2. Die Gruppe 47 Text – Heinrich Böll: Der Mann mit den Messern. Die Zeitschrift Der Ruf. Unabhängige Blätter der jungen Generation. (1946/47) • Herausgeber: Hans Werner Richter und Alfred Andersch • Zunächst: Lagerzeitschrift deutscher Soldaten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft • „Da dachte ich, man müsste den Ruf in Deutschland neu herausgeben mit einer anderen Konzeption. Nicht mit einer ausgesprochen antiamerikanischen, aber mit einer kritischen...Das Blatt stieg sehr schnell auf Hunderttausend. Unsere politischen Hoffnungen waren einmal natürlich Demokratie, parlamentarische Demokratie und dann aber Sozialismus. Wir glaubten nicht, und der Glaube war damals allgemein vorhanden, dass es im alten, mit dem alten Kapitalismus-System weitergehen könnte.“ Hans Werner Richter – Wie entstand und was war die Gruppe 47? „Ich sitze in der Redaktion. Vor mir liegen Umbruchbögen der Nummer 17. Ich weiß noch nicht, dass sie die letzte, nicht mehr veröffentlichte sein wird. Alle Artikel sind mit roter Tinte bearbeitet. Ganze Passagen sind gestrichen...Schon der nächste Tag bringt Klarheit. Wir stehen vor den verschlossenen Türen unserer Redaktion.“ „Etwas musste geschehen, um jene jungen Talente und Begabungen zusammenzuhalten, die sich um den „Ruf“ zusammengefunden hatten, ein Kreis von Leuten, die sich in ihrer Mentalität, in ihren Auffassungen und Absichten von denen unterschieden, die das Gestern oder Vorgestern vertraten. Aber wie konnte man sie zusammenhalten? Für eine neue Zeitschrift brauchten wir wiederum die Genehmigung der amerikanischen Militärregierung, eine Lizenz, die wir für eine politische Zeitschrift nicht bekommen würden, wohl aber vielleicht für eine literarische...Wieder begann ich Beiträge zu sammeln...Diese Beiträge waren der Beginn dessen, was später als die Kahlschlagperiode der deutschen Nachkriegsliteratur bezeichnet wurde. Nach langen Hin und Her nannten wir die Zeitschrift „Der Skorpion“. „Wir glaubten noch an die Wirkung des geschriebenen Worts, an die Literatur als das große, durch nichts zu ersetzende Aufklärungsinstrument...Ich hatte auf meinen handgeschriebenen Postkarten gebeten, noch nicht veröffentlichte Manuskripte mitzubringen...So hocken wir im Kreis herum auf dem Fußboden, manche mehr liegend als sitzend, hören zu, angestrengt, konzentriert, und nur selten geben wir unserer Zustimmung oder unserem Missfallen durch Kopfnicken, Lachen oder irgendwelche Gesten Ausdruck. Nach der ersten Lesung sage ich: „Ja, bitte zur Kritik. Was habt Ihr dazu zu sagen?“ Bedeutung der Gruppe 47 • Bis tief in die 60er Jahre die Verkörperung der neuen deutschen Literatur. Die Gruppe bestimmt das literarische Klima in Deutschland. • Eine „literarische Institution“: Preise der Gruppe, Herausgebertätigkeit. • Autoren/Preisträger: Eich, Böll, Aichinger, Bachmann, Hildesheimer, Walser, Grass usf. Heinrich Böll (1917-1985) • „Der Volksschriftsteller der deutschen Nachkriegsliteratur“ • Der zweite Preisträger der Gruppe 47. • Nobelpreisträger (1972) • „Heinrich Böll schreibt von denjenigen und für diejenigen, die genug haben von großen Zeiten und von hehren Gestalten; sein Thema sind kleine Leute, kleine Zeit. Sein Blick auf die Wirklichkeit ist ein christlicher: Wir sollen haben, als hätten wir nicht.“ • Aber es gab auch Kritik: "Der Böll war als Typ wirklich klasse. Da stimmten Gesinnung und Kasse. Er wär' überhaupt erste Sahne, wären da nicht die Romane." (Robert Gernhard) Heinrich Bölls Themen: • „Heinrich Bölls literarische Leistung reicht von der seelischen Aufarbeitung der Schuld und der Leiden des deutschen Soldaten im 2. Weltkrieg über die Kritik des Adenauerstaates und seines engstirnigen Katholizismus, über die praktische Solidarität mit den verfolgten Dissidenten des Ostblocks bis zur Auseinandersetzung mit dem Trauma des Terrorismus und seiner blinden Verfolgung.“ Viktor Böll • ABER: „Zur Debatte stand und steht sein moralisch-politisches Engagement in der Öffentlichkeit, weniger die literarisch-ästhetische Qualität seines Werkes.“Anselm Salzer Heinrich Bölls Themen: • Trümmer-, Heimkehrerliteratur in der „Kahlschlagperiode“ – Grauen des Krieges, Orientierungslosigkeit nach der Rückkehr: Wanderer, du kommst nach Spa… (1950) • Satiren auf das Deutschland des „Wirtschaftswunders“: Dr. Murkes gesammeltes Schweigen (1958) • Hauptwerke: Billard um halbzehn (1959), Gruppenbild mit Dame (1971) • Dokumentarliteratur, Frauenthemen in den 1970ern (Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1974), verfilmt 1975 von Volker Schlöndorff). • Bölls Spezialität: „Verweigerer, die zwar nichts an den kritisierten Verhältnissen ändern, aber ihren eigenen Freiraum trotzig dagegensetzen und so bewahren“