G-Schule in der Tschechischen Republik Sonderschule Svitavy -Vorstellung einer Schule für Schüler mit geistiger Behinderung Lucie Procházková Schüler mit geistiger Behinderung können in der Tschechischen Republik entweder in eine allgemeine Schule integriert werden oder eine Sonderschule besuchen. Es gibt zwei Sonderschularten für Schüler mit geistiger Behinderung im Bereich der primären Bildung: die praktische Grundschule und die Sondergrundschule (s. S. 15 in diesem Heft). Sonderschule Svitavy [Speciální základní škola Svitavy] Das Wort základní bezeichnet die Grundbildung, also die primäre Bildung. Es ist nicht einfach, die tschechischen Bezeichnungen so ins Deutsche zu übersetzen, dass sie ausreichend verständlich sind. Als Sonderschule (speciální základní skola) wird hier eine Schule bezeichnet, die für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) gedacht ist. Die Sondergrundschule (základníškola speciální) ist eine Schule für Schüler mit geistiger Behinderung. Es gibt viele Schulen, die nur Grundschule (základní škola) heißen und deren offizieller Name keinen Hinweis auf die Zusammensetzung der Schülerschaft enthält. Es ist daher nicht sofort zu erkennen, dass es sich bei den Schülern um Kinder mit geistiger Behinderung handelt. Alle Schüler besuchen einfach eine Grundschule. An diesen Schulen wird dann nach unterschiedlichen Rahmenbildungsprogrammen unterrichtet. Svitavy ist eine Stadt in Mähren (ca. 70 km von Brünn und 183 km von Prag entfernt). Die Sonderschule Svitavy beinhaltet eine praktische Grundschule, eine Sondergrundschule, Vorbereitungsstufe, Vorbereitungsklas.se und Nachmittagsbetreuung (Kinderhort). Zusätzlich hat die Schule eine Außenstelle bei einer medizinischen Einrichtung (für Schüler, die hospitalisiert sind). Einer der Schwerpunkte der Betreuung und Förderung der Schüler mit SPF ist die Canistherapie. Die Schule hat eine eigene Canistherapeutin. Die Canistherapie ist eine tiergestützte Therapie, bei der Hunde eingesetzt werden. Sie wird vor allem bei Kindern mit motorischen Beeinträchtigungen, geistiger Behinderung und Autismus eingesetzt, auch bei Kindern mit Sehbeeinträchtigung; sie ist aber ebenfalls geeignet für Kinder mit ADHS, Lern-schwierigkeiten und anderen Problemen. Durch den Hund werden die Kinder gefördert, stimuliert und aktiviert, vor allem im Bereich der Motorik, der Kommunikation, des Denkens und Lernens. Der Kontakt mit dem Hund hat darüber hinaus aber auch einen wichtigen Einfluss auf den psychosozialen Bereich, bezogen auf das Selbstvertrauen, die Überwindung von Ängsten, Einsamkeit etc.). Bei Kindern mit schwerer Behinderung werden alle Sinne eingesetzt und gefördert (insb. der Tastsinn, aber auch das Sehvermögen und der Geruchssinn). Vorbereitungsklassen Die Sonderschule in Svitavy bietet auch die sog. Vorbcreitungsklassen an. Diese werden von Kindern aus dem sozial benachteiligten Umfeld besucht. Das Ziel der Vorbereitungsklasse ist die geistige und körperliche Entwicklung der Kinder. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung sozialer Beziehungen, positiver moralischer Grundsätze und der Kommunikation, auf der Stärkung der ästhetischen Wahrnehmung und der Vorbereitung auf einen problemlosen Einstieg in die erste Klasse. Besonders wichtig ist der individuelle Zugang und die Zusammenarbeit mit den Eltern. Die Bildung in den Vorbereitungsklasscn richtet sich nach dem Rahmenbildungsprogramm für die Vorschulbildung. Grundinformationen -Schülerschaft und pädagogisches Personal Die Sonderschule Svitavy kann 187 Schüler aufnehmen, davon 150 Schüler in die praktische Grundschule, 31 m die Sondergrundschule und 6 in die Vorbereitungsstufe. Der Kinderhort hat Kapazitäten für 60 Schulet. Im Schuljahr 2010/2011 gab es insgesamt zehn Klassen der praktischen Grundschule, in denen 100 Schüler beschult wurden, und vier Klassen der Sondergrundschule mit 2.3 Schülern. Im Durschnitt waren in den Klassen der praktischen Grundschule je zehn Schüler und in Klassen der Sondergrundschule je fünf bis sechs Schüler. Es gab keine Schüler in der Vorbereitungsstufe, dafür aber 14 in der Vorbereitungsklasse. Die Anzahl dieser Schüler ist im Vergleich zum Schuljahr 2009/2010 um zwei Personen angestiegen. Die Mitarbeiter der Schule können in drei Gruppen eingeteilt werden: die pädagogischen Mitarbeiter, die Mitarbeiter in der Beratung und weitere Mitarbeiter. Im Schuljahr 2010/2011 hatte die Schule insgesamt 27 Angestellte. Zu den pädagogischen Mitarbeitern können der Schulleiter (Direktor), die Lehrer, die pädagogischen Assistenten sowie die Erzieher gezählt werden. Von der Gesamtzahl der 27 Angestellten haben 16 eine Universitätsausbildung, davon 14 im Bereich der Sonderpädagogik: Bachelor (2), Magister (11), der Schulleiter im Doktorstudienprogramm. Der Schule stehen fünf Assistenten der Pädagogen zur Verfügung, einer davon ist der sog. „Roma-Assistent des Pädagogen" (dies ist keine offizielle Bezeichnung mehr). Seine Aufgabe ist es, Roma-Kinder und Schüler zu unterstützen, die zu Beginn oft Probleme mit der tschechischen Sprache haben oder andere Besonderheiten aufweisen. Darüber hinaus wirkt dieser Assistent auch unterstützend bei der Zusammenarbeit mit der Familie mit. Tn der Beratung sind in dieser Schule alle Beraterformen vertreten, die die tschechische Schullegislative ermöglicht. In der Schule arbeiten ein Methodiker der Prävention, ein Erziehungsberater, ein Schulpsychologe und elf Sonderpädagogen. Bei diesen handelt es sich um Lehrer, die eine sonderpädagogische Ausbildung (Magisterstudium der Sonderpädagogik an der Universität) absolviert haben. Die Schule arbeitet auch mit externen Beratungsstellen zusammen, wie dem Sonderpädagogischen Zentrum und der pädagogisch-psychologischen Beratungsstelle. Daneben verfügt die Sonderschule Svitavy über eine Rehabilitationsmitarbeiterin und eine Canistherapeutin. Eine solche Therapeutin zur Verfügung zu haben, ist ein großer Vorteil; in der Regel laden die Schulen jemanden für die Canisthcrapie in die Schule ein. In den Klassen der praktischen Grundschule arbeiten 14 bis 16 pädagogische Mitarbeiter, d.h. ein bis zwei pro Klasse. In Klassen der Sondergrundschule sind immer zwei Pädagogen gemeinsam tätig. Klassen und Schwerpunkte des Unterrichts Die Klassenräume sind neu und modern eingerichtet. In jeder Klasse gibt es einen Fernseher, Videorekorder, DVD-Player und CD-Player. Zwei Klassen sind mit interaktiven Tafeln ausgestattet. Da der Schwerpunkt vieler Aktivitäten die Entwicklung der Arbeitskompetenzen ist, stehen det Schule auch Werkstätten, Nähwerkstatt, Musikraum und Übungsküche zur Verfügung; geplant ist auch eine Werkstatt für die Arbeit mit Keramik. Seit 2005 gibt es an der Schule ein neues Computerklassenzimmer; hier lernen die Schüler alles aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Zur Schule gehören auch ein Schulgarten und eine Turnhalle, in denen die Schüler verschiedene Sport- und Bevvegungs-aktivitäten ausüben können. Für die außerschulischen Aktivitäten werden auch andere Einrichtungen in der Stadt genutzt, wie z.B. die Stadthalle, das Stadion, der Fußballplatz, das Schwimmbad, das Fitnesszentrum und die Werkstatt für Arbeit mit Keramik. Die Schule veranstaltet im Laufe des Jahres zahlreiche Aktivitäten: Weihnachtsfeier, Schulkarneval, Mal- und Sportwettbewerbe, Ausflüge, Exkursionen, Rehabilitations- und Landaufenthalte u.Ä. Zum offiziellen Bildungsprogramm der praktischen Grundschule gehört auch das Friemen einer Fremdsprache. An der Sonderschule Svitavy wurde Englisch gewählt. Die Schüler mit leichter geistiger Behinderung stehen aufgrund ihrer Einschränkungen und Schwierigkeiten im Bereich Lernen oft unter Stress, wenn die Anforderungen an sie zu hoch sind. Sie haben bereits Probleme mit der Tschechischen Sprache (Muttersprache), seibstverständlich dann auch in der Fremdsprache. Das Erlernen einer Fremdsprache ist daher für die meisten eher unrealistisch. Bevorzugt wird also die Entwicklung der Arbeitsfertigkeiten und Arbeitskompetenzen. In Bildungsprogrammen gibt es einen Bildungsbereich „Der Mensch und die Welt der Arbeit", der in der ersten Stufe (1. bis 5. Klasse) mit drei Wochenstunden und in der zweiten (6. bis 9. Klasse) mit fünf bis sechs Wochenstunden unterrichtet wird. Lernen konkret 3/2012 Bedingungen für Unterricht und Förderung Das Ziel der Bildung der Schiller mit leichter geistiger Behinderung ist der Erwerb von Kompetenzen zur Lösung verschiedener alltäglicher Probleme. Die Bildung ist auf manuelle Tätigkeiten und auf die Vorbereitung für ein möglichst selbstständiges Leben ausgerichtet. Klassen der praktischen Grundschule In den Klassen der praktischen Grundschule in Svitavy ist die Schülerzahl geringer; dies ermöglicht den individuellen Zugang zu jedem Schüler. Die entsprechende Förderung besteht in der richtigen Wahl der didaktischen fvlatetia-lien, Lehrbücher und Arbeitshefte. Im Unterricht werden interaktive Tafeln genutzt; die Schüler lernen, mit dem Computer umzugehen. Em wichtiger Bestandteil der Förderung ist die Canis-therapie, Nutzung von Elementen der Musiktherapie und praktische Tätigkeiten. Die Schüler lernen schwimmen und fahren in die Landaufenthalte. Bildung in der Sondergrundschule Die Bildung in der Sondergrundschule richtet sich auf die Entwicklung der Eigenständigkeit im Bereich der Selbstversorgung, Körperpflege und auf die Entwicklung von angemessenen Arbeitsfertigkeiten mit Alltagsgegenständen. Bei der Bildung der Schüler mit schwerer Behinderung ist der individuelle Zugang wesentlich und unentbehrlich. Daher sind eine reduzierte Anzahl der Schüler und mehrere Pädagogen notwendig. Wichtig sind Raum- und Zeitstruktur, auf der anderen Seite ist von den Pädagogen Flexibilität gefordert. Sondergrundschule Die Förderung der Schüler der Sonder-grundschule zeichnet sich aus durch die entsprechende Ausstattung der Klassenräume (z.B. Trennwände für Schüler mit Autismus, regulierbare Tische, fahrbare Stühle, interaktive Tafeln), durch die Nutzung von speziellen Hilfsmitteln und Lehrbüchern und durch weitere unterstützende Maßnahmen. Auch in Klassen für Schüler mit schwerer und Mehrfachbehmderung gibt es Computer. Es gibt spezielle Computerprogramme für diese Zielgruppe sowie Hilfsmittel, die die Arbeit am Computer auch Menschen mit Körperbeeinträchtigung ermöglichen (spezielle Maus, Tastatur etc.). Besonders wichtig sind die Rehabilitation und die Förderung der Bewegung; so erhalten die Schüler in Svitavy Stimulation mit Bällchen (eine Technik der Stimulation mit Bällchen aus Schaumgummi, die von der tschechischen Physiotherapeutin Zdena Jebavä entwickelt wurde, auf Tschechisch mickovdnf, Canistherapie, Massagen sowie Entspannung in den Entspannungssäcken. Darüber hinaus besuchen die Schüler Schwimmbäder und Salzhöhlen und fahren in die Rehabilitationsaufenthalte. Abschließend Die Sonderschule in Svitavy ist eine moderne Schule, die großen Wert nicht nur auf die Bildung und Förderung in der Schule legt, sondern auch auf die Zusammenarbeit mit Organisationen und Menschen außerhalb des Schulgebäudes und auf die Eingliederung ihrer Schüler in die Gesellschaft. Die Schule arbeitet mit allgemeinen Schulen, nicht staatlichen Organisationen, Stadtämtern etc. zusammen. Im Zentrum des Interesses steht immer die Vorbereitung der Schüler aufs Leben, sodass sie so selbstständig wie möglich werden. Die Schule ist auch im Bereich der Weiterbildung des pädagogischen Personals und in der Vertiefung und Verbesserung des Angebots für die Schüler aktiv. Das beweisen Projekte, die die Sonderschule Svitavy umsetzt oder plant. Ein Projekt mit dem Namen „Vorberufliche Vorbereitung der Schüler im Bildungsbereich ,Der Mensch und die Welt der Arbeit'1' ist auf die Vorbereitung der Schüler für den Übergang in die sekundäre Bildung (Berufswahl etc.) gerichtet. Das Thema des nächsten Projektes sind Therapien und ihr Einsatz im Bildungsprozess. Das Ziel ist die Stärkung der Voraussetzungen der Sonderpädagogen für die Nutzung von einzelnen Therapien. Die Themen der Weiterbildungsseminare für das pädagogischen Personal sind Pathologische Erscheinungen (Schikane, Aggression) und Beziehungen zwischen Lehrer und Schüler, emotionale und soziale Entwicklung der Persönlichkeit, Projektunterricht, Autismus (Grundinformationen und Informationen zur Bildung und Förderung von Schülern mit Störungen des autistischen Spektrums) oder Bildung in der Roma-Kommune. Zum Schluss möchte ich mich bei Frau Bc. Petra Bulvovä, DiS. für ihre Hilfsbereitschaft sehr bedanken. Sie hat zahl-und aufschlussreiche Informationen über die Schule zur Verfügung gestellt. Für die Erlaubnis, die Schule vorzustellen, möchte ich meinen Dank auch dem Schulleiter, Herrn PhDr. Igor Kloss, aussprechen. Lernen konkret 3/2012 ISSN 0722-1843, Heft 3, September 2012, 31. Jahrgang Lernen KONKRET Bildung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung westermann