LEBEN MIT AUTISMUS Martin Ostertag wurde am 12.2.1988 mit einer seelisch___ Behinderung, frühkindlich___ Autismus, geboren. Mit 15 Jahren lernte er mit Hilfe der Gestützten Kommunikation sich mitzuteilen und konnte zwei Jahre später die Hauptschule abschließen. Zur Zeit besucht er die Berufsfachschule in Winnenden und strebt den Mittleren Bildungsabschluss an. Im folgend___ Text beschreibt er sein Leben mit Autismus. Mein Leben ist gekennzeichnet von Autismus. Er nutzt jede Chance um sich bemerkbar zu machen. Konkret federt er das ganze Leben durch mich durch, indem er unvorstellbar und gnadenlos mit mein___ Wahrnehmung spielt. Er lässt nur manchmal zu, dass in mir Ruhe herrscht. Normalerweise tobt es in mein___ Sinnesorganen. Jedes Geräusch macht meinen Ohren den Eindruck eines Flughafenlandeplatzes. Laute Jets sind eigentlich nur Stimmen, Worte, Autotüren, Dunstabzugshauben, Beutelrascheln, Rundfunkmusik etc. Babyweinen, Rasenmäher, Amselzwitschern und Musik, die nach mehr Genauigkeit und Gestimmtheit verlangt, versetzen mich in Panik. Eben diese bestürzt meine Umwelt! Der Eindruck entsteht, ich sei unerzogen und ein Spinner. Dasselbe Elend herrscht auch beim Riechen, Sehen, Schmecken und auf der Haut. Endlos angespannt ist mein Leben. Wenn sich dies____ Spannung entlädt, kenne ich keine Gnade. Dass Autisten nicht fähig für Gefühle seien, entspricht meiner Meinung nach nicht der Wahrheit. Alle Empfindungen sind mir, wenngleich nicht erkennbar, vertraut. Menschliche Zuneigung oder Ablehnung spüre ich intensiv und lasse mir nichts vormachen. Für mich ist das Sprechen unmöglich, da der Klang mein____ Stimme noch mehr Unruhe in mein Lebenskarussell bringen würde. Die Lust zum Sprechen ist mir derart noch nie begegnet. Leben mit Autismus kennzeichnet sehr das alltäglich____ Miteinander in der Familie. Losgelöst von der Norm denken, fügen und konstruieren sich alle um den Autisten herum. Das bedeutet eine Menge Kraft, Phantasie und Toleranz. Ich bin dankbar für meine Familie, da sich alle mutig für mich einsetzen, unvoreingenommen lieben und Licht in mein Dunkel bringen. Richtig oder falsch – ja neben nein – für sie bin ich Martin! Um im Schulalltag zu bestehen, benötigt Martin Ostertag eine Schulbegleitung. Melanie Vieweg begleitet Martin nun schon seit knapp drei Jahren. Er hat ihr ein paar Fragen über ihr___ täglich___ Arbeit gestellt. Welche Ausbildung hast du? Ich bin Heilerziehungspflegerin. Meine Ausbildung habe ich in der Evangelischen Stiftung Lichtenstern gemacht, ein___ Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Wie bist du zur Schulbegleitung gekommen? Nach mein____ Ausbildung wollte ich gerne in der Offen____ Behindertenhilfe arbeiten und habe beim ASB Heilbronn nachgefragt. Dort wurden gerade Schulbegleiter für Schüler mit Autismus gesucht. Gibt es da eine spezielle Ausbildung? Nein. Das Wissen über Autismus habe ich mir angelesen und über Gespräche vor allem mit deinen Eltern angeeignet. Außerdem war ich auf einig___ Fortbildungen zum Thema Autismus und nehme am Gesprächskreis für Schulbegleiter, der vom ASB angeboten wird, teil. Und wie hast du dir das Thema FC (Gestützte Kommunikation) vertraut gemacht? Ich habe auf zwei Seminaren grundsätzlich___ Informationen zur Gestützten Kommunikation und die Technik des Stützens gelernt. Auch Literatur darüber und Erfahrungsberichte von gestützt___ Autisten war sehr hilfreich. „Vertraut“ wurde mir FC aber erst wirklich durch die täglich___ Praxis. Was ist dir besonders wichtig bei der Arbeit mit mir? Wichtig ist mir, dass du von dein____ Mitmenschen akzeptiert wirst – so wie du bist. Aber, dass dir trotzdem als „Mensch Martin“ und nicht immer als „Autist Martin“ begegnet wird. Das heißt z. B., dass ich zwischen dir und deinen Mitschülern vermittle, Aufklärungsarbeit leiste und dich dazu ermutige auf andere Menschen zuzugehen. Mir ist auch wichtig, dass du gefragt und gehört und nicht übergangen wirst. Es passiert oft, dass ich an dein___ Stelle gefragt werde und antworten soll. Dabei weiß ich oft gar nicht was in deinem Kopf vorgeht und du kannst doch am besten für dich selbst sprechen. Gottvoll finde ich deinen Einsatz für mich. Wo du manchmal die Kraft hernimmst, frag ich mich! Manchmal hab auch ich ein___ schlecht____ Tag und fühle mich kraftlos. So geht es dir ja auch manchmal. Kraft geben mir auch unsere Gespräche, wenn du ein Problem hast und ich dir weiterhelfen kann. Da weiß ich hinterher, dass alles in Ordnung kommt und mein Einsatz wertgeschätzt wird. Kollegen kennst du nicht im Alltag. Was wenn du mal nicht weiter weißt? Zum Glück haben wir ein____ toll____ Schule gefunden, in der du lernen darfst und auch ich von den Lehrern akzeptiert werde. Wenn ich ein____ Rat brauche, weiß ich, dass ich jederzeit um Hilfe bitten kann. Auch in schwierig____ Situationen unterstützen mich die Lehrer. Circa alle sechs Wochen treffe ich mich mit ander___ Schulbegleitern, die stützen. Da kann ich auch mal „Dampf ablassen“. Und die Gespräche mit dein___ Eltern sind natürlich immer aufbauend. von Martin Ostertag, Schüler der BFS 1. Ergänzen Sie die Endungen im Text. 2. Bestimmen Sie die Aussagen aus dem Text. 1) Autismus spielt mit Martins Wahrnehmung, aber meistens lässt er zu, dass in ihm Ruhe herrscht. R F 2) Flughafenlandeplätze und laute Jets versetzen Martin in Panik. R F 3) Der Klang seiner Stimme ruft in ihm noch mehr Unruhe hervor, deshalb ist das Sprechen für ihn unmöglich. R F 4) Melanie hat ihre Ausbildung bei ABS in Heilbronn gemacht und begann für die Stiftung Lichternstern zu arbeiten, wo gerade Schulbegleiter für Autismen gesucht wurden. R F 5) Die grundsätzliche Informationen zur gestützten Kommunikation und die Technik des Stützens gewann sie erst durch die tägliche Praxis. R F 6) Melanie weiß immer, was in Martins Kopf vorgeht, deshalb braucht Martin nicht mehr zu sprechen. R F 7) In schwierigen Situationen findet Melanie Unterstützung auch bei den Lehrern. R F