Literatur im A n f ä n g e r u n t e r r i c h t „Handlungskasten7' oder: Wie Schüler an Texte „Hand anlegen" können Sie können: Den Text oder Teile des Textes transformieren, verändern, z.B. unter der Aufgabenstellung: „Wie würde die Handlung weitergehen, wenn...?"; Einen Brief an den Autor/die Autorin schreiben und die eigenen Eindrücke mitteilen, Fragen stellen usw.; Briefe entwerfen, die eine Figur der anderen schreibt (Wer könnte wem was schreiben?); Einer Figur im Text (die man besonders mag, die einen irritiert usw.) einen Brief schreiben (was man von ihr/ihrem Verhalten hält, wo man zustimmt oder anderer Meinung ist, Fragen hat usw.); Ein Tagebuch aus der Perspektive einer Figur schreiben; Einen Dialog schreiben, wenn im Text nur erwähnt wird, daß Figur A und B miteinander gesprochen haben; Sich ein anderes Ende übeHegen oder über das Ende der Geschichte hinaus schreiben (Wie könnte die Geschichte fortgesetzt werden?); Erzählen, was geschehen ist, bevor die Geschichte beginnt (um zu erklären, was in der Geschichte passiert, um Handlungen und Verhaltensweisen zu begründen); Die Geschichte aus einer anderen Perspektive schreiben (z.B. „Hansel und Gretel" aus der Perspektive der Hexe); Sich selbst als neue Figur in den Text einbringen (um Partei zu ergreifen, zu vermitteln, den Verlauf zu verändern); Den Text in eitler anderen Textsorte schreiben (z.B. wird eine Kurzgeschichte in eine Zeitungsnachricht übertragen); Den Text oder Teile davon als Hörspiel bearbeiten; Selbst einen Text (ein Gedicht, eine Fabel) schreiben; Eine pantomimische Umsetzung von Textteilen versuchen; Den Text als Rollenspiel bearbeiten und vorspielen; Eine Rezension schreiben (z.B. für die Schul- oder Klassenzeitung); La) UV Viel! Auf eine vorliegende Rezension reagieren (z.B. in Form eines Leserbriefs); Ein Interview mit einer der Figuren vorbereiten: einige Schüler übernehmen die Rolle der/des Interviewten oder bereiten sich auf ihre Rolle anhand der Interviewfragen vor; Ein Bild/eine Collage/ein Plakat zum Text/zu einigen spannenden, wichtigen Textsfellen anfertigen; Bilder und literarische Texte einander zuordnen/Bilder bestimmten Stellen im Text zuordnen und diese Zuordnungen begründen (die Bilder können sehr unterschiedlich sein und sollten Eindrücke wiedergeben können, nicht primär den Text illustrieren); Einen Text aktualisieren, indem sie die Handlung aus einer vergangenen Epoche in die Gegenwart versetzen (Modell „Die neuen Leiden des jungen W." von Ulrich Plenzdorf); Ein Lesetagebuch führen, in dem alles notiert wird, was ihnen ein- und auffällt, was ihnen gefällt und mißfällt, was sie die anderen Schüler fragen möchten, wo sie interessante Zitate festhalten usw.; Einen auseinandergeschnittenen Text wieder rekonstruieren (die Textteile in die richtige Reihenfolge bringen); Einen Lückentext ausfüllen, um die Erfahrung zu machen, daß sie die wesentlichen Inhalte eines Textes verstehen können, ohne alles verstehen zu müssen; Handlungslücken füllen, indem sie den Kontext (also auch das, was nach der Lücke folgt), berücksichtigen; Wortkarten, die Bausteine des Handlungsgerüsts enthalten, in eine logische (kohärente) Reihenfolge legen; ihre Geschichte dann mündlich oder schriftlich erzählen und danach mit dem Original vergleichen; Versuchen, sich in eine Figur zu versetzen und in Form eines inneren Monologs aufzuschreiben, was diese fühlt und denkt; Alternative Handlungen und Haltungen beschreiben, mit denen eine Figur ihr Ziel besser/schneller/verantwortungsvoller usw. erreicht hätte, eicht haben Sie auch noch mehr Ideen. Auch während der Lektüre kann man den Leseprozeß unterbrechen und vorhersagen: Welches Wort paßt? Wie geht der Satz weiter? Was steht in dem folgenden Abschnitt? Wie geht die Geschichte zu Ende? Solche Antizipationen sind dann besonders ergiebig, wenn eine Figur vor eine Entscheidungssituation gestellt wird: Wie könnte sie sich entscheiden? Was spricht dafür, was dagegen? Wie würdest du dich entscheiden? PERSPEKTIVENÜBERNAHME Der Schüler/Leser nimmt so die Perspektive der jeweiligen Figur ein, er tut das, was auch Leerstellen im Text von ihm fordern: er muß die fremde Perspektive, die für ihn ja dreifach fremd ist: i> als literarischer Text, i> in der fremden Sprache, l> aus einer fremden Kultur (und möglicherweise noch aus einer zurückliegenden Epoche) einnehmen, indem er sie antizipiert. Damit wird er gezwungen, seine Einbindung in seine Lebenswelt und seine kulturellen Erfahrungen erst einmal aufzugeben und so zu tun, als würde er die fremde Rolle spielen. Die im „Handlungskasten" aufgezählten handlungs-und produktionsorientierten Aufgabenstellungen und das antizipierend-speku-lative Verfahren sind also auch Anleitungen zur Perspektivenübernahme, und gerade das ist eine entscheidende Haltung beim Lesen fremdsprachlicher literarischer Texte: Die Fremdheit des Textes führt zu Fragen, die der Text aufwirft und die der Schüler/Leser an den Text stellt. Es ist wichtig, daß der Schüler/Leser lernt, seine Fragen an den Text zu richten, um dann zu versuchen, im weiteren Verlauf des Textes Antworten auf seine Fragen zu finden. Auf Seite 14 ff. beschreibt Dominique Lafargue in seinem Beitrag „Jugendbücher im Unterricht" die Klassenlektüre „Die Ilse ist weg" von Christine Nöstlin-ger. Nun könnte man schon beim Titel und der Umschlagillustration (siehe S. 14) die Lernenden bitten, Fragen zu stellen, auf die der Roman eine Antwort geben sollte. Die Erfahrung zeigt, daß die Schüler dann fragen: Wer ist Ilse? Was heißt „ist weg"? Warum ist sie weg? Wohin ist sie gegangen? Wie alt ist sie? Fremdsprache Deutsch 11