Teil I Entwurf eines lerner- und progressionsorientierten Trainings von Lerntechniken und Lernstrategien Zwischen llieoric und Praxis Lerntechniken und Lernstrategien im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis Das Lernen des Lernens ist heute in aller Munde. Lehrwerk- und Lehrplanautorinnen und -autoren, Lehreraus- und -fortbildner/innen sowie Lehrkräfte interessieren sieh genauso stark für Lernstrategien und Lerntechniken wie die Lernenden selber. Selbstgesteuertes und selbstverantwortetes Lernen wird gefordert; Lerntechniken und Lernstrategien werden in diesem Kontext thematisiert und die Lernenden werden als die „Subjekte" ihres Lernens verstanden, die — im Idealfall — autonom, auch über die Grenzen von Unterricht und Schule hinaus, ihr eigenes Lernen konstruieren, indem sie es planen, steuern und kontrollieren. Dabei zeigt sich, dass bei allen ein hoher Bedarf sowohl an Informationen, Ubersichten und Systematiken zu Lerntechniken als auch an praktischen Umsctzungs-bzw. Anwendungsvorschlägen besteht. Aber erst einige Lehrwerke bieten dies derzeit systematisch an. Daher werden Orientierungen benötigt, um das prozedurale Lernen der Lernenden gezielt zu entwickeln. Die inzwischen zahlreich vorliegenden Listen von Lernstrategien, die in derein-schlägigen Fachliteratur nachzulesen sind, reichen dazu nicht aus. Auch ausgefeilte Kategorisierungen von Lerntechniken und Lernstrategien bieten hierfür lediglich eine Grundlage. Der Ruf nach einer strukturierten Sammlung von Aufgaben, nach einer „Übungstypologie" für die Vermittlung von Lerntechniken ist daher schon seit geraumer Zeit laut geworden (Tönshoff 1992, S. 308). Die aktuelle Fachdiskussion, die nicht ausschließlich auf neuen Erkenntnissen beruht, sondern eher durch reformpädagogische Gedanken und in der Fachdidaktik des Fremdsprachenunterrichts insbesondere durch Disziplinen wie Psycholinguistik, Fremdsprachenerwerbsforschung, Sprachlehrforschung etc. initiiert wurde, stellt die Lernenden in den Mittelpunkt. Sie sind es, die letztlich für ihr Lernen entscheidend sind. Lehrerinnen und Lehrern kommt dabei vor allem eine unterstützende Funktion zu, in der sie informieren, beraten, fördern — sofern es von den Lernenden zugelassen bzw. gewünscht wird. Denn jede/r Lernende hat subjektive Handlungsgründe, sich auf eine ganz individuelle Weise auf Lernprozesse einzulassen. Diese können von außen kaum determiniert werden. Es ist vielmehr das persönliche Lebensinteresse der Lernenden, ihre „guten Gründe", die sie haben, sich den Lernanforderungen gegenüber so oder so zu verhalten (Holzkamp 1993, 7 Zwischen Theorie und Praxis S. 21 ft.). Widerstände und Beeinträchtigungen bei der Bewältigung von Lernaufgaben, aber auch diesbezügliche Erwartungen und Hottnungen müssen allein vom lernenden Subjekt verarbeitet werden. Die Lernenden sind es, die (ganz im Sinne des Konstruktivismus die eigenen Lernsituationen interpretieren, sich eigene Ziele setzen und die Folgen ihrer Handlungen bewerten. Die subjektorientierte Didaktik sowie konstruktivistische Erkenntnistheorien (z. B. Holzlamp 1993 oder Müller 1996) lehrt uns heute, dass Lernen nicht einfach dadurch von selbst in Gang kommt, dass von dritter Seite Lernanforderungen formuliert werden oder dass Lernen durch irgendwelche dafür zuständigen Instanzen über die Köpfe der Lernenden hinweg geplant wird. Denn Lernanforderungen sind nicht üjeichzusetzen mit Lemhandluniren. Erst wenn die Lernenden eine Lernan-forderung annehmen und sie auf individuelle Weise ihr Wissen konstruieren, kann Lernen stattfinden. Das setzt jedoch voraus, dass die Lernenden einsehen, dass es etwas für sie zu lernen gibt (Holzkamp, S. 184f.), dass sie gute Gründe haben, sich auf den Lernprozess einzulassen. Viele dieser Lerngründe liegen in der Erhöhung der Lebensqualität, und die notwendigen Lernanstrengungen werden unter der Prämisse unternommen, dass sich im Fortgang des Lernprozesses Aufschlüsse über Bedeutungszusammenhänge und Handlungsmöglichkeiten ergeben, durch die eine Entfaltung der subjektiven Lebensqualität zu erwarten ist (Holzkamp, S. 190). Bezogen auf das Lernen des Lernens können wir davon ausgehen, dass die Lernenden grundsätzlich ein intrinsisches Interesse daran haben zu erfahren, wie sie ihre Lernprozesse positiv beeinflussen können. Bei einer Befragung von 360 Schülerinnen und Schülern an deutschen Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien ergab sich, dass 84,4 % der Befragten den Einsatz von Lern Strategien und Lerntechniken als wichtig erachteten (Rampillon 1986, S. 78). Dieselben Schülerinnen und Schüler sagten auch aus, dass sie Lerntechniken zum Teil auch selber erfänden, sich also Hilfen zum besseren Lernen selber herstellten. Diese Grundmotivation, über das Lernen nachzudenken, könnte uns Lehrkräfte zu der Annahme veranlassen, man brauche den Lernenden nunmehr lediglich Lerntechniken und Lernstrategien zu benennen und beschreiben, um sie zu erfolgreicherem Lernen zu fuhren. Manche Kolleginnen und Kollegen wurden jedoch rasch enttäuscht, als sie feststellen mussten, dass der Zuspruch seitens der Lernenden doch nicht so groß war wie erwartet. 8 Zwischen Theorie und Praxis Einen kleinen Eindruck geben die folgenden ausgewählten Schüleräußerungen aus einer anderen Schülerbefragung (Momberg 1996, S. 50) im Zusammenhang mit dem Führen einer Vokabelkartei, einer Lerntechnik, die diese Lernenden im Unterricht gerade kennen gelernt hatten. Mcuv, mer\cV e>ie steh besser. der kbn+e/v -VöHrcV? i /IW). /: Schiilerrikkiiieidiin^eii zum Lernen mit Karteien Trotz der herben Kritik dieser Schülerinnen und Schüler sollte man sich als Lehrkraft nicht verunsichern oder entmutigen lassen, gibt es doch eine Reihe von Erklärungen für die Standpunkte dieser Lernenden. Lerntechniken sind keine Wundermittel, die stets eine unmittelbare Wirkung zeigen. Viele müssen in verschiedensten Lernsituationen erprobt werden können, um ihren Wert zu verdeutlichen. Auch hier geben uns Lernpsychologen interessante Hinweise und nennen als spezifisches Merkmal des Lernhandelns die transsituatio-nale Permanenz. Damit ist gemeint, dass Lernen nicht schon stattgefunden hat, wenn in einer bestimmten Situation Änderungen der Leistung, der Einstellung etc. feststellbar sind. Erst wenn diese Änderungen über die spezifische Lernsituation, in der sie erworben wurden, hinaus erhalten bleiben und in einer nächsten einschlägigen Situation weitere Änderungsprozesse quasi darauf aufbauen können, dürfen wir von ,,Lernen" sprechen (Holzkamp 1993, S. 147). Für den Fremdsprachenunterricht bedeutet dies die wiederholte Bereitstellung von Lernsituationen, in denen die verschiedenen Lerntechniken immer wieder neu erprobt werden können. 9 Zwischen Theorie und Praxis Eine weitere lernpsychologische Einsicht spricht dafür, dass sich die Lernenden Lerntechniken und Lernstrategien in einem länger andauernden Prozess aneignen. Die Initialzündung durch die Darstellung und Bewusstmachung von Lerntechniken und Lernstrategien für Lernhandlungen durch die Lehrerinnen und Lehrer reicht allcine nicht aus. Sie wäre zu punktuell. Die Lehrkräfte müssen auch spätere Stadien des Lernprozesses bedenken, in denen es erst zu „qualitativen Lernsprüngen" kommen kann, also zu einer „plötzlichen Einsichtgewinnung", zu einem plötzlichen Verstehen, zu dem uns allen bekannten „Aha-Effekt", der sich auf Grund vielfältiger und längerfristiger Übungs- und Erprobungsmöglichkeiten ergeben kann. Im Falle der o. a. Schülerrückmeldungen sollte der Lehrer die Lernenden zur wiederholten Erprobung und Übung des Lernens mit einer Vokabelkartei veranlassen. Sinnvollerweise sollten dabei auch unterschiedliche Aufgabenformen gewählt werden, die verschiedene Lernmuster (vgl. hierzu Kapitel 3) ansprechen. So könnten z.B. in einer kommunikativ orientierten Aufgabe diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich für das Lernen mit einer Kartei aussprechen, aufgefordert werden, ihre guten Gründe zu nennen, die sie für ihren Standpunkt haben. Andere Schülerinnen und Schüler, die eher zu abstrakten Darstellungen neigen, würden einen theoretischen Lesetext über den Wert von Karteien erhalten. Wieder andere — und zwar die eher haptisch orientierten — würden erst selber einmal eine Lernkartei basteln. Das obige Beispiel der Schülermeinungen verdeutlicht ein Drittes: Nicht alle Lerntechniken und Lernstrategien sind für alle Lernenden gleichermaßen geeignet. Deswegen ist es völlig legitim, wenn sich einige der Lernenden für bestimmte Lerntechniken, andere dagegen aussprechen. Diejenigen, die sich nicht mit einer Lernkartei anfreunden können, lernen ihre Vokabeln vielleicht viel lieber und besser mit dem PC, mit einer Tonkassette oder auch mit dem alten Vokabelheft. Die Auswahl der Lerntechniken ist eine ganz individuelle Sache. Wichtig ist aber, dass die Lernenden die Fülle der unterschiedlichen Lerntechniken erprobend kennen lernen, um erst danach begründet für sich entscheiden zu können, wie sie selber am liebsten vorgehen möchten. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich bewusst sein, dass sie, wenn sie solche „neuen Methoden" einführen, oftmals gegen Lerngewohnheiten arbeiten: Das betrifft sowohl die Leser als auch deren Umfeld, d.h. die Beeinflussung z.B. durch die Familie, Freunde, andere Lernende. Die traditionelle Lernkultur, wie sie in unse- 10 Zwischen Theorie und Praxis rer Gesellschaft gesehen wird, besteht noch zu häufig in einem ausschließlich von den Lehrkräften gesteuerten Be-lehren, das in der Regel besonders die kognitiv orientierten Lernenden anspricht. Alle übrigen Lernenden mit anderen Lernmustern und auch deren Selbstständigkeit kommen dabei zu kurz. Eine erfreuliche Ausnahme sind inzwischen diejenigen Schülerinnen und Schüler, die bereits vor Beginn des Deutschunterrichts weniger gesteuerte Formen des Lernens erfahren haben. Für sie ist es oft nicht so schwierig, selbstständig Lernaufgaben zu übernehmen und zu erfüllen. Lernende, die jedoch den lehrergesteuerten Fremdsprachenunterricht kennen gelernt haben und auf ihrem Lernweg, angefangen vom Lernen im Elternhaus über den Kindergarten bis hin zur weiterfuhrenden Schule und ggf. Ausbildung, stets fremdgestcuert wurden, haben es nicht leicht umzudenken. Ihre Strategien, die sie sich fiirjene Form des Lernens zurechtgelegt hatten, geraten in Konflikt mit neuen Wegen des Lernens. Die folgenden Äußerungen von Lernenden verdeutlichen das in zutreffender Weise (Haudeck 1996, S. 423): „Nein, ich habe diesen neuen Weg noch nicht ausprobiert. Nach dem alten System kann ich besser lernen. Ich finde den 3. Weg (gemeint: den lehrergesteuerten Weg, U. R.) am besten. Den ist man jetzt einfach schon gewöhnt, und eine alte Methode lässt sich nicht so einfach durch eine neue ersetzen. " „Die Arbeitsblätter 1 und 2 fand ich nicht einmal so schlecht, aber ich finde, weil ich schon in der achten Klasse bin, könnte ich mich nicht mehr umgewöhnen, um so zu lernen. Wenn mau das Beispiel gleich von der 5. Klasse an gemacht hatte, dann wäre es gut. Aber jetzt habe ich mich schon an die Lernweise des Beispiels 3 (gemeint: lehrergesteuert, U. l^.) gewöhnt und kann mich nicht mehr umgewöhnen. " Haudeck zeigt in ihrer Untersuchung, dass Lernende auf ihren Lernwegen beharren, selbst wenn ihnen bewusst ist, dass diese nicht immer sehr effektiv sind. Dabei ist es nicht alleine die Mühe des Umdenkens und der Neuorientierung an anderen Wegen, sondern es ist auch die Anstrengung der Entscheidung und die Übernahme von Verantwortung mit allen Konsequenzen, vor der manche Lernende zurückschrecken. War man es doch früher zumeist gewohnt, von Lehrerinnen oder Lehrern, von Eltern oder anderen gesagt zu bekommen, was wie zu tun war und wann. Autonom Lernende haben dagegen die Last der Entscheidung und der Verantwortung zu tragen und können sich nicht auf andere Instanzen berufen als auf sich selbst. In der Tat ein hoher Anspruch, der damit erhoben wird! Zwischen Theorie und Praxis Bemerkenswert ist auch, dass insbesondere weniger erfolgreich Lernende, für die ein Strategietraining besonders sinnvoll und notwendig wäre, oft am wenigsten bereit sind neue Strategien auszuprobieren, weil sie sich den möglichen Lernerfolg nicht zutrauen (Tönshoff 1992, S. 314f.). Das zeigt, wie bedeutungsvoll vorangegangene Lernerfahrungen sind und die damit zusammenhängenden Zu Schreibungen, die wiederum Erfolgszuversicht oder Misserfolgsängstlichkeit nach sich ziehen können. Die oben wiedergegebenen exemplarischen Schülerrückmeldungen zur Arbeit mit einer Vokabelkartei sprechen auch einen zeitökonomischen Aspekt an. Das Herstellen der Lernkartei hat ja zunächst mit dem eigentlichen Lernen der Vokabeln wenig zu tun. Ihre Herstellung und Verwaltung scheint manchen vielleicht sogar umständlich und vertane Zeit zu sein. Dies ist es möglicherweise, sofern mit dem „Lernen" der Vokabeln lediglich das Lesen derselben gemeint ist. Das Urteil trifft vor allem dann zu, wenn das Lernen mit einer Lernkartei gar mit der Tatsache verglichen wird, dass viele Lernende von sich sagen, dass sie überhaupt keine Vokabeln lernten (Rampillon 1986, S. 75). Meint man aber das Verinnerlichen und lang anhaltende Einprägen der Vokabeln, dann lohnt es sich für viele Lernende zu prüfen, welches das wirksamere, angenehmere und nachhaltigere Lernen ist. Diese kritische Meinung bezüglich der Zeitökonomie stößt auch rasch auf Sympathie bei manchen Lehrkräften, denen bei der Vermittlung von Lerntechniken bewusst wird, dass sie sich auf das Feld des prozeduralen Wissens begeben; ein Bereich, der komplementär zum deklarativen Wissen, zur Vermittlung der sprachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu sehen ist. Das bedeutet, dass dort ein gewisser Anteil der Unterrichtszeit auf etwas verwandt wird, was nicht die angestrebte Sprachkompetenz selbst ist, sondern was diese erst vorbereitet und entstehen lässt. Dabei handelt es sich jedoch weder für die Lehrenden noch für die Lernenden um verlorene Zeit, denn die entstehende Lernkompetenz wird es erlauben, den Unterricht langfristig zu entlasten, indem vieles von den Lernenden selbstständig - und vielleicht sogar besser —gelernt werden kann. Letztlich werden sie einen möglichen Zeitverzug durch ihre autonome Lernfähigkeit wieder wettmachen. Darüber hinaus erreichen die Lehrkräfte auch, dass die Lernenden beim häuslichen Lernen, also in einer Lernphase, die weitgehend unabhängig vom gesteuerten Unterricht ist, eine größere Sicherheit haben und — was ich für sehr bedeutsam 12 Zwischen Theorie und Praxis halte - auch in ihrem Leben außerhalb des Unterrichts sehr wohl in der Lage sind, ihre Fremdsprachenkenntnisse selbstständig aufrechtzuerhalten, sie auszubauen oder vielleicht sogar beim Lernen einerweiteren Fremdsprache anzuwenden. Für den Erfolg bei der Vermittlung von Lerntechniken ist es bedeutsam, ob die Lernenden langsam an das Thema herangeführt worden sind und sie selber dabei das Bedürfnis entdeckt haben, etwas mehr darüber wissen zu wollen. Erst wenn man selber gute Gründe hat, sich mit dem Thema des Lernens zu befassen, wird man auch die notwendige innere Voraussetzung für selbstständiges Lernen mitbringen. Vielleicht wäre es daher gut, z. B. einmal einen Fragebogen — ggf unter Mitwirkung der Lernenden — zu entwickeln, mit dessen Hilfe man gemeinsam herausfinden könnte, welche unterschiedlichen Lerntechniken in der Klasse bereits angewandt werden. Das Ergebnis könnte sodann mit den Lernenden diskutiert werden, weitere Lerntechniken ließen sich ergänzen, andere relativieren oder gar ersetzen. Abschließend sollten die Lernenden jedoch für sich herausfinden, welche Lerntechniken sie neu kennen gelernt haben und welche sie künftig erproben bzw. benutzen möchten. Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer verfugen oft nur über ein begrenztes Wissen um Lerntechniken und Lernstrategien. Autonomes Fremdsprachenlernen und alle damit zusammenhängenden Aspekte waren nur sehr selten Thema in ihrer Ausbildung und auch lange kaum Gegenstand von fremdsprachlichen Lehrwerken und Lehrerhandbüchern. Lerntechniken und Lernstrategien waren somit selten im Bewusstsein dieser Lehrkräfte. Es wurden den Lernenden daher bestenfalls ab und zu Tipps zum Lernen von Vokabeln, zum Führen eines Vokabelheftes oder zum Anfertigen von Notizen gegeben. Die Fülle weiterer, auch alternativer Lernverfahren gelangte jedoch nicht in den Fremdsprachenunterricht. So ist es nicht erstaunlich, dass die Lernenden der o.a. Schülerbefragung rückmeldeten, dass sie ihre lernstrategischen Kenntnisse vor allem durch andere Lernende, durch Eltern, Großeltern etc., durch Bücher erhalten hatten (Rampillon 1986, S. 75). Zwar hat sich der Kenntnisstand der Lehrkräfte in den letzten zehn Jahren enorm verändert und Lehrerinnen und Lehrer sind heute generell bestrebt, autonomes Lernen zu fördern. Dennoch fehlt noch allzu oft eine Vorstellung über die Vielfalt der Möglichkeiten beim Fremdsprachenlernen und häufig gehen Lehrerinnen und Lehrer daher von den eigenen Lernstrategien aus, die sie den Lernenden empfehlen. Dabei übersehen sie leicht die Notwendigkeit der Auswahl und den Bezug zur jeweiligen Lernerindividualität. Außerdem geschieht die Vermittlung von Lern- 13 Der progressive Aufbau von Lernkompetenz techniken und Lernstrategien in der Regel punktuell und eher nach einem Zufallsprinzip. Eine systematische Vermittlung wird — so ihre Dringlichkeit überhaupt erkannt wird — oft mit dem Argument des Zeitmangels abgewiesen. Die folgende Aufgabensammlung will versuchen hier Abhilfe zu schaffen. Da auch selbst in Lehrwerken der neuesten Generation Lerntechniken vor allem dann einen Platz finden, wenn sich ihre Einbindung in den bestehenden Rahmen der übrigen Inhalte einer Lektion realisieren Lässt, werden sie eher willkürlich und nicht nach einem bestimmten Konzept behandelt. Das wiederum führt dazu, dass trotz aller Einsichten der gesamte Bereich des prozeduralen Lernens im Fremdsprachenunterricht in der Regel immer noch zu kurz kommt und ein vernachlässigter Aspekt des Fremdsprachcnlernens bleibt. Der progressive Aufbau von Lernkompetenz Wie es bereits im vorangehenden Kapitel angedeutet wurde, setzt sich die vorliegende Aufgabentypologie1 das Ziel, zur systematischen Integration von Lerntechniken und Lernstrategien in den fremdsprachlichen Lehrgang beizutragen, deren unterrichtliche Vermittlung zu erleichtern und damit letztlich die Lernkompetenz der Lernenden - auch über den Unterricht hinaus - zu fördern. Diesem Ziel könnte man entgegenhalten, dass es derzeit bereits zur Genüge Übersichten über Lerntechniken und Lernstrategien gibt. Eine dieser Zusammenstellungen sehen Sie auf Seite 15. Wie diese wollen auch alle übrigen Übersichten wichtige Lerntechniken und Lernstrategien in einer Kategorisierung darstellen, um damit zur Übersichtlichkeit beizutragen und um die unterschiedlichen Funktionen zu verdeutlichen, die Lerntechniken im Rahmen von Fremdsprachenlernprozessen übernehmen können. Sie bestimmen ihren didaktischen Ort, bieten eine Kategorisierung an und ermöglichen Lehrkräften so die Zuordnung weiterer Lerntechniken, die dort nicht erfasst wurden. ' Ich unterscheide im Folgenden zwischen „Autgaben" und „Übungen" im Sinne Wcsthoffs: ,,Übung ist das, was der Lernende macht: die l.ernaktivität. Das. was im Lehrbuch steht, ist die Aufgabe." (Westhoff 1991, S . 206 ff.) 14