Allianz Süddeutsche Zeitung 23. 6. 2006 Aktuelle Artikel aus der Internet-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung zum Beschluss der Allianz-Versicherung, über 7000 Beschäftigte zu entlassen. http://www.sueddeutsche.de/,tt5l1/wirtschaft/artikel/820/78742/ Trotz Rekordgewinns Allianz schließt jeden zweiten Standort Der Münchner Konzern will massiv Personal einsparen - tausende Stellen werden gestrichen. Unter den Mitarbeitern herrscht Wut und Enttäuschung. Die Allianz krempelt ihr Versicherungsgeschäft in Deutschland völlig um, schließt jede zweite Niederlassung und streicht 5.000 Arbeitsplätze. Zugleich sollen bei der Tochter Dresdner Bank weitere 2.500 Stellen wegfallen. Allianz-Deutschland-Chef Gerhard Rupprecht sprach von "schmerzlichen, aber notwendigen Schritten", um Kosten zu senken und verlorene Kunden zurückgewinnen. Androhung von Streiks Die Mitarbeiter reagierten mit Enttäuschung und Wut. Die Gewerkschaft ver.Di plant Streiks und besteht auf Nachbesserungen. "Die Beschäftigten haben angesichts des Rekordgewinns der Allianz von 4,5 Milliarden Euro kein Verständnis für den Umgang des Konzerns mit den Beschäftigten", sagte ver.Di-Vorstandsmitglied Uwe Foullong. Wenn die Allianz nicht sofort über längere Beschäftigungs- und Standortgarantien verhandle, seien Streiks nicht mehr auszuschließen. Der vereinbarte Sozialplan und der Verzicht auf Entlassungen bis Ende 2007 reichten bei weitem nicht. Nach Betriebsversammlungen warfen Mitarbeiter der Allianz Profitgier und eine "Riesenschweinerei" vor. Bis 2008 sollen von den bisher 21 Niederlassungen 11 geschlossen werden. Am härtesten trifft es Köln: Der Standort mit 1.300 Vollzeitstellen wird ebenso aufgelöst wie die Lebensversicherung in Frankfurt am Main, die Krankenversicherung in Dortmund und die Schadenbearbeitung in Aachen, Mainz, Mannheim, Freiburg, Ulm, Augsburg, Nürnberg, Hannover und Magdeburg. Es werde aber "an allen anderen Standorten auch Personaleinsparungen geben", sagte der neue Allianz-Deutschland-Chef Gerhard Rupprecht. Von 31.000 Vollarbeitsplätzen streiche die Allianz jetzt 5.000, zusätzlich zu dem bereits angekündigten Abbau von 700 Vertriebsstellen. "Wir haben im Versicherungsgeschäft in Deutschland kontinuierlich Kunden und damit auch Marktanteile verloren", erklärte Rupprecht. Deshalb führe die Allianz die bislang eigenständigen Sparten unter einem Dach zusammen und bündele den Vertrieb. Eine zentrale Kundenbetreuung in Leipzig soll die Anfragen an spezialisierte Sachbearbeiter weiterleiten. Ende 2008 werde es in Deutschland nur noch vier Standorte für Sach-, Lebens- und Krankenversicherung geben: Berlin, München, Hamburg/Hannover/Bremen sowie Stuttgart/Karlsruhe. Das verringere den Aufwand, verkürze Bearbeitungszeiten und spare ab 2009 über 500 Millionen Euro jährlich. Ein großer Teil der Einsparungen werde an die Kunden weitergegeben, sagte Rupprecht. Stärkere Standardisierung der Kunden Ver.Di fordert eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2010 sowie Standortzusagen. "Wir wollen eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden, um den Abbau zu verhindern", sagte ver.Di-Versicherungsexperte Oliver Ostmann in München. Bei Allianz und Dresdner Bank seien auf Voll- und Teilzeitstellen fast 9.000 Menschen betroffen. "Das ist sozial nicht zu verantworten", sagte der Gewerkschafter und verwies auf den dieses Jahr angepeilten Rekordgewinn von 4,9 Milliarden Euro. [...] Die Börse reagierte positiv, der Aktienkurs der Allianz legte bis zum Nachmittag um weitere zwei Prozent zu. (AP) http://www.sueddeutsche.de/,tt5l2/wirtschaft/artikel/829/78751/ Umbau des Allianz-Konzerns Die Kunden rennen weg An allen Standorten soll gespart werden - besonders aber in Köln und Frankfurt. Das ist nicht zuletzt Folge des Verlusts vieler Kunden. Der Umbau der Allianz-Versicherung trifft Köln am härtesten. Der Standort mit 1.297 Vollarbeitsplätzen werde voraussichtlich Anfang 2008 komplett geschlossen, sagte der Vorstandschef der neuen Holding Allianz Deutschland AG, Gerhard Rupprecht, am Donnerstag in München. Daneben sei auch Frankfurt am Main mit 1.643 Mitarbeitern "in größerem Umfang betroffen". Es werde aber "an allen anderen Standorten auch Personaleinsparungen geben." Neben dem Großstandort Köln treffe die Auflösung vor allem Schadenbearbeitungsbüros. Die Nebenstandorte der Sachversicherung in Aachen, Mainz, Mannheim, Freiburg, Ulm, Augsburg, Nürnberg, Hannover und Magdeburg sowie die Niederlassung der Lebensversicherung in Frankfurt/Main und die Niederlassung der Krankenversicherung in Dortmund würden bis Ende 2008 geschlossen werden, sagte Rupprecht. "Da ist Köln übrig geblieben" Die Allianz Deutschland habe heute noch über 35.000 Mitarbeiter, die sich auf 31.000 Vollarbeitsplätze verteilten. "Wir bauen 5.000 Vollarbeitsplätze ab", erklärte Rupprecht. Dazu komme der bereits vergangenes Jahr angekündigte Abbau von 700 Arbeitsplätzen im Vertrieb. Der Umbau sei schmerzhaft, aber ein längeres Warten wäre für die Allianz die "Entscheidung zum langsamen Abstieg" gewesen, sagte Rupprecht: "Wir haben im Versicherungsgeschäft in Deutschland kontinuierlich Kunden und damit auch Marktanteile verloren." Statt 20 Millionen Kunden Ende 2001 habe die Allianz heute nur noch 19 Millionen in Deutschland - ein Rückgang um fünf Prozent. In der Auto- und der Krankenversicherung gehe der Trend nach unten weiter. Deshalb würden Sach-, Lebens- und Krankenversicherungen, die bisher "ein Eigenleben geführt haben", jetzt eng verzahnt. Für alle Kunden der Allianz-Versicherungen werde eine zentrale Kundenbetreuung geschaffen, die Anfragen an spezialisierte Sachbearbeiter weiterleite. Das verringere den Aufwand, verkürze Bearbeitungszeiten und spare ab 2009 über 500 Millionen Euro jährlich. Ein großer Teil der Einsparungen werde an die Kunden weitergegeben. Ab Ende 2008 werde es in Deutschland nur noch vier zentrale Standorte für Sach-, Lebens- und Krankenversicherung geben: Berlin, München, Hamburg/Hannover/Bremen sowie Stuttgart/Karlsruhe. Mitte 2007 soll das Modell an einem ersten Pilotstandort starten. Frankfurt werde "ein spezialisierter Standort für die Betreuung der Automobilwirtschaft werden", sagte Rupprecht. Leipzig sei "sehr kostengünstig, deshalb wird es ein Zentrum sein für Kundenbetreuung". Der Standort Nürnberg "bleibt in großem Umfang erhalten" als Standort für Telefonie. "So bitter es klingt, da ist Köln übrig geblieben", erklärte Rupprecht. "Von den großen Standorten bleiben alle erhalten bis auf Köln." Dort seien sämtliche Mitarbeiter von der Schließung "frühestens Anfang 2008" betroffen. http://www.sueddeutsche.de/,tt5m3/wirtschaft/artikel/887/78809/ Kommentar Bittere Erkenntnis Warum die Allianz Milliardengewinne macht und trotzdem Tausende Stellen streichen muss. Von Caspar Busse Der Standort Köln wird von der Allianz komplett geschlossen. Foto: dpa Das Entsetzen bei den Arbeitnehmern ist groß. Der Allianz-Konzern will im Versicherungsgeschäft und bei der Frankfurter Tochter Dresdner Bank insgesamt 7500 Arbeitsplätze abbauen und die Hälfte aller deutschen Standorte schließen. Das ist mehr als die meisten erwartet hatten. Und es ist auch deshalb besonders bitter, weil gerade die Jobs im Versicherungsgewerbe in der Vergangenheit immer als besonders sicher galten, krisenresistent und gut dotiert. Damit ist es jetzt vorbei. Zudem streicht mit der Allianz erneut ein Konzern Arbeitsplätze in großem Umfang, der gleichzeitig Milliardengewinne erwirtschaftet. Der Münchner Versicherer erwartet für 2006 immerhin einen Gewinn von nahezu fünf Milliarden Euro. Seit Jahrzehnten unverändert Ähnliche Pläne, etwa der Deutschen Bank oder des Reifenherstellers Conti, hatten im vergangenen Jahr bereits für massive Proteste und einen öffentlichen Aufschrei gesorgt. Die Reaktion ist verständlich, erwarten die Arbeitnehmer doch, dass in einem florierenden Unternehmen ihre Arbeitsplätze sicher sind. Doch die Forderung, dass bei Milliardengewinnen der Abbau von Jobs tabu sein muss, ist viel zu einfach. Zum einen ist die Aussage, dass die Geschäftslage gut ist, immer nur eine Momentaufnahme und kann keine Garantie auch für Gewinne in der Zukunft bieten. Zum anderen muss immer auch der Einzelfall geprüft werden. Gerade bei der Allianz ist der Umbau bitter nötig. Der Marktführer aus München hat sich lange auf seiner komfortablen Situation ausgeruht und ist träge geworden. Die Strukturen sind schon seit Jahrzehnten fast unverändert und entsprechend ineffizient. So arbeiten in Deutschland derzeit mehrere Konzerngesellschaften nebeneinander her und machen sich sogar gegenseitig Konkurrenz. Der Konzern ist derzeit in Deutschland an insgesamt 21 Standorten vertreten. Das sind viel zu viele. Es gehen massiv Kunden verloren, seit 2001 immerhin etwa eine Million. Die Marktanteile sinken dramatisch. Die Konkurrenz steigt, auch die anderen großen Versicherer machen sich derzeit fit. Es ist deshalb richtig, dass Konzernchef Michael Diekmann die Probleme jetzt anpackt. Dabei ist es sogar von Vorteil, wenn der Konzern gesund ist, sich nicht in einer tiefen Krise befindet und Notoperationen vornehmen muss. Das Beispiel Volkswagen zeigt, wie existenzbedrohend eine unterlassene Sanierung werden kann. Dass die Einschnitte bei der Allianz nun besonders tief ausfallen, weil so lange nichts geschehen ist, muss eigentlich Diekmanns Vorgänger Henning Schulte-Noelle angelastet werden. Es ist sinnvoller, sich laufend verändernden Marktbedingungen anzupassen als in einem großen Schlag Massenentlassungen vorzunehmen. Das kann schnell auch zu einer Belastung für das ganze Unternehmen werden. Schon jetzt drohen die Gewerkschaften der Allianz-Führung mit Streiks. Da ist jetzt Fingerspitzengefühl gefragt. (SZ vom 23.6.2006)