unverblümt mitteilen. Kein Vorgesetzter sieht es gerne, wenn jemand Kollegen in den Schatten stellt, um selber heller zu strahlen. Unfairer Umgang im Arbeitsalltag ruiniert nicht nur das Betriebsklima, sondern auch das Vertrauen des Chefs in Ihren Charakter. Wenn überhaupt, stellen Sie den Erfolg des Projekts hinterher als Teamarbeit heraus ­ und loben Sie den Kollegen mehr als sich selbst! Ablehnen Nichts wirkt nachhaltiger und negativer auf Ihr Image als Produktenttäuschung. Wenn die Zeiten schwerer werden, wird zwar meist mehr von der Belegschaft verlangt. Doch sollten Sie dabei nie mehr versprechen, als Sie halten können. Die Kunst ist, im aufkommenden Aktionismus produktiv zu bleiben und Chefs, die mit ständig neuen Sonderaufgaben drängen, diplomatisch abzuweisen. Wer schroff kontert, la ,,Dafür babe ich keine Zeit", hinterlässt einen schlechten Eindruck. Das grenzt an Arbeitsverweigerung. Besser: freundlich begründen, warum Sie es heute nicht schaffen. Noch besser: sofort einen Kompromiss anbieten, Motto: ,,Mache ich gerne, aber dafür müsste dann Projekt XY noch etwas warten." Nachfragen Wer nicht fragt, erfährt auch nichts. Noch schlimmer daran: Der Stumme signalisiert immer auch mangelndes Interesse. Vor allem von jungen Arbeitnehmern wird erwartet, dass sie durch Elan glänzen. Sie sollten sich daher regelmäßig über die Unternehmensentwicklung informieren und nachhaken, ob und wo sie mithelfen können. Achten Sie aber auf die richtige Dosis: Selbst engagierte Mitarbeiter können ein Unternehmen belasten, wenn sie für ihre Arbeit zu viele Ressourcen beanspruchen. Wenn Sie vor Ideen nur so sprühen und Ihrem Chef jeden Fortschritt mitteilen, erhöht das einerseits Ihre Sichtbarkeit (was gut ist). Es senkt aber zugleich die Produktivitat des Chefs. Denn der hat auch noch einen Job und nicht bloß Zeit für Tausendsassas. Langfristig Weiterbilden Wirtschaftskrisen sind Übergangszeiten, in denen sich manche Berufsbilder, aber auch ganze Branchen transformieren können. Ihr eigenes Berufsprofil sollten Sie jetzt kontinuierlich im Blick haben ­ erst recht, falls Sie unsicher sind, ob Ihr heutiger Job morgen noch gefragt sein wird. Die beste Prophylaxe vor Jobverlust ist Weiterbildung: 90 Prozent der Arbeitgeber halten sie für essenziell, so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im August. Konzentrieren Sie sich dabei nicht nur auf die Klassiker wie Fremdsprachen, IT-Kurse oder ein Rhetorik-Seminar. Versuchen Sie vielmehr Fähigkeiten für den Job zu erlernen, den Sie künftig machen wollen (oder der künftig gefragt ist) ­ etwa Führungsaufgaben wahrnehmen. Durch die Extra-Lernschichten in der Freizeit beweisen Sie Ehrgeiz und Durchhaltewillen. Das unterstützen Vorgesetzte sogar: 72 Prozent der Personalchefs gaben in der Forsa-Umfrage an, private Weiterbildungen zu fördern ­ durch Kostenübernahme oder mehr Urlaubstage. Aussitzen Gehen Sie einen Schritt weiter: Bevor Sie sich mit der Krise plagen, nehmen Sie sich eine Auszeit, ein Sabbatical, und absolvieren Sie entweder einen MBA, oder promovieren Sie. Das hat gleich drei Vorteile: Ihr Arbeitgeber spart unmittelbar Personalkosten, Sie selbst ersparen sich die aufreibenden Grabenkriege im Büro, gleichzeitig steigern Sie mit dem Abschluss Ihren Marktwert. Wenn Sie nach einem oder zwei Jahren zurückkehren, ist das Schlimmste hoffentlich überstanden, und Sie stehen qualifizierter da als zuvor. Sogar unabhängig vom Arbeitgeber: Sollte es Ihnen dort nicht mehr gefallen, können Sie sich mit dem Titel auch woanders bewerben. Talente werden immer gebraucht. Entwickeln Aber nicht Sie sich, sondern andere. Mentoring ist die Königsdisziplin der Kollegialität. Dabei bieten Sie Ihren Erfahrungsschatz und Ihr Wissen meist jüngeren Kollegen an. Die dürfen Sie dann bei wichtigen Konferenzen und Verhandlungen begleiten oder aber bei eigenen Problemen um Rat fragen. Der Effekt: Sie leisten einen wichtigen Teil zur Personalentwicklung, bauen parallel ein Netzwerk auf und machen sich unentbehrlicher. Aufmuntern Selbst wenn Ihnen nicht danach zumute ist, bleiben Sie positiv eingestellt. Viele schaden ihrer Karriere mit chronischer Schwarzmalerei. Die USWissenschaftler Tiziana Casciaro und Miguel Sousa Lobo fanden heraus, dass Vorgesetzte wichtige Aufgaben eher an die Mitarbeiter vergeben, die ihnen sympathisch sind, als an solche, die sie für kompetent halten. Wenn Sie im Büro also ständig nur Pessimismus verbreiten, könnten Prestigeprojekte an Ihnen vorbeiziehen ­ und damit die Chance, sich zu einer tragenden Säule im Unternehmen zu entwi- ckeln. daniel.rettig@wwo.de Wirtschaftswoche, 3.11.2008 Sie arbeiten in einer unwichtigen Abteilung. Dass Ihre tägliche Arbeit nicht zum Kerngeschaft Ihrer Firma gehört, hat noch nie jemanden gestört. Bisher. Wenn Firmen sparen, konzentrieren sie sich aber auf das Wesentliche. Für Sie könnte das bald das berufliche AUS bedeuten. Versuchen Sie deshalb, in einer wichtigeren Abteilung unterzukommen. Ihre Kollegen werden entlassen. Sobald die ersten Kündigungen ausgesprochen werden, ist der Damm gebrochen. Damit ist klar: Die Geschäftsführung hat einen Kostenplan und setzt diesen nun um. Spätestens jetzt sollten Sie prüfen, ob Ihnen die Sozialauswahl eher schadet als nützt. Im ersten Fall sollten Sie sich schon einmal einen guten Fachanwalt für Arbeitsrecht suchen. Der rettet vielleicht nicht den Job, kann aber bei der Abfindung oft noch etwas herausschlagen. Sie stecken in einer Sackgasse. Bei wichtigen Projekten werden Sie seit einiger Zeit vom Chef übergangen. In Meetings lässt er sich vertreten, nur nicht von Ihnen. Sie haben ihn mehrfach um ein Gespräch gebeten, doch immer hat er eine Ausrede? Ihre Karriere verläuft äußerst steil ­ abwärts. Entweder Sie hängen sich noch einmal voll rein oder suchen das Weite. Ihr Job macht Sie krank. Schon morgens wachen Sie übellaunig auf. Durch den Arbeitstag schleppen Sie sich voller Kopf- und Magenschmerzen, und abends können Sie vor lauter Frust und Stress schlecht einschlafen. Das kann nicht gutgehen. Besser, Sie organisieren Ihr Leben neu. Mindestens aber eine Auszeit sollten Sie sich geben. Sie identifizieren sich nicht mehr mit der Firma. Wenn Sie jemand fragt, für wen Sie arbeiten, drucksen Sie rum und fühlen sich wie ein Söldner. Am Herzen liegt Ihnen die Firma schon lange nicht mehr. Gefährlich! Wer ohne Leidenschaft arbeitet, wird bald nachlässig, macht häufiger Fehler, ist nicht mehr kreativ. Und das fällt früher oder später negativ auf. Sie sind sozial isoliert. Mittags gehen Sie meist allein in die Kantine, die Geburtstagsfeiern und Dienstjubiläen finden seit Langem ohne Sie statt. Obacht! Einzelgänger sind oft die Ersten, die gegangen werden. Denn sie haben weder Fürsprecher noch ein Netzwerk. 11 1 1 14 15 16 17 18 19 0 Sechs Zeichen, dass es Zeit ist zu gehen. Reife Zeit 6 Ausgabe 44 Management einfach gestrickt (ugs.) einfach konstruiert knackig (hier:) zündend, mitreißend tua res agitur (lat.) deine Sache wird verhandelt, es geht um dich keinen Pfifferling auf ... wetten keinen Pfennig (= nichts) auf ... wetten s kommt nicht oft vor, dass man zusehen darf, wenn ein Mensch seine Meinung ändert. Und wenn er dann seine Rolle rückwärts auch noch begründen kann, ist das ein seltener Glücksfall. Unsere kleine Episode beginnt am 27. August. An diesem Tag schreibt der Systemik-Papst Professor Dr. Fritz B. Simon vom Management Zentrum Witten in seinem Onlinetagebuch, der ,,Systemischen Kehrwoche", er sei bereit, größere Beträge" darauf zu wetten, dass die Republikaner unter John McCain die nächste Präsidentenwahl in den USA gewinnen würden. Zwei Tage später, am 29. August, gab sich Simon überzeugt: ,,Obama wird gewinnen!" Was war passiert? Zwischen den Einträgen lag nur eine einzige Rede von Barack Obama, dem demokratischen Gegenspieler McCains. Es war Obamas inzwischen legendäre Rede in Denver. ,,Handwerklich perfekt, persönlich authentisch und glaubhaft. Besser geht es nicht", jubelte der Kommunikationsexperte über den Auftritt Obamas. Wie gut muss ein Redner sein, der selbst bei einem eher nüchternen Professor Begeisterungsstürme auslöst? Und was können deutsche Führungskräfte, die ja beim Start so mancher Changeprojekte auch schon einmal eine Ruckrede halten müssen, von solch einem Redner lernen? ,,wirtschaft + weiterbildung" hat eine Reihe von Kommunikationstrainern befragt und zusammen mit ihnen sechs rhetorische sowie strategische Besonderheiten der Reden Obamas herausgearbeitet. Und natürlich verraten wir auch, was genau Fritz B. Simon umgestimmt hat. Einfache Kernbotschaften formulieren und wiederholen. Reden, die Obama hält, sind darauf ausgerichtet, die große Masse zu begeistern. Sie sind einfach gestrickt, weil sie mit ihrer Kernbotschaft im Kopf hängen bleiben sollen. Es gibt keine komplizierten Verästelungen in der Argumentation. Differenzierung sorgt immer dafür, dass sich die Zahl derer, die dem Inhalt zustimmen können, verringert. Wenn Obama über mehrere Themen spricht, dann nur nacheinander in linearer Reihenfolge, hat der Freiburger Rhetoriktrainer und Theaterwissenschaftler Bruno Gutmann analysiert. Jedes Thema wird in einem Dreierschritt abgearbeitet: 1.Heute ist X schlecht (mit Beispiel aus dem Alltag der Zuhörer) 2.Sobald ich dran bin, mache ich es besser (mit Beispiel aus dem Alltag der Zuhörer) 3.Davon haben Sie als Bürger folgenden Vorteil. Zum Gebot der Einfachheit gehören kurze Sätze, knackige, emotionalisierende Beispiele und in der Regel nur sehr wenige Zahlen. Jeder Themenbereich läuft auf einen Höhepunkt zu. Eine Rede kann somit mehrere Spitzen haben. Ideal ist es, wenn die Höhepunkte alle in demselben Satz gipfeln, dem gemeinsamen Nenner quasi. Bei Obama sind das in seinen besten Reden einhämmernde Schlachtrufe wie ,,Yes, we can!" oder (bezogen auf die achtjährige Herrschaft der Republikaner) ,,Eight is enough". Peter Flume, Schüler des Tübinger Rhetorikpapstes Walter Jens und selbst Trainer für Rhetorik, Kommunikation und Führung sowie Mitbegründer des Unternehmenstheaters ,,vitaminT4change", hält es für eine der wichtigsten Aufgaben eines guten Redners, rechtzeitig einen Leitsatz für seinen Vortrag zu finden. Die Konzentration auf einen Leitsatz hilft dem Redner, wesentliche und unwesentliche Dinge voneinander zu trennen. (...) Aus der ,,Wir-Perspektive oder ,,Ihr-Perspektive" reden. Der wichtigste Grund, warum es Obama gelingt, seine Zuhörer nachhaltig zu emotionalisieren, besteht darin, dass er sie direkt anspricht und aus ihrer Perspektive heraus argumentiert. ,,Es geht nicht um mich, es geht um Euch." In der Rhetorik ist die ,,Ihr-Perspektive" und auch die ,,Wir-Perspektive" die wirkungsvollste Art, um die Bereitschaft des Publikums zum Zuhören, Mitdenken und Mitfühlen zu gewährleisten. ,,Tua res agitur" hieß dieses Prinzip schon im alten Rom, mit dem Desinteresse und Langweile im Ansatz verhindert wurde. Dem Zuhörer wird erklärt, dass es jetzt um ,,seine Sache" und seine Interessen geht. Der Redner positioniert sich zum Anwalt der Zuhörer. Obama schließt alle Zuhörer und alle Amerikaner in seine Rede ein, indem er fast nur von ,,wir" redet oder das Publikum mit ,,Ihr" anspricht, so als diskutiere er ,,auf Augenhöhe" mit einer Gruppe von Kameraden. ,,Ihr könnt die neue Mehrheit sein, die das Land aus seiner politischen Dunkelheit herausführt", heißt es regelmäßig. Oder auch: ,,Wir können das Land von der Tyrannei des Öls befreien ..." Wenn Obama in seltenen Fällen in der ersten Person spricht, betont er regelmäßig ,,zum Ausgleich", dass er sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt, und schaltet schnell wieder auf ein ,,Wir" um. Es entstehen dann Sätze wie: ,,Sobald ich Präsident bin, werden wir diesen Krieg beenden und unsere Truppen nach Hause bringen." Die ,,Ihr-Perspektive" ermöglicht es dem Redner, eine Verbindung zu den Zuhörer aufzubauen, indem er an ihre Erfahrungen im täglichen Leben anknüpft, ihre Wünsche nach Change" und ihre Hoffnungen aufgreift und sich selbst als die Lösung ins Spiel bringt ­ immer verknüpft mit dem Hinweis, dass er als Kan-didat seine Erfolge nur der ,,Macht der vielen" verdankt. (...) Die Stimme nutzen, um wichtige Punkte hervorzuheben. ,,Dass ein Redner ankommt, hängt nicht in erster Linie mit dem Inhalt seiner Ausführungen zusammen, sondern mit dem Ton, der Modulation und dem Tempo, mit denen die Worte gesprochen werden", weiß Günter Zienterra, Chef des Instituts für Rhetorik und Kommunikation in Bornheim bei Bonn, ein erfahrener Ausbilder von Rednern. ,,Die Musik hinter den Worten, die Leidenschaft hinter dieser Musik, die Person hinter dieser Leidenschaft, sorgen für den Zugang zum Publikum." Obama arbeite mit einer sehr starken Modulation seiner Stimme, erklärt Dale-Carnegie-Präsentationstrainer Norman Kreuter aus München. ,,Mit seiner Stimme erzeugt er an den entscheidenden Stellen Nachdruck und signalisiert so, was ihm wirklich wichtig ist." An der Stimme könne man auch erkennen, dass die Leidenschaft, die Obama bei bestimmten Themen zeige, nicht gespielt, sondern authentisch sei. ,,Lernen kann man vom Präsidenten der Demokraten aber auch, wie wichtig es ist, Pausen zu machen", betont Kreuter. ,,Durch die Pausen bekommen die Zuhörer die Chance, dem Redner gedanklich zu folgen und seine Emotionen nachzuvollziehen und auf sich wirken zu lassen." Feindbild schaffen und so Unterstützung mobilisieren. Fritz B. Simon wollte zuerst keinen Pfifferling auf Obama wetten. Er hatte nämlich den Eindruck gewonnen, dass die Demokraten nicht bereit seien, für ihre Sache zu kämpfen. Bei Hillary Clinton sei Rhetorik Überzeugen mit Emotionen Mehr Pathos und mehr Emotionen als bei den Auftritten von Barack Obama, dem Kandidaten der Demokraten für das Amt des amerikanischen Präsidenten, sind kaum möglich. Hinter der ,,Show" steckt eine professionelle Inszenierung. Trotzdem bietet das Wahlkampfspektakel auch wichtige Denkanstöße für alle, die wie Obama Menschen aktivieren und Hoffnung geben wollen. E 1. 4. Sehr gut gegliederte und durchkomponierte Reden zeigen Macht der Rhetorik. Durchgehend hohe Emotionalisierung einer Rede mit nur kurzen ,,Erholungspausen". Direkte Ansprache des Publikums mit ,,wir werden ..." oder ,,ihr könnt ...". 01. 0.0. . . Ausgabe 44 7 Management aufpfropfen auferlegen, oktroyieren ZDF Zweites Deutsches Fernsehen bloggen Blogs schreiben. Vgl. MARKT 42 quasi sozusagen Marge Preis-, Verdienstspanne zum Beispiel selbst in Denver keine leidenschaftliche Unterstützung für Obama zu spüren gewesen. ,,Fehlende Geschlossenheit" verhindert regelmäßig Wahlerfolge. Die große Wende in der Einschätzung der Siegeschancen Obamas kam dann mit dessen Rede im Sportstadion von Denver vor 84.000 Menschen. Obama nahm seine Nominierung zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten an und feuerte zum ersten Mal direkte Angriffe auf seinen Gegenkandidaten ab. ,In der Politik geht es um Konflikte", so Simon. ,,Wer nicht kämpfen will, darf keine politische Führungsposition anstreben. Bis Denver habe Obama eher mit seiner ,,netten Familie" punkten wollen. Für die Masse seiner Anhänger sei es eine ,,Entlastung" gewesen, wie Obama sich frontal gegen die Angriffe McCains wehrte. Die Mitglieder einer großen Organisation kann man laut Simon viel besser durch einen gemeinsamen Feind als durch ein gemeinsames Ziel einigen. ,,Wenn die Merkmale der Unterscheidung negativ definiert sind, wenn klar ist, wogegen man sich abgrenzt, kann eine starke Gemeinsamkeit beobachtet werden." Im Management ­ und insbesondere im deutschen Management ­ geht es häufig recht harmoniesüchtig zu. Man braucht keine expliziten Feinde, um gute Geschäfte zu machen. Aber ein paar scharfe Mitbewerber sind in schwierigen Zeiten immer nützlich, um bei den Mitarbeitern eine aktivierende, kämpferische Gefühlslage herzustellen. ,,Ein Wettkampf bringt das Adrenalin zum Sprudeln. Niemand kann sich so gut in eine Gemeinschaft einklinken wie jemand, der voller Adrenalin ist", sagen die Verhaltensforscher. Eine kämpferische Stimmung gegenüber Wettbewerbern hat darüber hinaus auch den Effekt, dass intern Konflikte in Zusammenhang mit Veränderungsprojekten auf Eis gelegt werden, um gemeinsam einem äußeren Gegner entgegentreten zu können. Wichtig ist aber immer, dass sich das Feindbild ­ wie bei Obama ­ aus der Unzufriedenheit der Menschen speist und nicht von oben aufgepfropft wird. Vision und Pragmatismus vereinen. In der VorwahlKampagne galt Obama als Sunnyboy und als ,,Experte für das Generelle" (so der ZDF-Journalist Klaus Peter Siegloch). Er sei wenig konkret und spreche nur sehr abstrakt über Politik. Er erlaube es den Menschen, sich mit ihm zu identifizieren und gemeinsame Hoffnungen auf einen ,,Wandel" zu teilen. Obama ist jemand, der in erster Linie die ,,Sinnfragen" beantwortet. Ein Grund, warum sich seine Wahlchancen verbessert hatten, liegt darin, dass er seine abstrakte, ideelle Ebene während seiner Denver-Rede ergänzt hat um die konkrete Projektebene. ,Zum ersten Mal ist er heruntergestiegen aus der Höhe der Versprechen und hat gezeigt, dass er Pläne hat, seine Ziele konkret zu erreichen", analysierten die politischen Kommenta- toren. Ein wichtiger Punkt, der sich ohne Abstriche auf den Unternehmensalltag übertragen lässt. In jedem Unternehmen teilen sich die Mitarbeiter in solche, die sich für Visionen begeistern, und solche, die nur in operativen Projekten aufblühen. Unternehmensführer müssen beide Gruppen ,,bedienen" können, um von allen die volle Leistungsfähigkeit zu erhalten. Partizipation ermöglichen und sich von der Basis beeinflussen lassen. Das MitmachInternet vom Typ ,,Web 2.0" stellt es täglich unter Beweis: Menschen wollen sich mit anderen austauschen, sich an etwas beteiligen und mit anderen, die ihre Werte teilen, eine Gemeinschaft bilden. Obama nutzt als erster Präsidentschaftskandidat ganz gezielt die Möglichkeiten des Internets zum ,,Community-Building". Er hat den ehemaligen Facebook-Mitbegründer Chris Hughes, der erst 24 Jahre alt ist, als Berater engagiert. Hughes organisiert für die Demokraten den Auftritt im Internet und verantwortet neben der ,,normalen" Homepage ,,BarackObama.com" auch noch das Portal ,,mybarackobama. com". Hier können Interessierte bloggen und an politischen Konzepten mitarbeiten. Obama hat auf diese Weise 5,6 Millionen freiwillige Wahlkampfhelfer gefunden. George W. Bush brachte es 2004 gerade mal auf 1,4 Millionen ,,Volunteers". (...) Und so werden in den nächsten Jahren noch viele Manager, die sich einfach ein paar rhetorische Tricks von Obama abgucken wollen, wenn sie genauer hinschauen, einen neuen, ,,anpassungsfähigen" Führungsstil kennenlernen. Aus der Sicht junger Menschen repräsentiert er die einzig zukunftsfähige Führungskul- tur. Karin Seeber, Martin Pichler wirtschaft + weiterbildung, 10_2008 5. Allgemeine Aussagen werden mit Beispielen aus dem Alltag der Zuhörer illustriert. Sehr gute Modulation der Stimme unterstreicht die wichtigen Aussagen. Selten Witze ­ nie über sich selbst und nur gelegentlich über den Gegenspieler. 04. 06.05. 6. Einen Leitsatz finden Wer Inhalte strukturiert und auf den Punkt bringen will, sollte wie Barack Obama einen Leitsatz für seine Rede finden. Folgende Tipps helfen: 1. Nehmen Sie sich ein Blatt Papier, und schreiben Sie die wichtigsten Punkte auf, die Sie in lhrem Vortrag ansprechen wollen. 2. Lesen Sie sich nun diese Punkte nochmals durch, und stellen Sie sich dabei die Frage: ,,Wohin möchte ich meine Zuhörer mit meiner Rede führen?" Beantworten Sie dann die Frage mit 3 bis 5 Sätzen. Schreiben Sie sich diese Sätze auf ein neues Blatt Papier. 3. Fassen Sie die Aussagen der Sätze von Schritt 2 nun in einem einzigen Satz zusammen. Abstrahieren Sie von den Details, und suchen Sie quasi den ,,gemeinsamen Nenner". Dieser einzige Satz, der jetzt übrig bleibt, ist der Leitsatz für Ihre Rede. Beispiel: Bei einem Vortrag, mit dem Sie Ihre Kollegen überzeugen wollen, im Internet bei ,,sozialen Netzwerken" wie XING mitzumachen, könnten sich folgende zentrale Sätze ergeben: Bislang verborgene Beziehungen (die Freunde meiner Freunde) werden aufgedeckt. Das hilft, einen neuen Job, einen Partner oder einen guten Ort zum Leben zu finden. Und es ermöglicht, sich schnell Rat von unterschiedlichen Experten zu holen. Wenn Sie sich diese Aussagen nochmals prüfend ansehen, werden Sie feststellen, dass alle tendenziell den Kontaktaspekt eines ,,Social Networks" hervorheben. Es liegt also nahe, einen Leitsatz zu formulieren, der dies deutlich macht: ,,Nie mehr ein Fremder sein". Wenn Sie aus der Sicht lhres Unternehmens reden und dafür werben, mehr E-Commerce zu machen, werden Sie eher ein positives Bild von ECommerce im Internet zeigen. Es liegt also nahe, einen Leitsatz zu formulieren, der dies deutlich macht: ,,Für einen erfolgreichen Aufbau unseres Kunden-Portals ist jetzt der richtige Zeitpunkt." Oder wenn es kürzer sein soll, könnten Sie lhren Vortrag mit den Worten ,,Go E-Commerce, now" beenden. Die Konzentration auf einen Leitsatz hilft Ihnen bei der weiteren Vorbereitung der Rede, wesentliche und unwesentliche Dinge voneinander zu trennen. Die Vorbereitungszeit der Rede verkürzt sich somit deutlich. Analogien bilden Bei der Analogiebildung werden die Inhalte eines Sachverhalts aus dem einen Bereich auf Sachverhalte eines anderen Bereichs übertragen. Eine Analogie besteht, wenn mindestens ein Merkmal eines Objektes auch Merkmal des ursprünglichen Sachverhalts ist, zum Beispiel der Fehlschlag in einem Projekt und die misslungene Generalprobe am Theater, auf die hin sich der Erfolg einstellt. Sammeln Sie deshalb zunächst verschiedene Phänomene der Natur, und prüfen Sie dann, ob Sie übereinstimmende Sachverhalte finden können. Aufgabe: 1. Versuchen Sie mittels einer Analogie aus dem Bereich der Natur zu erklären, warum es zum Beispiel sinnvoll sein kann, als Marktführer in einem bestimmten Bereich einen neu gegründeten Mitbewerber im Markt zu tolerieren, anstatt ihn mit Niedrigpreisen zu bekämpfen. Formulieren Sie die Analogie vollständig aus. 2. Wiederholen Sie die Übung mit Thesen aus Ihrem eigenen beruflichen Fachbereich und Analogien aus der Natur, der Medizin, aus dem Sport, aus Technik und Wissenschaft oder aus der Kunst. Eine Lösung der Aufgabe könnte so aussehen. ,,Meine Damen und Herren, bevor Sie die Entscheidung treffen, unseren neuen Mitbewerber durch Preiskampf vom Markt zu verdrängen, bitte ich Sie, einen Blick auf die Natur zu werfen. Sowohl bei Säugetieren wie bei Fischen gibt es das Phänomen der Parasiten. Sie suchen einen Wirt und leben von diesem. Dennoch bekämpft der Wirt die Parasiten nicht, da sie in der Regel auch eine positive Funktion für ihn haben, beispielsweise dass dessen Schuppen gereinigt werden. Und nun bitte ich Sie, sich nochmals unseren aktuellen Fall anzusehen. Handelt es sich bei dem Mitbewerber um einen Parasiten, der uns Kunden abnimmt, die wir sonst nur mit großem Aufwand bedienen könnten? Würde ein Preiskampf gegen ihn nicht vielleicht sogar dazu führen, dass wir die Margen bei unseren guten Kunden vernichten und dafür nur Kunden gewinnen, die uns keinen Gewinn bringen? Meine Damen und Herren, lassen wir den Parasiten doch seinen Job tun, und sorgen wir dafür, dass sein Revier begrenzt bleibt." Buchtipp: Peter Flume, Reden, Taschenguide-Trainer, Haufe Verlag, Planegg, 2003 Knackiger vortragen Tipps vom Profi. Wer eine gut strukturiert und bildhafte Rede oder Präsentation halten will, kommt um rhetorische Kunstgriffe nicht herum. Peter Flume, Mitbegründer des Unternehmenstheaters ,,vitaminT4change", zeigt, wie es geht. Peter Flume ist Schüler des berühmten Rhetorikers Walter Jens, Tübingen. Fortzetzung von Seite 6 artin Hartung entgeht nichts. Kein Hüsteln. Kein Versprecher des Chefs in der Vorstandssitzung. Kein Lautstärkewechsel im Callcenter, in der Arztpraxis oder im Verkaufsraum. Hartung stellt seine Mikrofone an Arbeitsplätzen im ganzen Land auf. Gut sichtbar und auch auf Wunsch der Mitarbeiter, denen er anschließend ihre kommunikativen Fehler erläutert. Der Leiter des Instituts für Gesprächsforschung in Radolfzell ist Experte für das passende Wort, für die richtige Rede ­ und kann damit Firmen und Fachleute vor großen Schäden bewahren. Bislang dienten solche Kommunikationsanalysen fast ausschließlich dazu, in sogenannten Risikoberufen immer wiederkehrende, oft überlebenswichtige Gesprächssituationen zu trainieren, in Atomkraftwerken etwa oder Flugzeugcockpits und Operationssälen. Martin Hartung hat es mit seinem Institut auf die Masse abgesehen, auf die Millionen Deutschen in Büros, im Einzelhandel und in der Verwaltung, deren Erfolg, so Hartung, auch stark von ihren zahllosen alltäglichen Gesprächen abhänge. ,,Es gibt zwar schon 700 000 Kommunikationstrainer in Deutschland", sagt er, ,,doch kaum einer ist offen für die Realität, für die empirischen Ergebnisse." Das eine Rezept für gute Kommunikation gibt es nicht Die Realität, das sind für Hartung Analysen auf der Basis der Diskursforschung, die sich schon vor 40 Jahren als akademische Disziplin etabliert hat. Und die Realität, das zeigt sich immer wieder, lässt sich nicht in Pauschalempfehlungen fassen, wie es die Popularliteratur gerne tut. Gelungene Kommunikation ist abhängig von der Arbeits- und Gesprächssituation, von den beteiligten Menschen und ihrem Umfeld. Weshalb einer wie Hartung eben vor seiner Beratung erst mal Mikrofone aufstellt. Wie wichtig diese Individualisierung des Kommunikationstrainings ist, zeigt wiederum der Blick auf die Risikoberufe. Beispiel Flugverkehr: In Flugsimulator-Tests beobachtete der Linguist Manfred Krifka von der Berliner Humboldt-Universität, dass vor allem jene Cockpitbesatzungen schwierige Momente erfolgreich meistern, ,,die sich gegenseitig mehr fragen, zuhören und antworten". Und zwar ohne falsche Scheu vor der Autorität des Kapitäns und mit gesunder Skepsis gegenüber dem eigenen Informationsstand. EinsolcheskommunikativesMiteinander erreicht man nicht durch standardisierte Gesprächsleitfäden, dennoch wünschen sie sich immer mehr Unternehmer für ihre Mitarbeiter. Immerhin 45 Prozent der deutschen Führungskräfte, die das Meinungsforschungsinstitut Gallup im Jahr 2004 befragte, machten Kommunikationsmängel als größtes Produktionshindernis aus. Allein weil erwartetes Lob und aufmunternde Bemerkungen ausbleiben, so Johannes Siegrist, Schweizer Professor für Medizinsoziologie, würden 10 bis 30 Prozent der Arbeitnehmer unter emotionalem Stress leiden. So wird Arbeitskraft vergeudet. (...) Stefan Brunner Die Zeit, 16. oktober 2008 8 Ausgabe 44 Management Kommunikation Was reden die da bloß? Gesprächsforscher untersuchen, warum es in Firmen, Flugzeugcockpits und Operationssälen an der Kommunikation hapert. hüsteln gekünstelt husten wie aus der Pistole geschossen sehr direkt, schnell schlagfertig einfallsreich, schnell und originell (antworten) sich ... verscherzen sich ... verderben in dieselbe Kerbe hauen (ugs.) genauso argumentieren Assessment eignungsdiagnostisches Verfahren (Rollenspiele, Planspiele, Gruppendiskussionen, Fallstudien und psychologische Testverfahren) M Immer mit der Ruhe Wie es einem Redner gelingt, auf manipulative und unsachliche Fragen gelassen zu antworten. Mach mal Pause. Sie müssen nicht wie aus der Pistole geschossen antworten, wenn Ihnen eine Frage gestellt wird. Fragen sind kein Grund zur Hektik. Diese Haltung hilft, gelassen zu bleiben. Gelassenheit hält den Kopf frei für sachliche Antworten ­ mit denen man in Diskussionen Pluspunkte sammelt. Ein Schlagabtausch kann eine Diskussion spannend machen. Sympathie für die Kontrahenten weckt er meist nicht. Schlagfertige Menschen haben vielleicht ehrfürchtige Gegner oder neidvolle Bewunderer ­ aber wenige Freunde. Wer auf Kosten anderer Punkte macht, verscherzt sich die Sympathie der Unterlegenen. Das bringt vor allem dann nicht weiter, wenn diese über ein Konzept oder einen Antrag entscheiden. Stellen Sie sich deshalb nicht unter Schlagfertigkeitsdruck, sondern nehmen Sie sich Zeit für eine sachliche Antwort. Eine Pause signalisiert: Ich stehe nicht unter Druck. Ich denke nach, um keine oberflächlichen Antworten zu geben. Denkpausen sind souverän. Überbrücken und schmeicheln. Die Pausen zum Nachdenken kann man leicht mit einem Kompliment überbrücken. Antworten Sie auf eine Zwischenfrage beispielsweise: ,,Das ist eine sehr wichtige (interessante, spannende, zentrale) Frage." Oder: ,,Es freut mich, dass Sie das fragen, denn ..." Man kann auch eine Gegenfrage stellen: ,Können Sie Ihre Frage bitte etwas praziser (konkreter) formulieren?" Oder: ,,Was verstehen Sie unter Steuergerechtigkeit?" Oder man sagt schlicht und freundlich: ,,Lassen Sie mich kurz nachdenken, damit ich Ihre Frage so konkret wie möglich beantworten kann." Gliedern und analysieren. Bei manipulativen Fragen ist es nützlich, vor der eigentlichen Antwort zunächst den Inhalt der Äußerung einzuordnen: ,,Ihre Frage enthält eine Voraussetzung, die ich nicht teile. Ich gehe aber gerne auf das angesprochene Problem ein." Oder: ,,Den Gegensatz, den Sie konstruieren, sehe ich nicht. Zu dem von Ihnen angesprochenen Problem meine ich ..." Und man kann ankündigen, wie die Antwort aufgebaut ist: ,,Sie sprechen drei verschiedene Aspekte an. Ich will zunächst auf ... eingehen, dann auf ... und schließlich auf ... " Fällt Ihnen die Antwort schwer, können Sie die Frage einengen oder ausweiten. Einengen: ,,Ich beantworte Ihre Frage mit einem konkreten Beispiel. Ausweiten: ,,Ich möchte Ihre Frage in einen größeren Zusammenhang einordnen. Sammeln und passen. Nach einer Präsentation empfiehlt es sich, zunächst Fragen zu sammeln. Das eröffnet die Möglichkeit, in der Reihenfolge zu antworten, in der es am leichtesten fällt. Das gibt Sicherheit. Und man sollte sich das Recht einräumen, nicht alles wissen zu können und zu müssen. Geben Sie eine Wissenslücke zu. Versuchen Sie nicht, sich herauszureden. Ausflüchte provozieren meist weitere Fragen, die in dieselbe Kerbe hauen. Wenn Ihnen eine Zahl fehlt, ein Vorgang nicht bekannt ist, geht die Welt nicht unter. Sichern Sie zu, dass Sie sich informieren und die offene Frage so schnell wie moglich beantworten werden. Richtig zuhören. Ein Vorstellungsgespräch. Vorangegangen sind verschiedene Aufgaben in einem Assessment-Center, darunter ein Kurzvortrag. Nach einem Smalltalk fragt die Abteilungsleiterin: ,,Hat Ihnen Ihr Vortrag gefallen?" Eine Frage, die man allerdings auch als Kritik verstehen kann. Was man hört, liegt in der eigenen Verantwortung. Die Abteilungsleiterin hat nicht gesagt: ,,Fanden Sie Ihren Vortrag auch so schlecht?" Deshalb gibt es keinen Grund, diese Nachricht zu hören. Als Empfehlung formuliert: Nehmen Sie Fragen, die keine expliziten Wertungen enthalten, wörtlich. Das erleichtert das Antworten erheblich. ,,Hat Ihnen Ihr Vortrag gefallen?" Die Antwort sollte schlicht lauten: ,,Ja." Warum sollte man die eigene Leistung schmälern oder sich verteidigen, wenn man im Vortrag das gesagt hat, was man sagen wollte? Verallgemeinert: Hören Sie Fragen als Fragen und Bewertungen als eine Meinung, über die man sich verständigen kann. Diese Haltung schützt davor, eine ungünstige und anstrengende Rechtfertigungs- oder Verteidigungshaltung einzunehmen, in die Rolle des Angeklagten zu schlüpfen. (...) Nerven schonen. Es gibt Fragen, bei denen eindeutig ist: Hier geht es nicht um die Sache, sondern darum zu verunsichern. Zwei Beispiele: ,,Ist das ein ernsthafter Vorschlag?", ,,Meinen Sie das wirklich?" Was tun? Unsachliche Fragen nicht persönlich nehmen. Das schont die Nerven, spart Energie und schützt davor, unter Niveau zu reagieren und mit gleicher Münze heimzuzahlen. Wer mit dem Schornsteinfeger ringt, lautet ein italienisches Sprichwort, wird schwarz, egal, ob er gewinnt oder verliert. Das heißt mit Blick auf die beiden rhetorischen Fragen: Man sollte schlicht und souverän mit ,,ja" antworten ­ und die Sympathie aller Anwesenden gewinnen. norbert Franck Süddeutsche Zeitung, 8./9.11.2008 Ausgabe 44 9 Management Heinz Erhardt (1909­1979), deutscher Komiker, Musiker, Entertainer, Schauspieler, Dichter Plattitüde Banalität Second-Hand-Weisheit Weisheit aus 2. Hand, keine eigene W. Sprachschnitzer Verstoß gegen die Regeln einer Sprache, Fehler Nicht der Rede wert Wer was zu sagen hat, sollte sich nicht mit Wortbremsen um den Erfolg seiner Ansprache bringen. ei der Eröffnung von Tagungen und Versammlungen, bei Ehrungen, Jubiläen und Verabschiedungen bestätigt sich täglich neu die Feststellung von Heinz Erhardt: ,,Es ist einfacher, den Mund zu halten als eine Rede." Der Grund: Viele wählen den falschen Zugang, wenn sie zu solchen und ähnlichen Anlässen reden. Sie suchen in Büchern mit Musterreden oder in Zitatenlexika nach Antworten auf die Frage, was sie zum fünfzigsten Geburtstag von Kollege Meyer, zur Verabschiedung der Kollegin Müller oder zur Eröffnung der Betriebsfeier sagen könnten. Ergebnis: Plattitüden-Häufungen und Second-Hand-Weisheiten ohne Überzeugungskraft, langweilige Reden, die man in unterschiedlichen Varianten schon oft gehört hat. Was ist für eine gelungene Rede notwen- dig? Eine persönliche Beziehung herstellen. ,,Sehr geehrter Herr Braun, mit berechtigtem Stolz dürfen Sie heute Ihr 25-jährjges Dienstjubiläum feiern." ,,Du darfst" lautet der Werbeslogan für eine Halbfett-Margarine. Wer ein Jubilaum begeht oder seine Ausbildung erfolgreich beendet, hat Grund, sich zu freuen. Dafür braucht er keine Erlaubnis. Deshalb gehen Reden zu Jubiläen und ähnlichen Ereignissen in die falsche Richtung, wenn ein Redner unpersönlich als höhere Instanz spricht, die etwas gestattet: Du darfst. Die Alternative: In der Rede wird ein persönlicher Bezug hergestellt: ,,Sehr geehrter Herr Braun, ich freue mich, dass Sie Ihr 25-jähriges Jubiläum gesund und munter feiern können." Überraschen statt langweilen. ,,Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wir haben uns heute versammelt, um Frau Hagen zu verabschieden." ­ Solche Einstiege vor dem Einstieg sind überflüssig. Alle wissen, warum sie gekommen sind. Eine Überraschung ist die Alternative, mit der man für Aufmerksamkeit sorgt: ,,Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, selbst dann, wenn Frau Hagen nur einmal am Tag von ihrem Büro zur Lehrwerkstatt gegangen wäre, hätte sie in den 27 Jahren, die sie für unser Unternehmen gearbeitet hat, die Strecke von Hamburg nach Rom zurückgelegt." Neues sagen. ,,Sehr geehrte Damen und Herren, ich berichte Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass unser Unternehmen ein schwieriges Jahr hinter sich hat." ­ Wurde schon alles gesagt, hilft nur eines: Mund halten. Kündigen Sie nie an, nichts Neues zu sagen; das verstimmt das Publikum. Wenn Sie etwas Neues zu sagen haben, sagen Sie es. Auf Pathos verzichten. Der Chef hat Geburtstag. Die Verkaufsleiterin gratuliert: Sehr geehrter Herr Fritsch, meine sehr verehrten Damen und Herren, aus Anlass Ihres fünfzigsten Geburtstags habe ich den ehrenvollen Auftrag, Ihnen im Namen aller Mitarbeiter die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen. Wir wünschen Ihnen ..." ­ Der Chef kann Arbeitsaufträge erteilen. Doch wenn eine Mitarbeiterin aus Anlass seines Geburtstag im Namen der Belegschaft spricht, dann sollte sie dem Chef ohne Pathos herzlich gratulieren: ,,Sehr geehrter Herr Fritsch (am Geburtstag darf es ,,lieber Herr Fritsch" sein), herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünschen Ihnen ..." ­ Aus Anlass, im Auftrag, im Namen ­ diese Steifmacher sind überflüssig. Wer auf sie verzichtet, gewinnt Raum, um etwas Interessantes zu sagen. Deutsch sprechen. ,,De mortuis nihil nisi bene." Sie können kein Latein? Sie mögen es nicht, wenn Redner Sie vor Rätsel stellen? Dann geht es Ihnen wie vielen Menschen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, ein Zitat im Original zu bringen, wenn man nicht sicher ist, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer Lateinisch oder Englisch sprechen. Deshalb: ,,Über Tote soll man nur Gutes reden." Klemmkonstruktionen vermeiden. ,,Lieber Kollege Schmidt, ich weiß, Sie mögen keine Reden und schon gar keine langen. Aber heute müssen Sie doch eine kleine Ansprache über sich ergehen lassen." ­ Solche Zwar-aber-Konstruktionen sind als humorvoller Einstieg gemeint. Aber eben nur gemeint. Entschieden besser ist es, Herrn Schmidt etwas Nettes oder Originelles zu sagen; aber nicht, dass er keine Reden hören will. Bremsen lösen. Eine Rede beginnt man nicht mit angezogener Bremse, sondern mit voller Kraft. Klassische Bremsen sind ,,wenn" und ,,als" oder ,,im Namen" und ,,zum Bestehen". Ein Beispiel: ,,Liebe Mitarbeiterinnen, wenn ich die letzten Jahre Revue passieren lasse, dann komme ich zu dem Schluss, dass wir ein großes Arbeitspensum bewältigt haben und unsere Arbeit von Erfolg gekrönt war." ­ Ohne diese Bremsen kann man schwungvoll beginnen: ,Liebe Mitarbeiterinnen, wir haben in den letzten Jahren hart gearbeitet. Und wir waren erfolgreich." An den Applaus denken. Der Redeschluss muss wirken. Wer die Zuhörer im letzten Satz auffordert, das Glas auf den Chef oder die Kollegin zu erheben, beeindruckt nicht und tut sich keinen Gefallen: Wer das Glas erhebt, kann nicht applaudieren. norbert Franck Süddeutsche Zeitung, 31.10./1./2.11.2008 B Entschieden auftreten Das nächste Projekt kommt bestimmt: Wie man in Diskussionen die Wirkung seiner Worte verstärkt. n Diskussionen geht es häufig nicht um die Suche nach den besten Argumenten und vernünftigsten Lösungen, sondern darum, recht zu haben (und zu behalten). Wer Diskussionen als Kampfplatz begreift, verliert: Gelassenheit, Nerven und Sympathien. Deshalb sollte man nicht gegen andere antreten, sondern für die eigene Meinung, für die eigenen Vorschläge ­ und darauf achten, dass man sich nicht klein macht, sondern bestimmt auftritt. (...) Sich das Reden gestatten. ,,Wenn ich auch einmal etwas dazu sagen dürfte", ,,Ich würde gerne einmal fragen": Beginnen Sie einen Diskussionsbeitrag nicht mit der Bitte um Rederecht. Dieses Recht steht Ihnen zu. Höflichkeitsfloskeln und der Demutskonjunktiv wirken wenig souverän. Sprechen Sie deshalb einleitungsfrei. Wenn Sie höflich sein möchten, dann richtig: ,,Das ist eine interessante These. Ich stimme ihr ..." ,,Das sind spannende Befunde. Haben Sie auch Daten über ...?" Ohne Konjunktiv sprechen. ,,Ich würde sagen, es geht an diesem Punkt um die Entscheidung, ob ...", ,,Ich fände es besser, ..." In diesen Sätzen wird der Konjunktiv falsch eingesetzt. Ein Sprachschnitzer ist kein Problem; die unausgesprochene Botschaft ist problematisch: Gestatten Sie mir, dass ich das sage. Ich bin bereit, es jederzeit anders zu sehen. Sprechen Sie deshalb ,,würde"-los: ,,Ich meine, es geht um die Entscheidung, ob ...", ,,Ich finde es besser ..." Sagen statt fragen. ,,Könnte es nicht sein ...?" ,,Sollten wir nicht besser ...?" Signalisieren Sie nicht durch Fragen, Sie seien auf Zustimmung angewiesen. Wenn Sie der Auffassung sind, dass eine Behauptung nicht haltbar ist, sagen Sie es klar und deutlich: ,,Ich meine, dass diese Auffassung nicht haltbar ist, weil ..." ,,Ich halte das für eine unzulässige Verallgemeinerung." Diese Formulierungen sind angemessen und selbstbewusst, denn sie signalisieren: Ich bin mir meiner Meinung oder Einschätzung sicher und deshalb nicht von der Zustimmung anderer abhängig. Deshalb: Stellen Sie nur dann eine Frage, wenn Sie wirklich etwas wissen wollen, wenn Sie tatsächlich unsicher sind. Betonung wechseln. Reden Sie nicht ,,ohne Punkt und Komma?"; das schmälert die Wirkung eines Beitrags. Machen Sie Pausen. Pausen sind ein rhetorisches Mittel: Lassen Sie eine wichtige Aussage oder Frage wirken, indem Sie eine kurze Pause anschließen. Der beeindruckende ,,Brustton der Überzeugung" kommt zustande, wenn Sie das Sprechtempo und die Lautstärke wechseln. Sprechen Sie mal langsamer, mal schneller (aber nie zu schnell) und mal lauter, mal leiser (aber immer gut hörbar). Nonverbale Verstärker einsetzen. Halten Sie stets Blickkontakt und legen Sie die Unterarme auf den Tisch, um Ihre Ausführungen mit Gesten unterstreichen zu können. Bleiben die Hände unter dem Tisch, sinken die Schultern nach vorne. Die Folge: Man macht sich kleiner und sitzt nicht gerade ­ kein ideales Bild. Kurze Sätze. Wer lange Sätze formuliert, hat es schwer, angemessen zu betonen. Ein klarer Satzbau und kurze Sätze sind gute Voraussetzungen, um eindringlich sprechen und Wichtiges deutlich hervorheben zu können. Starke Begriffe verwenden. Vor allem Begriffe wie Standpunkt, Schlussfolgerung verleihen Argumenten Nachdruck, denn sie signalisieren, ich habe nachgedacht und bin sicher: ,,Ich behaupte ... Diese Behauptung begründe ich ...". ,,Aus diesen Überlegungen ziehe ich den Schluss ...", ,,Diese Argumente verdichte ich in der Schlussfolgerung ...". Bilder nutzen. Visualisieren Sie Ihre Diskussionsbeitrage mit Worten ­ zum Beispiel mit konkreten und verständlichen Beispielen, mit Vergleichen (Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass Essig), mit anschaulichen Bildern oder Analogien (Wenn diese Landesregierung eine Aktie ware, dann würde ich sie noch heute verkaufen). Die Aufmerksamkeit der Zuhörer ist Ihnen sicher. norbert Franck Süddeutsche Zeitung, 15./16.11.2008 I 10 Ausgabe 44 Management Verhandlungstaktik lhr Ass im Ärmel Es ist eine Premiere: Ihr Chef nimmt Sie erstmals zu einer wichtigen Verhandlung mit. Keine Sorge, mit der richtigen Strategie und einer sorgfältigen Vorbereitung meistern Sie jede Situation. ,,Können Sie den Quartalsbericht in einer Stunde fertig machen?" ,,Ich setze mich gleich dran, Chef, aber ich glaube, dass ich länger dafür benötige" ­ und schon sind Sie mittendrin in einer Verhandlung. Solche Situationen begegnen uns jeden Tag, im Berufs- und im Privatleben. Überall dort, wo zwei oder mehr Personen etwas voneinander wollen und sich über die Bedingungen einig werden müssen, wird verhandelt. Befehl und Gehorsam, das gibt es eigentlich nur bei strikt hierarchischen Strukturen wie dem Militär. Denn auch wenn es uns manchmal nicht bewusst ist, einen Spielraum gibt es in fast jeder Verhandlung. Doch nur die wenigsten Menschen sind sich darüber im Klaren, dass sie täglich verhandeln. ,,Das Ergebnis einer Verhandlung hängt entscheidend von der Vorbereitung ab", weiß Trainer und Buchautor Peter Knapp. Zwei weitere Faktoren sind für das Gelingen notwendig: eine angemessene Taktik und die richtige Grundeinstellung. Mit dem Win-Win-Prinzip punkten Zunächst ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Ergebnis einer Verhandlung immer ein Gewinn für beide Seiten sein sollte. Kommunikationsexperten sprechen vom Win-Win-Prinzip. Noch immer ist eine andere Ansicht weit verbreitet. Viele sehen eine Verhandlung als Kampf, bei dem es einen Gewinner (möglichst man selbst) und einen Verlierer (am besten der Gegner) gibt. ,,Menschen, die in solchen Kategorien denken, werden wahrscheinlich nie überragende Ergebnisse erzielen", erklärt Kommunikationstrainer Peter Knapp. Denn idealerweise wird bei erfolgreichen Verhandlungen ein Zusatznutzen für beide Seiten erzielt. Das ist nur bei einer offenen, kreativen und damit effizienten Verhandlung möglich. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Firma A verkauft Produkte an Firma B. Statt einen möglichst niedrigen Preis auszuhandeln, einigen sich beide Firmen auf einen moderaten Preis. Firma A erklärt sich im Gegenzug bereit, die Wartung der Produkte für die nachsten drei Jahre zu übernehmen ­ damit sind für Firma A keine hohen Kosten verbunden, da sie über das entsprechende Personal in der Nähe des Standortes von Firma B verfügt. Dieses attraktive Angebot veranlasst Firma B, weitere Produkte bei Firma A zu bestellen. Die Verhandlung, bei der sich beide Parteien als Partner und nicht als Gegner sehen, hat zu einem Ergebnis geführt, das alle zufrieden stellt. Darüber hinaus wurde die Geschäftsbeziehung gefestigt, eine weitere Zusammenarbeit ist für beide Seiten erstrebenswert. 1) Mit kleinen Zugeständnissen für gute Stimmung sorgen: Das Sprichwort ,,Geschenke erhalten die Freundschaft" trifft auch auf das Geschäftsleben zu. Machen Sie in der Verhandlung kleine Zugeständnisse, die Ihre Firma wenig kosten, dem Geschäftspartner aber viel nützen. Gewähren Sie beispielsweise eine verlängerte Garantie oder Ähnliches. ,,Die meisten Menschen, die ein Geschenk bekommen, halten es für wichtig, sich erkenntlich zu zeigen. Mit dieser Taktik erhöhen Sie die Verhandlungsbereitschaft Ihres Partners", weiß Verkaufstrainerin Astrid Heeper. Wenn Sie selbst in Verhandlungcn kleine Gaben erhalten, sollten Sie das natürlich positiv werten, deshalb aber nicht vorschnell Ihrerseits Zugeständnisse machen. Rechnen Sie im Vorfeld immer genau durch, mit welchen Kosten ein Zugeständnis für Ihre Firma verbunden ist. 2) Den Wind aus den Segeln nehmen: Wenn die Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner in der Vergangenheit nicht immer optimal verlaufen ist, sollten Sie Vorsorge treffen. ,,Gab es früher beispielsweise Lieferprobleme, warten Sie nicht, bis der Geschäftspartner dies anspricht und als Verhandlungsargument gegen Sie verwendet. Thematisieren Sie die Probleme, und erläutern Sie, was unternommen wurde, um sie zu beseitigen", empfiehlt Verkaufstrainerin Astrid Heeper. So können Sie beispielsweise der Forderung nach einer Preissenkung den verbesserten Service entgegen- stellen. 3) Umstrittene Punkte später verhandeln: Manchmal hängt man einfach fest, nichts geht mehr. ,,In solchen Fällen ist es ratsam, die strittigen Punkte erst einmal hintenan zu stellen und die restlichen Tagesordnungspunkte zu verhandeln. Erst später, wenn wieder eine positive Stimmung herrscht, da vieles bereits unter Dach und Fach ist, sollte der ungeklärte Aspekt noch einmal besprochen werden", sagt Verkaufstrainerin Astrid Heeper. Besonders bei umfangreichen Verhandlungen ist dese Taktik sinnvoll. 4) Die Taktik der kleinen Schritte: Ihr Verhandlungspartner ist schwierig, der Verhandlungsgegenstand vielschichtig und kompliziert. Hier können Sie versuchen, in vielen kleinen Schritten Ihrem Ziel ein Stück näherzukommcn. Oft fällt Gesprächspartnern ein Entgegenkommen leichter, wenn die Zugeständnisse, die sie machen müssen, überschaubar sind. ,,Werden Sie selbst mit dieser Taktik konfrontiert, behalten Sie immer die Kosten im Blick. Insgesamt kann doch ein stattlicher Betrag zusammenkommen", weiß Verkaufstrainerin Astrid Heeper. 5) Verhandlungsspielraum testen: Nicht selten wird man mit dieser Situation konfrontiert: Der Verhandlungspartner reagiert ab einem bestimmten Punkt gereizt und will nicht von seinen Forderungen abrücken. Damit Sie sich in einer solchen Situation nicht festfahren, sollten Sie den Verhandlungsspielraum vorsichtig ausloten. ,,Wählen Sie eine konfliktmildernde Sprache", rät Verkaufstrainerin Astrid Heeper. Formulierungen wie ,,Ich würde sagen ...", ,,Ich würde vorschlagen ..." und offene Fragen wie ,,Was meinen Sie, wie kommen wir hier weiter?" lassen Sie wieder ins Gespräch und damit in die Verhandlung zurückfinden. 6) Der ,,Gute" und der ,,Böse": Mit dieser Verhandlungstaktik für zwei können Sie Grenzen austesten, ohne die Verhandlungen in eine Schieflage zu bringen. So geht's: Während zum Beispiel Ihr Chef hohe (Preis-) Forderungen stellt, bleiben Sie moderat. Geht Ihr Verhandlungspartner nicht auf die Forderungen Ihres Chefs ein, können Sie diese ­ ohne Gesichtsverlust für Ihren Chef ­ modifizieren und nach unten korrigieren, indem Sie die Einwände des Gegenübers anerkennen und berücksichtigen. Der Vorteil dieser Taktik: Es kommt nicht zum Abbruch der Verhandlungen. Diese Gefahr ist bei einer Taktik des scheinbaren Nicht-verhandelnWollens durchaus gegeben. Hier erweckt man den Eindruck, in einer so guten Position zu sein, dass man nur zu den eigenen Bedingungen zu einem Vertragsabschluss bereit ist. Lässt sich der Verhandlungspartner von dieser Taktik nicht verunsichern, ist ein Weiterverhandeln ohne Gesichtsverlust nicht möglich. Die Taktik sollte man daher nur anwenden, wenn die eigene Alternative sehr gut ist. Unfaire Verhandlungstaktiken kontern Leider wenden manche Gesprächspartner auch unfaire Taktiken an. So ist es beispielsweise beliebt, das Gegenüber unter Zeitdruck zu setzen, nach dem Motto ,,Nur wenn Sie jetzt zustimmen, ist der Deal perfekt". Die am weitesten verbreitete unlautere Methode ist der sogenannte ,,große Biss". Hier werden überhöhte Forderungen gestellt, zum Beispiel unrealistisch hohe Preise. ,,Das Ziel dieser Taktik ist es, den Verhandlungspartner so sehr zu verunsichern, dass er seinerseits zu großen Zugeständnissen bereit ist", erklärt Verkaufstrainerin Astrid Heeper. Hier hilft nur, einen kühlen Kopf bewahren und sich nicht von den eigenen Zielen abbringen lassen. ,,Meist verpufft die Wirkung solcher Methoden in dem Augenblick, in dem sie durchschaut werden. Zögern Sie nicht, wenn auch in einem moderaten Ton, unfaire Taktiken offenzulegen", meint Trainer Knapp. Nicht jede Taktik des Verhandlungspartners zielt aber auf die Sachebene. Es gibt auch persönliche Angriffe. ,,Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, mit Gegenangriffen zu antworten, so verlockend das auch im Augenblick sein mag. Weisen Sie mit Ich-Botschaften daraufhin, dass Sie diese Attacken auf Ihre Person nicht hinnehmen und zu einer sachlichen Ebene zurück kehren wollen", empfiehlt Kommunikationsexpertin Astrid Heeper. Mit einem Satz wie ,,Ich meine, wir sollten uns wieder der Vertragsgestaltung zuwenden", lassen Sie die feindlichen Worte an sich abprallen und demonstrieren Souveränität. Dann steht einem gemeinsamen Verhandlungserfolg nichts mehr im Weg. Alexandra Gebel working@office, 12.2008 Ass Spielkarte mit höchstem Wert den Wind aus den Segeln nehmen (ugs.) die Argumente wegnehmen kontern erwidern verpuffen (ugs.) verfliegen, sich auflösen Ausgabe 44 11 Management Employability Beschäftigungsfähigkeit, Arbeitsmarktfähigkeit; Fähigkeit zur Teilhabe am Berufsleben Empathie Einfühlungsvermögen Setting (hier:) Rahmen, Situation, Tool (Werkzeug) Computerprogramm Assessment eignungsdiagnostisches Verfahren (Rollenspiele, Planspiele, Gruppendiskussionen, Fallstudien und psychologische Testverfahren) Unilever global agierender Konzern (Nahrungs-, Reinigungs-, Waschmittel, Kosmetika) Nivea = Marke (Körperreinigung und ­pflege, z.B. Hautcreme) ins Schwitzen geraten (ugs.) in Schwierigkeiten kommen stöbern langsam durchsuchen Herausforderung Uniquability: Einzigartigkeit erkennen Um den eigenen einzigartigen Kern, die Uniquability, herauszuschälen, sind eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten. Zum Beispiel: Was sind die Werte und Grundüberzeugungen, die mich antreiben? Was kann ich wirklich außergewöhnlich gut? Welche Arbeit gibt mir Energie? Welche Herausforderungen bringen mir Freude? Mit welcher Art Menschen arbeite ich in welchem Kontext und in welcher Arbeitskultur besonders gerne zusammen? Wie viel Struktur und Regeln brauche ich? Und wo benötige ich Freiräume? Die Antworten sind die Mosaiksteine, die sich zum Uniquability-Profil zusammensetzen lassen. Da es nicht für jedes individuelle Profil den passenden Job gibt, haben einige Pioniere den kurzerhand erfunden. Haben Sie schon einmal vom Beruf der ,,Zooanimateurin" gehört? Den Beruf gibt es eigentlich nicht. Oder besser gesagt, es gab ihn nicht, bis Christine Peters sich entschloss, aus ihrer Uniquability eine Profession zu machen. Die tierbegeisterte Arzthelferin beschäftigt heute im Krefelder Zoo Tiere, für die das Zooleben sonst wenig Abwechslung bringt. Besucher, die sich schütteln vor Lachen, wenn die Zebramangusten auf der Jagd nach Mehlwürmern aufgeregt in einem riesigen Jutesack verschwinden, verdanken ihr dieses Schauspiel. Dass Menschen, die wie Christine Peters genau das tun, was ihren Stärken und vor allem ihren Wünschen entspricht, produktiver sind, als jene, die ,,nur" ihren Job machen, liegt auf der Hand. Leidenschaft macht Leistung. Für Unternehmen, die diese verborgenen Leistungsreservoire nutzen wollen, besteht damit die Herausforderung: Platz schaffen für mehr Einzigartigkeit. Im Idealfall gelingt der Wandel von der starren Organisation mit standardisierten Laufbahnmodellen hin zum Uniquability-Partner, der die Beschäftigten darin unterstützt, die Arbeitsbeziehung so zu gestalten, dass sie ihre Stärken und Talente maximal zur Entfaltung bringen können. Dazu brauchen wir vor allem eine neue Generation von Be- wertungs-Tools. Bewertungs-Tools verbergen das ,,Besondere" Methodensets und Toolboxen sind heute vorwiegend darauf ausgelegt, Standards zu definieren ­ zum Beispiel mithilfe von Kompetenzmodellen und Jobprofilen. Via Assessments und Beurteilungen werden dann die Beschäftigten an einem idealtypischen Sollprofil gemessen: Führungsqualitäten überdurchschnittlich, Beziehungsmanagement ausreichend, planvolles Vorgehen deutlich über dem Durchschnitt und flexibles Handeln ausreichend. Die Ergebnisse sind Standardübereinstimmungen und Standardabweichungen. Je länger jemand derartiges Feedback erlebt, seine Stärken und Schwächen immer wieder schwarz auf weiß dokumentiert sieht, desto mehr läuft er Gefahr, ein verzerrtes oder verengtes Selbstbild zu entwickeln. Während sich das Selbstbild dem vom Unternehmen vorgegebenen Fremdbild anpasst, geraten die wirklichen Stärken, Werte und Fähigkeiten mehr und mehr in Vergessenheit. Das ,,Besondere" geht verloren. (...) Ohne Empathie kann Kreativität zur Tüftelei verkommen Der bisher wohl bekannteste ,,empathische Coup" ist Unilever mit der Marke Dove geglückt. In einer Branche, in der der Glaubenssatz herrscht, Pflegeprodukte können nur mit idealisierten faltenlosen Schönheiten beworben werden, startete Dove eine Kampagne mit ,,echten" Frauen. Mit der Initiative ,,Wa(h)re Schönheit" signalisierte Dove den Kundinnen: Wir wissen, wie Ihr Euch fühlt, wenn Ihr immer diese unerreichbaren, künstlichen Schönheiten vor Augen geführt bekommt. Wir teilen Eure Wertschätzung authentischer Schönheit. Die Botschaft wurde verstanden. Der Absatz der Dove-Produkte zog so stark an, dass Branchenprimus Nivea regelrecht ins Schwitzen geriet. Empathie bringt Märkte in Schwingung. Unternehmen, die in die empathischen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter investieren, investieren in ihre Marktfähigkeit. ,,Echtes Zuhören" statt Downloading Voraussetzung für das empathische ,,Hineinfühlen" sind zwei Fähigkeiten. Erstens: die Fähigkeit, exakt zu beobachten, im Gegenüber zu lesen, dessen Stimmungen und Gefühle zu sehen. Verkäufer beherrschen diese Fähigkeit oft sehr gut. Sie erkennen auf den ersten Blick, wer stöbert oder wer mit einem festen Kaufvorsatz den Laden betritt. Auch Berater, die Stimmungen ihrer Klienten aufgreifen müssen, um diese spiegeln zu können, sind in der Regel gute Menschenbeobachter. (...) Die zweite Fähigkeit ist das ,,echte Zuhören". Diese ist in der modernen Gesprächskultur nahezu verloren gegangen. Das behauptet jedenfalls Professor Dr. Otto Scharmer vom renommierten Massachusetts Institute for Technology (MIT). Ersetzt wurde das Zuhören durch etwas, das der Kommunikationswissenschaftler als Downloading bezeichnet. Das läuft ungefähr so ab: Während der eine redet, läuft im Kopf des anderen ein Programm ab, das abgleicht und nach Gemeinsamkeiten mit dem sucht, was er selbst denkt und weiß. Sobald eine Gemeinsamkeit entdeckt ist, hakt er ein und spult jetzt seinerseits seine Standpunkte herunter, während der Gesprächspartner nun das Gehörte abgleicht. Keiner hört wirklich zu. Keiner lässt sich auf den anderen ein. Keiner verlässt die Grenzen der eigenen Weltsicht und Urteile. Im Prinzip führen beide einen versteckten Monolog. So entsteht wenig Erkenntnis und gar nichts Neues. (...) Imke Keicher managerSeminare, november 2008 Karriere Einzigartigkeit schlägt Employability Fachwissen verliert in der Arbeitswelt an Bedeutung. Einzigartigkeit, Kreativität und Empathie deklarieren Zukunftsforscher als die Schlüsselkompetenzen von morgen. Aber wie gelingt die Umschulung vom Wissens- zum Kreativarbeiter? Und in was für einem Arbeits-Setting kann der neue Mitarbeitertypus seine Fähigkeiten am besten entfalten? Trendexpertin Imke Keicher mit Antworten. Uniquability Uniquabiiity beschreibt den persönlichen, einzigartigen Mix aus Talenten und Leidenschaften. Warum wichtig: Für den Einzelnen wird seine Uniquability in der Arbeitswelt von morgen zu einem der sichersten Ankerpunkte einer stressresistenten und erfüllten Arbeits- und Lebensbiografie. Für den Arbeitgeber wiederum wird die Uniquability der Beschäftigten zum Wettbewerbsfaktor. Denn Arbeitnehmer, die gemäß ihren Stärken und Leidenschaften gefördert werden, sind deutlich produktiver als jene, die ,,nur" ihren Job machen. Wie zu fördern: Um den eigenen einzigartigen Kern herauszuschälen, sind vor allem folgende Fragen zu beantworten: Was sind die Werte und Grundüberzeugungen, die mich antreiben? Was kann ich wirklich außergewöhnlich gut? Welche Arbeit gibt mir Energie? Mit welcher Art Menschen arbeite ich in welchem Kontext und in welcher Arbeitskultur gerne zusammen? Und wie viel Struktur und Regeln brauche ich? Kreativität Kreativität bezeichnet die Fähigkeit schöpferischen Denkens und Han- delns. Warum wichtig: Im Gegensatz zu Wissen ist Kreativität nicht archivier-, austausch- und wiederverwertbar. Im gleichen Maße, wie Wissen an Wert verliert, weil es ­ vor allem durch das Internet ­ vielen frei zugänglich ist, steigt die Bedeutung der Kreativität als Wettbewerbsfaktor. Einige Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler sprechen bereits von der Creative Economy. Wie zu fördern: Viele Unternehmen engagieren Innovationsberater, die helfen sollen, die Kreativität der Beschäftigten in Schwung zu bringen. In Großgruppensimulationen stellen diese zum Beispiel Arbeitsprozesse in Abteilungen oder ganzen Unternehmen nach, um Ansätze für Innovation sichtbar und so kreative Entwicklungen möglich zu machen. Der Trend zum ,,Open Space" in den Büros ist ebenfalls dem Kreativitätspostulat geschuldet. Denn in offenen Bürolandschaften, in denen viel kommuniziert wird und zahlreiche Reize auf die Kreativen einströmen, laufen diese zur Höchstform auf. Empathie Empathie beschreibt die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, ihre Gefühle zu erkennen und so ihr Handeln zu verstehen. Warum wichtig: Empathie ist die Voraussetzung dafür, dass Uniquabilität und Kreativität ihre Wirkung entfalten können. So brauchen etwa Führungskräfte empathische Fähigkeiten, um die Einzigartigkeit der eigenen Mitarbeiter zu erkennen. Marketing-Strategen und Produktentwickler wiederum benötigen empathische Kompetenz, um die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden vorauszudenken. Wichtig ist Empathie aber vor allem in der internen Kommunikation. Denn nur wo empathisch kommuniziert wird, kann Wissen wirklich fließen und gemeinschaftliche Kreativität entstehen. Wie zu fördern: Voraussetzung für Empathie sind zwei Fähigkeiten. Erstens: die Fähigkeit, genau zu beobachten. An der Elite-Universität Yale werden die Medizinstudenten zum Yale Center for British Art geschickt, um ihre Beobachtungsgabe zu schulen. Denn Menschen, die sich mit Bildern beschäftigen, haben nachweislich eine subtilere Wahrnehmung. Zweitens: Die Fähigkeit, wirklich zuzuhören. An der Columbia University wurde in der Medizinerausbildung die Methode des ,,Parallel Charting" eingeführt, damit die Studenten lernen, genau hinzuhören. Dabei tragen die Studenten sowohl das, was Patienten ihnen erzählen, ins Krankenblatt ein, als auch Eindrücke über die Gefühle der Patienten und eigene Emotionen im Gesprächsverlauf. Denkbar ist etwa, die Methode bei Mitarbeitergesprächen einzusetzen. Die wichtigsten Zukunftskompetenzen 1 Ausgabe 44 Management nalytisches Denkvermögen. Steckt, wenn überhaupt, in der linken Hirnhälfte, registriert Einzelheiten, steuert verbale Fähigkeiten und verarbeitet zeitliche und logische Abfolgen. Ausgeprägtes A. D. gehört zu den bestbezahlten Fähigkeiten in allen Berufen, die mit Geld, Gesetzen und Geschäftsprozessen zu tun haben. Ständige Widersacher sind Intuition und Charisma. egeisterungsfähigkeit. Die sich ständig aus sich selbst heraus erneuernde Freude an Dingen, Plänen und Zielen, verbunden mit der Gabe, andere Menschen anzustecken. Für Idealisten ein durch und durch positiv besetzter Begriff. Für Karrieristen ein zweischneidiges Schwert ­ wenn sie nämlich merken, dass sie sich dank ihrer B. einen miserablen Job schönreden sollen. harisma. Wörtlich: Gnadengabe, ­ volkstümlich: das gewisse Etwas. Eine seltene Kombination aus Selbstsicherheit, Begeisterungsfähigkeit, unorthodoxem Denken und Visionskraft, die Menschen dazu bringen kann, nicht in ihrem Interesse, sondern in dem des Charismatikers zu handeln. Sein natürlicher Feind ist der analytisch begabte Denker. Für ihn ist Charisma schlicht dummes Zeug. urchsetzungsstärke. Feine Umschreibung für: ,,Hau` drauf und Schluss!" Angeblich zwingend erforderlich, um Entscheidungen gegen den Trotz und Widerstand anderer Menschen in die Tat umzusetzen. Die Anwendung körperlicher Gewalt ist verboten. Aber sonst eigentlich nichts. motionale Intelligenz. Titel eines Bestsellers von David Goleman, der den Intelligenzquotienten als Passepartout für die Chefetage entzauberte. Festmachen lässt sich das Vorhandensein von E. I. an Sozialkompetenzen wie Kommunikationsstärke, Konfliktfähigkeit und Einfühlungsvermögen. lexibilität. Wendigkeit im Denken und Handeln, um der Dynamik unserer Tage Paroli bieten zu können. F. im engeren Sinne heißt Versetzungs- oder Umzugsbereitschaft, F. im weiteren Sinne bedeutet ganz allgemein Veränderungsbereitschaft. Beides wird heute streng von der Belegschaft erwartet. Zum Ausgleich flexibilisieren Unternehmen ständig ihre Organisationen und Stellenangebote. lauben an sich selbst. Poetische Umschreibung für Selbstbewusstsein, impliziert mitunter Verzicht auf Rückendeckung durch den Chef. andlungskompetenz (auch: Umsetzungskompetenz). Man kann lang und breit über eine Sache sinnieren, aber irgendwann muss etwas geschehen. Handlungskompetent ist die- oder derjenige, der keine langen Reden schwingt, sondern auf den Tisch haut und macht. Diese Fähigkeit wird hoch entgolten, denn der Macher ist natürlich als Erster dran, wenn vorher zu wenig nachgedacht wurde. nterkulturelle Kompetenz. Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen zusammenzuarbeiten, ohne dass es fortwährend knallt. Gilt seit der Globalisierung als Schlüsselkompetenz und geht weit über Fremdsprachen- und Geographiekenntnisse hinaus. Erfunden wurde sie von Europäern, vermarktet von Amerikanern und belächelt von den Asiaten. ung. Inoffizielles Mitglied der sozialen Kompetenzen, gerne in Verbindung mit hoher Motivation. ommunikationsstärke. Vieldeutiges und viel genutzte Umschreibung für Sprachgewandtheit, Überzeugungskraft, mitunter auch Verkaufstalent. Kommunikationsstark ist jemand, der sich auf seine Zuhörer einstellt, und so redet, dass er von den anderen verstanden wird. Kommunikativ ist jemand, der gerne und viel redet. Wird gerne miteinander verwechselt. ösungsorientierung. Amerikaner bringen das auf die kurze Formel: ,,Don't talk problems ­ talk solutions" (etwa: Red kein Blech, sondern mach was draus). Lösungsorientierte Menschen halten sich bei Schwierigkeiten nicht lange mit Ursachenforschung auf, sondern suchen sofort nach Wegen, wie man die Probleme vom Tisch schubsen könnte. Später werden sie natürlich wieder auf den Tisch gebracht. otivation (hohe). Mittlerweile kaum mehr in Stellenangeboten aufgeführte, weil inzwischen als selbstverständlich vorausgesetzte Fähigkeit, andere und sich selbst am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Zu erkennen am allmorgendlich gemurmelten Mantra sich motivierender Arbeitnehmer: ,,Du kannst es. Du willst es. Du schaffst es". Im Hintergrund der Chor der Chefs: ,,Ihr könnt es. Ihr wollt es. Ihr schafft es." etworking. Geübte Netzwerker kennen nicht nur Hinz und Kunz, sondern wissen auch, wem Hinz und Kunz einen Gefallen schulden und warum. Überlebenswichtiger Selbstschutz für Mitglieder von Organisationen aller Art. Ausgiebiges N. zielt auf die Schaffung eines Sicherheitsnetzes, damit man bei Abstürzen aus großer Höhe weich fällt. Gilt aber nur dann als betriebliche erwünschte Sozialkompetenz, wenn man es nicht gegen die Firmeninteressen wendet. rganisationstalent. Das kann man sein oder haben. Wer eines ist, hat es normalerweise auch. Wer es hat, muss nur noch ein wenig an seinem Image trommeln, um als solches zu gelten. Wird ohnehin nicht nachgeprüft, weil ständig irgendwo reorganisiert wird. ositives Denken. Mentale Grundhaltung, die ihren Träger davor bewahrt, angesichts gewaltiger Probleme in Panik zu verfallen oder zu resignieren. Positiv Denkende leugnen nicht die Realität, sie lassen sich von ihr nur nicht demoralisieren. Weil bekanntlich nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Dieses Wissen geben sie gern weiter mit Sprüchen wie ,,Cool down", ,,In der Ruhe liegt die Kraft", ,,Halt den Ball flach". Man hasst sie. ualitätsbewusstsein. Geschätzte Eigenschaft bei Arbeiten, in denen es weniger um das große Ganze geht als um das penibelst ausgeführte Kleinklein. Dabei muss das große Ganze natürlich immer im Auge behalten werden. isikobereitschaft. Haben Menschen, die gerne mal ein Wagnis eingehen, bei dem die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Fehlschlags geringer ist als die eines Erfolgs. Sicherheitshalber erwerben sie Optionen auf die erste Variante. icheres Auftreten. Ist selbst bei völliger Ahnungslosigkeit das berufliche Aquivalent zu ,,parkettsicher" und gehört zum Pflichtkanon aller höheren Führungskräfte mit Überzeugungs- und Repräsentationsaufgaben. eamfähigkeit. Wenn Teamgeist die Businessvariante des Fußballcredos ist: Elf Freunde müsst ihr sein, ist Teamfähigkeit die Bereitschaft, zehn Spiele hintereinander seinen Mitspielern die Bälle zurechtzulegen und sich bei deren Versagen dafür feuern zu lassen. nternehmerisches Denken. Als Mitarbeiter so zu denken und zu handeln, als gehöre einem das Unternehmen selbst. Der Teamleiter greift höchstens korrigierend ein. erantwortungsbereitschaft. Legen solche Mitarbeiter an den Tag die sich nicht vor den Konsequenzen ihres Tuns fürchten. Allenfalls davor, etwas zu tun. ork-Life-Balance. Von Bewerbern um Führungspositionen wird ein ausgeglichenes Berufs- und Privatleben erwartet. Zumindest, dass sie kräftig daran arbeiten. -Theorie. Führungsphilosophie nach Douglas McGregor: Der Mensch ist von Natur aus faul und muss deshalb von seinen Vorgesetzten zu Arbeit angetrieben werden ( Motivation). Mitarbeiterführung soll deshalb streng und konsequent sein. Der Ansatz gilt aber nicht (mehr) als politisch korrekt, seine Anhänger deshalb auch nicht. -Theorie. Führungsphilosophie von Douglas McGregor: Der Mensch sieht Arbeit als Quelle der Zufriedenheit an und hat Freude an seiner Leistung ( Motivation). Er bedarf deshalb kaum der Führung, allenfalls der Beratung durch den Vorgesetzten. Die Annahmen der Theorie Y entspricht den meisten Unternehmensleitbildern. Die betriebliche Praxis sieht aber oft eher nach Theorie X aus. ielorientierung. Verwandt mit der Lösungsorientierung, aber mit weiterem Zeithorizont. Zusammengestellt von Christine Demmer Süddeutsche Zeitung, 23./24.8.2008 ein zweischneidiges Schwert ambivalent Passepartout (hier:) Türöffner Paroli bieten Widerstand bieten, leisten sinnieren gründlich, lange, langsam nachdenken Reden schwingen (ugs.) Reden halten hauen (ugs.) schlagen es knallt (ugs.) (hier:) es gibt heftigen Streit, Krieg Blech reden (ugs.) Unsinn reden schubsen schieben, stoßen Schopf (lit.) Kopf murmeln leise, undeutlich sagen/sprechen Mantra Wortfolge, die (in der Meditation) wiederholt rezitiert wird Hinz und Kunz (ugs.) jedermann feuern (ugs.) entlassen Wunschliste für perfekte Kandidaten Begeisterungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, sicheres Auftreten: Unternehmen fordern von den Bewerbern ausgeprägte soziale Kompetenzen ­ ein Glossar A B C D E F G H I M N O P Q R S T U V W X Y Z J K L Ausgabe 44 1 Management Veronika Kläger absolviert eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei der Fischerwerke GmbH in Waldachtal. Die 20-Jährige hat eine Stelle bei ihrem Traumarbeitgeber gefunden, 15 Minuten von ihrem Heimatort entfernt. ,,Insgesamt habe ich etwa 40 Bewerbungen geschrieben. Schon die zweite Einladung kam von Fischer und bald darauf die Zusage." Veronika Kläger ist schon dort, wo du auch gerne sein möchtest? Kein Problem: Schritt für Schritt zeigen wir dir die Etappen im Bewerbungsmarathon auf. Bewerbung als Eintrittskarte Nachdem Veronika Kläger 40 Unternehmen ausfindig gemacht hatte, die Ausbildungsstellen anbieten, machte sie sich an die Bewerbung. ,,Ich hatte damit eigentlich keine großen Probleme. Wir haben alle wichtigen Aspekte im Unterricht durchgenommen. Außerdem habe ich an einem Bewerbertraining teilgenommen, das ein Unternehmen bei uns an der Schule angeboten hatte", sagt sie. Die Bewerbung ist die Eintrittskarte in ein Unternehmen. Anhand dieser Unterlagen wird dein zukünftiger Arbeitgeber entscheiden, ob du zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wirst und die Chance auf einen Ausbildungsplatz erhältst. Folgende Unterlagen gehören in dieser Reihenfolge zu einer vollständigen Bewer- bung: 1. Bewerbungsschreiben 2. tabellarischer Lebenslauf mit Lichtbild vom Fotografen (Ein Foto ist gesetzlich nicht vorgeschrieben ­ wird von vielen Personalern aber gerne gesehen.) 3. Kopie des letzten Schulzeug- nisses 4. evtl. Bescheinigungen von Praktika oder Kursen 5. evtl. Arbeitsproben Für das Anschreiben solltest du dir viel Zeit nehmen, denn darin musst du erklären, weshalb du dich für diese Stelle interessierst und besonders dafür geeignet bist. Dr. Karin Wilcke, Beraterin bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf, rät: ,,Das Anschreiben muss kurz und prägnant sein. Es sollte klar herauskommen, welche Qualifikationen der Bewerber für diese spezielle Stelle mitbringt. Dafür muss man sich in den Arbeitgeber hineinversetzen und sich genau überlegen, was den Arbeitgeber interessiert. Außerdem muss die Motivation klar herausgestellt werden." Vor allem muss es immer individuell auf die jeweilige Stelle zugeschnitten sein. ,,Beim Anschreiben habe ich mir viel Mühe gegeben und mich vorher auch genau über das jeweilige Unternehmen informiert", erzählt Veronika Kläger. Das zweite wichtige Dokument in deiner Bewerbungsmappe ist der tabellarische Lebenslauf, der in einzelnen Kapiteln aufgebaut ist. Das Patentrezept für den richtigen Lebenslauf gibt es nicht mehr. Klassisch kannst du deinen Lebenslauf chronologisch von der Schulzeit bis zum aktuellen Bildungsabschluss oder zur aktuellen Beschäftigung aufbauen. Diese Form entspricht dem deutschen Standard eines Lebenslaufes. Dann fehlen nur noch das Bewerbungsfoto ­ auch wenn das gesetzlich nicht mehr vorgeschrieben ist ­ und die Kopien aller Zeugnisse, und, wenn du dich beispielsweise im Mediensektor bewerben willst, noch Arbeitsproben. Und nicht vergessen: Bevor du die Unterlagen abschickst, noch einmal jemanden gegenlesen lassen, um peinliche Rechtschreib- oder Grammatikfehler zu vermeiden. Das hat auch Veronika Kläger gemacht: ,,Bei 40 Bewerbungen kann sich schon mal ein Fehler einschleichen. Ich habe meine Unterlagen meiner Familie zum Lesen gegeben, und sie haben auch ein paar Kleinigkeiten entdeckt." Alle Bewerbungsunterlagen packst du, bei einer Bewerbung per Post, am Schluss in eine ordentliche Bewerbungsmappe. Bei einer Online-Bewerbung ist es auf jeden Fall wichtig, dass du genau so viel Sorgfalt wie bei einer Print-Bewerbung anwendest. Auch online gilt der Grundsatz, dass Personalverantwortliche kein Verständnis für Unachtsamkeit haben. Als größte Mängel gelten eine schlechte Formatierung, zu großes Datenvolumen, eine fehlende Struktur der Unterlagen sowie zu viele einzelne Dateien. Herzlich willkommen Wenn du mit deiner Bewerbung das Interesse der Personalverantwortlichen geweckt hast, geht es in die nächste Runde. Manche Unternehmen laden zu einem Vorstellungsgespräch ein, bei anderen werden die Bewerber zu einem Auswahltag gebeten. Egal ob Vorstellungsgespräch oder Auswahltag, in jedem Fall bedeutet das für dich, dass du dich gut vorbereiten musst. Auf Veronika Trägers Bewerbung hat die Personalabteilung der Fischerwerke GmbH schnell reagiert. Sie wurde bald zu einer Bewerberrunde eingeladen. ,,Wir haben Infos zu dem Unternehmen erhalten und wurden durch das Werk geführt. Außerdem mussten wir noch einen Einstellungstest absolvieren, bei dem beispielsweise mathematische Kenntnisse und das räumliche Vorstellungsvermögen abgeprüft wurden", erinnert sich Veronika Kläger. Bald darauf wurde sie auch zum Vorstellungsgespräch eingeladen." Dort sollte ich mich präsentieren. Ich bin seit Jahren ehrenamthich als Jugendgruppenleiterin aktiv. Im Vor- stellungsgespräch habe ich ein Foto meiner Gruppe gezeigt und auf Mo- derationskärtchen geschrieben, welche Fahigkeiten und Stärken ich mir dadurch erworben habe." Das kam offensichtlich sehr gut an, denn nach dem Gespräch hatte sie einen Ausbildungsvertrag in der Tasche. Wie komme ich an einen Ausbildungsplatz? Bewerbung leicht gemacht Deinen Traumberuf hast du gefunden. Jetzt fehlt nur noch der passende Ausbildungsbetrieb? Veronika Kläger hat den Bewerbungsprozess erfolgreich durchlaufen. abi>>gibt dir Tipps, wie du ebenfalls ein Unternehmen deiner Wahl finden kannst und was du bei der Bewerbung alles beachten solltest. Die CD ,,Bewerbung um eine Ausbildungsstelle" der Bundesagentur für Arbeit gibt Tipps für alle entscheidenden Phasen der Bewerbung. Das Programm kann unter http://www.machs-richtig.de oder unter http:// www.bewerbung-um-eine-ausbildungsstelle.de aus dem Netz geladen werden. Die CD-ROM kann für 7,50 Euro auch über http://www.babestellservice.de bestellt werden. Unter dieser Adresse kannst du dir auch die Broschüre ,,JobProfi ­ Tipps zur erfolgreichen Bewerbung für einen Ausbildungsplatz" bestellen oder herunterladen, sowie die Broschüre ,,Orientierungshilfe zu Auswahltests 2007". Außerdem bietet die Berufsberatung der Agenturen für Arbeit Seminare zum Thema Bewerbung an, an denen junge Menschen kostenlos teilnehmen können. Informiere dich dazu bitte bei den örtlichen Agenturen für Arbeit. Stellenanzeigen findest du hier: Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit http://jobboerse.arbeitsagentur.de Hilfe bei Stellensuche und Bewerbung Tipps zur Online-Bewerbung Auf Wunsch der Firma Einige Regeln solltest du bei der Online-Bewerbung berücksichtigen. l Bewirb dich online nur auf Wunsch der Firma, und verwende eventuell vorgegebene Bewerbungsformulare, die meist im Internet zu finden sind. l In der Regel werden beim ersten Kontakt nur eine Kurzbewerbung (rund eine halbe Seite) und ein kompletter Lebenslauf mit allen wichtigen persönlichen Angaben versandt. Weitere Unterlagen wie beispielsweise Zeugniskopien werden auf Anfrage nachgereicht. l Du solltest keine unvollständigen oder fehlerhaften Angaben machen. l Bitte gängige Formate wie RTF oder PDF verwenden. l Beschränke die Größe deiner verschickten Dateien, damit das Öffnen von jedem PC aus möglich ist. Die Toleranzgrenze reicht von ein bis vier Megabyte. l Du musst die komplette Post- und eigene E-Mail-Adresse angeben, über die du kontaktiert werden möchtest. l Verweise in der Bewerbung auf deine eigene Homepage nur als Referenz, also quasi als Arbeitsprobe, und nur wenn es zum Wunschberuf passt, wie beispielsweise im Internet- und Medienbereich. Aber auch dann gilt: Seriös sein und keine allzu privaten Informationen oder Urlaubsfotos auf der Seite anbieten, denn sonst vermittelst du einen schlechten Eindruck. Für Bewerbungszwecke kannst du auch eine gesonderte Homepage einrichten. l Sende die Online-Bewerbung zum Test zuerst an dich selbst. Dann kannst du eventuell auftretende Fehler bei Betreff/Subjekt, Umlauten, Sonderzeichen oder Formatierung noch korrigieren. abi>>extraAusbildung.www.abi.de;2008 Deinen ... (Die Zeitschrift ist für Lernende vor dem Abitur; daher werden die Leser mit ,,Du" angesprochen Patentrezept (ugs.) beste Lösung ehrenamtlich ohne Bezahlung quasi sozusagen 14 Ausgabe 44 Management Spagat (hier:) Dilemma, zwischen zwei extremen Positionen Zoff (ugs.) Streit, Ärger mutieren sich verändern vergraulen vertreiben ein Buch mit sieben Siegeln ein Rätsel, unbekannt Alteisen (ugs.) (hier:) nutzloser, alter Arbeitnehmer auseinanderklaffen auseinandergehen vor die Nase setzen (ugs.) überordnen schwelen langsam (ohne Flamme) brennen, insgeheim weiterbestehen über seinen Schatten springen sich überwinden feuern (ugs.) entlassen Nachwuchs im Spagat Wer jung auf dem Chefsessel landet, will sich meist beweisen und hat eigene Vorstellungen von Führungsstil, Arbeitsweise und Kommunikation ­ häufig zum Missfallen älterer Mitarbeiter. Was junge Chefs beachten sollten und wie sie Zoff vermeiden. napp die Hälfte der deutschen Unternehmen erwartet Konflikte aus der Konstellation junger Chef/älterer Mitarbeiter, wie eine Studie der Unternehmensberatung Capgemini im Jahr 2007 ergab. Zu groß sind die Generationenunterschiede, insbesondere in puncto Führungsstile, Arbeitswerte und Arbeitsweisen. So glauben Ältere häufig, dass die körperliche Anwesenheit im Büro entscheidend ist und Fleiß, Zuverlässigkeit sowie Produktivität ausdrückt. Sie kommen frühmorgens als Erste, arbeiten in der Mittagspause durch und gehen abends pünktlich heim. Die Jüngeren dagegen sehen das Thema Zeitmanagement lockerer. Sie sind geprägt vom Internet und Web 2.0; für sie ist nicht wichtig, wo und zu welcher Tages- und Nachtzeit die Arbeit erledigt wird ­ Hauptsache, sie wird erledigt. (...) Wenn derart unterschiedliche Charaktere zusammenprallen, kann aus einem Generationenkonflikt schnell ein Bürokrieg werden, zumal dann, wenn die Jungchefs klassische Fehler begehen. Der eine wird plötzlich unnahbar, überheblich oder autoritär, andere poltern durch die Flure und unterstreichen ihre Position mit dem, was in dieser Situation am meisten schadet: Übereifer und Aktionismus. (...) Wie ausgeprägt diese Konfliktlinie in Deutschland ist, zeigt auch eine Umfrage der Personalberatung Robert Half: Demnach glauben 69 Prozent der hiesigen Unternehmen, dass Mitarbeiter erst mit einem gewissen Alter ausreichend Erfahrung und Reife für eine Managerposition besitzen. In Großbritannien teilen diese Ansicht lediglich 19 Prozent der Firmen. (...) Experten raten jüngeren Vorgesetzten, sich in den ersten Wochen nach Antritt besonders um die Älteren zu kümmern. Kein Chef kann es sich leisten, Erfahrene zu verprellen, die sonst Dienst nach Vorschrift schieben oder sogar das Projekt sabotieren könnten. Mit den Vorgaben ist es dann vorbei ­ und mit der schnellen Karriere vielleicht auch. (...) daniel.rettig@wiwo.de WirtschaftWoche, 29.9.2008 K Der Bewahrer Lieblingssatz: ,,Was früher gut war, kann heute nicht schlecht sein." Typisch: Neue Technologien sind für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. E-Mails beantwortet er erst nach mehreren Stunden, SMS gar nicht. Er ist zwar zuverlässig und ehrlich, da ihn aber die moderne Arbeitswelt überfordert, neigt er zu Melancholie und Stressklagen. So führen Sie ihn: Hier ist Geduld gefragt. Diesem Kollegen müssen Sie zeigen, dass Neues nicht automatisch schlecht ist und dass man auch im Alter noch dazulernen kann (und muss). Das kann zäh werden ­ halten Sie dennoch durch! Ihr Job wird sonst bestimmt nicht leichter. Zudem stören Kollegen mit Sonderrechten auf Dauer das Betriebsklima. Lassen Sie also bei aller Geduld nie einen Zweifel an Ihren Ansprüchen aufkommen. Der Junggebliebene Lieblingssatz: ,,Man ist so alt, wie man sich fühlt." Typisch: Kurz nach Ihrem Dienstantritt tauscht er die alten Jeans gegen einen schicken Designeranzug, zeigt im Büro sein neues iPhone und erzählt Ihnen stolz, dass er seiner Frau vor Kurzem ein Geschenk bei Ebay ersteigert hat. So führen Sie ihn: Achtung, dieser Typ hat Angst. Und zwar davor, von Ihnen bald als Alteisen aussortiert zu werden. Womöglich steckt hinter der flexiblen Oberfläche tatsächlich die Unbeweglichkeit eines Bewahrers (siehe oben). Vielleicht weiß er aber auch einfach nicht, wie er mit Ihnen umgehen soll. Deshalb: Nehmen Sie ihm die Unsicherheit, und zeigen Sie ihm deutlich, dass Sie auf ihn zählen und mit seinem Engagement rechnen ­ und Sie erhalten einen loyalen Kollegen. Der Neidische Lieblingssatz: ,,Undank ist der Welt Lohn." Typisch: Wenn es nach ihm ginge, wäre er schon längst Chef Ihrer Abteilung. Das Schicksal hat es aber anders gewollt. Zudem klaffen bei ihm Selbstbild und Fremdwahrnehmung weit auseinander. Daher kann er sich besonders schwer damit abfinden, dass ihm jemand Jüngeres vor die Nase gesetzt wurde. Diesen Frust kompensiert er entweder mit Besserwisserei oder Blockade. So führen Sie ihn: Dieser Typ ist gefährlich. Sein schwelender Neid kann ihn zu Intrigen verleiten, mindestens aber führt seine Stimmung zu atmosphärischen Störungen im Team. Hilft alles nichts: Hier müssen Sie über Ihren Schatten springen. Ziehen Sie ihn ins Vertrauen. Geben Sie ihm das Gefühl, ein wichtiges Bindeglied zu Ihrer Macht und den Mitarbeitern zu sein, und vermeiden Sie alles, was seinen Neid noch verstärken könnte. Aber: Behalten Sie ihn im Auge. Manche werden so zu wichtigen Vertrauten, andere nutzen Ihr Vertrauen nun erst recht gegen Sie. Falls Letzteres zutrifft, gibt es nur eine Lösung: Feuern Sie den Querulanten! Der Oberlehrer Lieblingssatz: ,,Als ich in Ihrem Alter war ..." Typisch: Jahrelange Erfahrungen sind sein Schatz. Er hat alles schon gemacht, alles gesehen, er kennt jeden und sich mit allem aus. Und das gibt er auch gerne jedem zu verstehen. So führen sie ihn: Überlegen Sie sich gut, wenn Sie sich mit ihm auf eine Diskussion einlassen ­ meist verschwenden Sie so nur Zeit. Denn viele sind auch noch lernresistent. Ein Versuch ist es dennoch wert, vielleicht weiß er es ja tatsächlich besser. Andernfalls hilft hier nur Autorität: Sie haben ihm zugehört und trotzdem anders entschieden. Ende der Diskussion. Kompass für den Bürodschungel Auf welche Mitarbeiter sich junge Chefs einstellen müssen und wie sie am besten mit ihnen umgehen sollten. Der Bürokrat Mottolied: Another brick in the wall. So ist er: Fachlich macht ihm so schnell niemand etwas vor. Er kennt jedes noch so kleine Detail und bleibt immer auf dem neuesten Stand. Er ist gewissenhaft und ehrgeizig, kommt morgens als Erster und geht abends als Letzter. Dummerweise erwartet er das auch von den Kollegen. Wer nicht ähnlich akribisch arbeitet, kassiert schnell einen Tadel ­ und fällt dauerhaft in Ungnade. So wird es besser: Unbedingt an sozialen Kompetenzen arbeiten! Intoleranz und Pedanterie töten jegliche Motivation und Kreativität. Jeder arbeitet anders ­ allein das Ergebnis zählt. Und Veränderungen sind nicht automatisch schlecht. Der Eitle Mottolied: I believe I can fly. So ist er. Dieser Typ hält es mit Mark Twain: ,,lch liebe Kritik, aber ich muss damit einverstanden sein." Das Selbstbewusstsein bezieht er vor allem aus vergangenen Erfolgen ­ von denen er nur allzu gerne spricht ­ und aus der Beförderung: Wäre er Chef, wenn er nicht Superman wäre? Eben. Meetings mutieren deshalb gerne zu Auftritten, Besprechungen zu Audienzen. So wird es besser: Sonnenkönige leben nicht nur einsam, ihnen droht Boykott. Wer das Lob für sich allein beansprucht und nur Kritik erteilt, erzeugt innerlich Gekündigte und Dienst nach Vorschrift. Gerade Jungchefs sind auf ihr Team und deren Mithilfe angewiesen. Die Leute zu vergraulen wäre tödlich. Der Kontrolleur Mottolied: Every breath you take. So ist er. Er leidet an Selbstzweifeln und geringer natürlicher Autorität. Entsprechend vertraut er niemandem und will über alles zu jeder Zeit informiert bleiben. Schließlich könnte jemand an seinem Stuhl sägen oder ihn hintergehen. So wird es besser: Kontrolle ist eine Illusion und eine Bremse dazu. Sie bindet wertvolle Zeit und kostet Kraft. Freiräume dagegen geben allen die Chance, sich zu entwickeln. Auch den Chefs. Der Liebenswürdige Mottolied: I`d do anything for love. So Ist er: Harmonie am Arbeitsplatz steht für diesen Typ an erster Stelle. Seine Mitarbeiter gehorchen ihm, weil sie ihn mögen. Oder besser: solange sie ihn mögen. Daher vermeidet er jeden Konflikt mit der Folge, dass aus kleinen Problemen Katastrophen erwachsen. So wird es besser: Chefs werden nicht dafür bezahlt, Beliebtheitswettbewerbe zu gewinnen, sondern gute Entscheidungen zu treffen ­ auch gegen Widerstände. Kein Chef kann es jederzeit allen recht machen. Schon der bloße Versuch disqualifiziert ihn für den Job. Ausgabe 44 15 Management Burnout vgl. MARKT 41 GfK Gesellschaft für Konsumforschung umkippen (ugs.) umfallen brüten (ugs.) (hier:) nachdenken, sich quälen IWD Institut der deutschen Wirtschaft e.V. (Köln) IT Informationstechnologie Obacht! Achtung! zehren (hier:) leben das Leben umkrempeln (ugs.) das Leben gründlich ändern Burnout Nichts geht mehr Die Deutschen fühlen sich gestresst wie nie. Bei einigen endet das im Burnout. Wie Sie der Erschöpfung vorbeugen. orgen um den Arbeitsplatz, Konflikte im Büro, Probleme im Privatleben ­ die Deutschen sind gestresst wie nie. Aktuell fühlen sich 75 Prozent der Arbeitnehmer übermäßig belastet, ergab eine Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK in diesem Jahr. 29,7 Prozent klagen über häufige Kopfschmerzen, 26,7 Prozent können schlecht schlafen. Zehn Prozent glauben gar, wegen des hohen Stresspegels irgendwann umzukippen. Endstation: Burnout-Syndrom. Die Patienten der Kliniken und Therapeuten sind nicht mehr nur Top-Manager: ,,Alle Schichten und Branchen sind betroffen", sagt Bernd Sprenger, Chefarzt der Oberbergklinik in Brandenburg. Das Problem: Man erkennt das Ausbrennen häufig erst, wenn es bereits zu spät ist. Umso wichtiger ist es, auf Warnsignale des Körpers zu hören und rechtzeitig gegenzusteuern. S Nährboden Nicht die Faulen erleiden ein Burnout, sondern viel öfter Engagierte und Leistungsträger. Etwa ein Viertel der deutschen Führungskräfte fühlt sich körperlich und seelisch erschöpft, ergab eine Umfrage des OnlineStellenmarktes Stepstone im vergangenen Jahr. Nicht selten werden sie zu Märtyrern ihres eigenen Anspruchs. Vor allem, wenn sie zu Perfektionismus neigen. Gefährdet sind ebenso jene, die sich unentbehrlich fühlen oder abhängig machen vom Lob anderer. Sie sollten Ihre Einstellung zum Job dringend überdenken (siehe auch Punkt 10). 1 Warnsignale Ihr Ehrgeiz und Engagement wirken sich bereits auf das Privatleben aus: Nach der Arbeit können Sie kaum noch abschalten, sämtliche Gedanken schwirren um den vergangenen Tag. Vor dem Schlafen checken Sie noch die Büro-E-Mails und die Handy-Mailbox. Typisch: Fast jeder zweite Berufstätige kann nach Angaben des Branchenverbands Bitkom nur wenige Stunden auf sein Handy verzichten. Anschließend können Sie schlecht einschlafen, weil Sie über den nächsten Tag, die Aufgaben und Probleme brüten. Laut einer aktuellen Umfrage des Forschungsinstituts IWD beklagen derzeit 14,8 Prozent der Manager Schlafstörungen. Sie müssen dringend einen Gang runterschalten! Pflegen Sie sich und Ihre Gesundheit ­ etwa durch Sport am Feierabend (siehe auch Punkt 8). Stimmungswandel Sie stehen morgens mit schlechter Laune auf und denken mit Schrecken an den kommenden Tag. Sie haben Schwierigkeiten, Prioritäten zu setzen und anderen über längere Zeit zuzuhören. Die Fehler im Job häufen sich. Falls Ihnen doch etwas gelingt, können Sie sich darüber kaum freuen. Falls das nur eine vorübergehende Phase ist: okay. Sobald dieser Zustand jedoch chronisch wird, sollten Sie etwas dagegen unternehmen (siehe auch Punkt 9). Rückzug Sie spüren, wie Sie physisch und psychisch abbauen. Sie werden zunehmend launisch und unvermittelt laut: Schon der kleinste Anlass lässt Sie explodieren. Sie bemitleiden sich und fürchten um Ihren Arbeitsplatz. Viele geben in dieser Phase geliebte Hobbys auf: Nach Angaben des Instituts Arbeit und Qualifikation schränken heute schon 55 Prozent der Mitarbeiter in der IT-Branche für den Job ihre Freizeitaktivitäten ein. Sie müssen Ihr Sozialverhalten überdenken. Beenden sie Ihre geistige Emigration, suchen Sie den Kontakt zu Kollegen (siehe auch Punkt 7b). 4 Körperreaktionen Druck und Stress kann der Körper nicht länger kompensieren. 64,8 Prozent der Manager leiden bereits an Kopfschmerzen, 32,8 Prozent an Rückenschmerzen, so eine Umfrage des Forschungsinstituts IWD. Typisch: Schon beim Aufstehen sind Ihre Muskeln verspannt. Die Kopfschmerzen bekommen Sie mit Tabletten kaum noch in den Griff. Schlafprobleme bekämpfen Sie längst mit Alkohol, Müdigkeit mit Kaffee, Nervosität mit Zigaretten. Viele lassen sich jetzt krankschreiben: Nach Berechnungen der Techniker Krankenkasse fehlten die Deutschen 2007 über acht Millionen Arbeitstage wegen Überforderung oder Ermüdung. Obacht! Sie zehren bereits von der Substanz. 5 Zusammenbruch Lange konnte das nicht mehr gut gehen. Inzwischen können Sie sich bei der Arbeit nur noch maximal 30 Minuten am Stück konzentrieren. Ihnen unterlaufen viele Fehler, auf die Ihre Kollegen Sie aufmerksam machen müssen. Ihre Kreativität, Ihr Spaß und Ihre Kraft sind auf dem Nullpunkt angelangt. Nichts geht mehr. Kurzum: Sie stehen nun endgültig am Scheideweg. 6 Regeneration Erholung hat für Sie oberste Priorität, vor allem die physische: Wahrscheinlich braucht Ihr Körper zuerst einmal viel Schlaf. Geben Sie ihm die Zeit dazu, und schalten Sie wirklich ab: keine EMails, keine Telefonate, keine Aufgaben. Am besten machen Sie drei Wochen Urlaub. Mindestens. Leichter Sport ist dabei sogar gut. Er baut den Stress ab und die Kondition wieder auf. Zudem bringt der Wechsel aus An- und Entspannung den Hormonhaushalt in Balance. Einzig verboten: exzessiver Drill bis zum Umfallen. 8 Umdenken Wer einmal in der BurnoutSpirale sitzt, kommt nur mit äußerster Disziplin wieder heraus. Und mit einem Sinneswandel. Dazu gehört, neue Prioritäten in Beruf und Privatleben zu setzen. Das Ausbrennen ist schließlich nicht die Folge von Stress, sondern von unbewältigtem Stress. Weil der Körper regelrecht verlernt zu entspannen, müssen Sie sich das erneut beibringen. Etwa durch Entspannungsübungen wie die progressive Muskelrelaxation. Dabei geht es darum, einzelne Muskelgruppen der Reihe nach gezielt anzuspannen, um sie abrupt wieder zu lösen. Was ebenfalls hilft: Loben Sie sich! Wie der Stanford-Psychologe Albert Bandura nachwies, wirkt (Selbst-)Wertschätzung enorm positiv: Gelobte sind motivierter und verbessern nachweislich ihre Stressresistenz. Falls Sie das alleine nicht schaffen, holen Sie sich Hilfe bei einem Therapeuten. 9 Gegenmaßnahmen Geben Sie dem Burnout keine Chance. Analysieren Sie Ihre individuellen Stressauslöser, und strukturieren Sie Ihren Alltag neu. Konzentrieren Sie sich dabei auf die Dinge, die Sie wirklich ändern können oder gar delegieren. Etwa gesunde Ernährung, regelmäßiger Schlaf. Und was wäre mit Teilzeitarbeit oder ein paar Tagen im Heimbüro? Eine Umfrage der britischen Durham Business School ergab: 52 Prozent der Arbeitnehmer fühlen sich am Ende der Woche regelmäßig erschöpft, dürfen sie auch von zu Hause aus arbeiten, sinkt die Quote auf drei Prozent. Wer zu Perfektionismus neigt, sich zu viel abverlangt, sollte zudem seine Ansprüche hinterfragen und relativieren. Ebenfalls wichtig: über den Tag verteilte Pausen. Rund 35 Prozent der Manager sagen, dass sie durch mehr Kurzpausen konzentrierter und effektiver arbeiten (IWD-Umfrage). Burnout Weil Sie nichts gegen den Zusammenbruch unternehmen und trotzdem irgendwie weitermachen, verlieren Sie die Handlungskontrolle über Ihr Leben ­ bis Sie völlig ausgebrannt, hoffnungslos, verzweifelt sind und sich nur noch leer und kaputt fühlen. Einige werden darüber depressiv. Im Extremfall denken sie gar an Selbstmord. 7a Akzeptanz Der erste Schritt aus dem Tief ist der wichtigste und zugleich auch der schwerste: Hören Sie auf, das Burnout zu ignorieren oder gar zu verneinen. Machen Sie einen radikalen Schritt, und rechnen Sie damit, Ihr Leben gründlich umkrempeln zu müssen. Akzeptieren Sie aber auch, dass Sie es in diesem fortgeschrittenen Stadium ohne fremde Hilfe vermutlich nicht mehr schaffen werden. Das ist kein Zeichen von Schwäche, ganz im Gegenteil: Sie gewinnen damit letztlich die Kontrolle über Ihr Leben und damit auch über Ihre Gesundheit zurück. 7b WirtschaftWoche,13.10.2008 Zehn Prozent der Deutschen glauben, eines Tages stressbedingt umzukippen 10 Management 16 Ausgabe 44 ausloten bis ins Einzelne feststellen, analysieren nicht von ungefähr nicht ohne Grund Work-Life-Balance Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben beherzigen überzeugt befolgen ,,Im Team ist die Stimmung gerade mies", ,,Die Atmosphäre der Besprechung war heute wieder angespannt", ,,Hoffentlich ist die Atmosphäre beim Kunden nicht so geladen wie voriges Mal" ... ­ ob Kleinunternehmen oder Großkonzern: Solche Aussprüche sind gang und gäbe. Die meisten Menschen wissen intuitiv sofort, wovon die Rede ist, wenn Atmosphären angesprochen werden. Atmosphären sind überall, jeder bemerkt sie, jeder wird von ihnen erfasst und thematisiert sie ­ auch in Unternehmen. Beim Automobilhersteller Honda gibt es sogar einen atmosphärischen Unternehmensgrundsatz, der da lautet: ,,Enjoy your work, and always brighten your working atmosphere" (übers. etwa: Genieße deine Arbeit und sorge immer für eine noch bessere Arbeitsatmosphäre). Ein solcher Unternehmensgrundsatz kommt nicht von ungefähr. Denn die Erfahrungen zeigen: Leistungsbereitschaft, Motivation und Arbeitszufriedenheit hängen von örtlichen Atmosphären ab. Ebenso basieren die viel gerühmte Work-Life-Balance, der Stolz auf die eigene Arbeit, die Leidenschaft für das Produkt der Firma oder die Identifikation mit dem Team und dem Unternehmen nicht selten auf guten und stabilen Arbeitsatmosphären. Ein gutes Klima entzieht auch Mobbing und unnötigen Konflikten den Nährboden. Umgekehrt erzeugen schlechte Atmosphären langfristig Leistungsverweigerung, Demotivation, Angst, innere Kündigung, manchmal sogar Hass gegen das eigene Unternehmen. Grund für Passivität: Wir fühlen uns Atmosphären ausgeliefert Doch obwohl Atmosphären eine entscheidende Stellgröße für den Unternehmenserfolg sind: Nur wenige Führungskräfte beherzigen, was Honda in seinen Leitsatz geschrieben hat, und nehmen in ihren Atmosphärische Intelligenz Ihr Einfluss aufs Stimmungsbarometer Dicke Luft, tolles Klima, Eiseskälte: Das Miteinander in Unternehmen ist von Atmosphären geprägt ­ und die haben's in sich: Die Schwingungen und Stimmungen entscheiden über Produktivität, Kundenzufriedenheit, Arbeitsmotivation. Die Fähigkeit, atmosphärische Schwingungen auszuloten, nennt Raimund Schöll atmosphärische Intelligenz. In managerSeminare erklärt der Berater, wie Atmosphären entstehen und wie man sie beeinflussen kann. 1. Die aufgekratzte hektische Atmosphäre . Die kämpferisch- hitzige Atmosphäre . Die nieder- geschlagen- ohnmächtige Atmosphäre 4. Die freundlich- gelassene Atmosphäre 5. Die kühl- distanzierte Atmosphäre 6. Die abwertend- dämonisie- rende Atmosphäre Sechs typische Atmosphären in der Arbeitswelt Körpersprache und Habitus Schnelle und abwechslungsreiche Körpersprache. In Mimik und Gestik ist man eher expressiv. Mitarbeiter sind meist in Bewegung, selten an einer Stelle anzutreffen. Es herrschen Betriebsamkeit und Operationalität. Führungskräfte, aber auch Mitarbeiter inszenieren sich gerne als ,,Ma­ cher". Mitarbeiter wirken entschlossen, die Körpersprache ist eher expressiv und raumgreifend. Viele weisen eine hohe Körperspannung auf. Es wird eher durch die Gänge marschiert als gegangen. Die meisten Führungskräfte inszenieren sich als ,,Vollstrecker" bzw. ,,Durchsetzer". Körpersprache wirkt eher ausweichend, die Körperspannung ist niedrig. Eingefrorene oder traurige Mimik, langsame Gestik. Es mutet alles etwas bewegungslos an. Führungskräfte und Mitarbeiter wirken zurückgezogen bzw. inszenieren sich gerne mit den Mitarbeitern gemeinsam als Opfer. Die Körpersprache wirkt entspannt, weder gewollt noch stilisiert oder bemüht. Man sieht hauptsächlich in aufgelockerte Gesichter. Mimik und Gestik wirken unverkrampft. Führungskräfte und Mitarbeiter machen einen routinierten, aber auch engagierten Eindruck. Die Körpersprache wirkt reduziert und unnahbar, Mimik und Gestik sind wie eingefroren. Führungskräfte und Mitarbeiter inszenieren sich als Funktionäre. In der Soziologie spricht man bei diesem Habitus auch vom ,,organisation man". Die Körpersprache wirkt kontrolliert wie bei der kühl distanzierten Atmosphäre, allerdings ist sie gepaart mit Verachtungssignalen in der Mimik. Misstrauen ist die emotionale Grundstimmung. Sprache Es wird meist kurz und knapp gesprochen. Rhetorisch ausgefeilte Sprachstile werden gemieden. Oft werden Anglizismen, Abkürzungen und Sprüche benutzt. Man spricht gerne in Emotions­ und Trendwörtern wie ,,super", ,,klasse", ,,geil", ,,toll", ,,stark", ,,wunderbar". Es wird oft in Kriegsmetaphern gesprochen (Sieg, Niederlage, Schlacht, Kampf, Mannschaft, Schützengräben, erobern, niederringen, schlagen etc.). Die Tonalität ist eindringlich und oft laut. Rhetorische Situationen werden gesucht, um sich zu beweisen. Es wird wenig, gedämpft, teilweise auch weinerlich gesprochen. Rhetorische Situationen werden gemieden, um kein Risiko einzugehen. Es wird z. T. hinter vorgehaltener Hand oder ganz offen über die Situation gejammert. Die Sprache wirkt ruhig, man redet selbstverständlich, teilweise mit Humor. Rhetorische Situationen werden dafür genutzt, Fachliches auszutauschen oder sich persönlich mitzuteilen. Die Sprache ist nüchtern bis langweilig, kommt oft nominalisiert daher. Es wird viel Fachjargon und manchmal in komplizierten Wortverschraubungen gesprochen. Rhetorische Situationen werden genutzt, um die eigene Funktion oder Wichtigkeit zu unterstreichen. Die Sprache mutet zynisch an, klingt teilweise überheblich. Es werden diskriminierende oder abwertende Begriffe gebraucht. Schwarzmalerische und manipulative Rhetorik. Rhetorische Situationen werden genutzt, um Angst zu verbreiten. Beziehungsgestaltung Wirkt locker, flexibel, lässig, teilweise auch flüchtig. Einzelinteressen und Gruppeninteressen gehen fließend ineinander über. Die Gruppenkonstellationen und Figurationen wechseln dynamisch. Einige pflegen die fröhliche Selbstdar­ stellung. Abgrenzung gegen andere Personen oder andere Gruppen. Oft gegeneinander kämpfend, teilweise koalierend. Zum Teil gibt es starke Bindungen (,,Seil­ schaften"). Oft keine klaren Grenzziehungen unter den Mitarbeitern, z.T. beobachtet man fast ,,familiäre" Bindungen, die sich auch als ,,Schicksalsgemeinschaften" verstehen. Es gibt Abschottungen zu anderen Gruppen oder nach außen (z.B. gegenüber den Kunden). Die Grenzziehungen unter den Mitarbeitern sind sichtbar, man verhält sich aber nicht abgrenzend. Es gibt ein ausgewogenes ,,Nähe­Distanz­Spiel". Rein auf die Arbeit und die Arbeitsabläufe bezogen, überbetont sachlich. Es herrscht teilweise dünkelhaftes Territorial­ verhalten. Stark abgrenzend (In Group/ Out Group), klares FreundFeind­Denken. Macht ist das wichtigste Gestaltungsprinzip, Intrigenspiele Klima Aufgedreht, nervös, föhnig, böig, wechselhaft Rau, schwer, manchmal hitzig Niedergedrückt, z.T. schwül und beengend Wohltemperiert, angenehm, leicht, weitend Kühl, frostig, z.T. abweisend, ernst Engend, drückend, angstbeladen Personen- Metaphorik Nicolas Sarkozy Ferdinand Piech Vclav Havel, Michael Jackson Angela Merkel Helmut Schmidt, Hans Olaf Henkel Diktatoren verschiedener Provenienz und Ideologie Ausgabe 44 17 Management überstülpen (hier:) aufzwingen, oktroyieren Fetischismus (religiöse) Verehrung evozieren hervorrufen Gerücht Nachricht, die überall herumerzählt wird unter den Teppich kehren (ugs.) verbergen, totschweigen, verstecken jeweiligen Unternehmen Einfluss auf bestehende Atmosphären. Die lähmende Stimmung im Team, unangenehme Schwingungen im Arbeitszimmer, ein insgesamt unförderliches Betriebsklima ­ gegen all das wird bislang kaum etwas un- ternommen. Und das hat einen einfachen Grund: Wir fühlen uns Atmosphären ausgesetzt wie dem Wetter. Wir erfahren sie als von außen gegeben, als übergestülpt und glauben daher, sie hinnehmen zu müssen und nicht beeinflussen zu können. Zudem sind Atmosphären schwer greifbar, was sich schon darin bemerkbar macht, dass wir frei sind, etwas als Atmosphäre zu identifizieren oder nicht. Konzentriert man sich bei der Arbeit etwa auf die Atmosphäre im Team? Oder fasziniert einen gerade die Ausstrahlung eines Bildes an der Wand? Was wir jeweils als Atmosphäre sehen und gewichten, hängt von unserem Auf- merksamkeitsfokus und unseren Bedürfnissen ab. So gelingt die atmosphärische Organisationsentwicklung Welche Elemente im Einzelfall die richtigen sind und was es darüber hinaus bedarf, um Atmosphären bzw. das gesamte Betriebsklima besser zu gestalten, das lässt sich am besten in atmosphärenbezogenen Team- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen ermitteln: 1.Schritt:AtmosphärischesWahrnehmen: Zunächst gilt es, aktuell anzutreffende Atmosphären zu bemerken, sie zu thematisieren und gemeinsam mit den Mitarbeitern anzusprechen. Das Schöne: Jeder ist hierzu in der Lage, denn die Neurobiologie bestätigt, dass atmosphärische Wahrnehmungen zur biologischen Grundausstattung des Menschen gehören und dem rationalen und sprachlichen Denken vorausgehen. 2. Schritt: Hintergrundanalyse mittels systemisch-narrativer Interviews: Sodann werden die IstSituation und die Hintergründe der aktuellen Atmosphäre(n) bestimmt. Dies geschieht, indem Führungskräfte oder Organisationsentwickler mit Mitarbeitern aller HierarchieEbenen bzw. Teammitgliedern systemisch-narrative Interviews zur gegenwärtigen betrieblichen Situation durchführen. Die Fragen sollten so gestellt werden, dass die Befragten hierdurch in eine Beobachterposition gelangen. Nur so merken sie, dass sie nicht nur Teilhaber, sondernauchKreatoreinerBetriebsatmosphäre sind. Typische Fragen sind z.B.: Wie erleben Sie derzeit die Situation im Team bzw. Unternehmen? Wie würden Sie die derzeitige Stimmung einschätzen auf einer Skala von eins bis zehn? Wenn Ihre Kollegen hier dabeisäßen ­ was würden sie über die Situation/ Atmosphäre berichten? Angenommen, es würde ein Film über Ihren Bereich gedreht werden ­ welcher Filmtitel wäre passend? Provokative Hypothesen machen das Klima besprechbar 3. Schritt: Auswertung der Interviews und Hypothesenbildung: Nach Auswertung der Interviews entwerfen die Organisationsentwickler zugespitzte, teilweise provokative Hypothesen zur Arbeitssituation des Teams bzw. Unternehmens. Wichtig ist, dass die Hypothesen überindividuell sind, also nicht auf einzelne Personen bezogen werden, sondern das Team/Unternehmen als Ganzes abbilden. Die Hypothesen sollen zum Nachdenken anregen und Lust erzeugen, sich an der Gestaltung einer neuen Arbeitsatmosphäre zu beteiligen. Keinesfalls dürfen sie Schuldzuschreibungen enthalten. Eine Beispielhypothese, entwickelt für ein mittelständisches Ingenieur-Unternehmen: Uneinigkeit und ungelöste Konflikte auf der Führungsebene erzeugen Reibungsverluste auf der Mitarbeiterebene. Hintergrund: Die Führungsebene wird als uneinig erlebt. Dies sorgt für unguten Gesprächsstoff. Die bisweilen sehr angespannte Stimmung der Führungscrew überträgt sich auf die Stimmungslage und Produktivität des ganzen Unternehmens. 4. Schritt: Zurückspiegelung und Besprechung der Hypothesen: Die Hypothesen werden nun schriftlich an die betreffende Arbeitseinheit zurückgespiegelt. Dies führt dazu, dass die Atmosphären inhaltlich greifbarer und besprechbar werden. Die Teammitglieder einigen sich anschließend, welchen Hypothesen sie zustimmen, welche sie verwerfen und welche sie umformulieren. Dabei können spontan auch neue Hypothesen entstehen. Wichtig ist: Die Mitarbeiter finden ihre eigenen Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen. Läuft dieses Aushandeln offen und frei, entsteht nicht selten jetzt schon eine völlig neue Team-Atmosphäre. Mit Kompass zum Masterplan 5. Schritt: Entwurf eines atmosphärischen Masterplans: Zum Schluss werden wesentliche Schritte zur Verbesserung der Betriebsatmosphäre eingeleitet. Um auszuloten, in welche Richtung man gehen will und welche Änderungen erfolgversprechend sind, bietet es sich u.a. an, einen ,,atmosphärischen Kompass" anzulegen. Dieses Hilfstool betrachtet die vier Felder Ort, Raum, Situation und Kommunikation. So fragen sich die Mitglieder bei der Ortsbestimmung etwa: Welche firmeninternen oder externen Orte brauchen bzw. nutzen wir im Umgang mit uns und den Kunden und anderen Gruppen zu welchen Zwecken? Zur Raumgestaltung wird überlegt: Wie sollen soziale und reale Räume im Unternehmen oder in unserem Team gestaltet sein? Mit welchen einfachen Umgestaltungen und neuen Artefakten könnten wir effektive Verbesserungen erreichen? Bei der Situations-Gestaltung heißt es z.B.: Welche kreativen Elemente und sozialen Choreographien nutzen wir in Besprechungen, Konferenzen, bei Kundenmeetings, für Mitarbeitergespräche etc.? Und bei der Kommunikation geht es schließlich um Fragen wie: Welche Normen, Werte und Verhaltensweisen finden wir unabdingbar? Was erwarten unsere Kunden von uns? Welche Formen der Kommunikation machen uns glaubwürdig, welche wirken vielleicht künstlich und unecht? (...) Raimund Schöll managerSeminare, Januar 2009 Schlechter Führungsstil: Vorgesetzte sind atmosphärisch wirkmächtiger als Mitarbeiter, daher hat ihr Führungsstil einen großen Einfluss auf die Atmosphäre im Team. Beschleunigung: Wenn Mitarbeiter ständig zu Höchstleistungen ,,schneller-weiter-höher" angetrieben werden, kommt es zu Burnout-Symptomen die oft lähmende Atmosphären nach sich ziehen. Veränderungen: Wenn Aufträge zurückgehen, Kennzahlen nicht erreicht werden, sich die Firma räumlich verändert, sich Teams neu bilden und Personen wechseln, kann sich die Atmosphäre ver- schlechtern. Zahlenfetischismus: Wenn nur Börsenwerte und harte Faktoren zählen, Werte-Bekenntnisse allenfalls in Hochglanz-Broschüren existieren, aber nicht sinnlich erfahren werden, wirkt sich das teilweise dramatisch auf die Mitarbeiterbindung und Atmosphäre aus. Reduktionistische Kommunikation: Wenn Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzte sich nur noch mit Kürzeln und schnellen SMS oder per E-Mail informieren, erodiert das Binnenklima. Private Konflikte: Auch private Konflikte, Projektionen und psychologische Übertragungsphänomene können schlechte Stimmungen produzieren. Gefühlsregeln: Atmosphären werden auch evoziert, indem Mitarbeitern vorgeschrieben wird, bestimmte Gefühle zu zeigen. Ein typisches Beispiel sind manche Werbeagenturen, in denen immer ein guter Witz angebracht werden muss, immer gute Laune, Optimismus und Vitalität an den Tag gelegt werden sollen ­ mit dem Ergebnis einer mitunter gequälten Fröhlich- keit. Gerüchte: Wenn negative Geschichten auftauchen, die an kaum einer Tatsache festzumachen sind, bilden sich mit der Zeit dennoch oft regelrechte Erzählgemeinschaften, die das Gerücht weitertragen. So kommt es zu aggressiv aufgeladenen Stimmungen oder zu Niedergeschlagenheit bei den Betrof- fenen. Versteckspiele: Wenn sich Kollegen nicht frei und offen zueinander verhalten, wenn Mitarbeiter in Diskussionen ihre wahren Motive verbergen und wichtige Dinge unter den Teppich gekehrt werden, kommt es zu einer angespannten oder verkrampften Atmosphäre. Ebenso verhält es sich bei unausgetragenen Meinungsverschiedenheiten und nicht restlos geklärtem Streit. Auslöser schlechter Atmosphäre Fortsetzung von Seite 16 Management 18 Ausgabe 44 Alles Lüge So viel wie in Büros, Labors, Schalterhallen und Konferenzräumen wird wahrscheinlich nirgendwo gelogen. Geschickte Lügner sind oft hochintelligent, sagen WissenschaftIer, weil sie strategisch vorgehen. Doch wo bleibt die Moral? ineinhalb Jahre führte Niels P. ein verbummeltes Leben. Erst brach er das ungeliebte Jurastudium ab, dann geriet er an falsche Freunde und verlor schließlich die Orientierung. Sein Leben: schnorren, kiffen, rumhängen. Schließlich nahm er doch noch die Kurve, schloss ein Wirtschaftsingenieurstudium ab und bewarb sich. Im Lebenslauf verschleierte er die anderthalb Jahre, täuschte Praktika und Freiwilligeneinsätze in Afrika vor, über die er auch in Jobinterviews ergreifend berichten konnte. Niels P. ging auf volles Risiko, log, was das Zeug hielt­ und kam damit durch. Heute arbeitet er für ein papierverarbeitendes Unternehmen und leitet Projektgruppen. Nach seiner Vergangenheit fragt keiner mehr. Wer bei der Bewerbung schummelt, dem kann Jahre später noch gekündigt werden, auch wenn die Arbeitsleistung stimmt. Deshalb möchte Niels P. seinen vollen Namen nicht nennen ­ den schönen Job wäre er vermutlich sofort wieder los. ,,Ein schlechtes Gewissen habe ich schon", sagt der 36-Jährige. Dafür aber ein gut bezahltes. Die Welt will belogen werden. Sechs von zehn Deutschen sind überzeugt, dass sich Ehrlichkeit nicht immer auszahlt. Fast jeder Zweite meint, dass einem die Wahrheitsliebe leicht als Naivität und Dummheit ausgelegt werden könne, und weit mehr als jeder Dritte glaubt sogar, dass zur Lüge greifen muss, wer Karriere machen will. Die Lüge gehört zum Alltag wie Zähneputzen oder Stuhlgang. Durchschnittlich wird der Mensch alle acht Minuten belogen, hat der Psychologe Gerald Jellison von der Universität von South Carolina ermittelt. Während einer zehnminütigen Konversation belügen sich 60 Prozent aller Gesprächspartner bis zu dreimal. Solche beiläufigen Flunkereien sind den Urhebern im Augenblick der Konversation meist gar nicht bewusst, machen aber fast ein Drittel aller Lügen aus. Der Rest: 41 Prozent der Menschen lügen, um sich Ärger zu ersparen und keine Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen zu müssen, 14 Prozent, um sich das Leben zu erleichtern, acht Prozent, um die eigene Beliebtheit zu steigern, und sechs Prozent aus purer Faulheit. (...) Der Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten ist sogar davon überzeugt, dass Lügen der eigentliche soziale Kitt ist, der unsere Kommunikations- und Wirtschaftsgesellschaft zusammenhält. ,,Ohne die Verwendung von Lügen", schreibt Merten, an dessen Münsteraner Universitätsinstitut für Kommunikationswissenschaft Hunderte von Journalisten und PRFachleuten studiert haben, ,,muss alle Kommunikation zusammenbrechen." (...) Was aber passiert im Augenblick der Unwahrheit? Fest steht: Lügen bringt die grauen Zellen über die Maßen auf Trab. Dabei muss sich das Gehirn mehr anstrengen und ,,rekrutiert mehr Hirnareale" als bei der Wahrheit, sagt der Berliner Neurologe Gabriel Curio. Bestätigt wird das durch ein Experiment des Bielefelder Hirnforschers Hans J. Markowitsch. Er bat Studenten, erst eine wahre Geschichte zu erzählen ­ danach eine Lügengeschichte. Aber nur während ihm die Probanden einen Bären aufbanden, gab es im hinteren Schädelbereich ,,ein wahres Neuronengewitter". Freilich: Nicht jede Lüge dient allein dem Gehirnjogging. Wohl nirgendwo sonst wird so viel gelogen wie in Büros, Labors, Konferenzräumen und Besprechungszimmern. Wohl auch, weil es so einfach geworden ist, seit die Kommunikation dort immer vermittelter, digitaler und unpersönlicher geworden ist. Wo sich schon Büronachbarn per E-Mail verständigen, da ist es leichter, die Wahrheit zu verdrehen, als dort, wo man sich in die Augen sieht. Internet, E-Mails und Telefone sind geradezu schwindelerregende Medien, wie Befragungen der Unternehmensberatung German Consulting Group ergaben. Danach belügen 63 Prozent der Befragten ihre Geschäftspartner mithilfe von SMS. Beliebter sind nur noch EMails oder Blackberry-Botschaften, mit denen drei von vier Befragten bluffen. Wer etwa den Zug verpasst, schiebt der Bahn die Schuld zu und signalisiert dem Partner: ,,Mal wieder Zugverspätung. Komme eine Stunde später." (...) In einem wissenschaftlichen Experiment, dessen Ergebnisse im amerikanischen ,,Social Justice Research Journal" publiziert wurden, untersuchten US-Forscher, ob Probanden per E-Mail eher bereit sind zum Lügen als solche, die handschriftlich Botschaften austauschten. Ergebnis: Nahezu alle E-Mailer logen ihre Partner an; von den Briefschreibern waren hingegen nur 64 Prozent zur Unwahrheit bereit. Immerhin. Uli Schulte Döinghaus E Woran man Lügner erkennt und warum sie sich ausgerechnet dann verraten, wenn sie besonders gut lügen wollen. Pinocchios Effekt Gewöhnliche Zeitgenossen tun sich schwer damit, einen Lügner zu erkennen. Bei ihnen regiert der Zufall, sagen Wissenschaftler. Es gibt aber zwei Gruppen von Menschen, die etwas besser Lügner erkennen als andere. Das sind einerseits Menschen, die an einer schweren Form der Aphasie (Sprachverlust) leiden, die sie daran hindert, sprachliche Signale zu erkennen. Weil sie sich zwangsläufig auf Mimik und Gestik ihres Gegenübers konzentrieren müssen, sind Aphasiker offenbar gute Lügendetektoren, fand die klinische Psychologin Nancy Etcoff vom Massachusetts General Hospital heraus. Bei der anderen Gruppe, die sich aus vergleichsweise guten Lügenkennern zusammensetzt, handelt es sich ­ wenig überraschend ­ um Geheimagenten, die sich schon deswegen gut auf Lügen verstehen müssen, weil sie selbst mit und von der Täuschung leben. Aber auch alle anderen, die weder Schlapphüte tragen noch an Aphasie leiden, können unter Umständen einen Lügner erkennen. Einfache Lügensignale sind: 1NachVorhaltungenbeteuernLügnerbesondersheftigihreSchuldlosigkeit. 2 Lügner stottern und stammeln manchmal, ringen auf ungewöhnliche Weise um Ausdrücke und Wörter. 3 Wer während eines Gespräches allzu intensiv mit den Händen ringt, wer mit den Fingern spielt, hier eine imeginäre Fluse aufpickt und dort über die Tischplatte reibt, ist entweder hochgradig nervös oder versucht zu lügen. Auch plötzliche ausladende Gebärden können auf eine Lügengeschichte deuten. Komplexere Lügensignale, die nicht auf Anhieb zu deuten sind: 1 Ein Lügner kann sein, wer in einer normalen Gesprächssituation plötzlich förmlich spricht, indem er ohne Not lange und komplizierte Begriffe verwendet, die in der Alltagssprache meist kurz und knapp ausfallen; indem er eine peinlich korrekte Grammatik verwendet oder in den Duktus einer ausgearbeiteten Ansprache verfällt. Solches Verhalten deutet daraufhin, dass die Präsentation der Lüge bis in die Details vorbereitet wurde, um sie besonders wirkungsvoll vorzutragen. 2 Manchem Lügner gefrieren Gestik und Mimik beinahe; anders als in einer normalen Unterhaltung reduziert sich seine Körpersprache auf wenige Signale, weil er sich auf die sprachliche Ausformung der Lüge konzentriert ­ oder sich durch seinen Körper nicht verraten will. 3 Lügner fixieren ihre Gesprächspartner gerne; sie glauben, dass sie mit ungewöhnlich langem Augenkontakt Signale der Aufrichtigkeit und Aufmerksamkeit übermitteln. Genau das ist aber falsch: In normalen Situationen kommt es immer wieder vor, dass sich Gesprächspartner voneinander abwenden, um sich auf neue Gedanken oder Themen zu konzentrieren. 4 Hinter weitschweifigen Rechtfertigungen und detailreichen Begründungen steckt häufig ein dreister Schwindel. 5 Wenn die Stimmlage plötzlich nicht mehr zum Gesprächsgegenstand passt, könnte eine Unwahrheit im Spiel sein. Höhere Tonlagen können ein Stress-Symptom sein ­ Lügen verursacht Stress. Wer ungewöhnlich laut argumentiert, will eine Wahrheit verkünden, die keine ist. Und wer ungewöhnlich leise redet, könnte etwas zu verbergen haben. 6 Eine Art Pinocchio-Effekt wollen die Psychiater Alan Hirsch und Charles Wolf von der ,,Smell and Taste Foundation" der Universität Illinois in Chicago entdeckt haben. Sie glauben, dass beim Lügen Hormone freigesetzt werden, die unter anderem auch den Blutfluss in der Nase verstärken und das Riechorgan um Millimeterbruchteile verlängern können. Wer lügt, fasse sich deshalb sehr häufig an die Nase, wie etwa Bill Clinton, der sich 26-mal an der Nase kratzte, als er (wahrheitswidrig) berichtete, mit Monika Lewinsky keine Affäre gehabt zu haben. Wer bei der Bewerbung schummeIt, dem kann Jahre später noch gekündigt werden Wirtschaftswoche,5.1.2009 verbummeln (ugs.) (hier:) nutzlos verbringen schnorren (ugs.) betteln kiffen (ugs.) Drogen nehmen/rauchen rumhängen (ugs.) untätig sein die Kurve nehmen (ugs.) auf den richtigen Weg kommen verschleiern verbergen, verstecken, verwischen schummeln (ugs.) betrügen flunkern (ugs.) ein bisschen lügen (in kleinen Dingen) Kitt Stoff zum Verkleben (Porzellan, Fenster) PR Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) graue Zellen (ugs.) Gehirn auf Trab bringen (ugs.) in Bewegung bringen einen Bären aufbinden (ugs.) (scherzhaft) belügen Blackberry tragbares Gerät zum Lesen und Schreiben von E-Mails (RIM) beteuern mit Nachdruck erklären Fluse feines Fädchen (Stoff, Gewebe) Gebärde Bewegung (mit der Hand) fixieren (hier:) fest ansehen weitschweifig sehr ausführlich, viel zu lang dreist frech Riechorgan (ugs.) Nase asierer, die gibt's kostenlos. Kürzlich erst warben in Frankfurt große Plakate für eine Gillette-Tauschaktion: Das neueste Modell verteilt die Firma kostenlos an alle, die ihr altes Modell im Laden abgeben. Da greift doch jeder Mann gern zu. Aber bald merkt er im Drogeriemarkt an der Kasse, dass die Rasierklingen für den neuen Rasierer deutlich teurer sind als die für den alten. Gillette kommt also trotzdem auf seine Kosten. So ist das mit uns Menschen: Wenn es etwas gratis gibt, greifen wir zu, ohne lange zu überlegen. Und oft merken wir gar nicht, dass das gar nicht so gut ist, wie im ersten Moment gedacht. ,,Wenn etwas kostenlos ist, vergessen wir die Nachteile", sagt Ökonom Dan Ariely am Massachusetts Institute of Technology. Mit Süßigkeiten funktioniert das zum Beispiel so, hat Ariely herausgefunden: Er verkaufte dazu seinen Studenten diverse Naschereien. Die Studenten hatten die Wahl zwischen zwei Sorten: teuren Lindt-Trüffeln für 15 Cent das Stück und billigen amerikanischen Schokoriegeln für einen Cent. 36 Prozent der Studenten wählten die Lindt-Trüffel. All diesen Studenten, so folgerte Ariely, war der bessere Geschmack der Lindt-Pralinen die 14 Cent Preisunterschied wert. Dann senkte der Forscher den Preis für beide Süßigkeiten um je einen Cent. Lindt kosteten also nun 14 Cent, die billigen Schokoriegel bekamen sie dagegen geschenkt. Plötzlich aber waren statt 36 Prozent nur noch 19 Prozent der Studenten bereit, den höheren Preis für die LindtSchokolade zu zahlen ­ der Großteil wollte jetzt die kostenlosen Billigpralinen. ,,Gratis" ist für uns also nicht einfach nur ein bisschen billiger als ein Cent. ,,Gratis" ist etwas völlig anderes. Das sehen auch Hirnforscher, wenn sie den Menschen bei ihren Entscheidungen zuschauen. Normalerweise kämpfen im Kopf zwei verschiedene Bereiche miteinander: Das Belohnungszentrum mitten im Gehirn freut sich auf das, was es bekommt ­ und der Reuebereich zwischen Stirn und Schläfe ärgert sich, dass er dafür Geld ausgeben muss, erklärt Bernt Weber im neuroökonomischen Labor an der Universität Bonn. Wenn das Belohnungszentrum gewinnt, zücken wir den Geldbeutel. Gewinnt dagegen das Reuezentrum, bleibt er in der Tasche. In jedem Fall haben die Menschen darüber nachgedacht. Nur: Wenn es überhaupt keine Kosten gibt, muss das Reuezentrum gar nicht aktiv werden ­ und selbst die Bereiche, die sonst für die Kontrolle zuständig sind, setzen aus. Das Belohnungszentrum hat also freie Bahn. Ungetrübt von lästigen Über- legungen. Das ist ein Problem, denn das Belohnungszentrum allein ist nicht sonderlich schlau. Darum vergessen wir leicht, dass auch bei kostenlosen Dingen oft noch andere Dinge folgen, die gar nicht mehr so günstig sind. Zum Beispiel der schlechte Geschmack der billigen Schokoriegel von Dan Ariely. Dabei war das Experiment mit den Süßigkeiten noch ein Sonderfall, denn die wurden tatsächlich einfach vom Experimentator verschenkt. Solche Geschenke gibt es außerhalb der Universitäten aber nur selten. Meist kommen, wenn wir uns beim Einkaufen etwas schenken lassen, hohe Kosten nach. Zum Beispiel beim OnlineShopping. Amazon etwa verspricht: Wer für mehr als 20 Euro einkauft, muss keine Versandkosten zahlen ­ auch wenn er keine Bücher kauft. Prompt ertappen sich fast alle Amazon-Kunden irgendwann einmal dabei, dass sie zusätzlich eine CD in den Warenkorb packten oder noch ein Taschenbuch bestellten, um die 20-Euro-Marke zu überspringen. Nur die Franzosen machten anfangs nicht mit, sie ignorierten diese Regel fast. Amazon fand heraus: Das lag daran, dass in Frankreich die Versandkosten nur auf einen Cent gesenkt wurden und nicht komplett wegfielen. Doch man muss uns gar nicht zwingen, Geld auszugeben, damit Kostenloses für uns teuer wird. Das hat ein Versuch des Bonner Ökonomen Armin Falk gezeigt. Er experimentierte mit Bettelbriefen, die eine Wohltätigkeitsorganisation vor Weihnachten verschickte. Einigen der Briefe legte er ­ als Geschenk an den Empfänger ­ vier Postkarten bei. Für den Absender waren die Karten eine lohnende Investition. Denn wer einen Bettelbrief mit den Postkarten bekam, spendete im Durchschnitt fast zwei Drittel mehr als einer, dessen Brief keine Beilage enthielt: Die Empfänger der Karten fühlten sich verpflichtet, nun ihrerseits demjenigen etwas Gutes zu tun, der ihnen die Postkarten geschenkt hatte. WelcheAnziehungskraftKostenloses hat, ließ sich auch in Frankfurt bei der Buchmesse bestaunen ­ und dabei werden die Menschen noch nicht mal hinters Licht geführt. Es gibt kaum noch etwas kostenlos außer den Prospekten der Verlage. Mit denen können nur die wenigsten Messebesucher etwas anfangen. Das hält sie aber nicht davon ab, die Prospekte in großen Tüten zu sammeln und das Gewicht einen Messetag lang mit sich herumzuschleppen ­ bevor sie die Prospekte zu Hause ins Altpapier werfen. Und weil Menschen auch gern kostenlose Dinge mitnehmen, mit denen sie erst mal nichts anfangen können, nahmen sie Anfang des 20. Jahrhunderts auch neuartige Rasierer mit auswechselbaren Klingen mit, die es beim Kauf von Kaffee oder Kaugummi obendrein umsonst gab. Damit nämlich begann die Geschichte von Gillette. Patrick Bernau Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.10.2008 Ausgabe 44 19 Marketing Gratis ist nicht immer geschenkt Die Menschen stürzen sich auf alles, was es umsonst gibt. Dass sie dabei oft draufzahlen, merken sie erst später. Denn das Gehirn spielt uns einen Streich. R Reue tiefes Bedauern Geldbeutel Portemonnaie freie Bahn haben (ugs.) keine Hindernisse, freien Zutritt haben ertappen (ugs.) finden, überraschen Bettelbrief Brief, in dem man dringend um etwas bittet hinters Licht führen (ugs.) betrügen Wenn etwas gratis ist, setzen im Gehirn alle Mechanismen zur Kontrolle aus. Impressum Herausgegeben vom Projektleitung: Dr.Werner Schmitz Redaktion: Thomas Hauswald Dr.Werner Schmitz Lexikon: Prof. Dr. Dietmar Krafft unter Mitarbeit von Dr. Claudia Wiepcke Karikaturen: CCC, www.c5.net Gestaltung: Final Art, Manfred Karg Mitarbeit: Dr. Germano Re Druck: Mediengruppe UNIVERSAL MARKT erscheint dreimal jährlich. Bestellungen von Abos und Einzelexemplaren: Buchhandlung PIEPER Postfach 801402 D-81614 München e-mail: info@pieperbuch.de Abonnement für ein Jahr: 3 Einzelexemplare: 12,90 einschl. sämtlicher Kosten für Verpackung und Versand 3 Klassensätze (3 x 15 Exemplare): 44,90 einschl. sämtlicher Kosten für Verpackung und Versand Einzelexemplare: 2,60 zuzüglich Kosten für Verpackung und Versand Institutionen in den GUSStaaten bestellen direkt beim nächsten Goethe- Institut-Stichwortregister, Übungen für Lerner, Vorschläge für Lehrer unter www.goethe.de/markt 2009 Goethe-Institut Alle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Herausgebers in irgendeiner Form reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden. MARKT dankt allen Autoren und Verlagen für die Überlassung der Abdruckrechte. Einige Texte wurden von der Redaktion gekürzt. Redaktionsschluss: 13.03.2009 Redaktionsanschrift: Goethe-Institut e.V. Bereich 42 Redaktion MARKT Dachauer Straße 122 D-80637 München Charakterstärke Der Esel ist ein armes Schwein. Im Sommer muss er immer wie die nacktwadigen Touristen in Südfrankreich wandern gehen, den Rest des Jahres trägt er weltweit schwer an Lasten und an seinem Ruf: Störrisch sei er, schimpft man, träge und dumm. Kein Wunder, mögen nun manche ausrufen, dass Manager zur Weiterbildung in Eselsschulen gesteckt werden ­ logisch, dass man ihnen die Tiere als Partner zur Seite stellt! Doch im Esel schlummert mehr, als man denkt. In dem lauten, protestierenden Iah steckt gerade das, was den meisten Menschen fehlt: Charakterstärke. Zwar wurde Equus asinus asinus, der Hausesel, schon 4000 vor Christus im Niltal in Ägypten domestiziert, doch immer noch verhält sich die graue Eminenz unter den Lasttieren so, wie es sich bei seinen Vorfahren in den unwegsamen Gebirgsregionen Afrikas bewährt hat: Achtsam setzt er Huf vor Huf, und kommt ihm der Boden vor ihm seltsam vor, dann bleibt er stehen, denkt nach ­ egal, wie lange es dauert: Minuten, Stunden, kleine Ewigkeiten ­ und entscheidet selbst. Sind die Bedenken zu groß oder warnt ihn seine Erfahrung, nimmt er einen anderen Weg. Der Esel flieht nicht einfach kopflos, er rennt nicht der Masse nach, will nicht anderen gefallen, er lässt sich nicht locken mit Karotten und antreiben durch Prügel. Sondern er verlässt sich auf sich, seinen gesunden Eselsverstand und gute Argumente. Ein Konzept, das ihn vielleicht auch 1870 zum heimlichen Symbol der Demokraten in den USA machte; das ihm immerhin 6000 Jahre das Überleben gesichert und noch nie eine Wirtschaftskrise beschert hat: Der Trag- und Zugtiermarkt ist weltweit stabil ­ und er boomt besonders in Notzeiten. 0 Ausgabe 44 Die letzte Seite Von Tieren lernen Fleißige Bienen und brüllende Löwen haben ausgedient. Neuerdings setzen Ratgeberbücher auf Zugvögel, Wolf oder Esel als Vorbilder in der Arbeitswelt. Teamgeist Teamarbeit ist alles, predigten früher die Business-Gurus, nur wer im Team arbeitet, kann erfolgreich sein! Und die Menschen riefen: ,,Yes, we can." Aus Abteilungen wurden Projektgruppen, aus Kollegen Gruppenmitglieder, und am Schluss saßen alle in Coachings, weil es nicht so einfach ist, aus dem einsiedlerischen Sachbearbeiter, der egozentrischen Vertrieblerin und dem kleinkarierten Büroleiter eine homogene Erfolgstruppe zu formen. Die vereinten Arbeitsschicksalsgemeinschaften dieser Welt hätten es einfacher haben können. Sie hätten sich ein paar Liegestühle schnappen, nach draußen gehen und in den Himmel schauen sollen. Denn dort zeigen Christine Böhringer, DIe ZeIT, 27.11.2008 Soziale Kompetenz Der Wolf dient neuerdings einigen Experten als Vorbild für den modernen Manager. Nein, nicht, weil er wild auf Frischfleisch ist, ständig seine Zähne fletscht und auch abseits von kühlen Vollmondnächten heult, beißt und knurrt. Sondern weil Canis lupus seit je über Qualitäten verfügt, die sich andere in hohen Positionen erst mühsam antrainieren müssen: Er ist nett, aber führungsstark, verteilt die Aufgaben klar, schlichtet schnell Konflikte und ist bei seinen Mitarbeitern beliebt. Wie er das bloß macht? Er kann nicht anders! Denn ein böser Chef würde vom Rudel nie akzeptiert werden. So wird also auch nicht der stärkste, sondern der sozial kompetenteste Wolf automatisch zum Alphatier. Zusammen mit seiner Wölfin leitet er schließlich die Gruppe, bestimmt, wann und wo gejagt wird, und zieht den Nachwuchs heran. Seine Leitung war in den vergangenen Jahrhunderten so effektiv und sein Erfolg so groß, dass die Menschen Angst vor ihm bekamen, ihn töteten und diffamierende Märchen über ihn schrieben, in denen er Großmütter und Kreide fraß. Zugegeben: Ein bisschen von der Kreide klebt noch heute wie Karies an seinen Zähnen, und auch den Schafpelz wirft er sich manchmal über ­ besonders dann, wenn es um latente Unruhe und aufmuckende Mitarbeiter geht. Um seinen guten Ruf als Alphamännchen nicht zu gefährden, schiebt er dann die Schuld einfach auf den rangniedrigsten Omegawolf, der als Blitzableiter dient und als Prügelknabe herhalten muss. So entschärfen sich früh Konflikte im Wildbetrieb, bevor sie zum Problem für alle werden. Und moderne Arbeitnehmer lernen am Wildparkzaun, dass Alphatiere wohl manchmal auch nur Menschen sind. uns die Zugvögel im Frühjahr und Herbst, wie das mit dem Team richtig funktioniert. Fünf Milliarden von ihnen pendeln jährlich zwischen Europa und Afrika ­ und das in perfekt organisierten Fluggemeinschaften. Wenn sie sich auf die Reise machen, sind die Vögel in Schwärmen unterwegs. Oft bilden sie dabei ein V, denn diese Flugformation spart bis zu 20 Prozent Energie: Immer wieder wird die Spitze ausgewechselt, die Vorderen lassen sich zurückfallen und reihen sich hinten in den Windschatten der anderen wieder ein. Es ist ein Geben und Nehmen, und die Bürde der Führung wird auf mehrere Schwingen verteilt. ein armes Schwein (ugs.) ein armer Mensch störrisch widerspenstig schlummern leicht schlafen; (hier:) versteckt sein graue Eminenz (Wortspiel: g. E. = einflussreiche Person, die nach außen nicht/kaum in Erscheinung tritt) Karotte Möhre, Mohrrübe Prügel Schläge bescheren (hier:) bringen Boom wirtschaftlicher Aufschwung, Hochkonjunktur Rudel Gruppe (von Tieren) Großmütter und Kreide fressen (= Anspielung auf die Märchen ,,Rotkäppchen" und ,,Der Wolf und die sieben [jungen] Geißlein") Schafspelz (= Anspielung auf die Redewendung ,,der Wolf im S." = sich freundlich stellender, aber böser Mensch) aufmucken sich widersetzen, widersprechen Guru (hier:) Leitfigur, herausragender Fachmann Yes, we can = Slogan (Barack Obama) schnappen (ugs.) (hier:) nehmen