ANALYSE EINLEITUNG Kurzgeschichten interpretieren: So gehst du vor - UNICUM ABI BEISPIELE ERZÄHLPERSPEKTIVE / Die Erzählperspektive mit Beispielen (levrai.de)/ Ich-Erzähler Ich wachte plötzlich auf und spürte, dass etwas Unheimliches passiert war. Mein Muskeln waren zum Zerreißen gespannt und Schweiß trat mir auf die Stirn. Das Eisenbahnunglück (Thomas Mann) „Etwas erzählen? Aber ich weiß nichts. Gut, also ich werde etwas erzählen. Einmal, es ist schon zwei Jahre her, habe ich ein Eisenbahnunglück mitgemacht – alle Einzelheiten stehen mir klar vor Augen. Es war keines vom ersten Range, keine allgemeine Harmonika mit »unkenntlichen Massen« und so weiter, das nicht. Aber es war doch ein ganz richtiges Eisenbahnunglück mit Zubehör und obendrein zu nächtlicher Stunde. Nicht jeder hat das erlebt, und darum will ich es zum besten geben.“ Auktorialer Erzähler Kim wachte plötzlich auf und spürte, dass etwas Unheimliches passiert war. Ihr Körper war angespannt und Schweiß trat ihr auf die Stirn. Sie wäre noch ängstlicher gewesen, wenn sie gewusst hätte, was gleich auf die zukommen würde. Gottfried Keller Kleider machen Leute: „An einem unfreundlichen Novembertag wanderte ein armes Schneiderlein auf der Landstraße nach Goldach, einer kleinen, reichen Stadt, die nur wenige Stunden von Seldwyla entfernt ist. Der Schneider trug in seiner Tasche nichts als einen Fingerhut, welchen er, in Ermangelung irgendeiner Münze, unablässig zwischen den Fingern drehte, wenn er der Kälte wegen die Hände in die Hosen steckte, und die Finger schmerzten ihn ordentlich von diesem Drehen und Reiben. Denn er hatte wegen des Falliments irgendeines Seldwyler Schneidermeisters seinen Arbeitslohn mit der Arbeit zugleich verlieren und auswandern müssen. Er hatte noch nichts gefrühstückt als einige Schneeflocken, die ihm in den Mund geflogen, und er sah noch weniger ab, wo das geringste Mittagbrot herwachsen sollte. Das Fechten fiel ihm äußerst schwer, ja schien ihm gänzlich unmöglich, weil er über seinem schwarzen Sonntagskleide, welches sein einziges war, einen weiten, dunkelgrauen Radmantel trug, mit schwarzem Samt ausgeschlagen, der seinem Träger ein, edles und romantisches Aussehen verlieh, zumal dessen lange, schwarze Haare und Schnurrbärtchen sorgfältig gepflegt waren und er sich blasser, aber regelmäßiger Gesichtszüge erfreute.“ (vgl. Kleider machen Leute) Personaler Erzähler Kim wachte plötzlich auf und spürte, dass etwas Unheimliches passiert war. Ihr Körper war angespannt und Schweiß trat ihr auf die Stirn. Sie fühlte sich allein. Würde ihr Sandra zur Hilfe kommen, wenn sie jetzt schreien würde? Was wartete noch auf sie? Franz Kafka: Prozess: „K. wartete noch ein Weilchen, sah von seinem Kopfkissen aus die alte Frau, die ihm gegenüber wohnte und die ihn mit einer an ihr ganz ungewöhnlichen Neugierde beobachtete, dann aber, gleichzeitig befremdet und hungrig, läutete er. Sofort klopfte es und ein Mann, den er in dieser Wohnung noch niemals gesehen hatte, trat ein. Er war schlank und doch fest gebaut, er trug ein anliegendes schwarzes Kleid, das, ähnlich den Reiseanzügen, mit verschiedenen Falten, Taschen, Schnallen, Knöpfen und einem Gürtel versehen war und infolgedessen, ohne daß man sich darüber klar wurde, wozu es dienen sollte, besonders praktisch erschien.“ Neutraler Erzähler Kim wachte plötzlich auf und machte einen verunsicherten Eindruck. Effi Briest (Theodor Fontane) »Man soll sein Schicksal nicht versuchen; Hochmut kommt vor dem Fall.« »Immer Gouvernante; du bist doch die geborene alte Jungfer.« »Und hoffe mich doch noch zu verheiraten. Und vielleicht eher als du.« »Meinetwegen. Denkst du, dass ich darauf warte? Das fehlte noch. Übrigens, ich kriege schon einen und vielleicht bald. Da ist mir nicht bange. Neulich erst hat mir der kleine Ventivegni von drüben gesagt: ‚Fräulein Effi, was gilt die Wette, wir sind hier noch in diesem Jahre zu Polterabend und Hochzeit.’« »Und was sagtest du da?« »’Wohl möglich‘, sagte ich, ‚wohl möglich; Hulda ist die Älteste und kann sich jeden Tag verheiraten.‘ Aber er wollte davon nichts wissen und sagte: ‚Nein, bei einer anderen jungen Dame, die geradeso brünett ist, wie Fräulein Hulda blond ist.‘ Und dabei sah er mich ganz ernsthaft an… Aber ich komme vom Hundertsten aufs Tausendste und vergesse die Geschichte.« »Ja, du brichst immer wieder ab; am Ende willst du nicht.« »Oh, ich will schon, aber freilich, ich breche immer wieder ab, weil es alles ein bisschen sonderbar ist, ja beinah romantisch.« »Aber du sagtest doch, er sei Landrat.« »Allerdings, Landrat. Und er heißt Geert von Innstetten, Baron von Innstetten.« Alle drei lachten. »Warum lacht ihr?« sagte Effi pikiert. »Was soll das heißen?« »Ach, Effi, wir wollen dich ja nicht beleidigen und auch den Baron nicht. Innstetten, sagtest du? Und Geert? So heißt doch hier kein Mensch. Freilich, die adeligen Namen haben oft so was Komisches.« »Ja, meine Liebe, das haben sie. Dafür sind es eben Adelige. Die dürfen sich das gönnen, und je weiter zurück, ich meine der Zeit nach, desto mehr dürfen sie sich’s gönnen. Aber davon versteht ihr nichts, was ihr mir nicht übel nehmen dürft. Wir bleiben doch gute Freunde. Geert von Innstetten also und Baron. Er ist geradeso alt wie Mama, auf den Tag.« »Und wie alt ist denn eigentlich deine Mama?« »Achtunddreißig.« »Ein schönes Alter.« BEISPIELE ZEITGESTALTUNG Zeitgestaltung (lektuerehilfe.de) Erzählzeit – erzählte Zeit Erzählzeit, Erzählte Zeit, Zeitraffung, Zeitdeckung, Zeitdehnung-Karteikarten | Quizlet Zwei Begriffe werden dann berücksichtigt, wenn die Zeitgestaltung eines Textes gewertet wird: Erzählzeit: Die Erzählzeit ist diejenige Zeit, die Du zum Erzählen oder Lesen des Werks benötigst. Erzählte Zeit: Die erzählte Zeit ist derjenige Zeitraum, über den sich die erzählte Geschichte erstreckt. Die Zeitgestaltung einer Erzählung kann anhand des Vergleiches zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit beschrieben werden. Dazu stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung: Zeitdeckung Die Zeitdeckung beschreibt die Übereinstimmung von Erzählzeit und erzählter Zeit (Erzählzeit = erzählte Zeit). Die Zeit, die der Verfasser, um eine Szene zu erzählen, benötigt, entspricht etwa der Zeit, die der Leser zum Vorlesen braucht. Bei der Anwendung von direkter Rede wird zeitdeckend erzählt. Beispiel Fräulein Else: Die zeitliche Erstreckung der dargestellten Ereignisse in der Erzählung beschränkt sich auf wenige Abendstunden (von ca. 19 Uhr bis Mitternacht). Damit umfasst die erzählte Zeit ungefähr fünf Stunden. Da für die Lektüre des Textes eine ähnlich lange Zeitspanne benötigt wird, entsprechen Erzählzeit und erzählte Zeit einander weitgehend, womit in diesem Fall ein zeitdeckendes Erzählen vorliegt. Zeitraffung Die Zeitraffung kommt dann zustande, wenn die Erzählzeit kürzer als die erzählte Zeit ist (Erzählzeit < erzählte Zeit).Am häufigsten wird dann zeitraffend erzählt, wenn eine relativ kurze Erzählung von einer die Handlung aus einer längeren Periode berichtet. Sprünge in der Geschichte oder Zusammenfassungen verursachen häufig zeitreifendes Erzählen. Zeitdehnung Die Zeitdehnung entsteht dann, wenn die Erzählzeit größer als die erzählte Zeit ist (Erzählzeit > erzählte Zeit). Das Erzählen langer sehr detaillierter Beschreibungen von Handlungsabläufen oder Reflexionen verursacht häufig zeitdehnendes Erzählen. Literarische Texte werden häufig sukzessiv mit diesen drei Elemente: Zeitdeckung, Zeitraffung, und Zeitdehnung gestaltet. Beispiel Halbschatten: Die Rahmenhandlung umfasst den Besuch des Friedhofs und erstreckt sich in etwa über eine so lange Zeit, wie ein Leser braucht, um den Roman zu lesen (circa 4 Stunden). Daher sind in diesem Fall die Erzählzeit und die erzählte Zeit der Rahmenhandlung in etwa deckungsgleich. Die Binnenhandlung, also die Erinnerungen und Berichte der Toten, umfasst den Zeitraum von der Eröffnung des Invalidenhauses im Jahr 1748 bis hin zum Fall der Mauer im Jahr 1989. Auf der zweiten Erzählebene sind damit die Erzählzeit und die erzählte Zeit deshalb nicht deckungsgleich, da die Berichte der Toten die Ereignisse gerafft in Form eines Summarys wiedergeben. Bei der Wiedergabe direkter Rede wird zeitdeckend erzählt: „Nein, sagt Miller, es war genau so: Sie kam wie ein lärmender Engel vom Himmel. Von ihr ging eine erstaunliche Anziehung aus und gleichermaßen etwas Unbeschwertes, Leichtes. Das war der erste, überwältigende Eindruck, als sie hier einschwebte. Nicht Frau, nicht Mann, sie hatte etwas von einem mittelalterlichen Engel“ Beispiel Buddenbrooks Im Roman, der sich in den Jahren zwischen 1835 und 1877 abspielt, sind zeitdeckende, zeitdehnende und zeitraffende Passagen vorahnden. Die Beschleunigung und Verlangsamung der Zeit stehen dabei oftmals direkt nebeneinander. Der Roman beginnt beispielsweise mit einer fast 50 Seiten starken Beschreibung der Einweihungsfeier des Hauses in der Mengstraße. Der zweite Abschnitt ist fast genauso lang, stellt aber eine Zeitperiode von fast vier Jahren dar (April 1838-1842). Zeitdeckendes und zeitdehnendes Erzählen finden sich vorwiegend in dialogisch geprägten, szenischen Darstellungen wieder, etwa im ersten Teil oder beim Streit zwischen Thomas und Christian im neunten Teil (S.572ff.). Darüber hinaus finden sich auch solche Passagen, in denen die Zeit gleichsam stillsteht. Das ist dann der Fall, wenn sich die Figuren ihren Reflexionen hingeben und das Geschehen durch die erlebte Rede dargestellt wird. Auf die Spitze getrieben ist diese Art des zeitdeckenden Erzählens während der Schopenhauer-Lektüre von Thomas (S.654ff.) zu finden. Zeitraffungen werden auf verschiedene Art und Weise auf den Text angewendet. So gibt es Zeitsprünge, die bewusste Auslassungen in der Handlung markieren und in einen neuen Lebensabschnitt eines Protagonisten überführen, wie etwa hier: „Toms und Christians Jugendzeit…es ist nichts Bedeutendes davon zu melden“ (S.66). Zeitraffungen im Form von nur sehr knappen Erwähnungen werden auch im historischen Kontext konsequent umgesetzt. Auch bei den Passagen, in denen der Leser durch Briefe über die Handlung informiert wird, handelt es sich um zeitlich geraffte Erzählpassagen. BEISPIELE RAUMGESTALTUNG (separate Datei in den Unterrichtsmaterialien) Figurenrede: Darbietungsformen (lektuerehilfe.de) Die direkte Rede Die direkte Rede ist eine von fünf Formen der Figurenrede. Sie gibt die Äußerung einer Figur direkt und unverändert wieder. Deswegen wird die direkte Rede auch als "wörtliche Rede" bezeichnet. Sie wird (fast) immer durch Anführungszeichen (Gänsefüßchen) markiert. Beispiel: Cäsar sagte: „Ich kam, sah und siegte.“ Beispiel: „Detlef sagt: Rein nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit. Sylvia sagt: Und wohin überhaupt?“ („Gegen, ging, gegangen“, Erpenbeck) Die wörtliche Rede unterbricht den Erzählfluss und verleiht dem epischen Text oft einen dramatischen Charakter. Bei der direkten Rede tritt der Erzähler in den Hintergrund und verhält sich neutral. Er berichtet, was die Figur wörtlich ausspricht, und lässt sie in den Vordergrund treten. Der Leser wird damit durch die Unmittelbarkeit der Aussage stark in das Geschehen mit einbezogen. In der Epik können die Autoren von Romanen oder anderen Erzählungen ihre Charaktere sich mithilfe der direkten Rede selbst ausdrücken lassen. Die direkte Rede wird dann durch einen Erzähler vermittelt. Bei der direkten Rede sind die erzählte Zeit (die Dauer des Geschehens, hier also die reale Dauer der Redezeit), und die Erzählzeit (die Zeit, welche zum Lesen des Textes benötigt wird), miteinander identisch. Die direkte Rede ist damit zeitdeckend. Ein literarischer Text kann auch nur aus direkter Rede bestehen. Dies ist hauptsächlich innerhalb des szenischen Erzählens der Dramatik der Fall, aber auch bei Sonderformen, wie Comics, in denen die gesprochene Sprache in Form von Sprechblasen wiedergegeben wird. Die wörtliche Rede wird auch in Sachtexten dann angewandt, wenn es auf den exakten Wortlaut ankommt, beispielsweise in einem Zeitungsartikel, wenn die Äußerungen einer in der Öffentlichkeit stehenden Person zitiert wird: Beispiel: Auf seiner Deutschlandreise im Juni 1963 wird US-Präsident John F. Kennedy frenetisch gefeiert – vor allem nach seinem Bekenntnis: „Ich bin ein Berliner!" (Zeitonline, „Das erlösende Wort”. Von Rolf Steininger, 6. Juni 2013). Inquit - Formel Die Inquit – Formel (von dem lateinischen Wort inquit, „er sagt“ bzw. „er sagte“), auch Begleitsatz genannt, ist eine Redeeinleitung. Sie kann vor oder nach einer direkten Rede stehen. Sie kann auch in die direkte Rede eingeschoben werden und diese unterbrechen. Beispiele: Er sagt: „Hier ist schön.“ / „Der Mann hat private Probleme“, wirft Rosentreter ein. (Corpus Delicti) / „Frau Mia Holl“, korrigiert Lizzie, „geht derzeit nicht arbeiten.“ (Corpus Delicti) Der Begleitsatz ermöglicht die Zuordnung der wörtlichen Rede zu einer bestimmten Figur. Beispiel: Peter fragt: „Wie geht’s dir?“ Der Begleitsatz präzisiert häufig, auf welche Art sich eine Person anhand ihres Gesprächsverhaltens, ihrer Expressivität oder ihrer Untertöne ausdrückt: Beispiele: „Ich bin so müde“, gähnt Sophie; "Du hast mir also aufgelauert!" rief Georg / „Ja. Deinem Freunde", sagte der Vater mit Betonung. („Das Urteil“, Kafka) Der Begleitsatz kann Wertungen aus der Perspektive des Autors enthalten. Solche Elemente können manipulativ wirken, indem sie behaupten, die vom Erzähler vorgenommene Wertung sei diejenige der sprechenden Person. Beispiele: „Verkauf ist immer eine Chefsache", ist er überzeugt. /Der Schneider freut sich: „Das Kleid ist fertig.“ Der Begleitsatz verwendet Verben, die Denkvorgänge, Redehandlungen und Interaktionen bezeichnen, wie zum Beispiel „sagen“, „fragen“, „antworten“, „schreien“, „rufen“, „bieten“, „nicken“, „flüstern“, „keuchen“, „jammern“, „meinen“, „erklären“, „erwähnen“ etc. Die indirekte Rede Die indirekte Rede ist eine von fünf Formen der Figurenrede. Sie gibt wieder, was andere Personen gesagt, geschrieben, gedacht oder empfunden haben. Der Referent rückt in den Vordergrund und ist deutlich erkennbar. Er vermittelt das Geschehen nicht unbedingt wortgetreu und neutral und erhält damit die Möglichkeit, zu werten, kommentieren sowie Schwerpunkte zu setzen. Damit wird die Distanz zwischen der Figur und dem Leser größer als bei der direkten Rede. Im Gegensatz zu der direkten Rede werden bei der indirekten Rede keine Anführungszeichen gesetzt. Beispiele: Direkte Rede: Er sagt: "Ich gehe ins Kino." Indirekte Rede: Er sagt, er gehe ins Kino. Die indirekte Rede besteht aus einem Hauptsatz, der kennzeichnet, wer etwas wie gesagt hat, und einem Nebensatz, der die Personenrede enthält. Der redeeinleitende Hauptsatz enthält ein Verb des Sagens, Denkens oder Fühlens, wie zum Beispiel „antworten“, „äußern“, „behaupten“, „berichten“, „denken“, „erklären“, „fragen“, „glauben“, „meinen“, „sagen“ etc. In der gesprochenen Alltagssprache und im privaten Bereich (Freunde, Familie) wird heutzutage häufig bei der indirekten Redewiedergabe der Indikativ benutzt. Beispiele: Direkte Rede: Hans behauptet: "Ich war gestern nicht zu Hause." Indirekte Rede: Hans behauptet, dass er den Tag zuvor nicht zu Hause gewesen ist. In der Schriftsprache wird bei der indirekten Redewiedergabe in der Regel der Konjunktiv I oder II angewandt. Um sich deutlicher von der Aussage zu distanzieren, benutzt man den Konjunktiv II. Beispiele: Direkte Rede: Hans behauptet: "Ich war gestern nicht zu Hause." Indirekte Rede: Hans behauptet, dass er den Tag zuvor nicht zu Hause gewesen sei (Konjunktiv I). Indirekte Rede: Hans behauptet, dass er den Tag zuvor nicht zu Hause gewesen wäre (Konjunktiv II). Die Personenrede in der indirekten Rede steht in derselben Zeit wie die entsprechende direkte Rede. Die Zeitform des redeeinleitenden Hauptsatzes spielt dabei keine Rolle. Beispiele: Direkte Rede: Er sagt: „Sie war gestern hier.“ Indirekte Rede: Er sagt, sie sei am Tag zuvor dort gewesen. Der Nebensatz in der indirekten Rede kann mit den Subjunktionen „dass“, „und“, „ob“ oder mit einem Fragewort eingeleitet werden sowie nicht eingeleitet stehen. Wenn Aussagen in der indirekten Rede ohne Subjunktion wiedergegeben werden, erhält die nicht eingeleitete Personenrede dann die normale Wortstellung. Beispiele: Eingeleitet: Peter sagt, dass er Michelle immer lieben werde. Nicht eingeleitet: Peter sagt, er werde Michelle immer lieben. Beim Wechsel von direkter Rede zur indirekten Rede müssen in der Regel die Pronomen, Personen und die Orts- und Zeitangaben geändert werden, da der Referent aus einer anderen Perspektive heraus berichtet. Beispiele: Direkte Rede: Er behauptete: „Ich bin hier der Klügste.“ Indirekte Rede: Er behauptete, er sei dort der Klügste. Beim Wechsel von direkter Rede zur indirekten Rede, verschwinden die Frage – und Ausrufezeichen. Beispiele: Direkte Rede: Er rief: „Peter, gib mir das Geld!" Indirekte Rede: Er rief, Peter solle ihm das Geld geben. Direkte Rede: Er fragte: „Kannst Du mir Geld leihen?“ Indirekte Rede: Er fragte, ob ich ihm Geld leihen könne. Die direkte Rede ist zeitdeckend, die indirekte Rede meist zeitraffend. Die erlebte Rede Die erlebte Rede ist eine von fünf Formen der Figurenrede. Die erlebte Rede ist eine Form der Rede- und Gedankenwiedergabe, die hauptsächlich in literarischen Texten verwendet wird. Sie dient der Wiedergabe von Gedanken, Gefühlen und Empfindungen. Der Erzähler schlüpft in eine Figur hinein, um deren innere Vorgänge eindrücklich wiederzugeben. Sie kommt üblicherweise nur in bestimmten Passagen der Erzählung zum Einsatz. Die erlebte Rede wurde vor allem im 19. Jahrhundert von Autoren, wie Gustave Flaubert und Jane Austen, entwickelt. Sie findet sich sehr häufig im modernen Roman, wie zum Beispiel in den Werken von Franz Kafka, Thomas Mann und Robert Musil. Die erlebte Rede steht in der dritten Person und im Tempus des Erzählten, häufig im Präteritum. Sie darf nicht mit dem inneren Monolog verwechselt werden, der in der ersten Person Singular und im Präsens steht. Im Gegensatz zum Bewusstseinsstrom werden in der erlebten Rede die üblichen Regeln der Syntax beibehalten. Direkte Rede: Er sagte: „Gestern bin ich doch hier gewesen!“ Indirekte Rede: Er sagte, dass er am vorigen Tag dort gewesen sei. Erlebte Rede: Gestern war er doch hier gewesen! Die erlebte Rede ist in einem Text deshalb nicht einfach zu erkennen, weil sie im Gegensatz zur direkten Rede nicht grafisch durch Anführungszeichen markiert wird, und nur gelegentlich wie die indirekte Rede durch eine Redeankündigung und eine Subjunktion („dass“, „ob“ …) introduziert wird. Die erlebte Rede ist durch die folgenden Indizien im Text erkennbar: Anhand von Modalverben, wie „sollen“, „dürfen“ oder „müssen“, welche die subjektive Vermutung oder Hoffnung einer Figur ausdrücken. Anhand eines Ausrufs oder einer Frage. Anhand der Anwendung von Partikeln, die einen umgangssprachlichen, emphatischen oder affektiven Charakter haben, wie „nun“, „ja“, „doch“, „wohl“, „eben“, „gerade“, „oh“, „leider“, „ach“, „gewiss“, etc. Anhand von Bekräftigungen, wie „wahrhaftig“ und „tatsächlich“, von Flüchen und mundartlichen Wendungen. Anhand von Redewendungen, die Zweifel oder Vermutung signalisieren, wie „vielleicht“ oder „vermutlich“. Die erlebte Rede lässt sich aber nicht automatisch durch das Auftreten dieser Indizien feststellen. Diese weisen nur darauf hin, dass die Passage als erlebte Rede zu verstehen sein kann. Oft ist die erlebte Rede in den Erzählerbericht eingebettet. Üblicherweise wird sie aber nur in bestimmten Passagen eingesetzt. Beispiel: „Frau Stuth aus der Glockengießerstraße hatte wieder einmal Gelegenheit[,] in den ersten Kreisen zu verkehren, indem sie Mamsell Jungmann und die Schneiderin am Hochzeitstag bei Tonys Toilette unterstützte. Sie hatte, strafe sie Gott, niemals eine schönere Braut gesehen, lag, so dick sie war, auf den Knieen und befestigte mit bewundernd erhobenen Augen die kleinen Myrtenzweiglein auf der weißen moiré antique ...“ (Thomas Mann, Buddenbrooks). Um die erlebte Rede eindeutig in einem Text identifizieren zu können, muss man in jedem Fall auf die Gesamtsituation Rücksicht nehmen. Sie kann entweder stark an den Erzähler geknüpft sein oder sich mehr an der Figurensicht orientieren. In der Erzählerstimme können auch häufig Spuren der Ausdrucksweise wiedererkannt werden, welche den Wortschatz oder den Sprachstil der Figur charakterisieren. Beispiele für erlebte Rede sind im Zitat unterstrichen: „Paris? Nach Paris! Der Schreck traf ihn wie ein elektrischer Schlag. Das war der Zug für seinen Rückweg. Der falsche Zug! / Und jetzt? Von der nächsten Station zurück nach Oury? Unmöglich, dann mußte er dort eine Stunde warten, und dafür hatte er keine Zeit mehr. Die Notbremse schob sich in seinen Blick, das kleine Kästchen mit dem roten Griff, einfach ziehen und … – Nein, das war unmöglich. Er sah am Schaffner hinauf und wußte, daß er das nicht wagen würde.“ (Daniel Kehlmann, Unter der Sonne). „der Gondolier sprach zwischen den Zähnen mit sich selbst. Was war zu tun? Allein auf der Flut mit dem sonderbar unbotmäßigen, unheimlich entschlossenen Menschen, sah der Reisende kein Mittel, seinen Willen durchzusetzen. Wie weich er übrigens ruhen durfte, wenn er sich nicht empörte. Hatte er nicht gewünscht, dass die Fahrt lange, dass sie immer dauern möge? Es war das Klügste, den Dingen ihren Lauf zu lassen, und es war hauptsächlich höchst angenehm. Ein Bann der Trägheit schien auszugehen von seinem Sitz, von diesem niedrigen, schwarzgepolsterten Armstuhl, so sanft gewiegt von den Ruderschlägen des eigenmächtigen Gondoliers in seinem Rücken“ (Thomas Mann, Der Tod in Venedig). Die erlebte Rede bezeugt oft eine gewisse Zwiespältigkeit, Zerrissenheit oder die nervöse Unrast der literarischen Figur. Sowohl die Stimme des Erzählers als auch die Stimme der Figur scheinen in der erlebten Rede gegenwärtig zu sein. Wer spricht oder denkt, bleibt unklar. Der Leser wird gefordert, selbst darüber nachzudenken. Die erlebte Rede eignet sich somit dafür, eine Mehrdeutigkeit in die Bewusstseinswiedergabe einzubauen. Diesen Effekt hat Franz Kafka meisterhaft in seinen Werken angewandt: Beispiele: „Seine Blicke fielen auf das letzte Stockwerk des an den Steinbruch angrenzenden Hauses. Wie ein Licht aufzuckt, so fuhren die Fensterflügel eines Fensters dort auseinander, ein Mensch, schwach und dünn in der Ferne und Höhe, beugte ich mit einem Ruck weit vor und streckte die Arme noch weiter aus. Wer war er? Ein Freund? Ein guter Mensch? Einer, der teilnahm? [...] Gab es Einwände, die man vergessen hatte? Gewiß gab es solche...“ (Kafka, Der Prozess). „Georg sah zum Schreckbild seines Vaters auf. Der Petersburger Freund, den der Vater plötzlich so gut kannte, ergriff ihn, wie noch nie. Verloren im weiten Rußland sah er ihn. An der Türe des leeren, ausgeraubten Geschäftes sah er ihn. Zwischen den Trümmern der Regale, den zerfetzten Waren, den fallenden Gasarmen stand er gerade noch. Warum hatte er so weit wegfahren müssen!“ (Kafka, Das Urteil). Die erlebte Rede besitzt die Funktion, die Distanz zwischen Erzähler und Figur aufzuheben. Der Leser gewinnt den Eindruck, dass die Gefühle und Gedanken der handelnden Person nicht von ihr selbst, sondern durch den Erzähler geschildert werden. Mithilfe der erlebten Rede mischt sich der Erzähler sozusagen in das Geschehen ein. Der Innere Monolog Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine von Arthur Schnitzler perfektionierte weitere Form der gedanklichen Figurenrede in die Literatur eingeführt: Der „Innere Monolog“. Der Autor lässt den Erzähler in den Hintergrund treten und die Hauptfigur selbst gibt ihre Gedanken und Gefühlein der 1. Person Präsens Indikativ (Ich-Form) wörtlich wieder. Das Präteritum wird nur dann angewendet, wenn über Vergangenes berichtet wird. Im Gegensatz zum verwandten Bewusstseinsstrom (stream of consciousness) werden die grammatikalischen Strukturen und Sinnbezüge allerdings nicht vollständig aufgelöst. Trotz der Sprunghaftigkeit der Gedanken ist die Erzählung somit meist in vollständige und grammatikalisch korrekte Sätze gekleidet. Da sich die Figur in der Auseinandersetzung mit sich selbst ihrer intimsten Gedanken und Gefühle bewusst werden kann, bietet der Innere Monolog die Möglichkeit, das gesamte Spektrum der psychischen Vorgänge einer Figur zum Ausdruck zu bringen, die von spontanen Assoziationen und intuitiven Reaktionen bis hin zu heftigen Affekten, unkontrollierten Impulsen und disparaten Gedankensplittern reichen können. In dem Inneren Monolog entfallen die Inquit-Formel und Redeeinleitungen in Form eines Verbs des Denkens, Fühlens und Wahrnehmens, wie „sagte er“, „dachte sie“ oder „flüsterte sie“, die Distanz zum Erzählten schaffen. Durch die unmittelbare und direkte Wiedergabe der spontanen und manchmal widersprüchlichen, irrationellen oder assoziativen Gedanken und Gefühle der Figur, die ohne die vermittelnde und kommentierende Instanz des Erzählers wiedergegeben werden, wird eine Auslotung der inneren Zustände, der Bewegungen des menschlichen Bewusstseins, des Vorbewussten, Geträumten oder Tabuisierten angestrebt. Der Innere Monolog stellt folglich den erzähltechnischen Versuch dar, sprachlich die tief verborgenen Schichten des Menschen bloßzulegen und die unausgesprochenen Gedanken, die geheimsten Gefühle und Erinnerungen einer Figur unmittelbar wiederzugeben. Der Leser wird zum intimen Zeugen der innersten Empfindungen einer literarischen Gestalt und erlebt auf authentische Weise, wie sie ihre tiefsten Emotionen spontan ausdrückt. Beispiel 1: „Wie lang' wird denn das noch dauern? Ich muß auf die Uhr schauen... schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert. Aber wer sieht's denn? Wenn's einer sieht, so paßt er gerade so wenig auf, wie ich, und vor dem brauch' ich mich nicht zu genieren... Erst viertel auf zehn?... Mir kommt vor, ich sitz' schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin's halt nicht gewohnt... Was ist es denn eigentlich? Ich muß das Programm anschauen... Ja, richtig: Oratorium! Ich hab' gemeint: Messe. Solche Sachen gehören doch nur in die Kirche! Die Kirche hat auch das Gute, daß man jeden Augenblick fortgehen kann“ (Lieutnant Gustl, Arthur Schnitzler) Beispiel 2: „Ich muß mich jetzt sehr hübsch ausnehmen in der weiten Landschaft. Schade, daß keine Leute mehr im Freien sind. Dem Herrn dort am Waldesrand gefalle ich offenbar sehr gut. O, mein Herr, nackt bin ich noch viel schöner, und es kostet einen Spottpreis, dreißigtausend Gulden. Vielleicht bringen Sie Ihre Freunde mit, dann kommt es billiger. Hoffentlich haben Sie lauter hübsche Freunde, hübschere und jüngere als Herr von Dorsday? Kennen Sie Herrn von Dorsday? Ein Schuft ist er - ein klingender Schuft“ (Fräulein Else, Arthur Schnitzler) Der Bewusstseinsstrom Der Begriff „Bewusstseinsstrom“ (engl. stream of consciousness) wurde erstmals von dem amerikanischen Psychologen William James in seinem Werk "Prinzipien der Psychologie" (1890) verwendet, um eine erzähltechnische Besonderheit des Romans "Les lauriers sont coupés" ("Geschnittene Lorbeeren", 1888) des französischen Autors Edouard Dujardin zu kennzeichnen. Berühmte Autoren, wie James Joyce („Ulysses”, 1922), Virginia Woolf („Mrs. Dalloway”, 1925), Wolfgang Koeppens („Tauben im Gras“, 1951), haben diese besondere Erzähltechnik erfolgreich benutzt und mitgeprägt. Sie wird in modernen Texten häufig angewandt. Die literarische Technik des Bewusstseinsstroms versucht, die Vorgänge des Bewusstseins einer literarischen Figur ohne die vermittelnde Instanz eines Erzählers direkt niederzuschreiben. Sie stellt die Bemühung des Verfassers dar, die Gedanken, Gefühle oder Erinnerungen einer Person unmittelbar wiederzugeben und ihre unkontrolliert ablaufenden Bewusstseinsvorgänge zu schildern. Der Bewusstseinsstrom zeichnet ein ungeordnetes und oft komplexes Bild der Wahrnehmungen und Empfindungen des Protagonisten. Er besteht aus einer Abfolge von assoziativ verknüpften Worten, die einer Person in einer bestimmten Situation ungefiltert durch den Kopf gehen. In ihrem Versuch, die Gedanken- und Gefühlswelt einer Figur nachzuempfinden und in Worte zu kleiden, wenden die Autoren verschiedene Techniken an, wie zum Beispiel: Erzählfragmente, Montage, Reihungsstil, Perspektivenwechsel, Zeitsprünge, Fremdsprachen, Jargon oder Dialekt, literarische oder historische Referenzen, Mischung von realistischen, absurden, grotesken oder surrealistischen Elementen, Wortwiederholungen, Wortneuschöpfungen …. Der Gedankenfluss des Protagonisten wird ohne Beachtung der gültigen Syntax und Zeichensetzung wiedergegeben. Die verwendete Zeitform kann sowohl das Präsens als auch das Präteritum sein. Die lose Aneinanderreihung von wirren und komplexen Gedankenfetzen und Gedankensprüngen sowie die damit verbundene höhere Erzählgeschwindigkeit des Textes, welche die besondere Erzählweise des Bewusstseinsstroms charakterisiert, erschweren in beträchtlichem Maße die Lesbarkeit. Der Text muss entschlüsselt werden und der Leser wird dazu aufgefordert, die gedanklichen Verbindungen selbst herzustellen, was zu Irritation und Frust beim Lesen führen kann. Beispiel 1: „Der Schweiß auf seiner Stirn! Die Angst, wieder! Und plötzlich rutscht ihm der Kopf weg. (…)“ (Berlin Alexanderplatz, Döblin) Beispiel 2: „das Geworfensein, Kierkegaard Angst tagebuchschreibender Verführer nicht zu Cordelia ins Bett, Sartre der Ekel ich-ekele mich-nicht, ich treibe dunkele süße Onanie, das Selbst, die Existenz und die Philosophie der Existenz, Millionärin, war-mal, es-war-einmal, die Reisen der Großmutter, Wirkliche Geheime Kommerzienrätin, Onanie, dunkele süße, Auers Gasglühlicht summt, wenn-sie alles-in-Gold-angelegt-hätten [...]“ (Wolfgang Koeppen, Tauben im Gras)