PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung 18. 4. 2015 NJ_G200 Morfologie němčiny 1 Einführung: das Verb Finite und infinite Verbformen 1. Definition der Wortart Verb Wortarten lassen sich nach verschiedenen Kriterien (Bedeutung, Syntax, Morphologie) definieren. Für die Morphologie ist verständlicherweise die morphologische Definition maßgeblich, d. h. eine Definition, die sich auf die Form der zu definierenden Wortformen bezieht: Verben sind Lexeme, die konjugiert werden (z. B. Heringer 2009, 65). 2. Grammatische Kategorien des deutschen Verbs Um die Definition sinnvoll anwenden zu können, muss man jetzt aber genauer angeben, was „konjugiert“ bedeuten soll. Konjugation ist ein Spezialfall von Flexion, d. h. von Formveränderung. Die Lexeme im Deutschen können in unterschiedlichen Formen erscheinen (sie werden „flektiert“, d. h. ändern je nach Kontext ihre Form). Bei der Flexion unterscheidet man Deklination und Konjugation. Der Unterschied zwischen Deklination und Konjugation besteht darin, welche grammatischen Kategorien die flektierte Wortform ausdrückt. Bei der Konjugation sind dies folgende Kategorien: Kategorie Wert Beispiel 1 Person 1.–3. Ps. schreibst: 2. Ps. 2 Numerus Singular, Plural schreibst: Singular 3 Tempus 6 Tempora schriebst: Präteritum 4 Modus Indikativ, Konjunktiv, Imperativ1 schriebest: Konjunktiv 5 Genus verbi Aktiv, Vorgangspassiv, Zustandspassiv2 Tab. 1: Traditionelle Kategorien der konjugierten Wortform (hier nach Helbig/Buscha 1998, 34) Die oben angeführten Kategorien gelten als verbale Kategorien: Wenn man an einer Wortform diese Kategorien erkennen kann, dann ist die Wortform konjugiert und das zugehörige Lexem daher ein Verb. 1 Der Imperativ wird von manchen Autoren (z. B. Helbig/Buscha) als Merkmal innerhalb der Kategorie Modus betrachtet, von anderen (Eisenberg) dagegen nicht. 2 Der Status des „Zustandspassiv“ als eigenständige Kategorie ist umstritten; mit einem „Zustandspassiv“ rechnen v. a. Helbig/Buscha. Es kann allgemein als fraglich gelten, ob die Kategorie „Genus verbi“ eine morphologische Kategorie des deutschen Verbs ist, auch wenn sie traditionell (nach lateinischem Vorbild) als solche betrachtet wird. Es gibt nämlich keine morphologische Form dafür. PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung 18. 4. 2015 NJ_G200 Morfologie němčiny 2 3. Finite und infinite Verbformen Die Definition der Wortart „Verb“ über Konjugation bzw. die dadurch ausgedrückten grammatischen Kategorien bringt aber ein Problem mit sich. Betrachten wir dazu die unterstrichenen Wortformen in den Beispielsätzen: (1) Ich schreibe dir eine Mail. (2) Ich habe dir eine Mail geschrieben. (3) Ich habe keine Lust, eine Mail zu schreiben. (4) Die geschriebenen Mails finden Sie im Ordner „Ausgang“. Die Wortform schreibe in (1) ist unproblematisch: Sie drückt alle verbalen Kategorien in der Tabelle aus und ist daher zweifellos eine verbale Wortform. Die Wortformen geschrieben und (zu) schreiben in (2) und (3) sind dagegen problematisch: Offenbar drücken sie keine oder zumindest nicht alle verbalen Kategorien aus. An der Form geschrieben in (2) kann man z. B. keine Person erkennen (eventuell könnte man argumentieren, dass die Form die Tempus-Kategorien ausdrückt, obwohl sich bei einer solchen Analyse weitere Probleme ergeben). Die Form schreiben in (3) drückt weder Person noch Numerus, Tempus oder Modus aus (eventuell könnte man argumentieren, dass sich das „genus verbi“ erkennen lässt, obwohl auch das problematisch ist). Nach der Definition dürfte es sich daher eigentlich nicht um verbale Wortformen handeln. Eine Analyse, die die Wortformen in (2) und (3) nicht als verbale Wortformen betrachtet, gerät aber in Konflikt mit der Vorstellung, dass geschrieben und schreiben zum selben Lexem gehören wie schreibe, nämlich zum Lexem SCHREIBEN. Man ist daher gezwungen, einen neuen Begriff einzuführen, der es erlaubt, auch die Formen in (2) und (3) als Verbformen zu betrachten. Dieser Begriff ist der Begriff „Finitheit“. Definition: Verbformen lassen sich nach finiten und infiniten Verbformen unterscheiden. Infinite Verbformen sind Formen von Verben, die nicht alle grammatischen Kategorien des Verbs ausdrücken. Verbale Wortformen finite infinite schreibst (zu) schreiben schrieb geschrieben schreibt schreibend … Exkurs: Präzisierung des Begriffes „Finitheit“ An dieser Stelle stellt sich die Frage, welche grammatischen Kategorien eine verbale Wortform zu einer finiten Form machen. Müssen alle verbalen Kategorien ausgedrückt werden? Oder genügen nur einige, und wenn ja: welche? Auf diese Fragen geben die Grammatiken verschiedene Antworten:  Mindestens eine Kategorie Glück (1993, 187): Eine Wortform ist finit, wenn mindestens eine verbale Kategorie ausgedrückt wird. PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung 18. 4. 2015 NJ_G200 Morfologie němčiny 3 Problem: Wenn man das „genus verbi“ als grammatische Kategorie anerkennt, dann müssten die Partizipien in (5) als finite Formen als finite Formen bezeichnet werden, weil (a) eine passive, (b) eine aktive Bedeutung hat. (5) a. das gelesene Buch / b. der lesende Student  Alle Kategorien Helbig/Busche (1998, 34 f.) definieren „finite Verbformen“ wie folgt: „Im Unterschied zu den infiniten Verbformen sind die finiten Verbformen personengebunden und konjugiert. […] Die infiniten Verbformen sind nicht personengebunden und nicht konjugiert.“ Damit behaupten sie implizit, dass finite Formen alle Kategorien ausdrücken müssen. Problem: Betrachten wir die Verbform hat in (2). Drückt hat die Kategorie „Tempus“ aus? Wenn ja: Welches Tempus wird ausgedrückt? Präsens offenbar nicht, da (2) kein gegenwärtiges Ereignis bezeichnet. Perfekt aber auch nicht, da dieselbe Wortform in (6) einen gegenwärtigen Zustand ausdrückt und daher keine Perfektform sein kann. (6) Peter hat ein Buch. Wenn nicht: Laut der Def. von Helbig/Buscha wäre habe in (2) keine finite Form, was der Analyse des Perfekts als zusammengesetztes Tempus (finite Form + infinite Form) widerspricht.  Person und Numerus Daher ist es vermutlich am besten, sich auf den ältesten Standpunkt zu stellen, der zu dieser Frage vertreten wurde: Person und Numerus sind die Finitheitskategorien. Eine Wortform, die weder Person noch Numerus ausdrückt, ist eine infinite Wortform, vgl. Blatz (1900) und später z. B. Eisenberg (1989, 109) oder Janakiev (2010). „Bei der Konjugation sind zu unterscheiden; (a) die finiten (bestimmten) Verbalformen, die eine Aussage enthalten, und darum Person und Numerus bezeichnen […], (b) die infiniten (unbestimmten) Verbalformen, welche keine Aussage bewirken können, weil sie Person und Numerus nicht bezeichnen […]“ (Blatz 1900, 441, § 194) 4. Infinite Formen des Verbs Traditionell nimmt man für das Deutsche drei infinite Formen an: Infinitiv: schreiben Partizip I: schreibend Partizip II: geschrieben Das Partizip I wird von manchen Linguisten (z. B. Eisenberg 1998) nicht als verbale Wortform betrachtet, sondern als Adjektiv, das von einem Verb abgeleitet ist. 4.1. Der Infinitiv Form Obligatorisches Kennzeichen: Nasaler Auslaut (in der Schrift immer als -n wiedergegeben). Das -n repräsentiert dabei verschiedene Nasale, die bei der phonetischen Realisierung erscheinen (vgl. Neef 1996, 130): hoffen [hof.fm], tragen, [tragŋ] PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung 18. 4. 2015 NJ_G200 Morfologie němčiny 4  Im Schriftbild erscheint -en: arbeiten, schlagen, kommen;  Abweichung: nur -n bei Auslaut auf -er oder -el: rudern, vergrößern, feiern; faseln, kegeln, schaufeln, trommeln (nicht bei anderem Vokal vor l/r: hören [hø:.an], malen [ma:ln]) und bei den beiden Verben sein und tun. Syntax a) Infinitiv mit und ohne zu; b) Infinitiv von haben/sein + Partizip: „Infinitiv Perfekt“ (gelesen haben; gekommen sein); c) Infinitiv von werden + Partizip: „Infinitiv Passiv“ (gelesen werden) d) Finite Formen von werden + Infinitiv: „Futur“ (Es wird regnen) und „Konditional“ (Das würde ich nicht tun) Die Kombinationen des Infinitivs mit anderen Verbformen werden in vielen Grammatiken (z. B. Helbig/Buscha 1998; Thieroff/Vogel 2008) als komplexe Verbformen aufgefasst. Daraus ergibt sich dann, dass es im Deutschen nicht nur einen Infinitiv, sondern mindestens vier Infinitive gibt. reiner Infinitiv (ohne zu) Präsens Perfekt Aktiv tragen getragen haben Passiv getragen werden getragen worden sein Tab. 2: Vier Infinitive des Deutschen (Thieroff/Vogel 2008, 10) Ob diese Lösung wirklich überzeugend ist, lassen wir hier offen. Geht man streng von der morphologischen Wortform aus, wird man vermutlich eher nur mit einem Infinitiv rechnen, der sich syntaktisch mit bestimmten anderen Verbformen kombinieren lässt. Anmerkung: Auf jeden Fall ist die Bezeichnung „Infinitiv Präsens“ ungünstig, weil man sonst Präsens innerhalb der Futurformen (Es wird regnen) und unter Modalverben im Präteritum (Sie wollte nicht kommen) bekommt. In vielen Grammatiken (z. B. Helbig/Buscha 1998) werden die Infinitive daher einfach nummeriert: Infinitiv I (tragen) und Infinitiv II (getragen haben). 4.2. Das Partizip I Form Gebildet wird das Partizip I durch Anfügen des Suffixes -(e)nd an den Stamm (bzw. von -d an den Infinitiv): Stamm + (e)nd lach + end hoff + end feier + nd Zur Syntax, vgl. den Abschnitt zum Partizip II. PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung 18. 4. 2015 NJ_G200 Morfologie němčiny 5 4.3. Das Partizip II Form Gebildet wird das Partizip II durch Anfügen des Suffixes -n oder -t an den Stamm und gegebenenfalls durch zusätzliche Präfigierung von ge-. Das Suffix -n kommt bei den sog. „starken Verben“ vor. Häufig ändert sich im Vergleich zum Infinitiv der Stammvokal (Ablaut). Das Suffix -t kommt bei den sog. „schwachen“ und „gemischten“ Verben vor. Der Stammvokal ändert sich entweder nicht („schwache Verben“) oder erscheint als a („gemischte Verben“ mit sog. Rückumlaut). Stamm + -(e)t Stamm + -en ge-lach-t ge-feier-t ge-klingel-t ge-stell-t ge-fast-et ge-dach-t ge-gang-en ge-fund-en ge-fror-en ge-lieh-en ge-mahl-en Die Präfigierung mit ge- hat nichts mit den morphologischen Verbklassen („stark“, „schwach“ etc.) zu tun, sondern ist abhängig von der Betonung: Das Präfix tritt nur an eine betonte Silbe (Kiparsky 1966), daher: *gebetont, *getelefoniert, *gepalavert, *geposaunt × betont, telefoniert, palavert, posaunt; Syntax Das Partizip II kommt in Kombination mit den Hilfsverben haben, sein und werden vor. Die entsprechenden Konstruktionen werden in den meisten Grammatiken des Deutschen als analytische oder periphrastische („umschreibende“) Verbformen betrachtet: Perfekt, Plusquamperfekt, Futur und die verschiedenen Passiv-Formen. Beide Partizipien kommen in der syntaktischen Position von Adjektiven innerhalb der Nominalgruppe (im Attribut) vor. Welchen Einfluss die Wahl von Partizip I oder Partizip II auf die Interpretation der Konstruktion hat, hängt von der semantischen Klasse der Verben ab, von denen die Partizipien abgeleitet sind. Die Verhältnisse zeigt folgende Tabelle: Verben, die in Passiv-Konstruktionen vorkommen können (Handlungsverben) Verben, die nicht in PassivKonstruktionen vorkommen können (Vorgangsverben und Bewegungsverben) Aktiv Passiv „Präsens“ (Gleichzeitig- keit) „Perfekt“ (Vorzeitigkeit) Partizip I der lesende Student die fallenden Blätter Präsens Aktiv Partizip II das gelesene Buch die gefallenen Blätter Perfekt Passiv Tab. 3: Partizipien in attributiver Stellung PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung 18. 4. 2015 NJ_G200 Morfologie němčiny 6 Die Tabelle zeigt, warum das Partizip I traditionell als Partizip Präsens Aktiv und das Partizip II als Partizip Perfekt Passiv bezeichnet wird. Welche der beiden Merkmale jeweils realisiert wird, hängt vom Kontext, nämlich von der semantischen Verbklasse ab. Da keines der Merkmale in allen Kontexten realisiert wird (Sie hat es gelesen ist z. B. nicht passiv, sondern aktiv, die fallenden Blätter ist weder aktiv noch passiv) werden heute meistens die neutralen Begriffe Partizip I und II verwendet. 5. Finite Formen des Verbs Wenn man die periphrastischen Formen (Perfekt, Plusquamperfekt, Futur und die verschiedenen Passiv-Formen) vernachlässigt, verfügt das deutsche Verb nur über zwei finite Formenreihen: - die Formen des Präsens, - die Formen des Präteritums (Imperfekts). (Dazu kommen dann noch entsprechende Formen für den Konjunktiv, vgl. Vorlesung 12) Präsens Präteritum Singular Plural Singular Plural 1. Person ich sage wir sagen ich sagte wir sagten 2. Person du sagst ihr sagt du sagtest ihr sagtet 3. Person er sagt sie sagen er sagte sie sagten Tab. 4: sagen im Präsens und Präteritum Helbig/Buscha (1998, 26 f.; 36) analysieren diese Formen wie folgt: sag-e sag-en sag-te-Ø sag-te-n sag-st sag-t sag-te-st sag-te-t sag-t sag-en sag-te-Ø sag-te-n Wir erhalten also folgende Personalendungen und das Präteritum-Suffix -tePräsens Präteritum: -teSingular Plural Singular Plural 1. Person -e -en -Ø -n 2. Person -st -t -st -t 3. Person -t -en -Ø -n Tab. 5: Verbale Endungen (ohne Präteritumssuffix) 5.1. Präsensformen In vielen der Formen kommen an verschiedenen Stellen Schwa-Vokale (ǝ) vor: in der Endung (z. B. -en, -est wie in redest) oder bei manchen Verben im Stamm (segeln). Hier stellt sich die Frage, ob das Schwa ein fester Bestandteil der (morphologischen) Wortform ist oder ob es ein phonologisches Hilfselement ist, das bei einer morphologischen Analyse vernachlässigt werden kann. Eine radikal an der (phonetischen oder graphischen) Oberflächenstruktur orientierte Lösung vertritt Darski (1999). Darski rechnet das Schwa in jedem Fall als phonologischen Bestandteil der morphologischen Form. Diese Lösung hat den Nachteil, dass sie äußerst unökonomisch PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung 18. 4. 2015 NJ_G200 Morfologie němčiny 7 ist: Durch die Berücksichtigung aller möglichen Varianten kommt Darski auf über 50 (!) verschiedene Verbklassen. Ökonomischer ist es, das Schwa als phonologisches Hilfselement zu betrachten. In vielen Fällen hängt sein Erscheinen vom phonologischen (und nicht vom morphologischen) Kontext ab. Zum Beispiel fehlt ǝ immer vor -n (Infinitiv; 1/2Pl.), wenn die auslautende Silbe des Wortstammes (-el, -er) ein Schwa enthält (Details z. B. bei Helbig/Buscha 1998, 27): (7) wir rudern; wir handeln, wir paddeln × wir reden, wir raten, wir atmen In der 1Sg. kann ǝ aus der Stammsilbe ausfallen;3 der Grund ist offenbar, dass ǝ als Personalendung folgt: (8) ich handle/handele, ich klingle/klingele, ich wackle/wackele (9) ich rudere, ich bewundere Man kann aber nicht jede ǝ-Alternation als phonologisch bedingt beschreiben. Zum Beispiel wird ǝ eingeschoben, wenn Stamm und Suffix auf einen Dental aus- bzw. anlauten: (10) red-: du redest × *du redst (Standarddeutsch)4 arbeit-: er arbeitet × *er arbeit bad-: ihr badet × *ihr badt Dieser Einschub richtet sich also scheinbar nach dem phonologischen Kontext. Der ǝEinschub unterbleibt aber immer dann, wenn sich gleichzeitig mit der Suffigierung der Stammvokal ändert (vgl. Helbig/Buscha 1999, 36; Neef 1996, 161). (11) er rät ×ihr ratet er brät × ihr bratet er tritt × ihr tretet sie lädt ein × ihr ladet ein Die Veränderung im Stammvokal ist aber morphologisch (Numerus/Person) bedingt: Hier entscheidet also der morphologische Kontext über das Erscheinen von ǝ und ǝ kann hier daher nicht als phonologisches Hilfselement betrachtet werden. Lösungsvorschlag: Morphologische Wohlgeformtheitsbedingungen, die die geforderte phonologische Form festlegen („Wortdesign“, z. B. Neef 1996). Beispiel: Wohlgeformtheitsbedingung für die 3Sg (Neef 1996, 164): „Die Wortform [3Sg.] muss sich in ihrer phonologischen Struktur von der phonologisch bedingten Realisierung der relevanten Basis unterscheiden.“ 3 Helbig/Buscha (1999, 27) schreiben bei -el den Ausfall von ǝ aus der Stammsilbe vor; der Duden (1996) lässt in der Orthographie beide Formen zu. Bei -er wird ǝ nach beiden Quellen beibehalten. Formen wie ich rudre gelten als umgangssprachlich. In der Praxis (zumindest im süddeutschen Sprachraum) dürfte die phonetische Realisierung ganz anders sein: Nicht das ǝ in der Stammsilbe, sondern das ǝ in der Endung fehlt (ich handl, ich ruder). 4 Im süddeutschen Sprachraum sind Forme ohne Schwa gängig. PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung 18. 4. 2015 NJ_G200 Morfologie němčiny 8 Erklärung: 3Sg. darf nicht wie der Stamm aussehen (red- = *er redt/ihr redt; bad- = *sie badt/ihr badt; rett- = *er rettt/ihr rettt); bei Vokalwechsel ist der Unterschied auch ohne ǝ sichtbar. 5.2. Präteritumsformen Die Formen der regelmäßigen („schwachen“ und „gemischten“) Verben werden durch Anfügen des Suffixes -te- an den Verbstamm gebildet (→ Präteritumsstamm). An den Stamm des Präteritums werden die Personal- und Numerussuffixe angefügt. Die Formen der unregelmäßigen („starken“) Verben werden durch Veränderung des Stammvokals gebildet. Sie erhalten kein Suffix -te-. (Den starken Verben mit Vokalveränderung ist die nächste Vorlesung gewidmet.) Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob man das e nach dem Dental im Präteritum der schwachen und gemischten Verben zum Präteritalsuffix oder zur Personalendung rechnen sollte: (12) a. Er sag-t-e b. Er sag-te-Ø Eisenberg (2006) präferiert Lösung (12a), Darski (1999) und Helbig/Buscha (1998) Lösung (12b). Die zweite Lösung hat den Vorteil, dass für schwache und starke Verben (bis auf das Schwa vor -n) dieselben Endungen angenommen werden können: sagen gehen Endungen Singular Plural Singular Plural Singular Plural 1. Ps. ich sag-te-Ø wir sag-te-n ich ging-Ø wir ging-en -Ø -(e)n 2. Ps. du sag-te-st ihr sag-te-t du ging-st ihr ging-t -st -t 3. Ps. er sag-te-Ø sie sag-te-n er ging-Ø sie ging-en -Ø -(e)n Tab. 6: Personal-/Numerusendungen im Präteritum Zitierte Literatur: Blatz, Friedrich (1900): Neuhochdeutsche Grammatik mit Berücksichtigung der historischen Entwicklung der deutschen Sprache. Bd. 1: Einleitung. Lautlehre. Wortlehre. 3. Aufl. Karlsruhe: Peter Lang. http://openlibrary.org/books/OL6933041M/Neuhochdeutsche_Grammatik Darski, Józef (1999): Bildung der Verbformen im Standarddeutschen. Tübingen: Stauffenburg. Duden (1996): Duden Band 1: Rechtschreibung der deutschen Sprache. 21. Aufl. Hrsg. von Werner Scholze-Stubenrecht, Matthias Wermke und Günther Drosdowski. Mannheim: Bibl. Institut/Brockhaus. Eisenberg, Peter (1989): Grundriss der deutschen Grammatik. 2. Aufl. Stuttgart: Metzler. Eisenberg, Peter (1998): Grundriss der deutschen Grammatik. Bd. 2: Das Wort. Stuttgart: Metzler. Eisenberg, Peter (2006): Grundriss der deutschen Grammatik. Bd. 1: Das Wort. 3. Aufl. Stuttgart: Metzler. Glück, H. (1993): Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart: Metzler. Helbig, Gerhard/Buscha, Joachim (1998): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 17. Aufl. Leipzig, Berlin etc.: Langescheidt/Enzyklopädie. Heringer, Hans Jürgen (2009): Morphologie. Paderborn: Wilhelm Fink UTB. Janakiev, Angrit (2010): Ausgewählte Probleme der Flexion der Wortkategorie Verb in der DaFLehrerausbildung, in: Brünner Hefte zu Deutsch als Fremdsprache, 3, 2010 (2), 181–195. Kiparsky, Paul (1966): Über den deutschen Akzent, in: Studia grammatica VII, 69–98. Neef, Martin (1996): Wortdesign. Eine deklarative Analyse der deutschen Verbflexion. Tübingen: Stauffenburg. Thieroff, Rolf/Vogel, Petra (2008): Flexion. Heidelberg: Winter.