Zeitungstheater Ziel des Zeitungstheaters (Boal) ist es, “die sogenannte ‘Objektivität’ des Journalismus zu decouvrieren”, richtig bzw. anders lesen zu lernen und zu lehren. “Das Zeitungstheater stellt die Realität der Fakten wieder her, indem es die einzelne Meldung aus dem Zeitungskontext herauslöst, sie ohne verzerrende Vermittlung vor den Zuschauer stellt” (Boal 1989: 29). Im Zeitungstheater werden Zeitungsmeldungen gegen den Strich, zwischen den Zeilen gelesen und werden szenisch dargestellt (vgl. ebd.: 30ff). Der Unterschied zur “lebenden Zeitung” Morenos ist die politische Intention, kritikfähig und damit mündig zu werden39. Dies wird durch Verfremdungstechniken (z.B. rhythmische Untermalung eines Chores), also Distanzierung unterstützt, während Morenos Techniken auf Einfühlung und Identifikation abzielen. Feldhendler verbindet im Fremdsprachenunterricht beide Theaterformen im “lebenden Zeitungstheater” Playbacktheater “Jeder von uns hat eine Lebensgeschichte, eine Art innerer Erzählung, deren Gehalt und Kontinuität unser Leben ist. Man könnte sagen, daß jeder von uns eine ‘Geschichte’ konstruiert und lebt. Diese Geschichte sind wir selbst, sie ist unsere Identität.[...] Biologisch und physisch unterscheiden wir uns voneinander - historisch jedoch, als gelebte Erzählung, ist jeder von uns einzigartig” (Sacks 1994: 154). Im Playbacktheater (Fox40) werden Geschichten von Menschen szenisch umgesetzt. Diesem Theater liegt als Grundmotivation zugrunde, daß das Leben voller Geschichten ist, die erzählt werden wollen und daß Geschichten dem Leben einen Sinn geben. Das Bedürfnis nach Geschichten und dem Geschichtenerzählen verbindet Menschen und ist kulturübergreifende Tradition (vgl. Salas 1998: 29ff). “Jede Geschichte aus dem Leben kann im Playback-Theater erzählt werden, ob sie prosaisch, metaphysisch, heiter oder tragisch ist - manche Geschichten können dies alles gleichzeitig sein. Es funktioniert, ganz gleich, über welches Können die Schauspieler verfügen. Notwendig sind vor allem Respekt vor dem anderen, Einfühlungsvermögen und Freude am Spiel” (Salas 1998: 19). Im Playbacktheater kommen Menschen aus dem Publikum auf die Bühne und erzählen eine Geschichte aus ihrem Leben. Dies kann auch eine kurze alltägliche Begebenheit sein. Die Schauspieler/innen setzen diese Geschichte aus dem Stegreif in Szene (eine Art geführte Improvisation). Danach wird der Erzähler gefragt, ob er einverstanden ist mit der dargestellten Umsetzung. Die Geschichte wird ein zweites Mal gespielt, wenn er dies nicht ist. Für die Art der Umsetzung können alle bekannten Theatertechniken genutzt werden z.B. auch fließende Skulptur41, Commedia dell´ arte, Marionettenspiel. 39 politisch-revolutionärer Grundgedanke und Anspruch Brechts, den er u.a. in Lehrstücken und dem epischen Theater praktisch umsetzte (vgl. Paradies/Greving 1995) 40 Ein Schüler Morenos, der eine eigene Theaterform entwickelte und damit in vielen Teilen der Welt unterwegs war. Seine Vorbilder liegen in den Werten und der Ästhetik uralter Erzähltraditionen, im alternativen Theater und in den wichtigen und befreienden Ritualfunktionen des Geschichtenerzählens in Dörfern des ländlichen Nepal, wo er einige Zeit seines Lebens verbrachte (Salas 1998: 21ff). 41 dynamisiertes Standbild Kap. 6.1 Rollen spielen... 102 Playbacktheater ist eine Theaterform, die sich gut in den Fremdsprachenunterricht integrieren läßt. Sie ermöglicht, daß TN Episoden aus ihrem Alltag bzw. Geschichten aus ihrem Leben in Szene setzen (lassen). Insbesondere in interkulturell zusammengesetzten Kursen gibt es einen reichen Schatz an Geschichten. Eine andere Variante ist, daß die Geschichte nicht vorher ganz erzählt wird, sondern gemeinsam mit den Darsteller/innen entsteht (z.B. mit dem Spiel “und was jetzt?” im Anhang 11.2.2 Nr.21).