Abendduscher und Semmelbrecher Barbora Prochazkova, 24, ist stellvertretende Sprecherin des Deutsch-Tschechischen Jugendforums. Sie wurde in Prag geboren und studiert seit vier Jahren in Hamburg. Hier erklärt sie, was ihr an Tschechen und Deutschen auffallt und was sie im Jugendforum macht. Barbora, was machen Tschechen anders als Deutsche? Im Großen sind die Ziele dieselben: erfolgreich sein, sich selbst eine gewisse Unabhängigkeit schaffen. Aber im Detail findet man schon etwas: Wir duschen in der Regel abends — ich kenne keinen Deutschen, der das nicht morgens tun würde. Und während hier die Semmeln in zwei Hälften geteilt und dann belegt werden, brechen wir Tschechen Teile davon ab. In Deutschland wird die Freizeit aktiver genutzt, man geht aus, fährt weg, trifft Freunde. In Tschechien dagegen gibt es so etwas kaum. Freizeit heißt für die Familie meistens fernsehen, unternommen wird wenig. Wenn die Unterschiede nur im Detail liegen - warum sind sich dann die jungen Generationen in Deutschland und Tschechien eher fremd? Das liegt an der schwierigen Vergangenheit, die die beiden Länder miteinander haben, und an dem Bild, das die Medien vermitteln. Wir haben drei Monate lang die zwei jeweils seriösen größten Tageszeitungen — Süddeutsche Zeitung und FAZ sowie Mladä Frontet DNES und Lidove Noviny — verglichen. In Tschechien wurde 150 Mal über das Nachbarland berichtet. Dabei ging es meist um den Wohlstand, aber auch immer noch darum, dass Deutschland 1938 den Krieg begonnen hat. Umgekehrt wur- de nur 80 Mal über Tschechien berichtet, dabei wurden -wir meist als nationalistisch dargestellt und als Volk, das sich nicht mit seiner Geschichte auseinandersetzen kann. Wie kann sich das ändern? Es sollte nicht nur klischeehaft über den anderen berichtet werden. Und neben den Medien kann es nur die Jugend schaffen, eine Brücke zu schlagen. Deshalb bin ich beim Jugendforum. Wir sind je 20 Vertreter im Alter zwischen 16 und 26 Jahren — älter darf man nicht sein — aus Deutschland und Tschechien, die alle zwei Jahre neu gewählt werden. Momentan arbeiten wir in den Arbeitsgruppen Medien, Geschichte und Jugendarbeit, wo wir im jeweiligen Bereich die Gegensätze und Schwierigkeiten, aber auch die Gemeinsamkeiten der Länder erarbeiten. Was war bisher der größte Erfolg des Jugendforums, und wo gibt es noch Probleme? Wir haben es geschafft, dass sich die Jugend-Organisationen der tschechischen Parteien demnächst an einen Tisch setzen, um eine gemeinsame Haltung zu den so genannten Benes-Dekreten einzunehmen. Außerdem haben wir es unserem starken politischen Rückhalt zu verdanken, dass wir bei den Gesetzesentwürfen für die Schulreform in Tschechien ein wenig mitreden können. Aber -wir stoßen auch an die Grenzen der Bürokratie beider Länder. Für Studenten ist es oft schwer, ein Visum zu bekommen, Auslandssemester werden nur selten anerkannt. Ein weiteres Beispiel: Deutsche und tschechische Jugendliche machten eine Radtour entlang der Grenze. Als ein tschechischer Bus die Teilnehmer in Deutschland wieder abholen sollte, durfte er nicht über die Grenze, weil er leer war. Also musste er einige Eltern zum Mitfahren bewegen, dann durfte er einreisen. Wir haben diese Beispiele gesammelt und im Deutschen Bundestag einigen Ministerialbeamten präsentiert. Hoffentlich bewirkt das etwas. Das Deutsch-Tschechische Jugendforum wählt am 15. September seine neuen Vertreter. Zweimal jährlich gibt es ein Treffen mit allen Mitgliedern; die Arbeitsgruppen treffen sich zudem etwa dreimal pro Jahr. Bewerbungen an: IDOR Heinrich-Rockstroh-Straße 10 95615 Marktredwitz Weitere Informationen unter www.jugendforum.ahoj.info oder bei Barbora Prochazkova: 040/38 61 19 47