I 2 3 Die Anzeige war eher nüchtern, fast neutral, aber das hat Sarah besser gefunden als diese Angebergeschichten. 5 Code-Wort: Gentleman. Das hat ihr besonders gefallen. Irgendwie viel versprechend. Das Telefongespräch gestern war kurz. Der Gentleman hat nicht mal seinen richtigen Namen gesagt. Auch das „Drehbuch" war nicht sehr originell. Er wartet im Cafe „Odeon" 10 auf sie, hat er bestimmt, kein Problem. Mit einer Zeitung, „Frankfurter Allgemeine", kein Problem. An der Bar, kein Problem. Das war alles. Kein Problem. Sarah hat das nicht sehr romantisch gefunden. Irgendwie hat sie an Blumen gedacht, aber die Zeiten sind anschei-15 nend vorbei. Sie wollte am Telefon auch einen Satz über sich sagen, über ihr Haar, ihr Kleid, aber der Gentleman wollte das gar nicht so genau wissen. Alles kein Problem. Kein Problem, kein Problem. Was sollte das heißen? 20 Konnte der Typ nicht mal was Nettes sagen? Das alles hat ein bisschen nach Routine geklungen, nach Geschäftstermin. Sarah hat einen Moment überlegt, ob sie die Sache nicht wieder absagen sollte. Das Ganze war doch lächerlich, 25 absoluter Quatsch. Aber sie hatte nicht einmal seine Telefonnummer. Also musste sie da durch. In der Nacht hat sie auch noch schlecht geträumt. Sie kommt in die Bar, tausend Männer sitzen hinter tausend Zeitungen, tausend Augenpaare sehen sie an, mustern sie 30 kurz von oben bis unten und glotzen dann wieder in ihre Zeitungen. Sie geht an die Theke, fragt, ob der Barhocker noch frei ist. Als Antwort ein Chor aus tausend Männermündern: Ja, ja, kein Problem. Schrecklich! Und nun ist doch alles ganz anders gekommen. Vom ersten Augenblick an. An der Bar waren nicht tausend Männer, sondern nur zwei oder drei. Das Rätsel war sofort gelöst. 5 Er hat gleich am Eingang gesessen und von seiner Zeitung aufgeschaut. Ein Blick, ein freundliches Lächeln. „Ist der frei?", hat sie gefragt, weil ihr im Moment nichts Besseres eingefallen ist. „Aber natürlich", hat er gesagt und sein Jackett vom 10 Barhocker genommen. „Darf ich?" Er hat ihr sogar aus der Jacke geholfen. Das ist ihr auch schon lange nicht mehr passiert. Ein Gentleman eben. Dann hat er die Zeitung zugeschlagen und auf die Theke gelegt. 15 „Das ist aber keine „Frankfurter Allgemeine", hat sie bemerkt. „Nein", hat er erwidert, „eine ,Süddeutsche'." Wieder dieses Lächeln. „Ist das schlimm?" „Nein, nein", hat sie schnell geantwortet, „kein Problem", 20 und sich dann kurz auf die Lippen gebissen. Er hat sich auch gleich vorgestellt: Klaus Buchner. Endlich war Schluss mit diesen Code-Wörtern und Pseudonymen. Und jetzt unterhalten sie sich richtig gut. Kein Psycho- ^ Geschwafel, wie sie schon befürchtet hat, nichts von Singles und Beziehungskisten. Sie reden über Gott und die Welt: über Filme, Reisen, über ihre Jobs. Klaus kann sehr gut erzählen, er ist voller Anekdoten und Geschichten. Es gibt viel zu lachen. Aber nicht nur das: ^ Er hört auch zu, stellt Fragen, interessiert sich. 6 7 5 [n diesem Augenblick dreht sich Klaus wieder zu Sarah und entschuldigt sich noch einmal. „Diese Handys", meint er, „diese blöde Telefoniererei, 5 immer zur falschen Zeit." Jetzt oder nie!, denkt Sarah und nimmt ihren ganzen Mut zusammen. „Sagen Sie mal, warum sind Sie eigentlich am Telefon so anders? So distanziert, so ernst?" 10 Klaus sieht sie erstaunt an, dann lächelt er wieder. „Na ja, der Kollege war irgendwo auf der Straße, ich habe ihn kaum verstanden, und dann der Lärm hier ..." Mein Gott, versteht er denn nicht, was ich meine? Sarah spricht nicht weiter. Vielleicht besser, gar nicht damit anzu- 15 fangen ... Ihr Blick fällt wieder auf die zwei gegenüber. Die Frau raucht jetzt eine Zigarette, der Mann schaut wieder auf die Uhr, nimmt sein Glas und trinkt es aus. „War ich wirklich so unfreundlich?", fragt Klaus. 20 „Ach nein, vergessen Sie es!" Sarah schüttelt den Kopf und lässt dabei den Mann auf der anderen Seite nicht aus den Augen. Er legt einen Schein auf den Tisch, faltet die Zeitung zusammen und steckt sie unter den Arm. „Ich schalte es ab", hört sie Klaus sagen, „dann kann uns 25 niemand mehr stören." Sarah starrt auf die Zeitung und hält den Atem an. Kein Zweifel. Eine „Frankfurter Allgemeine". Der Typ kommt um die Theke herum, schiebt sich energisch durch die Menschenmenge. Kaum Platz, die Bar ist 30 sehr voll. Vor Sarah bleibt er stehen. Sie sitzt ihm im Weg, er kann nicht vorbei. Er sieht sie unfreundlich an. „Darf ich mal? Ich habe es eilig." „Verzeihung", sagt sie und rückt auf die Seite. Und dann... 35 dann lächelt sie: „Gehen Sie nur, kein Problem." 9 Worterklärungen Blind Date S. 5 witzig den Kopf schütteln das Blind Date, -s das Wunder, - etwas in der Hand haben jemanden anquatschen (umgangssprachlich) eher etwas zugeben peinlich die Requisiten (PI.) KA S. 6 nüchtern der Angeber, -das Code-Wort, -er viel versprechend das Drehbuch,-er klingen etwas absagen jemanden mustern glotzen die Theke, -n lustig, es bringt jemanden zum Lachen den Kopf von rechts nach links bewegen und so „nein" ausdrücken man verabredet sich per Brief oder Telefon für ein Treffen mit jemandem, den man noch nie gesehen hat ungewöhnliche Erscheinung etwas selbst entscheiden können jemanden ansprechen vielmehr sagen, dass etwas so richtig ist unangenehm nötige Gegenstände für einen Film oder eine Theateraufführung phantasielos, ohne Schmuck jemand, der sich wichtig tut Schlüsselwort zur Erkennung etwas hört sich gut an und macht Hoffnung das Manuskript für einen Film sich so anhören wie sagen, dass man zu einem Termin / einer Verabredung nicht kommt jemanden von oben bis unten anschauen unbewegt, erstaunt gucken In einer Kneipe sind die Getränke hinter der Theke. Vor der Theke kann man auf Barhockern sitzen 34 Übungen Blind Date A Was ist richtig? Kreuzen Sie an. Was sind „Frankfurter Allgemeine" und „Süddeutsche"? a) Würstchen b) Zeitungen c) politische Parteien B Richtig oder falsch? Kreuzen Sie an. a) Sarah hat früher schon einmal eine Kontaktanzeige geschrieben. b) Zuerst wollte Sarah die Verabredung gleich wieder absagen. c) In der Bar ist es so voll, dass sie den Mann, mit dem sie verabredete ist, nicht findet. d) Obwohl sie vor dem Blind Date Angst hatte, macht es ihr dann viel Spaß. e) Sarah ist traurig, weil sie den Mann, der die Kontaktanzeige aufgegeben hat, nicht kennen lernt. f) Der Zufall und zwei Zeitungen spielen in dieser Geschichte eine große Rolle. C Kreuzen Sie das richtige Synonym an. spontan a) witzig lustig c) seltsam klar kalt b) blöd spannend d) neugierig B dumm merkwürdig faszinierend aufregend : modern interessiert hungrig Wie heißen die Adjektive zu folgenden Substantiven? a) die Normalität____ b) die Spannung__ c) die Langeweile__________ d) die Enttäuschung .......___________________ e) das Interesse____,_ f) die Eleganz____ g) die Wirklichkeit___________ h) die Neugier ._____________ i) die Eile _ E Pro und Contra Blind Date: Was finden Sie dazu im Text? Pro Contra F Sammeln Sie Vorschläge, wie man interessante und sympathische Menschen kennen lernen kann. Wählen Sie eins der folgenden Themen, sammeln Sie Ideen, lassen Sie Ihre Phantasie spielen und schreiben Sie einen kleinen Text. a) Wie geht es mit Sarah und Klaus weiter? b) Wie wäre das Treffen mit dem „Kein-Problem-Gentleman" verlaufen? c) Wie möchten Sie Ihren Traummann / Ihre Traumfrau kennen lernen? 42 43