148 Die unterhaltende Information nämlich einen teuflischen Doppelgänger, der in der Maske des Biederpilzes mit Mordinstinkten unterm breiten Hut im Grase lauert. Kein Wunder also, dass jedermann hinter dem Pfifferling ... Es gehört zu den niederschmetterndsten Erfahrungen aller Romantiker, dass Volkstum oft nur im Verschnitt genießbar wird. Schottische Dudel-sackmusik zum Beispiel ist, leicht aufbereitet und in kleinen Dosen serviert, auch dem ungeübten Ohr erfreulich, während sie pur und in großen Mengen Überdruss und sogar antikcltische Gefühle zu erzeugen vermag. Nicht anders erging es dem originalen und einzig wahren schottischen Whisky, dem Malt. Der so überaus intensiv nach Hochmoor schmeckt, dass es selbst die romantischsten kontinentalen Schottland-, Schwärmer am Anfang des 19. Jahrhunderts grauste. Woraus die export-i frohen Schotten die Konsequenz zogen: Sie erfanden den Grain Whisky, das gebremste Torfmoor für jene verweichlichten Gegenden, wo die Männer Hosen tragen. Die Meinung 25 Der Kommentar Redakteure bestimmen, über welche Nachrichten die Leute reden können, und sie bestimmen, welche Meinungen dazu gelten sollen. Die Leser wissen: In einem Kommentar, dem legitimen Platz aller Meinungsbildung, formuliert ein Journalist seine Ansicht; ihr können, aber ihr müssen sie nicht folgen. So wird der Journalist versuchen, seine Ansicht dem Leser schmackhaft zu machen. Er formuliert zu Beginn seines Kommentars kurz und verständlich die Nachricht, auf die er sich bezieht; er schreibt seine Meinung besonders einprägsam und süffig, um die Chance wahrzunehmen, sie zur Meinung von vielen zu machen; und schreibt er gar gegen die mutmaßliche Mehrheit der Leser an, dann tut er gut daran, ihr erst einmal Recht zu geben, um dann mit exzellenten Argumenten fürs Gegenteil zu werben. Ein Ziel muss der Kommentator stets im Auge haben, ohne klare Stoßrichtung verfehlt er es. Ihm geht es wie dem Bürger in der Wahlkabine : Die Entscheidung mag noch so schwer fallen und die Waage sich kaum zu einer Seite neigen, dennoch darf er sein Kreuz nur hinter einer Partei malen. So muss der Kommentator sich entscheiden, auch wenn er noch so viel Sympathie für die Gegenargumente vorbringt: Kann die neue Brücke gebaut werden? Muss der Bürgermeister zurücktreten? Sollen wir deutsche Soldaten in Kriegsgebiete schicken? Eine Reihe von Kommentatoren verstößt gegen diesen Grundsatz: Die einen verzetteln sich und führen Scharmützel am Rande, wenn sie nicht nur über die Planung einer neuen Brücke schreiben, sondern zugleich die engen Auffahrten der nahen Tiefgarage beklagen; die anderen verlieren sich im Entweder-oder und bleiben in der Analyse hängen. 150 Die Meinung Solche Verstöße werden befördert durch den Sprachgebrauch in den Redaktionen. «Kommentar» werden auch Artikel genannt, in die Meinungen nur einfließen, oder meinungsfreie Erläuterungen oder Korrespondentenberichte mit analytischen Einschüben. Dagegen heißt vieles in der Zeitung nicht Kommentar, was eine reine Mei-nungsbekundung ist: oft die Lokalspitze, immer die Kritik im Feuilleton, immer die Karikatur, oft die Sportberichterstattung und die Leserbriefe. Fünf Typen des Kommentars lassen sich unterscheiden: der Eincrseits-Andererseits-Kommentar, das Pro und Contra, der Meinungsartikel, der Geradeaus-Kommentar und der Kurzkommentar. Von der Analyse war in Kapitel 18 die Rede: Sie erhellt komplizierte Entwicklungen, aber ihr fehlt das typische Kennzeichen des Kommentars, eben die abschließende Wertung. Mündet die Analyse in eine Wertung, dann wird sie zum Einerseits-Andererseits-Kommen-tar, wie Walther von LaRoche ihn nennt. 1. Der Einerseits-Andererseits-Kommentar Wer das Für und Wider erörtert, aber erkennbar zu einem Fazit kommt, ist in der Branche hoch angesehen, während viele Leser eher den kurzen, von Emotionen getragenen Kommentar schätzen. Die meisten Leitartikel werden mit abwägender Argumentation geschrieben (und nicht selten ohne Fazit); ein Filigran aus Analyse, Andeutungen und bedächtigem Urteil. 2. Der Pro-und-Contra-Kommentar Während der Einerseits-Andererseits-Kommentar es oft an einem klaren Fazit fehlen lässt, gehört zu diesem Typ die Conclusio, die eindeutige Schlussfolgerung. Werden alle drei Elemente - Dafür, Dagegen, Und was nun? - formalisiert und durch Zwischenüberschriften kenntlich gemacht wie in der Zeit, so entstehen für den Leser drei zusätzliche Vorzüge: Er kann dem Autor bei der Würdigung der gegensätzlichen Standpunkte auf die Finger sehen; er ist gespannt, zu welcher Entscheidung der Kommentator wohl kommen wird, da doch beide Der Kommentar 151 Meinungen so viel für sich zu haben scheinen; und er ist aufgeschlossen für ein bloß seufzendes, zähneknirschendes Ja zu einer der beiden Positionen, wie es den vertrackten irdischen Verhältnissen ohnehin am ehesten gerecht wird. Zwei einander ausschließende Standpunkte jeweils klar, ja mit Wärme zu vertreten - das gehe nicht? Es geht. Schon Thomas von Aquin, Kirchenvater des 13. Jahrhunderts, hat es darin zur Meisterschaft gebracht. Der Philosoph Joseph Pieper schreibt über ihn: Es kann einem arglosen Leser passieren, dass er, einigermaßen stutzig und verwirrt, ganze Seiten liest, die nichts anderes enthalten als die höchst überzeugend formulierten gegnerischen Argumente. An der Formulierung ist schlechterdings nicht zu erkennen, dass Thomas sie ablehnt; es findet sich nicht die Spur einer Hindeutung auf die Schwäche des Arguments, nicht die leiseste Nuance einer ironischen Übertreibung. Der Gegner selber spricht; und es ist ein Gegner, der offenbar ausgezeichnet in Form ist, ruhig, sachlich, maßvoll. 3. Der Meinungsartikel Wer den Andersdenkenden ernst nimmt, der wirbt mit Argumenten um ihn; er holt den Leser dort ab, wo er sich vermutlich befindet, beginnt also nicht mit einer unpopulären Meinung - um die Chance nicht zu verspielen, Andersdenkende nachdenklich zu machen, wenn nicht gar umzustimmen. Auch wer Unheimliches oder Schreckliches erklären, deuten und zu einem Fazit bringen will, muss langsam vorgehen - selbst wenn er gleich mit dem Schrecken beginnt: Das hat es in Deutschland noch nicht gegeben: ein Kanzler, der sich fäusteschwingend auf die Menge zubewegt, offenkundig in diesen Sekunden nicht mehr Herr seiner selbst. Ein Regierungschef, der den Kundgebungsplatz zum Schulhof machen will, wo er seine Widersacher mit einer Tracht Prügel zur Raison bringen könnte. Das ist so weit von der Welt verantwortlicher Politik entfernt, dass dieser Anblick ungeachtet der Umstände erschreckt. 152 Die Meinung Jürgen Busche kommentierte im Mai 1991 in der Süddeutschen Zeitung eine Kundgebung in Halle, bei der Jusos Tomaten und Eier auf den Bundeskanzler warfen. Doch Busche verurteilte nicht die Störenfriede, wie seine Leser wohl erwarteten, sondern er diagnostizierte eine folgenschwere Schwäche des Kanzlers. Langsam tastete sich der Kommentator vor, erzählte Ereignisse der Vergangenheit, deutete die Körpersprache Kohls und kam zu dem Fazit: Das Erschrecken, das den Beobachter angesichts des Geschehens überfällt, rührt daher, dass der Eindruck politischer Hilflosigkeit in Halle zum Bild geronnen ist: Der Mann, der da in Panik gerät, weiß sich nicht zu helfen, weil alles anders ist; er weiß nicht mehr ein noch aus. Er ist der Bundeskanzler. 4. Der Kurzkommentar Wer kurz und knapp kommentiert, der hat fast keinen Platz für Argumente. Walther von LaRoche nennt solche Texte «Geradeaus-Kommentar», die FAZ nennt sie «Leitglosse» und definiert sie als «rasche und zur Meinungsäußerung zugespitzte Bewertung dessen, was gerade passiert». In der FAZ erschien diese Leitglosse von Hans D. Barbier: Die bittere Wahrheit Bar. Alle reden vom Aufschwung. Die Wirtschaftsweisen aber sagen die bittere Wahrheit: «Von einem Aufschwung im eigentlichen Sinne kann nicht die Rede sein.» Diese Feststellung des Vorsitzenden des Sachverständigenrates hat gute Chancen, zu den Klassikern aus dem Zitatenschatz des politischen Brauchtums zu werden. Das ist die zeitgemäße Version der Entlarvung des nackten Kaisers im allgemeinen Jubel über dessen neue Kleider. In der Tat: Eine Konjunkturphase ohne Schwung, aber mit mehr als drei Millionen ausgewiesener Arbeitsloser kann nur in der politischen Camouflage als Aufschwung bezeichnet werden. Es spricht für die Moral der Ökonomen, dass sie diesem Sprachgebrauch nicht folgen möchten. Die Vertreter derer in der Politik, die für die Misere verantwort- Der Kommentar 153 lieh sind, vor allem das Tarifkartell des Arbeitsmarktes, aber auch die Finanz- und Sozialpolitiker, verstecken ihre Fehler hinter dem Wort «Aufschwung» auch dann noch, wenn das Land in die De-industrialisierung torkelt, wenn die Arbeitslosigkeit mit teuren Programmen versteckt werden muss, um die skandalösesten Zahlen der offenen Erwerbslosigkeit zu verheimlichen. Das sollte ihnen nicht durchgehen. Die Sachverständigen zeichnen das Muster der Verantwortlichkeit sehr deutlich: Die Arbeitslosigkeit geht wesentlich auf das Konto der Fehlleistungen des Tarifkartells. Dessen kostentreibende Vereinbarungen sind aber auch die Folge der unaufhörlich steigenden Belastungen durch Steuern und Abgaben. Noch sieht der Rat keine Zeichen der Umkehr, sondern die Ankündigung neuer Lasten: durch Ökosteuern, durch weitere Fehlentwicklungen in der Sozialversicherung. Woher sollten da günstigere Prognosen für die Dynamik der Wirtschaft und vor allem für mehr Beschäftigungsmöglichkeiten kommen? Alles in allem gesehen - von der Maßlosigkeit der Besteuerung bis zur weiten Öffnung der Umverteilungsschleusen des Sozial- und Subventionsstaats -, ist die Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik nie so schlecht gewesen wie jetzt. Und es zeichnet sich keine Besserung ab. Im Ritual der Kanzlerrunde moderiert die Regierung die Folgen ihrer Fehlleistungen. Man könnte - mit den Wirtschaftsweisen - auch sagen: «Von einer Wirtschaftspolitik im eigentlichen Sinne kann nicht die Rede sein.» Der Aufbau des Kommentars folgt einem beliebten Muster: • Statt mit der eigenen Meinung beginnt der Text mit einem Zitat, dem der Autor zustimmt. • Die fremde Argumentation, im Beispiel: die der Wirtschaftsweisen, wird verstärkt. • Der Autor spitzt die Argumentation zu und kommt zum eigenen kräftigen Urteil: «Die Wirtschaftspolitik ist nie so schlecht gewesen wie jetzt.» Ein solches Urteil ist umso spektakulärer, je mehr es der üblichen Meinung der Zeitung widerspricht. 154 Die Meinung 5. Das Pamphlet Die gröbste Form des Kommentars ist eine Spielart des Kurzkommentars; auch sie kommt ohne Argumente aus und wirkt wie ein Keulenschlag. Der ehemalige Chefredakteur des Münchner Merkurs, Paul Pucher, war ein solcher Pamphletist. Begriffe wie «Schmutzkübel, spätpubertäre Phantasmagorien, bösartige Dummheit, läppisch, blamabel, schäbig» gehörten zu seinem Vokabular. Doch wer die Polemik liebt, gerät schnell in die Gefahr, die Sprache der Demagogen und Propagandisten zu nutzen: Wenn die Regierung meint, durch Unterdrückung herrschen zu können, so irrt sie. An den Sozialisten ist es, ihr dies mit Tatsachen zu beweisen. Von ganzem Herzen grüßen wir die Toten, die das königliche Blei zerfetzt hat. Es könnte sein, dass ihr Blut eines Tages über die Verantwortlichen kommt - sowohl über jene, die ganz unten, wie über jene, die an der höchsten Spitze stehen. Dieser hasserfüllte Kommentar erschien 1913 im Mailänder Avanti, dem Zentralorgan der italienischen Sozialisten - geschrieben von Benito Mussolini, dem Chefredakteur, der in seiner Jugend radikaler Sozialist war. Wer nicht argumentiert, wer seinen Gefühlen freien Lauf lässt, der muss genau die Wirkung bedenken, die sein Ausbruch bekommen kann. «Zündeln verboten!» steht als Warnung über polemischen Texten. Selbst die FAZ ist in schwierigen Zeiten nicht gefeit vor volkstümelnder Polemik, etwa beim Ausländer-Thema: Mit den Ost-, den Süd- und den Südosteuropäern in der Bundesrepublik geht es ziemlich gut; sogar ein paar italienische Mafiosi lassen sich noch verkraften ... Aber sind vor allem die Turk-Völker geblieben, dazu Palästinenser, Maghrebinen und andere aus ganz und gar fremden Kulturkreisen Gekommene. Sie, und nur sie, sind das Ausländerproblem der Bundesrepublik ... Sie sind nicht zu integrieren: subjektiv wollen sie es nicht, und objektiv können sie es nicht. Sie haben ein Getto gebildet und zumindest einen Der Kommentar 155 der Westberliner Stadtbezirke zu einer türkischen Großstadt werden lassen, die für Deutsche praktisch unbewohnbar geworden ist. Wer entscheidet in den Redaktionen, ob besonnen kommentiert wird oder ein Pamphlet ins Blatt kommt - und in welcher Stoßrichtung? Meist ist sie vorgegeben durch frühere Kommentare, die Ansichten des Chefredakteurs oder jenes Redakteurs, der schon immer über das Thema geschrieben hatte. Debatten finden allenfalls statt, wenn ein neuer Chefredakteur kommt oder wenn ein neues Thema auftaucht, wie die so genannte Nachrüstung in der Ära Helmut Schmidt. Dann hat auch der Anfänger eine Chance, einen Kommentar zu schreiben. Sonst bekommt er in den meisten Redaktionen keine Gelegenheit, auf die Meinungsseite zu kommen; eine feste Garde von Kommentatoren macht unter sich aus, wer seine Meinung zu welchem Thema ins Blatt rücken darf. Selbst wenn es zu einer Grundsatzdebatte kommt, dürfen Anfänger allenfalls zuhören. Wie im Olymp thront die Kommentatoren-Schar und umgibt sich mit Begründungen. Leitartikler sitzen in einer Redaktion «mit gleichen oder verwandten Überzeugungen», schreibt etwa die FAZ in ihrer Selbstdarstellung. Auch in der Frankfurter Rundschau sind gegensätzliche Positionen selten; Karl Grobe erinnert sich in der Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Bestehen an solche Ausnahmen: «Bei der Frage, ob Verbrechen der Nazis verjähren sollen oder nicht, war dies ebenso der Fall wie bei der deutschen Einheit oder der Frage des Einsatzes deutscher Soldaten außerhalb des Nato-Gebietes.» Die Seelenverwandtschaft der Überzeugungen - da kommt ein wenig Schönfärberei ins Bild. Denn welcher Kommentator kümmert sich um die Meinung der Redakteure? So schäumt nicht selten die halbe Mannschaft, wenn der Chefredakteur die Meinung der Zeitung verkündet und die Redakteure in ihren Stammkneipen darauf angesprochen werden. Dennoch gibt es Risse in der Mauer, welche die Kommentatoren um sich errichtet haben: Im Sport oder im Lokalen wird durchaus auch ein Anfänger zum Kurzkommentator zugelassen; je kleiner die 156 Die Meinung Redaktion, desto eher darf er seine Meinung gedruckt sehen. Doch die meisten Volontäre bekommen erst gar keine Routine im Schreiben von Kommentaren. So stellt Hans-Joachim Schlüter in seinem «ABC für Volontärsausbilder» fest: Da es in vielen Redaktionen leider immer noch üblich ist, dass nur Ressortleiter kommentieren, fällt die Darstellungsform Kommentar bei der Volontärsausbildung oft genug unter den Tisch: «Das kann der später noch lernen!» Später? Etwa dann, wenn der Redaktionsalltag die junge Journalistin oder den Jungredakteur schon vereinnahmt hat? Etwa dann, wenn man bemerkt, dass der Volontär - der ja hoffentlich eine eigene Meinung hat! - ständig Kommentar in die Berichterstattung mogelt? Er muss es jetzt am Anfang seiner Ausbildung lernen und üben. Bleibt noch eine Warnung übrig: Wer Nachrichten schreibt, lebt meist ungefährdet (es sei denn, er tritt den Mächtigen auf die Füße); wer Kommentare, gar bissige, schätzt, gefährdet Karriere und Gemütsruhe und eckt schnell an mit Verlegern, einflussreichen Leuten und solchen Lesern, die lieber nur die eigene Meinung im Blatt sähen. Der Chefredakteur des Bonner Generalanzeigers musste gehen, als er während der Debatte um die neue Hauptstadt in einem Kommentar auch Sympathie für Berlin durchscheinen ließ. Und als 1995 das Bundesverfassungsgericht entschied, das Kruzifix dürfe nicht in Schulklassen hängen, empörten sich die meisten Kommentatoren gemeinsam mit Bischöfen und CDU-Politikern. Ausgerechnet die konservative Welt druckte einen Kommentar, der die Verfassungsrichter lobte. Leo Kirch forderte die Absetzung des Chefredakteurs, der den Abdruck des Kommentars gebilligt hatte; Kirch war zu dieser Zeit ein einflussreicher Aktionär des Springer-Verlags, in dem die Welt herausgegeben wird. Solche Einmischungen von Eigentümern in die Redaktionen sind nicht selten, aber selten öffentlich. Eher selten war auch das Glück des Kommentators wie des Chefredakteurs, dass die Verlagsmanager dem Eigentümer entgegentraten. Die Satire 157 Die Leser erwarten in einem Kommentar die klar formulierte Meinung eines Journalisten - vom Keulenschlag, der auf Gründe verzichtet, über die Analyse, die mit dem Fazit schließt, bis zum abwägenden Kommentar, der auch Andersdenkende zu überzeugen versucht. Aber oft bleiben Kommentatoren im Entweder-oder stecken und lassen den Leser mit Seufzern und offenen Fragen allein. 26 Die Satire «Frauen können keine Glossen schreiben», schreibt Alois Segerer in der Münchner Abendzeitung, und er begründet es so: Frauen haben zu kurze Daumen. Erst der lange männliche Daumen macht aus einem staubtrockenen Thema eine witzige Glosse: Ober ihn wird gepeilt, er wird gedrückt und draufgehalten. Weiblichen Däumlingen fehlt diese Feinschliffpolitur-Fähigkeit ... Glossenschreiben ist eine sture, mühselige, fast immer unterbewertete und unterbezahlte Tätigkeit. Also eine typische Männerarbeit. Frauen sind sich dafür viel zu schade. Da sind wir gleich hineingesprungen in die Satire. Sie ist, ob mit oder ohne Ironie, die leichtlebige Schwester des Kommentars. Wenn's auf der Linie der Zeitung liegt, nehmen die Leser auch eine Satire als Kommentar hin oder freuen sich sogar über das zusätzliche Vergnügen. Genannt wird die Satire freilich in der Zeitung nur selten so. • Kolumne heißt sie in einigen Zeitungen. Das Wort wird aber auch für ernste Themen verwendet, etwa für juristische Streitfälle oder den Alltag in der Dritten Welt; die Kolumne verweist nicht auf Satire, sondern auf regelmäßiges Erscheinen und wird meist vom selben Autor verfasst. • Glosse wird die Satire am liebsten genannt, vor allem in der Lokalredaktion. Doch die FAZ nennt so ihre kurzen Kommentare auf der ersten und letzten Seite des Politikbuchs.