104. Methodische Konzepte für den Deutsch als Fremdsprache Ϫ Unterricht 939 2007 1429Heterogenität, Gerechtigkeit und Exzellenz. Lebenslanges Lernen in der Wissensgesellschaft. Innsbruck. 1430 Wicke, Rainer E. 1431 2000 1432Grenzüberschreitungen. Der Einsatz von Musik, Fotos und Kunstbildern im Deutsch-alsFremdsprache-Unterricht in Schule und Fortbildung. München: iudicium 1433 Wicke, Rainer E. 1434 1993 1435Aktive Schüler lernen besser. Stuttgart: Klett. Ziebell, Barbara 1436 2002 1437Unterrichtsbeobachtung und Lehrerverhalten. (Fernstudieneinheit 32). Fernstudienprojekt zur Fort- und Weiterbildung im Bereich Germanistik und Deutsch als Fremdsprache 1438 München: Langenscheidt. 1439 Rainer E. Wicke, b (b) 1440 104. Methodische Konzepte ür den Deutsch als 1441 Fremdsprache Unterricht 1442 1. Fachgeschichtliche Anmerkungen: Das Ende der „großen“ Methodenkonzepte 1443 2. Die Ebene der methodischen Modelle 1444 3. Die Ebene der Modelle und Unterrichtsszenarien 1445 4. Literatur in Auswahl 1446 Wie viel Theorie braucht der Sprachunterricht? Die Tatsache, dass einerseits alle Men- 1447 schen ohne theoretische Hilfe eine erste Sprache gelernt und viele Menschen mit wenig 1448 oder keiner theoretischen Ausbildung eine fremde Sprache lehren, dass andererseits Vor- 1449 schläge aus der Wissenschaft im konkreten Unterricht nicht immer praktikabel erschie- 1450 nen, hat bei vielen Lehrkräften eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Theorien zum 1451 Spracherwerb hinterlassen. So hat David Little beobachtet: 1452 Sprachlehrende sind notorisch feindselig gegenüber theoretischen Diskussionen, 1453 offensichtlich in der Annahme, dass diese Praktikern in der Klasse nichts zu bieten 1454 haben. Viele (englischsprachige, H. F.) Handbücher für den Sprachunterricht ver- 1455 stärken dieses Vorurteil, in dem sie Sammlungen praktischer Tipps ohne jeden 1456 theoretischen Rahmen anbieten. Aber wenn wir keine Theorie haben, haben wir 1457 keine Möglichkeit, von der Ebene des Einzelbeispiels auf die Ebene des generellen 1458 Prinzips zu kommen. Das heißt nicht, dass Sprachlehrende Theoretiker werden 1459 sollen. Es heißt aber, dass sie Prinzipien erkennen sollten, auf denen ihr Handeln 1460 beruht. Ansonsten kommt jede Diskussion über Erfolge und Misserfolge im 1461 Sprachunterricht nicht über die Ebene von Anekdoten, Zustimmung und Gegen- 1462 rede hinaus. (Little 1994: 118, Übersetzg. H. F.). 1463 Um diese Prinzipien soll es im folgenden Beitrag gehen. 1464 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden940 1. Fachgeschichtliche Anmerkungen: Das Ende der großen1465 Methodenkonzepte1466 Setzt man den Beginn der wissenschaftlichen Erforschung des Fremdsprachenunterrichts1467 mit dem Beginn der 1960er Jahre an, so waren die ersten 30 Jahre der universitären1468 Fremdsprachendidaktik von einer chronologischen Abfolge der „großen“ Methodenkon-1469 zeptionen geprägt (Neuner 2003): Grammatik-gestützte Konzepte, die aus der Gramma-1470 tik-Übersetzungsmethode hervorgingen, audiolinguale bzw. audiovisuelle Methodenkon-1471 zepte, die vor allem in den USA und in Frankreich entwickelt wurden, und der kommu-1472 nikative Ansatz mit seinen verschiedenen Ausprägungen Ϫ in Großbritannien zunächst1473 vor allem funktional-national, in Deutschland eher mit pädagogisch-emanzipativem An-1474 spruch Ϫ folgten aufeinander bzw. standen nebeneinander. Richards (2002) differenziert1475 weiter in Werte-basierte, Theorie-basierte und Handwerks-orientierte Ansätze. Die Ab-1476 grenzung voneinander und die Ausdifferenzierung bzw. Überprüfung der jeweiligen Pra-1477 xiskonzepte bestimmte die didaktisch-methodische Forschung. Die methodischen Kon-1478 zeptionen von Lehrwerken reflektierten die Ansätze zwar selten in „Reinkultur“, waren1479 aber auf der Grundlage ihrer Übungstypen meist klar zuzuordnen. Hinzu kamen vor1480 allem seit den 1970er Jahren eine Reihe sog. „alternativer“ Methoden, die sich vor allem1481 selbst als solche und im Gegensatz zu den großen Methodenkonzeptionen definierten,1482 sich oft empirischer Überprüfung entzogen und sich in der Regel auf spezielle Aspekte1483 des Fremdsprachenunterrichts konzentrierten (Gedächtnis, Bewegung, Wortschatz, Mu-1484 sik, usw.). Da sie oft von Einzelpersonen und „Schulen“ dominiert wurden, nennt David1485 Nunan sie „Designer-Methoden“ (zit. nach Brown 2007: 33).1486 Als Ergebnis einer immer umfangreicheren und vielfältigeren empirischen Forschung1487 wurde in den 1980er Jahren zunehmend deutlich, dass die sog. „großen Hypothesen“1488 zum Zweitsprachenerwerb (vgl. Art. 83Ϫ84 und 87Ϫ90), jene Ansätze also, die für sich1489 in Anspruch nahmen, ein Modell für den Spracherwerbsprozess insgesamt zu bieten, die1490 vielfältigen Prozesse, die mit ihm verbunden sind, nicht mehr schlüssig im Sinne eines1491 Gesamtkonzeptes erklären konnten (Edmondson und House 2006). Die 1990er Jahre1492 brachten damit in der Spracherwerbsforschung das Ende dieser Hypothesen (vgl. bereits1493 Bausch und Kaspar 1979). Zu differenziert, methodisch unterschiedlich und teilweise1494 widersprüchlich erschienen die Forschungsergebnisse, um noch in ein einzelnes Gesamt-1495 konzept zu passen. Statt konzeptueller Einheitlichkeit folgte eine weitere Ausweitung der1496 Bezugswissenschaften des Fremd- und Zweitsprachenerwerbs, zunächst auf die Kogniti-1497 ons- und dann auf die Neurowissenschaften. (Wolff 2002; Arnold 2002).1498 Zeitgleich zu dieser Entwicklung und ihre Vielfalt reflektierend ist im Bereich der1499 Fremdsprachendidaktik ebenfalls das Ende der „großen“ makro-methodischen Gesamt-1500 konzepte zu beobachten. So spricht zuerst Piepho von der post-kommunikativen Epoche1501 (Piepho 1990) und Brown (2007: 40 ff.) in diesem Sinne von der Post-Methoden-Ära.1502 Andere Fremdsprachendidaktiker (Meißner und Reinfried 2001) sprechen von einer neo-1503 kommunikativen Phase oder gar von „neokommunikativem Grammatikunterricht“, wo-1504 runter Gnutzmann eine Phase des entdeckenden und problemlösenden Lernens versteht1505 (Gnutzmann 2005:176). Der nicht nur in Europa einflussreiche „Gemeinsame europä-1506 ische Referenzrahmen für Sprachen“ (Europarat 2001) setzte zwar vieldiskutierte Stan-1507 dards in Bezug auf Lernziele, behauptet aber von sich selbst, fremdsprachenmethodisch1508 neutral zu sein (ebd. 10). Dieser Behauptung liegt die Einsicht zu Grunde, dass es derzeit1509 weder belegbar ist, dass bestimmte Ziele ausschließlich mit bestimmten Methodenkon-1510 104. Methodische Konzepte für den Deutsch als Fremdsprache Ϫ Unterricht 941 zepten erreichbar wären, noch, dass bestimmte methodische Ansätze bei unterschiedli- 1511 chen Lernenden die gleichen Resultate zeitigen. Die Auflösungserscheinungen der didak- 1512 tisch-methodischen Gesamtkonzeptionen sind sowohl „von unten“ als auch von oben zu 1513 beobachten: Eine sich in den letzten 10 Jahren verstärkende Praxisforschung belegt, dass 1514 zu allen Zeiten praktische Konzepte und subjektive Überzeugungen von Lehrenden meist 1515 nicht einer bestimmten Schule folgten, sondern sich ihrer Vorgaben oft eklektisch bedien- 1516 ten (Kallenbach 1996), dass Unterrichtsroutinen sich oft eher aus eigenen langjährigen, 1517 meist unreflektierten Handlungsmustern zusammensetzten denn aus theoriebasierten 1518 Planungen. Erfolge und Misserfolge einzelner Lehrwerke erklären sich zum Teil aus die- 1519 ser Tatsache heraus: Diejenigen Lehrwerke, die einer bestimmten theoretischen Schule 1520 engmaschig folgten und damit Lehrkräften am wenigsten Projektionsflächen für subjek- 1521 tive Theorien und Routinen boten, stießen auf geringe Marktakzeptanz. So wie die Praxis 1522 der methodisch-didaktischen „Stromlinie“ widerstand, ließen sich auch fachdidaktische 1523 Theorienentwicklungen spätestens seit der Entwicklung des interkulturellen Ansatzes 1524 nicht mehr eindeutig den bestehenden Makro-Methodenkonzeptionen zuordnen. Der in- 1525 terkulturelle Ansatz geht etwa weiterhin von den Grundsätzen der kommunikativen Di- 1526 daktik in Bezug auf die Lernerorientierung und weitgehend auch in Bezug auf das 1527 Übungsgeschehen aus, verlässt aber die enge pragmatische Dichotomie von Sprachfunk- 1528 tion und deren Realisierung zu Gunsten eines hermeneutischen Ansatzes von vergleichen- 1529 dem Fremdverstehen, so dass man ihn als eine Weiterentwicklung und Konkretisierung 1530 des kommunikativen Ansatzes, nicht aber als neue Methodenkonzeption bezeichnen 1531 kann. Dies gilt für andere Ansätze wie den aufgabenbasierten Unterricht (Müller-Hart- 1532 mann und Schocker von Dithfurt 2005) in gleicher Weise. Folgt man dieser Argumenta- 1533 tion, werden viele Fragestellungen der fachdidaktischen Literatur der letzten 20 Jahre, 1534 die auf diesen Makro- Konzepten aufbauten, irrelevant: Ob man nun von vier oder fünf 1535 Lehrwerkgenerationen sprechen kann, ob der kommunikative Ansatz in anderen Kultur- 1536 räumen anwendbar wäre, das Verhältnis des interkulturellen zum kommunikativen An- 1537 satz Ϫ aus all dem sind keine Erkenntnisse für die Wirksamkeit einer bestimmten Form 1538 des Fremdsprachenunterrichts abzuleiten. Zusammenfassend sind drei Merkmale für die 1539 „Post-Methoden-Ära“ charakteristisch: 1540 1. Einzelne methodische Ansätze wie der interkulturelle oder der Aufgaben-basierte sind 1541 durchaus in verschiedene Methodenkonzepte integrierbar. 1542 2. Viele Curricula und internationale sowie regionale DaF-Lehrwerke sind nicht eindeu- 1543 tig einer Einzelmethode zuzuordnen, sondern methodisch offen. 1544 3. Die Vielfalt lernkulturgeprägter Lehr-/Lernszenarien und Übungsformen wäre auf der 1545 Grundlage einer Gesamt-Methodenkonzeption nicht mehr beschreibbar: Es wäre we- 1546 nig sinnvoll, z. B. Einzelübungen nach ihrer Form als „audiolingual“, „grammatikori- 1547 entiert“ oder „kommunikativ“ zu klassifizieren, ohne den Gesamtkontext und die 1548 Ziele einer konkreten Unterrichtssequenz zu berücksichtigen. 1549 2. Die Ebene der methodischen Modelle 1550 Aus Sicht der aktuellen fremdsprachenmethodischen Forschung erscheint derzeit eine 1551 andere topologische Sortierung sinnvoll: Eine Unterscheidung von theoretischen Grund- 1552 lagen, didaktisch-methodischen Prinzipien und Standards und methodischen Konzepten 1553 und -szenarien. Die drei Ebenen sollen im Folgenden näher beschrieben werden. 1554 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden942 2.1. Die Grundlagenebene:1555 Tab. 104.1: Grundlagenebene1556 Theorien des Lernens und der Konstruktion1557 Zweitsprachenerwerbstheorien bzw. Ϫ von Wissen, z. B.1558 hypothesen, z. B. Behaviorismus1559 Kontrastivhypothesen Kognitivismus1560 Interlanguage-Hypothese Konstruktivismus1561 Universalgrammatische Ansätze Konnektionismus1562 Input und Output-Hyothesen Grundlegende Theorien bieten einen Rahmen für Hypothesen und die Einordnung1563 von Daten und eigenen Erfahrungen. Sie machen deutlich, dass fremdsprachliches Ler-1564 nen nur interdisziplinär erforscht und interpretiert werden kann. Sie sind damit die1565 Grundlage von Erkenntnissen und die Voraussetzung der Gewinnung von Prinzipien1566 für die Ebene methodischer Entscheidungen in Unterrichtsvorbereitung und Unterricht.1567 Gegenwärtig lassen sich aus den vielfältigen Forschungsansätzen der Spracherwerbsfor-1568 schung und ihrer Bezugswissenschaften eine Reihe von Grundprinzipien ableiten, die1569 für sich in Anspruch nehmen können, unter der Prämisse eines auf Sprachverwendung1570 angelegten Unterrichts zwar kein Gesamtkonzept, wohl aber eine konsistente und kohä-1571 rente Orientierung methodischer Entscheidungen zu bieten und forschungsbasierte Stan-1572 dards zu setzen.1573 2.2. Die Ebene der didaktisch- methodischen Prinzipien:1574 Tab. 104.2: Methodische Prinzipien1575 Handlungsorientierung:1576 Ϫ rezeptive und produktive Sprachverwendung als primäres Lernziel1577 Ϫ Fertigkeitsintegration: Vom Verstehen zum Äußern1578 Inhaltsorientierung:1579 Ϫ bedeutungsvoller, aus Lernersicht („authentischer Input“)1580 Ϫ Inhaltsverarbeitung vor Form-Fokussierung1581 Aufgabenorientierung:1582 Ϫ Aufgaben mit „Sitz im Leben“ Ϫ fertigkeitsbasierte Übungen mit Bezug zu den Aufgaben1583 Individualisierung und1584 Ϫ differenzierende und lernerorientierte Personalisierung:1585 Verarbeitungsangebote Ϫ mit Sprache handeln: Lerner sprechen und schreiben als1586 sie selbst1587 Autonomieförderung:1588 Ϫ Vermittlung von Lernstrategien, Ϫ offene Unterrichtsphasen mit Projektcharakter1589 Interaktionsorientierung:1590 Ϫ Kommunikationsförderung, Ϫ kollaboratives Lernen,1591 Ϫ Lernen als kognitiver Prozess in einem sozialen Kontext1592 Reflexionsförderung:1593 Ϫ Einsicht in Strukturen Ϫ problemlösendes Lernen1594 Automatisierung:1595 Ϫ Einüben produktiver Routinen sowohl als Ergebnis als auch als Voraussetzung kognitiver Prozesse1596 104. Methodische Konzepte für den Deutsch als Fremdsprache Ϫ Unterricht 943 Transparenz & Partizipation: 1597Ϫ Zieltransparenz und Beteiligung der Lerner an pädagogischen Entscheidungen Evaluationskultur: 1598Ϫ summative und formative Evaluation von Lernprozessen Ϫ Evaluation von Lehre, Rechenschaftspflicht 1599 Mehrsprachigkeit: 1600Ϫ … als Voraussetzung für Entscheidungen in Bezug auf Unterrichtsmaterial, Motivation und Übungsgestaltung 1601 Lehr-/ Lernkultursensibiliät: 1602Ϫ Berücksichtigung kulturspezifischer Verarbeitungsformen von Lernstoff Die Aufzählung dieser 12 Standards folgt keiner Reihenfolge und beschreibt keine 1603 Prioritätensetzung für unterrichtliches Handeln. Sie nennt keine konkurrierende, son- 1604 dern komplementäre methodische Planungs- und Handlungsbereiche. Sie sind in der 1605 fremdsprachenmethodischen Literatur weitgehend beschrieben und können für sich in 1606 Anspruch nehmen, forschungsbasiert zu sein. Sie bieten eine prinzipielle Leitlinie für 1607 individuelle Entscheidungen und Standortbestimmungen sowohl für Unterrichtspraxis 1608 als auch für die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften. Sie sind als Werkbankmarkie- 1609 rungen (benchmarks) für Lehrmaterialentwicklung, Unterrichtsvorbereitung und Übungs- 1610 geschehen zu verstehen. Die Standards sollten damit auf allen Ebenen der Kompetenz- 1611 Soll-Beschreibungen des fremdsprachenpädagogischen Handels erkennbar sein. Sie er- 1612 möglichen ein ergebnisorientiertes Unterrichtsdesign, das Lernkulturen und das Ziel der 1613 individuellen Förderung berücksichtigt und, Lerner-aktivierende, sozial-integrative und 1614 reflexive Arbeitsformen anzubietet. 1615 2.3. Die Ebene der methodischen Konzepte und Szenarien 1616 Die beschriebenen Prinzipien bzw. Standards erlauben die Formulierung von Organisati- 1617 onsprinzipien, Verfahrensweisen, methodischen Einzelprinzipien und Gewichtungen von 1618 Unterrichtsfeldern für alle Lernzielbereiche (z. B. die Fertigkeiten) und Komponenten 1619 des Unterrichts (Grammatik, Wortschatz, Texte). Methodische Modelle sind in diesem 1620 Kontext schlüssige Abfolgen von Einzelschritten und Unterrichtsszenarien auf dem Weg 1621 zu einem Lernziel, die in der Regel mehrere der 12 Prinzipien beinhalten. Sie beschreiben 1622 beispielsweise Wege zum Verstehen von Hör- und Lesetexten wie u. a. Weskamps PQ4R- 1623 Modell (Weskamp 2001: 133 f.) ebenso wie den Prozess der Textarbeit und der selbständi- 1624 ger Erarbeitung grammatischer Strukturen wie u. a. das S-O-S Modell (Funk und Koenig 1625 1991) oder Automatisierungsverläufe wie Andersons ACT-Modell (Segalowitz 2003: 1626 395). 1627 Dort, wo Fremdsprachenunterricht eine in Bezug auf die Fertigkeiten eine ausgewo- 1628 gene Lernzielverteilung hat, in deren Mittelpunkt die rezeptive und produktive Verwen- 1629 dung der Sprache steht, ist davon auszugehen, dass eine ebenso ausgeglichene Verteilung 1630 von vier Lernfeldern am ehesten geeignet ist, eine entsprechend verteilte Kompetenzent- 1631 wicklung zu gewährleisten, nicht zu verwechseln mit einer Liste der vier Fertigkeiten die 1632 in vielen Lehrmaterialien und Unterrichtsverläufen eher zu einem isolierten Training von 1633 Einzelfertigkeiten geführt hat (vgl. auch Art. 106). 1634 Die Fertigkeitenübersicht (Tab. 104.3) ermöglicht lediglich die topologische Sortie- 1635 rung von Texten und Lernzielen, Die Matrix (Abb. 104.1) gliedert Unterrichtsaktivitäten 1636 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden944 Abb. 104.1: Lernfeldmatrix zur Verteilung von Unterrichtsaktivitäten Tab. 104.3: Traditionelle Liste der Fertigkeiten (vgl. Nation 2001, Nation und Newton 2009)1637 mündlich1638 schriftlich rezeptiv1639 Hören Lesen produktiv1640 Sprechen Schreiben und ordnet sie im Sinne der zuvor genannten Prinzipien Kompetenzfeldern zu. Die über-1641 zeugendste Begründung eines solchen integrativen, gleichmäßig verteilten Modells liegt1642 im Time-on-Task-Prinzip, das vielfach empirisch belegt ist (Nation und Newton 2009).1643 Lesen lernt man durch lesen, Sprechen durch sprechen und Flüssigkeit kann im Unter-1644 richt nur erreicht werden, wenn man sie auch trainiert. In allen Lernfeldern sind jeweils1645 mehrere der oben genannten 12 Prinzipien wirksam.1646 Lernfeld 1: Bedeutungsvolle Inhalte Ϫ die Verarbeitung von sprachlichen und themati-1647 schen Informationen1648 „Bedeutungsvoll“ kann nicht als objektive Kategorie definiert werden. Geht man vom1649 Grundprinzip eines personalisierten und individualisierten Unterrichts aus, so sind dieje-1650 nigen Inhalte bedeutungsvoll, denen Lernende intrinsische Verarbeitungsaufmerksamkeit1651 schenken. Hierin folgen sie unbewusst und unvermeidbar lernbiographischen Prägungen1652 und Motivationen und nicht notwendigerweise didaktisch zugewiesener Gewichtung. Die1653 Chance auf eine Verarbeitung von Inhalten wächst in dem Maße, in dem die Lernenden1654 an der Auswahl von Zielen und Erarbeitung von Materialien beteiligt werden.1655 104. Methodische Konzepte für den Deutsch als Fremdsprache Ϫ Unterricht 945 Eine zweite zentrale Kategorie neben der Verarbeitungsbereitschaft auf der Seite der 1656 Lerner ist die Plausibilität des angebotenen Sprachmaterials. Nick Ellis beschreibt Spra- 1657 chenlernen als „Hochrechnung auf der Grundlage von Sprachdaten“ (Ellis 2009: 139) 1658 und beschreibt damit die Abhängigkeit des Transfers von der Qualität der Eingangsda- 1659 ten. Die Wahrscheinlichkeit von Verarbeitung und Transfer steigt durch das Angebot an 1660 sprachlich und medial reichhaltigen, gleichwohl verständlichen Textangeboten. Dabei ist 1661 besonders auf der Wortebene auf „dichte Nachbarschaften“ (Ellis 2009:140) zu achten, 1662 d. h. auf alle Formen von häufig gemeinsam verwendeten Wörtern. 1663 Lernfeld 2: Sprachform-bezogenes Lernen 1664 Die Relevanz der im Lernprozess thematisierten Inhalte, Wörter und Strukturen er- 1665 gibt sich zum einen aus der vermuteten Verarbeitungsbereitschaft der Lerner, zum ande- 1666 ren aus der Häufigkeit des Auftretens in lernerrelevanten Sprachkontexten und aus dem 1667 Transferpotenzial im Sinne der Leistungsbreite von Wörtern und Strukturen. So hat das 1668 Perfekt im Deutschen eine hohe kommunikative Leistungsbreite, da es praktisch den 1669 gesamten Vergangenheitsbereich abdecken kann. 1670 Dabei kann grundsätzlich zwischen einem Form-geleiteten Fremdsprachenunterricht 1671 (focus on forms) und einem Form-fokussierten (focus on form) unterschieden werden. 1672 Letzterer meint eine zeitweise Konzentration auf sprachliche Strukturen auf der Wort-, 1673 Satz- und Textebene im Rahmen eines inhalts- und handlungsorientieren Fremdspra- 1674 chenunterrichts deren Zeitpunkt, Gegenstand und Dauer von den Bedürfnissen der Ler- 1675 nenden nach Systematisierung bestimmt wird. Grammatische Regeln werden also dann 1676 thematisiert, wenn sich Bedürfnis und Bereitschaft dazu auf Seiten der Lernenden im 1677 Rahmen einer inhaltlichen Aufgabenstellung ergeben, da andernfalls die Lernenden den 1678 Strukturen keine nachhaltige Verarbeitungsaufmerksamkeit widmen. Damit ergibt sich 1679 eine Unterrichtsphasierung, in der an Anfang und Ende einer Sequenz inhaltliche Aufga- 1680 ben stehen und zu einem nach Möglichkeit von den Lernern zu bestimmenden Zeitpunkt 1681 eine Kognitivierungsphase stattfindet. In der Praxis findet dieses Prinzip in der notwendi- 1682 gen Vorbereitung von Kognitivierungsphasen und in den Vorgaben der verwendeten 1683 Lehrwerke seine Grenzen und macht es sinnvoll, von einer „schwachen Version“ von 1684 „Fokus-auf-Form“ zu sprechen: Grammatische Regeln können dort aufgegriffen werden, 1685 wo der Gebrauch einer Struktur ein inhaltliches Lernziel erfüllt und wo sie zu diesem 1686 Zweck verwendet werden. 1687 Beispiele: 1688 Eine Systematisierung von Vergangenheitsformen kann dort angebracht sein, wo 1689 Kursteilnehmer über eigene Erlebnisse und Erfahrungen berichten, eine teilweise Syste- 1690 matisierung des Gebrauchs von Präpositionen mit dem Dativ dort, wo sie eigene Wohn- 1691 umwelten schildern. Dieses Verfahren unterscheidet sich vom Verfahren einer vorgegebe- 1692 nen Kontextualisierung von Dativpräpositionen in Wohnungsbeschreibungen, wie es in 1693 der Regel in Lehrwerken geschieht, da im Rahmen eines Fokus-auf-Form-Modells die 1694 Lernenden selbst über Umfang und Zeitpunkt der Systematisierung entscheiden. Die 1695 Konsequenz ist ein inhaltsbezogener Zuschnitt von grammatischen Lernangeboten (z. B.: 1696 Richtungen beschreiben) statt einem strukturbezogenen (z. B. „Die Wechselpräpositionen 1697 Die folgende Gegenüberstellung prototypischer Übungsanweisungen in DaF-Lehr- 1698 werken verdeutlicht den Unterschied im Übungsgeschehen zwischen einem inhaltlosen 1699 Grammatikfokus und einer formfokussierten Übung im inhaltlichen Kontext: 1700 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden946 Tab. 104.4: Arbeitsanweisungen in Lehrwerken1701 Grammatikfokussierung (inhaltslos)1702 Formfokussierung (bedeutungs- bzw. handlungsorientiert) Ϫ Sätze mit Dativ: Ergänzt die1703 Ϫ Letzte Woche Ϫ Was war gut, was war Personalpronomen1704 schlecht? Erzählt in der Klasse. Ϫ Verbinde Sätze mit wenn … dann1705 Ϫ Widersprechen / sich entschuldigen Ϫ sammelt Ϫ Modalverben können, müssen, dürfen,1706 Ausdrücke im Text und verwendet sie in wollen, sollen Ϫ Ergänze im Präsens oder1707 einem Dialog. Präteritum.1708 Ϫ Adjektive machen Geschichten interessanter. Ϫ Artikel und Possessivpronomen im1709 Baut die Adjektive ein und lest eure Akkusativ und Dativ Ϫ Ergänze bitte.1710 Geschichte vor. Ϫ Thema Essen Ϫ was isst du wann am liebsten?1711 Liegt der Fokus wie in der linken Spalte auf der Einübung einer grammatischen Re-1712 gel, zu der dann Beispielsätze gesucht werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die1713 Lernenden mit isolierten „Sinn-losen“ Beispielsätzen konfrontiert werden, denen sie in1714 der realen Sprachverwendung nie begegnen würden. „Sinn-los“ heißt hier, dass die Sätze1715 lediglich eine Struktur präsentieren bzw. fordern, die aber losgelöst wird von ihrem in-1716 haltlichen Sinn.1717 Lernfeld 3: Aktives, „Sinn-volles“ Sprachhandeln der Lernenden Ϫ Bedeutungs-fokus-1718 sierte Sprachverwendung1719 Im Gegensatz dazu meint „Sinn-volles“ Sprachhandeln die Verwendung der Fremd-1720 sprache, um damit eigene Aussagen zu Sachverhalten, zu Texten, zu sich selbst oder1721 anderen Personen zu machen. Damit sind vor allem die Prinzipien einer Handlungsorien-1722 tierung, Individualisierung und Personalisierung des Lernprozesse verbunden. Dies kann1723 in simulierter Unterrichtskommunikation vorbereitet (etwa in Information-gap-Übungen,1724 bei denen jeweils ein Partner die richtige Lösung hat und der andere sie abwechselnd1725 erfragt) und in der realen Interaktion im Unterricht und darüber hinaus (Projekte und1726 Praxiserkundungen) eingeübt werden. Die Lernfeldmatrix geht davon aus, dass etwa1727 ein Viertel der Unterrichtszeit der Verwendung der gelernten Wörter und Strukturen zu1728 kommunikativen Zwecken gewidmet werden sollte, einem Bereich also, der der notori-1729 schen Zeitnot im Unterricht besonders oft zum Opfer fällt.1730 Lernfeld 4: Automatisierung Ϫ das Training sprachlicher Flüssigkeit1731 Während konstruktivistische Modellierungen den bewussten Aufnahme- und Verar-1732 beitungsprozess sprachlichen Materials in den Mittelpunkt gestellt haben, richten kon-1733 nektionistische Modelle (Arnold 2002; Pospeschill 2004) den Blick auf das Übungsge-1734 schehen und auf die neurologischen Grundlagen des Lernens, das Herstellen von Verbin-1735 dungen zwischen Gehirnzellen (vgl. Art. 89). Sie verweisen darauf, dass eine solche1736 „Bahnung“ das Ergebnis unterschiedlicher Ursachen sein kann, in jedem Fall aber auch1737 mit den Faktoren „Zeit“ und „Wiederholung“ zu tun hat. Kognitions- und neurowissen-1738 schaftliche Forschungsbeiträge haben in jüngster Zeit darauf aufmerksam gemacht, wie1739 stark unbewusst-implizites, zufälliges (inzidentelles) und ganzheitliches Lernen sowohl1740 die Grundlage von Kognitionsprozessen als auch von flüssiger Sprachverwendung sind.1741 „Zusammengefasst beschreiben konnektionistische Modelle die Konsolidierung1742 von Gedächtnis im Zuge einer Enkodierung, Engrammbildung und rekonstruier-1743 104. Methodische Konzepte für den Deutsch als Fremdsprache Ϫ Unterricht 947 enden Transformation von Informationen. Gedächtnis wird somit als ein adapti- 1744 ves, assoziatives und distribuiertes System betrachtet. Der starke erfahrungsabhän- 1745 gige Bezug beim Aufbau von Gedächtnis favorisiert vor allem episodische Ge- 1746 dächtnismodelle mit auto-, hetero-assoziativer, zumeist inhaltsadressierter, aber 1747 auch sequenziell arbeitender Architektur.“ (Pospeschill 2004: 193) 1748 Der Weg vom bewussten zum unbewusst-automatisierten Fremdsprachengebrauch ist 1749 ein möglicher aber nicht der einzig mögliche Weg sprachlichen Lernens. Die vielfältigen 1750 menschlichen Lernpotenziale und -wege werden auf diese Weise nicht erfasst. Wenn man 1751 eine Fremdsprache flüssig spricht, reproduziert man fertige „Redeteile“ einschließlich der 1752 phonologisch gespeicherten grammatisch richtigen Formen. Man baut in der gesproche- 1753 nen Sprache nicht Sätze nach grammatischen Regeln auf. Für eine Konzentration auf 1754 die Form und die bewusste Wahl von grammatischen Markierungen wäre gar keine Zeit 1755 (vgl. List 2002: 128; Ellis 1996: 2009). Flüssigkeit entsteht demnach durch Verwendung 1756 von in zusammenhängenden Einheiten gespeicherten Wörtern mitsamt ihrer grammati- 1757 schen Endungen und Ableitungen. Für die Übungsgestaltung hat das zur Folge, dass 1758 Routineformeln auch als Basis der Kognitivierung Gegenstand von Übungen sein müs- 1759 sen, die vorwiegend den mündlichen Gebrauch trainieren, automatisches und schnelles 1760 Reagieren in Mustern ohne große Varianz, d. h. ohne bewusstes Auswählen zwischen 1761 Variablen mit hoher Wiederholungsrate einüben. Dazu sind besonders Sprachspiele und 1762 Minidialoge mit frequent gebrauchten Routineformeln geeignet. 1763 Je mehr das Umfeld der Entstehung fremdsprachlicher mentaler Netze (Inhalte, Rah- 1764 menbedingungen und Verfahren des Lernens fremder Sprachen) dem Umfeld der späte- 1765 ren Verwendung der Sprache gleicht, desto höher ist die Chance der Aktivierung und 1766 Verfestigung der Netze Ϫ reichhaltige und realitätsnahe Lernumgebungen führen zu bes- 1767 seren Lernergebnissen (vgl. Segalowitz 2003: 402). Fremdsprachliche Übungen und Auf- 1768 gaben sind insgesamt an den drei grundlegenden Paradigmen konnektionistischen Ler- 1769 nens auszurichten, Sprachliches Lernen ist demnach entweder 1770 a) 1771der Erwerb muster-assoziativer Verbindungen durch imitativ-reproduktives Üben, b) 1772klassifizierendes Lernen auf der Grundlage u. a. lehrgesteuerter Verarbeitungsangebote oder … 1773 c) 1774ungesteuertes Lernen von Regularitäten durch Entdeckung und Experiment (inzidentell, implizit). 1775 Die drei Wege beschreiben keine theoretisches Gesamtkonzept, wohl aber eine auch neu- 1776 rowissenschaftlich plausible Verteilung der Lernaktivitäten. 1777 Geht man von den genannten Prinzipien und einer balancierten Verteilung der Unter- 1778 richtsaktivitäten in den Lernfeldern aus, dann ergeben sich Konsequenzen in Bezug auf 1779 Übungsgestaltung und -sequenzen in Lehrwerk und Unterricht. 1780 3. Die Ebene der Modelle und Unterrichtsszenarien 1781 Eine Reihe von Modellen kann derzeit am ehesten für sich in Anspruch nehmen, sowohl 1782 plausible Progressionsverläufe in den einzelnen Lernfeldern als auch übergreifende Un- 1783 terrichtsszenarien mit einer progressional gestuften, lernfördernden Distribution von Un- 1784 terrichtsaktivitäten im Sinne der genannten Lernwege zu gewährleisten. 1785 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden948 Beispiele für lernfeldinterne Progressions- und Sequenzmodelle1786 Ϫ Das „S-O-S“-Modell, das Sammeln von Beispielen auf der Grundlage formaler Ähn-1787 lichkeiten, das Ordnen von sprachlichen Formen und das Systematisieren von Be-1788 obachtungen, d. h. die Formulierung von Regeln (Funk und Koenig 1991: 124 f.),1789 beschreibt eine Vorgehensweise, bei der den Lernenden auf der Grundlage eines Text-1790 und Beispielangebots Gelegenheit, Unterstützung und Zeit zu entdeckendem Lernen1791 und Hypothesenbildung gegeben wird. Unterrichtsangebote unterstützen auf diese1792 Weise einen natürlichen kognitiven Prozess und machen ihn bewusst. Damit ist auf1793 der metakognitiven Ebene die Ausbildung lernstrategischer Routinen verbunden. Das1794 Modell hat als Voraussetzung eine Input-Optimierung, bei der die Häufigkeit der1795 Repräsentanz von Mustern (Ellis 2009: 144) die Grundbedingung für die Ausbildung1796 einer kognitiven Landkarte in der Form einer neuronalen Bahnung ist.1797 Ϫ Das „traditionelle“ Automatisierungsmodell Andersons, das von drei Phasen ausging,1798 einer „kognitive Phase“, in der die Regeln explizit gelehrt und gelernt werden, einer1799 anschließenden „assoziative Phase“ in der die Regeln wiederholt angewendet werden1800 und einer autonomen Phase“, in der die Regeln nicht mehr explizit sondern implizit1801 angewendet werden (vgl. Segalowitz in Doughty und Long 2003: 395). Obwohl dieses1802 Modell nur einen engen Ausschnitt kognitiver Modellbildung erfasst, den des direkt-1803 expliziten, deduktiven Zugangs zur Sprache über die Regel, und mit ihm die Prinzi-1804 pien der Autonomieförderung, der Handlungsorientierung und des inhaltsbasierten1805 Lernens schwer verbindbar sind und fertigkeitsbezogene Transferprobleme entstehen,1806 sind in entsprechenden lernkulturellen Kontexten nachhaltige Lernergebnisse erziel-1807 bar1808 Weitere lernfeldinterne Progressions- und Sequenzvorschläge gelten der Entwicklung der1809 fremdsprachlichen Schreibfertigkeit sowie dem Hör- und Leseverstehen (vgl. Kap. X).1810 Beispiele für lernfeldübergreifende Progressions- und Sequenzmodelle1811 Ϫ Dem Modell des aufgabenbasiertes Lernen sind in den letzten Jahren eine Vielzahl1812 von Monographien und Einzelbeiträgen gewidmet worden (Willis und Willis 2007;1813 Müller-Hartmann und Schocker-von Dithfurt 2005). Die Aufmerksamkeit der For-1814 schung galt dabei der Struktur und Sequenzabfolge von Aufgaben, der Rolle und1815 Bedeutung der Wiederholungen, dem Verhältnis von Korrektheit und Flüssigkeit in1816 aufgabenbasierten Unterrichtsdesigns (Robinson 2001), der Input-Optimierung und1817 der Aufgabenauthentizität aus der Sicht der Lernenden (Waters 2009: 316).1818 Ϫ Swains „Outputmodell“ verweist darauf, dass wir nicht allein durch Verarbeitung von1819 sprachlichem Input lernen, sondern auch durch aufgabengesteuerten Output (Mura-1820 noi 2007). Aus diesem Modell ergibt sich die folgende (vereinfachte) Abfolge von1821 Unterrichtsschritten:1822 1. Die Lernenden werden zur Sprachproduktion animiert. Sie reagieren auf Bilder, Texte, Äußerungen mit motivierendem Aufforderungscharakter.1823 2. Die Lernenden entdecken, dabei, dass ihnen ein Wort / eine Formulierung fehlt („noticing the gap“). Aus dem Äußerungsbedürfnis entsteht Lernmotivation.1824 3. Zielgerichtete Verarbeitungsaufmerksamkeit führt zur Wahrnehmung der fehlenden Elemente.1825 4. Die neuen sprachlichen Elemente, Formen und Formulierungen werden gelernt und verwendet, um eine Aussage zu machen.1826 104. Methodische Konzepte für den Deutsch als Fremdsprache Ϫ Unterricht 949 Ϫ Das ACCESS-Modell: Gatbonton und Segalowitz (2005: 329) verbinden am Beispiel 1827 des Themenfeldes „Familie“ einen Kommunikations- und Aufgaben-orientierten An- 1828 satz mit Automatisierungsanforderungen. Das Modell geht von einer Drei-Phasen 1829 Sequenz mit jeweils unterschiedlichen Lernabschnitten aus, in der einer „kreative Au- 1830 tomatisierungsphase“ eine „sprachliche Konsolidierungsphase“ und schließlich eine 1831 „freie Kommunikationsphase“ folgt. 1832 Die drei übergreifenden Sequenzmodelle lassen sie sich in Form eins Vier-Phasen-Mo- 1833 dells auf einen gemeinsamen Nenner bringen: 1834 Unterrichtssequenz: Gebrauchsbasiertes Lernen und Erwerben 1835 1. Inhaltsbezogene Einführung von Wortschatz und Strukturen (rezeptiv) 1836 2. Gebrauchsbasiertes Einüben von Wortschatz und sprachlichen Mustern 1837 (Automatisierung 1) (imitativ-reproduktiv) 1838 3. Bewusstmachung durch Systematisierung und gelenkte Übungen 1839 (kognitiv-reproduktiv) 1840 4. Sprachverwendung in sinnvollen Kontexten, Transfer 1841 Automatisierung (2) (reproduktiv-produktiv) 1842 Im Mittelpunkt der fachdidaktischen Debatten im Fach Deutsch als Fremdsprache stand 1843 in den vergangenen Jahren die Rezeption des Gemeinsamen Europäischen Referenzrah- 1844 mens und der sich aus ihm ergebenden positiven und problematischen Konsequenzen in 1845 Bezug auf die pragmatische Ausrichtung, Lernerautonomie, Evaluationskultur, Interkul- 1846 turalität und Mehrsprachigkeitsorentierung des Unterrichts. Diese Fachdebatte war im 1847 Sinne der Differenzierung von Richards (2002) überwiegend Werte-basiert. Eine stärker 1848 Handwerks-basierte Fachdiskussion auf der Grundlage der in diesem Beitrag dargestell- 1849 ten Theorie-basierten Prinzipien und unterrichtlichen Handlungsfelder eröffnet die 1850 Chance einer besseren Praxisakzeptanz von methodischen Prinzipien und Modellen und 1851 öffnet zugleich neue Felder einer praxisgestützten Unterrichtsforschung. 1852 4. Literatur in Auswahl 1853 Arnold, Margret 1854 2002 1855Aspekte einer modernen Neurodidaktik. Emotionen und Kognitionen im Lernprozess. München: Ernst Vögel. 1856 Barkowski, Hans und Hans-Jürgen Krumm (Hg.) 1857 2009 1858Fachlexikon Deutsch als Fremdsprache. Tübingen: Narr. Bausch, Karl-Richard und Gabriele Kaspar 1859 1979 1860Der Zweitsprachenerwerb: Möglichkeiten und Grenzen der ,großen‘ Hypothesen. Linguistische Berichte 64: 3Ϫ35. 1861 Brown, Douglas H. 1862 2007 1863Teaching by Principles. An Interactive Approach to Language Pedagogy. 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