Formen des Humors und der Ironie Lernende in einem bestimmten Land besonders positiv reagieren. Eine Einarbeitung in die pädagogischen Traditionen und erziehungswissenschaftlichen Konzeptionen des Gastlandes sollte von allen gefordert werden, die an der Entwicklung von Lehrwerken für ein Land mitarbeiten. In gleicher Weise ist es aber auch erforderlich, die Kriterien für die Lehrwerkbeurteilung aus diesen „einheimischen Lehr- und Lerntraditionen" heraus zu entwickeln; eine solche Form der „angepaßten" Lehrwerkbeurteilung (und Lehrwerkentwicklung) muß nicht zum Verzicht auf fruchtbare Kritik und innovative Anstöße „von außen" führen. Lutz Götze 1.3. Fünf Lehrwerkgenerationen In der Geschichte des Unterrichts Deutsch als Fremdsprache nach dem Zweiten Weltkrieg lassen sich fünf Phasen unterscheiden, die durch Methoden des Lehrens und Lernens charakterisiert sind, wobei diese Methoden jeweils Anwendungen bestimmter sprachwissenschaftlicher bzw. lerntheoretischer Überlegungen darstellen. Die erste Phase, dominierend in den fünfziger Jahren und letztlich eine Fortführung herkömmlicher Unterrichtsverfahren, ist gekennzeichnet durch eine Gleichsetzung von Sprache und Grammatik. Grammatik in traditioneller Auffassung stand im Mittelpunkt, Regelwissen war gefragt und nicht oder nur höchst selten Kommunika-tionsfähigkeit in der Zielsprache. Der geschriebenen Sprachein Gestalt der „Hochsprache" galt die Aufmerksamkeit, gesprochene Sprache fand kaum Beachtung. Herausragendes und prägendes Lehrwerk dieser ersten Phase ist die Deutsche Sprachlehre für Ausländer von Schulz/Griesbach. Unter dem Einfluß des linguistischen Strukturalismus sowie der Anwendung behavio-ristischer Lehrverfahren entstanden in den sechziger Jahren zahlreiche Lehrwerke, die der audio-lingualen oder audiovisuellen Lehrmethode verpflichtet sind. In dieser zweiten Phase dominierte eine rigide Einsprachigkeit (Benutzung der Zielsprache, keine Übersetzung), war das Lehren grammatischer Regeln verpönt und das durch Hör-Sprechübungen (Drillverfahren) „eingeschliffene" Beherrschen von Kommunikationsmustern hochgeschätzt (Lado/Fries, 1968). Entsprechend stand die gesprochene Sprache im Vordergrund oder genauer: was man dafür hielt. Die Dialoge im audiolingualen Lehrwerk Vorwärts sind im Grunde Lehrbuchsprache, für den Unterricht konstruierte Gespräche, die nicht selten ihren wirklichen Zweck, nämlich grammatische Phänomene (Passiv, Perfekt usw.) in dialogischer Form zu präsentieren, kaum verbergen konnten. „Situative Übungen" standen hoch im Kurs. Audiovisuelle Lehrwerke entstanden vor allem in Frankreich. Die dritte Phase ist durch die „pragmatische Wende" gekennzeichnet. Der Ruf des Vietor „quo usque tandem"? (wie lange noch?) wurde zur Richtschnur neuen Handelns, wobei die von Hans-Eberhard Piepho (1974) in Anlehnung an Jürgen Habermas entwickelte „Theorie der kommunikativen Kompetenz" zur Begründung des Fremdsprachenunterrichts herangezogen wurde. Sprache, so der soziolinguisti- 29 sehe Ansatz, ist ein wesentlicher Teil der Gesellschaft; sprachliches Handeln also Teil sozialen Handelns. Diese vollkommen richtige Auffassung fand ihren Eingang in Lehrwerke der dritten Phase: einerseits „Sprachhandeln" in unterschiedlichen Kommunikationssituationen im Sinne der linguistischen Pragmatik, andererseits „Sprachreflexion" anstelle der traditionellen Grammatik, um mit Hilfe der Kenntnis des Funktionierens von Sprache sprachliche Normen „hinterfragen" zu können. Charakteristisches Werk dieser Zeit ist das Lehrwerk Deutsch aktiv, das vor allem die spontan gesprochene Sprache darstellte. Leider bewirkte die in der Bundesrepublik Deutschland geführte Diskussion, daß aus dem Gesamtbereich der linguistischen Pragmatik lediglich die „Sprechakttheorie" (Searle, 1969) aufgegriffen und Sprachhandeln damit zum Einüben von Sprechakten (fragen/antworten, um etwas bitten/die Bitte erfüllen usw.) verkürzt wurde. Auf diese Weise wurde von allen Funktionen natürlicher Sprache lediglich die kommunikative bzw. instrumentelle angesprochen; Sprache verkümmerte zum Informationsträger. Bei der Darstellung der Struktur des deutschen Satzes stand zumeist die Theorie einer dependentiellen Verbgrammatik (Valenzgrammatik) Pate (Götze, 1979). Die vierte Phase ist einerseits durch die Entwicklung „adressatenspezifischer" Lehrwerke (mit Bezug auf die Region oder Ausgangssprache, in der das Lehrmaterial benutzt werden soll) und andererseits durch eine neue Generation von Lehrwerken charakterisiert, nämlich solchen aus der „Fremdperspektive", um die bisherige ethno-zentrische Sicht zu überwinden. Dabei spielten Überlegungen der „Interkulturellen Germanistik" (Wierlacher, 1987) eine wesentliche Rolle. Charakteristische Lehrwerke dieser „Fremdperspektive" sind Sichtwechsel und Sprarhhrürkp Ak grammn^ tischer Ansatz für die Syntax dient weiterhin die Valenztheorie, die sich als didaktisch geeignet erwiesen hat, zumal inzwischen die Gedächtnispsychologie die Rolle des Verbs beim Verstehen von Sätzen und Texten als zentral herausgestellt hat. Eine fünfte Generation von Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache zeichnet sich ab. In deutlicher Abgrenzung zu Lehrwerken der dritten Generation und ihrer Überakzentuierung der gesprochenen Sprache sowie des sprechaktbezogenen Sprachhandelns wollen diese neuen Lehrwerke wieder alle vier Grundfertigkeiten, vor allem aber Lesen und Schreiben, pflegen und zugleich kognitive Lehrverfahren („mentali-stische Wende") betonen. Dabei spielen neue Forschungsergebnisse der Psycholinguistik und zur Hirnhemisphärenforschung, aber auch der Zweitsprachenerwerbsfor-schung und der „cognitive science" eine wesentliche Rolle (Karcher, 1988; List, 1989; Wode, 1985; Bausch/Königs, 1986; Götze 1992). Ziel ist, die für Jugendliche und Erwachsene charakteristische analytisch-sequentielle Form des Erwerbs der zweiten und dritten Sprache in Lehrwerken aufzugreifen und zu unterstützen. Dabei stehen Übungen zur Sprachreflexion und interaktive Übungen im Mittelpunkt. Erste Ansätze sind im Lehrwerk Wege erkennbar; das 1993 bei Langenscheidt angekündigte (Grundstufen-)Lehrwerk Die Suche mit Texten von Hans Magnus Enzensberger wird diese neue fünfte Lehrwerkgeneration veranschaulichen. 30