VII. Linguistische Gegenstände V: Sprachliche Varietäten des Deutschen 50. Das Deutsche in Österreich 1. Grundsätzliches 2. Sprachgeografische, sprachhistorische und sprachsoziologische Voraussetzungen des österreichischen Deutsch 3. Linguistik des österreichischen Deutsch 4. Das österreichische Deutsch im Unterricht Deutsch als Fremdsprache 5. Literatur in Auswahl 1. Grundsätzliches Die verbindliche Sprachform der einzelnen deutschsprachigen Länder — insbesondere in Deutschland, in Osterreich und im größten Teil der Schweiz — bildet die deutsche Schrift- und Standardsprache, während der Substandard als gesprochene Dialekte und Umgangssprachen überall räumlich stark differenziert ist. Die Schrift- und Standardsprache ist jedoch keine Einheitssprache, sondern besteht aus Varietäten. Begonnen von Kloss und ausgebaut von Clyne (1984, 1992, 1995) erfolgt ihre Beurteilung seit den ausgehenden 80er Jahren (Polenz 1987, 1988, 1990) nach dem plurizentrischen Modell. Es setzt in rein synchroner, auf die Gegenwart bezogener Vorgangsweise Nation, Staatsterritorium und Sprache gleich und folgert daraus nationale Varietäten des Deutschen in Deusch-land, in Osterreich und in der Schweiz als deutsches (oder deutschländisches) Deutsch, österreichisches Deutsch und Schweizerdeutsch (oder genauer Schweizer Hochdeutsch; vgl. Art. 51; Ammon 1995). Die die Varietäten ausmachenden Varianten betreffen in jeweils unterschiedlichem Umfang alle sprachlichen Ebenen: die phonetisch-phono-logische (und danach in Einzelheiten auch die graphematische Ebene), die morphologische, die syntaktische und die lexikalisch-semantische Ebene einschließlich der Phraseologie. Dazu kommen noch pragmatische Unterschiede. Bei größtenteils vorherrschenden verbindlichen Gemeinsamkeiten machen diese Varianten jeweils die differentia specifica aus und konstituieren als solche die Varietäten. Hinsichtlich ihres Umfangs verzeichnet Ebner (1998) für Osterreich auf dem auffälligen Gebiet des Wortschatzes rund 7000 Austria-zismen, während die großen deutschen Wörterbücher von Duden und Brockhaus-Wahrig den gesamtdeutschen Wortschatz mit über 200000 Wörtern angeben. Das macht einen Anteil der österreichischen lexikalischen Eigenheiten in der Schrift und Standardsprache von etwa 3% aus — oder anders ausgedrückt: auf einen Text von 100 Wörtern entfallen durchschnittlich drei Austriazismen, wobei freilich die tatsächlichen Verteilungen je nach Inhalt und Sachgebiet schwanken. Es herrscht daher innerhalb der deutschen Sprache bezüglich der Standardsprache weitgehende länder- und gebietsübergreifende allgemeine Verständlichkeit. Die jeweils gebräuchlichen Varianten mit allgemeiner Akzeptanz in den einzelnen Gebieten und damit auch die einzelnen Varietäten sind somit hinsichtlich ihrer normativen Gültigkeit als gleichwertig und gleichberechtigt anzusehen. Hier hat der von österreichischer Seite besonders im Vergleich zu der vielfach als vorbildlich betrachteten norddeutschen Varietät stets vertretene Grundsatz zu gelten: „Österreichisches Deutsch ist kein schlechteres, sondern ein anderes Deutsch" (Moser 1989, 25). Was bei dieser rein synchronen Beurteilung ausgeklammert wird, ist einerseits die Diachronie und andererseits die Verbreitung und Gültigkeit der Varianten, indem über die tatsächlich staatsgebundenen Varietäten hinaus zahlreiche weitere Varianten teils länderübergreifend, teils nur auf Teilbereiche eines Landes beschränkt auftreten. So deckt sich hinsichtlich der Verbreitung und räumlichen Gültigkeit nur ein kleiner Teil als spezifische Varianten mit den heutigen Staatsgebieten, so dass Sprach- und Staatsgrenzen tatsächlich zusammenfallen. Dagegen tritt der größere Teil als unspezifische Varianten auf (Ammon 482 VII. Linguistische Gegenstände V: Sprachliche Varietäten des Deutschen 1995). Es sind von Österreich aus beurteilt einerseits länderübergreifende oberdeutsche Varianten in Süddeutschland, Osterreich und der Schweiz; westoberdeutsche Varianten in Südwestdeutschland, der Schweiz, Liechtenstein und im westlichsten österreichischen Bundesland Vorarlberg; sowie ostoberdeutsche Varianten in (Alt)Bayern und Osterreich. Andererseits gibt es lediglich auf Teilgebiete von Osterreich beschränkte Varianten, wobei vor allem im Wortschatz West-Ost-Unterschiede mit ostösterreichischem Eigenverhalten zu beobachten sind und teilweise auch Vorarlberg eine Eigenstellung einnimmt. Die Ursachen dafür liegen in der Diachronie und gehen damit auf die jahrhundertealte Geschichte der deutschen Sprache mit verschiedenartigen stammessprachlichen Grundlagen, wechselnden kulturellen Beziehungen und sich unterschiedlich entwickelnden territorialen und sprachräumlichen Verhältnissen zurück, während die heutigen Staatsterritorien trotz ihrer längeren Vorgeschichte relativ jung sind. So besteht die heutige Republik Osterreich seit 1918 und gab es von 1949 bis 1990 mit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zwei deutsche Staaten. Es wurde daher in linguistischer Hinsicht auf Grund der Mehrzahl der in ihrer jeweiligen Verbreitung von den heutigen Staatsterritorien unabhängigen Varianten auch vorgeschlagen, die Varietäten der deutschen Schrift- und Standardsprache als pluriareale Varietäten zu verstehen (Wolf 1994, 74; Scheuringer 1996; Pohl 1997). Dass zahlreiche normative Wörterbücher des Deutschen der tatsächlichen Variabilität nicht in genügendem Maß Rechnung tragen, so dass die Kodifizierungen in Deutschland, Osterreich und der Schweiz scheinbar jeweils einheitliche nationale Varietäten entstehen lassen, widerspricht der Sprachwirklichkeit und bedarf der Revision. Auch das österreichische Deutsch bildet in sich keine einheitliche Varietät des Deutschen, sondern besteht aus der Summe der in Osterreich vorkommenden Varianten auf allen Ebenen (Ebner 1980,215). Als Kodifizierung gilt das 1951 herausgegebene und seit 1979 fortgeführte „Osterreichische Wörterbuch", das wegen zahlreicher Unzulänglichkeiten mehrfach kritisiert wurde (Wiesinger 1980; Fröhler 1982; Reiffenstein 1995). Wenn in einer vor allem in Osterreich kon-troversiell geführten Diskussion (Wiesinger 1995a; Scheuringer 1996a; Pohl 1997; Schrodt 1997) unter sprachpolitischen Aspekten von einigen das nationale Moment der Sprache als Identifikationsmerkmal hervorgekehrt wird (Hrauda 1948; Muhr 1982, 1989, 1995a; Poliak 1992), so ist dabei unter Vernachlässigung der strukturlinguistischen Gegebenheiten (Reiffenstein 1983, 23) die soziolinguisti-sche Sicht ausschlaggebend, die auf ein verbreitetes Bewusstsein sprachlicher Eigenständigkeit verweist und auf dem Selbstverständnis der Österreicher als souveräner Nation mit einer entsprechenden Abgrenzung besonders von Deutschland und den Deutschen beruht. Als Gegenargumente werden hauptsächlich genannt die zahlreichen oberdeutschen Gemeinsamkeiten und da besonders mit (Alt)Bayern und damit gegenüber staatlichen die länderübergreifenden Nord-Süd-Unterschiede innerhalb des Deutschen und die relativ geringe Anzahl spezifischer Varianten in ganz Österreich oder bloß in Teilgebieten, wobei den tatsächlich staatsabhängigen Verwaltungsterminologien wenig alltagssprachliche Präsenz und Bedeutung beigemessen wird (Pohl 1997; Scheuringer 1987; 1996). Da aber das österreichische Deutsch in seiner Struktur eine Varietät der deutschen Sprache bleibt und auch gegenwärtig alle Entwicklungen der deutschen Sprache mitvollzieht, gehen unter verschiedenen Voraussetzungen seit den 30er Jahren des 20. Jh.s immer wiederkehrende Versuche, es als möglichst selbständige Sprachform „Österreichisch" hinstellen zu wollen, an der Sprachrealität vorbei. Ebenso ist aber auch die vor allem in Deutschland praktizierte unizentri-sche Haltung abzulehnen, die eine meist nord- und mitteldeutsch geprägte Standardsprache als eine für den gesamten deutschen Sprachraum verbindliche einheitliche Norm vorgibt und damit am Sprachgebrauch vor allem in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz vorbeigeht. 2. Sprachgeografische, sprachhistorische und sprachsoziologische Voraussetzungen des österreichischen Deutsch Nach seinen sprachgeografischen und damit dialektalen Grundlagen gehört Österreich mit Süddeutschland und der Schweiz zum Oberdeutschen. Innerhalb dieses gehört der größte Teil Österreichs von Tirol im Westen bis Niederösterreich und dem Burgenland im Osten zum ostoberdeutschen Bairischen, 50. Das Deutsche in Österreich 483 während das westlichste Bundesland Vorarlberg sowie ein kleines westtirolisches Randgebiet um Reutte dem westoberdeutschen Alemannischen zugeordnet ist (Wiesinger 1990). Daraus resultieren im österreichischen Deutsch oberdeutsche Gemeinsamkeiten mit Süddeutschland und der Schweiz sowie Gemeinsamkeiten des bairischen Bereiches mit (Alt)Bayern und des alemannischen Vorarlbergs mit der Schweiz, Liechtenstein und dem süddeutschen Allgäu, was im Wortschatz besonders zu Tage tritt (vgl. 3.5.), wie überhaupt ein wesentlicher Teil des österreichischen Deutsch auf den Dialekten basiert und sich vor allem der sogenannte „Akzent" und Aussprachegewohnheiten (vgl. 3.1.) bis in die Standardsprache auswirken. Da Osterreich auf drei Seiten von nicht weniger als sechs Fremdsprachen umgeben ist (Italienisch, Alpenromanisch, Slowenisch, Ungarisch, Slowakisch, Tschechisch) und in der bis 1918 bestehenden Österreichisch-Ungarischen Monarchie noch weitere Fremdsprachen galten (Kroatisch, Serbisch, Polnisch, Ukrainisch, Rumänisch), kam es auch zu Entlehnungen aus diesen Nachbarsprachen (Wiesinger 1990b). Schließlich ist als dritte Quelle das allmählich zum heutigen Stand führende Territorialgebilde und seine Verwaltung mit dem Hauptsitz in Wien zu nennen, auf das die österreichische Amtssprache und ihre Terminologien zurückgeht. Bis um die Mitte des 18. Jh.s galt in Osterreich und Bayern die sich von der Kanzleisprache Kaiser Maximilians I. herleitende, bairisch geprägte oberdeutsche Schriftsprache, die im Rahmen der konfessionellen Gegensätze als „katholische" Form der „protestantischen", besonders auf Martin Luther zurückgehenden ostmitteldeutsch geprägten Form in Mittel- und Norddeutschland gegenüberstand (Wiesinger 1999b). Erst durch das Fortschrittsstreben der Aufklärung kam es um 1750, verbunden mit dem von Leipzig ausgehenden sprachkritischen Wirken Johann Christoph Gottscheds, zur Sprachreform und damit zur Übernahme der mitteldeutsch-norddeutschen Form, was schließlich zu einer allgemein gültigen Form der deutschen Schriftsprache im gesamten deutschsprachigen Raum führte (Wiesinger 1995; 1997). Dies hatte in Osterreich bis um die Mitte des 19. Jh.s besonders unter dem Einfluss der Normvorgaben im als verbindlich betrachteten „Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart" (1793 — 1801) von Johann Christoph Adelung zur Folge, dass die heimische Sprachtradition zugunsten einer einheitlichen Schriftsprache besonders von der Schule unterdrückt wurde. Erst mit der kleindeutschen Lösung der rivalisierenden Großmächte Osterreich und Preußen, die zur Gründung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1866/67 und zum Deutschen Reich 1871 führte, trat allmählich auch die sprachliche Verschiedenheit ins Bewusstsein und kam die zunächst negativ konnotierte Bezeichnung „österreichisches (Hoch)deutsch" auf (Lewi 1875). Zunehmend, besonders aber seit 1945 mit der Wiederherstellung der Souveränität Österreichs nach seiner vorübergehenden Zwangseingliederung in das nationalsozialistische Deutsche Reich, entwickelte sich, verbunden mit einem neuen nationalen Selbstbewusstsein, auch das österreichische Deutsch zu einer im Lande verbindlichen Varietät. In sprachsoziologischer Hinsicht gilt in Österreich ein breites Spektrum mündlicher Variation. Hinsichtlich der Alltagssprache bildet es den Substandard, denn die österreichisch geprägte Standardsprache wird in erster Linie in nur wenigen Situationen des öffentlichen Lebens wie Rundfunk, Fernsehen, Kirche und Schule als offizielle und halboffizielle Sprachform (und das mit phonostilistischen Abstufungen) gebraucht und bloß eine kleine Bildungsschicht spricht sie auch als Alltagssprache. Die mündliche Variation ist abhängig von der sozialen Stellung mit Bildung, Beruf, Verbalintensität und Mobilität, der Generationszugehörigkeit, dem Geschlecht und der Gesprächssituation. Auf Grund einer Umfrage (Steinegger 1998) bezeichnen sich 79% als Dialektsprecher und nennen 50% den Dialekt, 45%o die Umgangssprache und 5% das „Hochdeutsche" als ihre durchschnittliche Alltagssprache. In Dörfern liegen diese Durchschnittswerte bei 62:35:3%, während sich Großstädter mit 27:65:8%> geradezu umgekehrt verhalten. Unter soziologischem Aspekt nimmt der Dialekt von einer unteren über eine mittlere zu einer höheren Sozialschicht zugunsten der höheren Varietäten im Gesamtdurchschnitt von 76:23 :1%, 47:49:4% und 35:56:9% ab. Bei den einzelnen Gesprächssituationen lässt sich eine Dialektabnahme zugunsten der höheren Variäten mit zunehmendem Abstand zum Gesprächspartner beobachten, so dass sich ein deutliches Gefälle von Familie und Partnern über das kleine Geschäft zum täglichen Einkauf, die Kollegen am Arbeitsplatz, die 484 VII. Linguistische Gegenstände V: Sprachliche Varietäten des Deutschen Bank und das Kleidergeschäft bis zum Arzt, Vorgesetzten am Arbeitsplatz und dem städtischen Amt ergibt. Zunehmend aber lässt sich beobachten, dass auch in offiziellen und halb-offiziellen Situationen immer mehr die dialektale Färbung und der Dialekt selbst gebraucht werden und frühere, noch vor rund 30 Jahren geltende „hochdeutsch"-standard-sprachliche Konventionen mit zum Teil gesellschaftlichen Sanktionierungen fallen. Auch die Schule pendelt sich im Unterricht zunehmend auf Umgangssprache als mündliche Konversationsform ein. 3. Linguistik des österreichischen Deutsch Im Folgenden werden charakteristische Erscheinungen der deutschen Schrift- und Standardsprache in Osterreich auf allen sprachlichen Ebenen kurz beschrieben. 3.1. Zu Aussprache und Schreibung Einen wichtigen, mangels geeigneter Beschreibungsmethoden leider vernachlässigten suprasegmentalen Bereich bilden zunächst die sprechkonstitutiven Eigenschaften der Artikulationsbasis, der Lautbildung (Artikulation) und der Sprechmelodie (Intonation). Diese populär als „Färbung" oder „Akzent" bezeichneten Eigenschaften sind landschaftlich verschieden und schlagen vom Dialekt bis in den Standard durch. Nach den dialektalen Grundlagen gelten in Osterreich Varianten eines bairischen und in Vorarlberg mit dem Westtiroler Gebiet um Reutte eines alemannischen Typus. Dabei treten besonders die von Wien bestimmte ostösterreichisch-do-nauländische, die steiermärkisch-burgenlän-dische, die Kärntner und die Tiroler Sprechweise hervor. Zu den suprasegmentalen Eigenschaften gehört aber auch die Wortakzentuierung. Dabei tritt bei der jüngeren Generation gegenüber der tradierten Verhaltensweise insofern eine Änderung ein, als in unterschiedlichem Ausmaß mittel- und norddeutsch bestimmte Akzentuierungen aufgegriffen werden (Wiesinger 1999). Obwohl die österreichischen Akzentuierungen ursprünglich auch in Bayern und teilweise in Schwaben galten, sind sie dort ebenfalls zurückgegangen. Von Wörtern fremder Herkunft behaupten sich in Osterreich noch sehr gut mit Anfangs- bzw. Erstgliedakzentuierung 'Anis, 'Offset, 'Pankraz, 'Diakon, 'Kimono, 'Majoran, 'Marzipan, 'Nl 'negativ, 'Vatikan, 'Kilogramm, 'Kilowatt, 'Superintendent, 'bilateral und 'Pentagon sowohl für ,Fünfeck' als auch für ,amerikanisches Verteidigungsministerium'. Weniger gut erhalten sind 'Servaz, 'Camembert, 'Uniform, 'quantitativ, 'Caterpillar, Generalleutnant. Dagegen hat sich die deutsche Akzentuierung statt österreichischem Initialakzent schon mehrheitlich durchgesetzt in To'pas, To'kajer, Samo'war, Ob'oe, Philhar'monikerlphilhar-'monisch, A'loe oder Alo'e und in zweisilbigem Ko'pie statt dreisilbigem 'Kopi-e. Einen innerösterreichischen Ost-West-Gegensatz zeigen 'Dechant: De'chant und 'Labor : La'bor. Die traditionelle österreichische End- oder Zweitgliedbetonung ist sehr gut erhalten in Kaffee, Pla'tin, Kana'pee, Roma'dur, Telefon, weniger gut in Fleu'rop, Si'phon, Ta'bak, Pale'tot, Ro-ko'ko und sie schwindet stark zugunsten deutscher Anfangsbetonung in Amok, 'Mannequin, 'Pingpong, 'Sellerie, 'Prosit. Mittelsilbenbetonung hält sich sehr gut in Ka'tharsis, Kle'matis, Cha'risma, Am'moniak, Mathematik und geringer in Al'gebra und fünfsilbigem Zere'moni-e gegenüber viersilbigem Zere-mon'nie. In Komposita und Ableitungen deutscher Herkunft gilt Erstgliedakzent in 'Pfefferminze, 'Oberforstmeister, 'eigentümlich, 'nacheinander, 'insgeheim, und in deutsch empfundenem Attentat sowie in geringerem Umfang in 'Oberlandesgericht, 'Oberleutnant, Attentäter, 'gleichermaßen, 'überglücklich, 'allfällig, 'unablässig, ge'radeaus, 'miteinander, 'entweder. Die deutsche Zweitgliedbetonung hat sich bereits mehrheitlich durchgesetzt in Viertelstunde, hundert'tausend, aller'liebst, altjüngferlich, un'möglich und Kor'nelkirsehe. Als ostösterreichisch erweist sich der Fachausdruck des Fußballspiels Al ab'seit s mit -s-Erweiterung und Zweitgliedbetonung. Gut erhaltene österreichische Zweitgliedbetonung haben über'siedeln, ob'liegen! Obliegenheit, Ent'gelt. Dagegen hat sich gegen traditionelle österreichische Erstgliedbetonung nun deutsche Zweitgliedbetonung mehrheitlich durchgesetzt in offen'baren/Offen'barung und Ab'-teil. Durch Aufgabe des ursprünglich mit Osterreich gemeinsamen Verhaltens in Bayern sind heute zu Akzentuierungsaustriazismen mit allerdings bereits unterschiedlichem Rückgang aufgestiegen 'Kimono, Kana'pee, Roma'dur, Fleu'rop, Si'phon, Roko'ko, Mathe'matik, Al'gebra, Alab'seits, 'Kopi-e, 'Philharmonikerl 'philharmonisch, 'Oboe, Pro'sit, Seile'rie, Manne' quin. Uber die landschaftlich unterschiedlichen suprasegmentalen Unterschiede hinaus gibt 50. Das Deutsche in Österreich 485 es in Österreich auch segmentale phonetische Eigenschaften der Standardsprache. Hinsichtlich der Lautqualitäten klingt das österreichische Deutsch relativ weich durch geringe Intensität der Plosiv- und Frikativ-fortes, wobei (jfy und (f) vor Vokalen und im Auslaut im Gegensatz zum stets aspirierten (ky nur wenig oder gar nicht behaucht werden. Die Leneskonsonanten >, (d), > sowie /, (byi(py besonders im Donau-und Voralpenraum in stimmlose Halbfortes zusammen, so dass kein Unterschied mehr besteht zwischen du : tu, Dank: Tank, bak-ken : packen, Draht: trat, Blatt: platt, gebracht : Pracht. Während , vor Vokalen unterschieden sind, z. B. Garten : Karten, fallen auch sie vor Konsonanten zusammen, z. B. Greis : Kreis. Dagegen bleibt die Unterscheidung von Lenes und Fortes im Inlaut aufrecht; z. B. leiden : leiten, behagen : Haken, reisen : reißen. Die Endsilbe -ig wird nach der Schreibung mit Plosiv [g], realisiert, z. B. [bi-hg] ,billig', [haihg] ,heilig', [esig] ,Essig', [ko:nig] ,König'. In einer Reihe von Frem-wörtern wird anlautendes als Fortisplo-siv [k] gesprochen, so in China, Chemie, Chirurg, Charakter, Chameläon, Chaos, Charisma und in ihren Ableitungen. Das ist auch im Inlaut in Orchester, Melancholie der Fall. Ferner gilt in einer Reihe von Fremdwörtern im Anlaut vielfach [st], und [sp], so in Stil, Standard, Strategie, Struktur, Spezies, sporadisch. Präkonsonantisches r wird meist zum [d]-Schwa vokalisiert, z. B. in Schirm, Hirte, Hirse, erben, werfen, horchen, während r nach a schwindet, so dass BartIBad, warben! Waben, Sarg/sag, Narren/nahen lautgleich werden. Aus dem Vokalismus ist der relativ geringe Öffnungsgrad der kurzen Vokale — <«> — <«> und — <ö> — zu nennen. Geschriebenes langes <ä> etwa in Käse, nähen, spät, nämlich, Drähte, Universität wird außer in Vorarlberg meist als geschlossenes [e:] realisiert, was in wählen, erzählen durchwegs gilt. In Fremdwörtern aus dem Französischen wird entweder Nasalvokal beibehalten wie in [|a:s) ,Chance', [bü'lä:s] ,Balance' oder es wird Vokal + n artikuliert wie in [bal'ko:n] ,Balkon', [sa'lo:n] ,Salon'. Das un- betonte e in Bote, Nase, Tage, Gäste sowie in den Vorsilben be- und ge- wird nicht als Schwalaut [s], sondern als offenes [e] artikuliert. In der Endsilbe -en bleibt dieser Vokal nach den Nasalen m, n, ng erhalten, wie in kommen, nehmen, lehnen, kennen, fangen, singen. Dagegen wird der Vokal nach allen anderen Konsonanten synkopiert wie in leiden, leiten, Raben, tappen, legen, lecken, sinken, reisen, reißen, offen, Ofen, machen, riechen, fallen, Narren. In der Endsilbe -er tritt durch die r-Vokalisierung der [ü]-Schwa ein, so dass es [fa:tü] ,Vater', [li:bü] ,lieber' heißt. Hingegen wird die Vorsilbe er- stets [ed] ausgesprochen, was meist auch für die Vorsilben ver-, zer als [feü], [tseü], gilt, die aber auch zu [fü], [tsü] abgeschwächt werden können. In den Ableitungssilben -tum, -it, -ik, -iz hört man vielfach die Kürzen [tum], [it], [ik], [its] wie in Reichtum, Profit, Politik, Notiz. Wenige bisher abweichende Schreibungen auf Grund anderer Vokalquantität sind Kük-ken statt Küken, Geschoße statt Geschosse, Verliefe e) statt Verliesfe), Schleuße neben Schleuse. Reine abweichende Schreibgewohnheiten sind zusammengeschriebenes sodass und Moriz neben Moritz. 3.2 Zum Formengebrauch Vor allem Fremdwörter, doch auch einzelne Erbwörter zeigen Genusunterschiede. So heißt es in Osterreich gegenüber Deutschland meist der : das Gehalt, die : der Rodel, die : Imprima'tur : das Impri'matur. Schwanken herrscht in der : das Kiefer, der : das Pyjama, der : das Raster, der : das Embryo, der : das Aspik, das : der Virus, das : der Keks, das : die Brezel, das : die Labsal, das : die Vokabel. Gegenüber Deutschland gilt in Osterreich nur ein Genus in der (das) Gummi, der (das) Spagat, der (das) Terpentin, der (das) Katheder, das (der) Kataster, das (der) Zubehör, der (die) Quader, die (der) Spachtel. Joghurt zeigt alle drei Genera: in Vorarlberg mit Deutschland und der Schweiz der, sonst das, teilweise auch die. Genusunterschiede können auch Formunterschiede auslösen. So heißt es in Osterreich gegenüber Deutschland der Schranken : die Schranke, der Akt: die Akte, der Karren : die Karre, der Scherben : die Scherbe, die Zehe : der Zeh, das Offert: die Offerte. In der Pluralbildung wird häufig umgelautet, so in die Erlässe, Wägen, Kragen (Papier) bögen, Polster. In französischen Fremdwörtern gilt in Osterreich -j-Plural in die Parfüms : Parfüme, die Interieurs : Interieure, die Billiards : Billiarde und -en-Plural in 486 VII. Linguistische Gegenstände V: Sprachliche Varietäten des Deutschen die Saisonen : Saisons, die Fassonen : Fassons, die Cremen : Cremes. Umgangssprachliche -n-Plurale nach -/ in Neutra werden in Austrizis-men häufig auch geschrieben, so die Mädeln, Wursteln, (Brat) hendeln, Brezeln, Bröseln (Paniermehl), Schinakeln (kleine Boote). 3.3. Zur Wortbildung Die Diminutivbildung erfolgt dialektal und umgangssprachlich auf zweifache Weise, indem in Ost- und Südösterreich meist zum Ausdruck des Kleinen -(e)l und mit persönlich-emotionalem Bezug -erl verwendet wird. In Westösterreich lauten beide Formen in Oberkärnten und im größten Teil von Tirol -(e)l und -(e)le, und in Westtirol und im alemannischen Vorarlberg gibt es nur einheitliches -(e)le. So heißt es z. B. Kindel: Kinderl, Kettel: Ketterl bzw. Kindel: Kindle und in Westtirol nur Kindle und in Vorarlberg Kin-dele. Während schriftsprachlich meist -chen und bei Wörtern auf -ch- lein gilt, z. B. Nachtkästchen, Fläschchen, Tüchlein, zeigen Aus-triazismen und stark umgangssprachlich gebundene Wörter die /-Formen. Formale Di-minuierungen ohne semantischen Verkleinerungsbezug sind Würstel, (Salat) häuptel ,Sa-latkopf, Kipfel ,Hörnchen', Krügel, ,halber Liter Bier', Hendel ,Huhn', Brezel. Ihre echten Diminuierungen werden dann mit -erl bzw. -(e)le gebildet. Solche feste Austriazis-men sind dann Sackerl ,Tüte', Zuckerl,Bonbon', Weckerl ,weckenförmiges Gebäck', Salzstangerl ,längliches, mit Salz bestreutes Gebäck', Kipferl, Schwammerl ,Pilz', Stamperl ,Schnapsgläschen', Stockerl ,einfacher Hocker aus Holz', Marterl ,Bildstock', Pikkerl ,Aufkleber/Vignette'. In der Wortkomposition wird bei Maskulina und Neutra die Fügung im Genitiv sing, mit -s bevorzugt, so dass es Gesangsverein, Gelenksentzündung, Rindsbraten, Schweinsbraten heißt. Als bloßes Fugenzeichen wird es auch auf Feminina ausgedehnt wie Fabriksarbeiter, Personsbeschreibung, Aufnahmsprüfung. Ein historisches Genitiv-j zeigt auch das Adverb durchwegs. Eine besondere Verbalableitung ist jene auf -ieren, sodass es röntge-nisieren : röntgen, strichlieren : stricheln heißt. 3.4. Zur Syntax Unter wenigen typischen Eigenheiten ist hier der mündliche und zunehmend auch schriftliche oberdeutsche Gebrauch des Perfekts an Stelle des Imperfekts hervorzuheben, z. B. ich habe gezahlt, ich bin gegangen. Ferner gilt in ebenfalls oberdeutscher Weise bei einigen Zu- stands- und Bewegungsverben die Perfektbildung mit sein, z. B. ich bin gesessen/gelegen/ gestanden. Ferner erfolgt gegenüber Deutschland ein zum Teil abweichender oder zusätzlicher Gebrauch von Präpositionen, z. B. er kommt auf: zu Besuch, sie gehen auf: in Urlaub, er macht eine Prüfung aus: in Chemie, er hat auf: — den Geburtstag vergessen. Schließlich erfolgt in Nebensätzen mit mehrteiligem Prädikat aus haben und den Infinitiven eines Voll- und Modalverbs, die Abfolge Vollverb + haben + Modalverb, während in Deutschland haben die Spitzenstellung einnimmt, z. B. Eine Stimme, die ich ohne weiteres als eine allererste bezeichnen hätte können (Thomas Bernhard). 3.5. Zum Wortschatz Den auffälligsten Anteil am österreichischen Deutsch macht der Wortschatz aus. Dabei gibt es außer neutralen Austriazismen wie Fensterstock : Fensterleibung, Waschmuschel: Waschbecken, Sprossenkohl: Rosenkohl, Nudelwalker : Teigrolle, Kommerzialrat: Kommerzien-rat, Gebarungsjahr : Geschäftsjahr, Geld beheben : abheben, sich verkühlen : sich erkälten auch einen sprachsoziologisch gebundenen Wortschatz, der dann in Texten auch soziosti-listisch markiert ist. So gehören etwa der Umgangssprache an Watsche für Ohrfeige, hantig für barsch, picken für kleben und sind saloppe Ausdrücke Flasche für Ohrfeige, Haberer für Freund, hackein für arbeiten. Solche soziostilistischen Markierungen geben Ebner (1998) und zum Teil abweichend das „Osterreichische Wörterbuch" an. Obwohl alle Sachgebiete betreffend, gibt es ein unterschiedlich starkes Vorkommen des österreichischen Wortschatzes. Anhand einer charakteristischen Auswahl zählt Ammon (1995) folgende Verteilungen, die einen ungefähren Eindruck vermitteln können: 1. Speisen und Mahlzeiten: 101; 2. Verwaltung, Justiz, Gesundheitswesen, Schule und Militär: 91; 3. Geschäftsleben, Handwerk, Landwirtschaft und Verkehr: 85; 4. Haushalt und Kleidung: 55; 5. Menschliches Verhalten, Soziales, Charaktereigenschaften und Körperteile: 31; 6. Sport und Spiele: 19; 7. Sonstiges: 21; 8. Indeklina-bilia (Formwörter): 15. Hier ist auch darauf hinzuweisen, dass Osterreich 1994 im Rahmen der Aufnahmeverhandlungen in die Europäische Union 23 österreichische Lebensmittelbezeichnungen für den Warenverkehr mit Osterreich festschreiben ließ, u. a. Marille (Aprikose), Karfiol (Blumenkohl), Kren 50. Das Deutsche in Österreich 487 (Meerrettich), Weichsel (Sauerkirsche), Topfen (Quark) (De Cilia 1995). Nicht der gesamte zum österreichischen Deutsch zählende Wortschatz ist auf Osterreich beschränkt. Uber solchen hinaus gibt es sowohl räumliche Grenzüber- als auch Grenzunterschreitungen. Hinsichtlich seiner Stellung im Rahmen der deutschen Sprache lässt sich der österreichische Wortschatz nach seiner Verbreitung in fünf Bezeichnungs- und eine sechste Bedeutungsgruppe gliedern. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass heute durch Mobilität und Medienverbund einerseits Aus-triazismen passiv über Osterreich hinaus bekannt sind und umgekehrt Österreicher auch typische Ausdrücke aus Deutschland kennen, wie es überhaupt unterschiedliche Einflüsse aus Deutschland gibt (Wiesinger 1988b). Die fünf Bezeichnungsgruppen lassen sich in einen grenzüberschreitenden uneigentlichen österreichischen Wortschatz der Gruppen 1 und 2 und in einen gesamt- oder teilösterreichischen eigentlichen österreichischen Wortschatz der Gruppen 3 bis 5 einteilen, wobei ein Teil der Bezeichnungen von 4 und 5 wieder grenzüberschreitend vorkommt. 1. Oberdeutscher Wortschatz, der Osterreich mit Süddeutschland und der Schweiz gegen Mittel- und Norddeutschland verbindet, z. B. Bub : Junge, Ferse : Hacke, Rechen : Harke, Orange : Apfelsine, Knödel: Kloß, Samstag: Sonnabend, heuer: dieses Jahr, kehren : fegen. 2. Bairisch-österreichischer Wortschatz auf Grund der gemeinsamen Stammesgrundlage bzw. späterer Sprachbeziehungen in Osterreich und (Alt)Bayern, z. B. Maut: Zoll, Scherz(el) : Anschnitt des Brotes, Brösel: Paniermehl, Kren : Meerrettich, Kietze : Dörrbirne, Topfen : Quark, Kluppe : ( Wäsche) -klammer, Fleckerlteppich : Flickenteppich, (Tinten)patzen : (Tinten) klecks, pelze-n : Obstbäume mit Pfropfreisern veredeln. 3. Gesamtösterreichischer Wortschatz. Er umfasst einerseits eine Fülle politischer, verwaltungstechnischer, amtlicher und rechtlicher Termini, die in der staatlichen Souveränität begründet sind, z. B. Nationalrat: Bundestag, Parlament: Bundeshaus, Landeshauptmann : Ministerpräsident, Obmann : Vorsitzender (eines Vereins), Journaldienst: Bereitschaftsdienst, Kundmachung : Bekanntmachung, Ansuchen : Gesuch, Verlassenschaft: Nachlass, Erlagschein: Zahlkarte (bei der Post), Matura : Abitur. Andererseits hat sich, zum Teil erst in den letzten Jahrzehnten, von der Bundeshauptstadt Wien aus ein Verkehrswortschatz durchgesetzt, der allerdings nur zum Teil in Vorarlberg aufgegriffen wird und sich deutlich vom angrenzenden Bayern abhebt, z. B. Tischler : Schreiner (teilweise noch in Vorarlberg), Trafik: Tabakladen, Schultasche : Schulranzen, Jause : Brotzeit, Marille : Aprikose, Karfiol: Blumenkohl (ohne Vorarlberg), (Schlagjobers : (Schlagjsahne, sich verkühlen : sich (v) erkälten. 4. Ost- und westösterreichischer Wortschatz, der sich zwischen dem westlichen Oberösterreich, der östlichen Salzburger Landesgrenze und Oberkärnten über Salzburg bis ins Nordtiroler Unterland und der Osttirol-Kärntner Landesgrenze scheidet, wobei der Westen meist mit (Alt)Bayern konform geht. Selten liegt westliches Vordringen einer Neuerung vor wie bei Metzger : Fleischhauer (älter Fleischhacker) und Fas(tjnacht: Fasching, meist handelt es sich um östliche Neuerungen wie Rauchfang : Kamin, Bartwisch : Kehrwisch ,Handbesen', Stoppel: Stöpsel, Gelse: (Stech)mücke, drei Viertel (neun) : Viertel vor (neun). 5. Regionaler Wortschatz. Er begegnet für regional beschränkte Einrichtungen, Gegenstände und Vorgänge wie z. B. im ostösterreichischen Weinbaugebiet Weinbauer, Weinhauer für Winzer, Sturm für gärenden Traubensaft, Heuriger für frischgegorenen neuen Wein, Buschenschank oder Heuriger für dessen vorübergehend durch einen grünen Buschen (Bündel) von Zweigen) gekennzeichnete Schankstätte. Ebenso verfährt Vorarlberg, das seine Eigenheiten vielfach mit dem angrenzenden Allgäu und/oder der (Ost)-schweiz teilt, z. B. schaffen : arbeiten, Schreiner : Tischler, Lauch : Porree, Blumenkohl: Karfiol, Arve: Zirbe (Kiefernart), Kilbi: Kir(ch)tag (Kirchweihfest), Bestattnis : Begräbnis. 6. In Osterreich weist eine Reihe von Bezeichnungen eine eigene oder eine über die allgemeine deutsche Bedeutung hinausgehende Zusatzbedeutung auf, wobei die Verbreitungen den Gruppen 1—3 entsprechen, z. B. Sessel ,einfaches Sitzmöbel mit Lehne' (sonst Stuhl), Fauteuil,bequemes gepolstertes Sitzmöbel' (sonst Sessel), Pension ,Altersver-sorgung allgemein' (in Deutschland streng genommen nur für Beamte, sonst Rente); Bäckerei auch ,süßes Kleingebäck', Knopf auch ,Knoten', angreifen auch ,anfassen', gehören auch ,gebühren' (einem schlimmen Kind gehört eine Strafe), jemanden ausrichten ,über jemanden gegenüber dem Gesprächs- 488 VII. Linguistische Gegenstände V: Sprachliche Varietäten des Deutschen partner schlecht reden', Anstand haben ,durch Beanstandung Arger bekommen', spreizen auch ,fruchtschwere Aste von Obstbäumen mit Stangen abstützen'. 3.6. Zur Pragmatik Kaum untersucht sind die zum Teil auch gesellschaftlich unterschiedlichen Verwendungsweisen des gemeinsamen Wortschatzes wie überhaupt die Ausdrucksweise (Pragmatik), wobei die mündlichen Sprachvarietäten auch für die Schriftsprache bedeutsam sind. So geht man, wenn man krank ist, in Osterreich zum Doktor, in Deutschland zum Arzt. Hat sich in Osterreich jemand den Fuß gebrochen, fährt ihn die Rettung ins Spital, während man in Deutschland Bein, Krankenwagen, Krankenhaus sagt. Häufigen Sonderangeboten in Deutschland stehen in Osterreich verbilligte Waren in Aktion gegenüber. Wie teilweise auch noch in Süddeutschland ist es in Osterreich nicht üblich, beim Grüßen und bei der Anrede gegenüber Bekannten den Namen zu verwenden. Dagegen gehört es in Osterreich weiterhin zum guten Ton, Höhergestellte — und das auch in informellen Situationen — zu titulieren und vor allem den erworbenen (Berufs)titel des Ehemannes auf die Ehefrau zu übertragen. Unbekannte, höhergestellt wirkende Herren werden gerne als Herr Direktor oder Herr Doktor angeredet, unbekannte Damen weiterhin mit verkürztem gnä(dige) Frau. Dass sich Österreicher besonders gegenüber der meist kurz angebundenen norddeutschen Verhaltensweise liebenswürdig und wortreich, zum Teil sogar umständlich und wiederholend auszudrücken scheinen, ist auch ein pragmatischer Zug (Muhr 1993b). 4. Das österreichische Deutsch im Unterricht Deutsch als Fremdsprache Wie Deutschland und die Schweiz betreibt auch Osterreich im Ausland Deutschunterricht unter Zugrundelegung des österreichischen Deutsch sowie Unterricht in österreichischer Landeskunde und in österreichischer Literatur vor allem der Gegenwart. Dies geschieht besonders an den Österreich-Instituten und durch österreichische Lektoren an Universitäten, wo häufig auch Österreich-Bibliotheken eingerichtet sind (vgl. Art. 8; 142). Angesichts der plurizentrischen bzw. pluria-realen Gestaltung der deutschen Sprache ist es trotz des damit verbundenen Mehraufwands nicht länger angebracht, Deutsch als Einheitssprache zu lehren (vgl. die Beiträge in Krumm 1997). Dies kann in der Weise geschehen, dass als Orientierungspunkt für die zu vermittelnde Norm das nächstliegende geografische Land gewählt wird und ausgehend vom gemeinsamen sprachlichen Grundbestand allmählich und besonders ab der Mittelstufe die grammatischen, lexikalischsemantischen und die pragmatisch-alltagssprachlichen Varianten einbezogen und bewusst gemacht werden. Außerdem empfiehlt es sich, hinsichtlich der standardsprachlichen Aussprache auch das muttersprachliche Verhalten der Deutschlernenden einzubeziehen und den gemeinsamen Lautbestand zu nutzen, soweit es die tatsächlichen standardsprachlichen Gebrauchsweisen des Deutschen zulassen. So ist es nicht sinnvoll, z. B. von Italienern mit stimmlosen b, d, g, s und Zungenspitzen-r Stimmhaftigkeit und Zäpfchen-r zu verlangen. Auch in der Landeskunde ist es erforderlich, der Verschiedenheit der deutschsprachigen Länder Rechnung zu tragen. Die so erzielbare stärkere Realitätsnähe wird auch dazu beitragen, bei den Deutschlernenden den oft auftretenden Erfahrungsschock beim Besuch deutschsprachiger Länder zu mindern, der nicht zuletzt durch eine vielfach einseitige Unterrichtspraxis verursacht wird (vgl. Wiesinger 1998). 5. Literatur in Auswahl Amnion, Ulrich (1995): Die deutsche Sprache in Deutschland, Osterreich und der Schweiz. Das Problem der nationalen Varietäten. Berlin/New York. 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Und in einer Verfassungsänderung, die 1996 in einer Volksabstimmung gutgeheis-sen wurde, wird dieser ,Sprachenartikel' in Abschnitt 2 ergänzt mit dem Auftrag zur Förderung der Verständigung zwischen den Landesteilen: Art. 116/2: „Bund und Kantone fördern die Verständigung und den Austausch unter den Sprachgemeinschaften." Laut der letzten Volkszählung (1990) geben von den Einwohnern der Schweiz 4.374.694 / 63,6% (1980, 65,0%) Deutsch als Hauptsprache an, Französisch 1.321.695 / 19,2% (1980, 18,4%), Italienisch 524.116. / 7,6% (1980, 9,8%), Rätoromanisch 39.632 / 0,6% (1980, 0,8%) und eine andere Sprache, also eine Nicht-Landessprache 613.550 / 8,9%o (1980, 6,0%) (vgl. zu den Sprachen Verhältnissen in der gesamten Schweiz: Bickel/Schläpfer (Hg.) 1994, 25ff.; Camartin 1982, 303 ff.; Dür- müller 1996, 9 ff. — Kurze historische Überblicke sind greifbar mit: Haas 1982, 71 ff.; 1992, 312ff.; Sonderegger 1991, 13ff.). In der deutschen Schweiz wird deutsch gesprochen und geschrieben; wer jedoch die Deutschschweiz von Besuchen her kennt, weiss, dass längst nicht alles, was gesprochen wird, für deutsche Ohren verständlich klingt — und auch beim Lesen fallen Eigenheiten auf. Trotzdem ist Deutsch, wie es in der Schweiz geschrieben wird, für den gesamten deutschsprachigen Raum verständlich. Das belegt nicht zuletzt die reiche Literatur aus der Deutschschweiz (vgl. dazu für die neuere Zeit die „Geschichte der deutschsprachigen Schweizer Literatur im 20. Jh." (1991), wo die literarische Situation mit einem „Blick aus der Fremde" (S. 9) umfassend dargestellt wird). Die Deutschschweiz gehört zum deutschsprachigen Kulturraum und hält neben wirtschaftlichen auch enge kulturelle Kontakte zu den anderen deutschsprachigen Ländern, vor allem zur Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem unterscheidet sich die Sprachsituation markant von derjenigen der anderen deutschsprachigen Gebiete: „Wir sind zweisprachig innerhalb der eigenen Sprache" formuliert ebenso kurz wie treffend der Deutschschweizer Schriftsteller Hugo Loetscher (Loet-scher 1986, 28). Diese Situation der ,inneren Zweisprachigkeit' zeigt neben allgemeinen Charakteristika (vgl. 2. und 3.) auch spezifische Merkmale und Probleme (4.), denen sich