V Unterrichtsformen und Methoden Hoffmann, Sabine (2008): Selbstreflexion und Evaluierung von Fremdsprachenlernprozessen in der Projektarbeit. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 19/2, 209-246. Königs, Frank G. (2005): Konstruktiv: ja bitte! Konstruktion: warum nicht-aber Konstruktivismus? Gedanken zur Verbindung zwischen einer Lerntheorie und dem Fremdsprachenunterricht in einem Sprachlernzentrum. In: Eva C. Van Leewen (Hrsg.): Sprachenlernen als Investition in die Zukunft. Wirkungskreise eines Sprachlernzentrums, Festschrift für Heinrich P. Kelz zum 65. Geburtstag. Tübingen, 447-463. Meyer, Hilbert/Meyer, A. Meinert (1997): Lob des Frontalunterrichts. Argumente und Anregungen. In: Meinert A. Meyer/Ute Rampillon/Gunter Otto/Ewald Terhart (Hrsg.): Friedrich Jahresheft 15, 34-37. Reitbauer, Margit/Vaupetitsch, Renate (2004): Die E-Rolle und die K-Rolle: Lehrerrollen zwischen Emotion und Kognition. In: Wolfgang Börner/Klaus Vogel (Hrsg.): Emotion und Kognition im Fremdsprachenunterricht. Tübingen, 242-262. Schwerdtfeger, Inge C. (2003a): Sozialformen: Überblick. In: Bausch/Christ/Krumm (2003), 247-251. Schwerdtfeger, Inge C. (2003b): Gruppenunterricht und Partnerarbeit. In: Bausch/Christ/Krumm (2003), 254-257. Walter, Gertrud (2003): Frontalunterricht. In: Bausch/Christ/Krumm (2003), 251-254. Sabine Hoffmann 36 Motivation Einleitung Wird nach den Gründen für schnelle Fortschritte und Erfolg beim Fremdsprachenlernen gefragt, wird gern auf individuelle Lernervariablen verwiesen. Insbesondere die Erklärungskraft der big two, nämlich Sprachlerneignung (lanyuage aptitude) und Motivation, ist in der internationalen Fremdsprachenforschung unbestritten - wobei der Faktor Sprachlerneignung sogar noch etwas höher bewertet wird als der Faktor Motivation. Da die Sprachlerneignung als tief in der kognitiven Struktur eines Individuums verankert und als kaum von außen zu verändern gilt, ist der Faktor Motivation für die Fremdsprachendidaktik vielversprechender, denn hier wird beachtliches Interventionspotenzial durch angepasste Unterrichtsformen, -inhalte und -materialien sowie durch die Persönlichkeit, Haltung und methodisch-didaktische Kompetenz der Lehrkraft gesehen. Motivation ist ein affektiver Faktor, der aus unterschiedlichen, sich überlappenden, komplementären und interdependenten Komponenten gespeist wird, die in der Persönlichkeit und Biografie des Lernenden, in seinen Einstellungen und Orientierungen gegenüber der zu erlernenden Fremdsprache und der damit verbundenen Kultur sowie in den Ausgestaltungen seiner Lernumgebung und seines soziokulturel-len Milieus bedingt sind. Motivation kann sich im Laufe der Zeit ändern, manchmal die Ursache, manchmal aber auch die Folge von erfolgreichem Fremdsprachenlernen sein. Motivation ist also multidimensional und dynamisch - und kann nicht direkt beobachtet werden. 168 36 Motivation L2-Motivationsforschung: Überblick Es existieren viele alltags- und erfahrungsbasierte Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen. Der aktuelle Stand der Fremdsprachenforschung ist dadurch geprägt, dass es viele unterschiedliche Ansätze gibt, die Plausibilität und Evidenz für sich beanspruchen können. In der seit den späten 1950er Jahren verfolgten theoretischen und empirischen Forschung dominierte bis zu Beginn der 1990er Jahre der sozialpsychologische Ansatz (vgl. exemplarisch Gardner 1985), der dann (u.a. als zu einseitig) kritisiert, später ergänzt und schließlich tendenziell abgelöst wurde von vor allem pädagogischen und psychologischen Konzepten und Modellen (vgl. u.a. Crookes/Schmidt 1991, Dörnyei 1998, Oxford/Shearin 1994), aktuell werden Identitätskonzepte integriert (vgl. die Beiträge in Dörnyei/Ushioda 2009). Zwei Hauptstränge dieser Forschung sind für die Fremdsprachendidaktik besonders interessant: 1. Inhaltstheorien, die die Beweggründe (Motive) für das Erlernen der Zielsprache erfassen, und 2. Prozesstheorien, die die Entstehung motivierten Handelns untersuchen. Zusammen können beide Richtungen dem multidimensionalen und dynamischen Charakter des Konstrukts Motivation besser gerecht werden. Allgemein gilt die Regel, dass Lernende motivierter handeln, je stärker das Motiv und je wertvoller das angestrebte Ziel erscheint und je größer die Wahrscheinlichkeit ist, das Ziel auch zu erreichen. Inhaltstheorien: Motive und Orientierungen zum Erlernen von Fremd- und Zweitsprachen Integrative und instrumenteile Motivation. Die Unterscheidung zwischen instrumen-teller und integrativer Orientierung bzw. Motivation ist im Rahmen des sozialpsychologischen Ansatzes prominent geworden. Orientierungen richten sich auf die Hauptbeweggründe und langfristigen Ziele zum Fremdsprachenlernen: Ein Lernender gilt als integrativ orientiert, wenn er die Zielsprache aus einem Interesse für die Zielsprachenkultur heraus erlernen möchte und eventuell sogar Mitglied dieser Kultur werden möchte. Er ist instrumentell orientiert, wenn er die Fremdsprache lernt, weil er sie für nützlich hält, z.B. zur Verbesserung beruflicher Chancen. Beide Orientierungen wurden als lernförderlich ermittelt; allgemeiner Konsens ist inzwischen, dass sich die beiden nicht gegenseitig ausschließen und sich auch in unterschiedlichen Ausprägungen in einem Lerner wiederfinden können, z.B. auch als Bildungs-, Reise- und Kontaktmotive (vgl. exemplarisch Belmechri/Hummel 1998). Motivation durch Erfolgserlebnisse. Der Zusammenhang zwischen Motivation und Erfolg ist auch als resultativ zu begreifen: So können Erfolgserlebnisse die Motivation verstärken, Misserfolgserlebnisse sie schwächen. Dabei kann Erfolg besonders dann zum Weiterlernen motivieren, wenn die lernende Person die Ursachen für diesen Erfolg (Kausalattributionen) auf sich selbst zurückführt, wobei Selbstwahrnehmungen, Selbstvertrauen und generalisierte Überzeugungen der Lernenden zur eigenen Person eine entscheidende Rolle spielen (vgl. exemplarisch Riemer 2003). 169 V Unterrichtsformen und Methoden Extrinsische und intrinsische Motivation. Zurzeit spielt die psychologische Selbstbestimmungstheorie in der L2-Motivationsforschung eine prominente Rolle; besonders bekannt sind in diesem Zusammenhang die Konzepte extrinsische und intrinsische Motivation. Extrinsisch motivierte Lernende benötigen Anreize, die außerhalb der Lernaufgabe liegen (z.B. Belohnungen aller Art, auch: gute Noten), während intrinsisch Motivierte aus innerem Bedürfnis, Interesse und Vergnügen eine Zielsprache lernen. Vier Formen extrinsischer Verhaltensregulation werden unterschieden, die durch zunehmende Selbstbestimmtheit charakterisiert sind: 1. externale Regulation (Konflikte sollen vermieden und Lob/Anerkennung gewonnen werden); 2. introjiziertc Regulation (Handeln folgt äußerem Druck und wird aus Pflichtgefühl erledigt); 3. identifizierte Regulation (der Wert einer Lernaktivität wird erkannt und zum eigenen Nutzen erledigt) 4. integrierte Regulation (die Lernaktivität ist als Teil der eigenen Persönlichkeit und als Ausdruck eines individuellen Bedürfnisses akzeptiert) - identifizierte und integrierte Regulation werden zuweilen in einem Konzept zusammengefasst, da es problematisch ist, beide Konstrukte trennscharf zu operationalisieren. Forschungsergebnisse zur Relevanz dieser Konzepte liegen u. a. mit den Arbeiten von Noels et al. (2000) und Riemer (2003) vor. Prozesstheorien: Entwicklung und Erhalt von L2-Motivation Motive zum Erlernen einer Fremdsprache können sich im Verlauf der Bildungsbio-grafie ändern. Auch sind gute Beweggründe noch kein Garant, dass motiviertes Verhalten daraus erwächst. Nach Gardner sind für motiviertes Lernen erforderlich: „a goal, effortful behaviour, a desire to attain the goal and favourable attitudes toward the activity in quesüon" (Gardner 1985: 50). Was aber veranlasst Lernende dazu, nötige Anstrengungen (z.B. zum Lernen von Vokabeln, beim Lösen von fremdsprachlichen Aufgaben) auch tatsächlich aufzubringen, und zwar nicht nur zu Beginn des Fremdsprachenlernens, sondern andauernd, auch über lange Jahre? Das in der Abbildung dargestellte Modell, das Anregungen des psychologischen Rubikon-Modells von Heckhausen (1989: 203 ff.) und seiner Adaption auf L2-Prozesse von Dörnyei/Ottö (1998) aufgreift, beschreibt den Prozess der Umwandlung von Zielsetzungen und Motiven in Handlungsabsichten (Intentionsbildung) bis zur Handlungs-initiierung und Handlung, in den zunehmend Energie investiert wird. Auf der Basis von noch recht allgemeinen Zielsetzungen (bei denen allgemeine Motive und Orientierungen zum L2-Lernen zum Ausdruck kommen) bilden Lernende Intentionen aus und treffen zwischen konkurrierenden Zielen eine Entscheidung; hierfür spielen u. a. die Relevanz und Erfolgsaussichten, die mit dem Fremdsprachenlernen verbunden werden, und auch vorhandene Kontaktmöglichkeiten zur L2 eine entscheidende Rolle. Es muss eine motivationale Schwelle erreicht werden, um den Rubikon des Handelns zu überschreiten, der ,innere Schweinehund' muss überwunden werden - und dies nicht nur einmal, sondern in einem immer wiederkehrenden Kreislauf. Diese motivationalen, sich im Lernenden vollziehenden Prozesse interagieren mit sozialen, kontextuellen sowie personalen Faktoren innerhalb eines je konstituierten soziokulturellen Milieus: mit relevanten Bezugspersonen (Eltern, weitere Familienmitglieder, Peers etc.), aber auch 170 36 Motivation Soziokulturelles Milieu SOZIALE UND KONTEXTUELLE FAKTOREN Eltern, Familie, Peers, weitere Kontaktpersonen Formelle und informelle Lernmöglichkeiten Faktoren des Fremdsprachenunterrichts PERSONALE FAKTOREN MOTIVATIONS AUFBAU IM LERNPROZESS Motive, Orientierungen, Integrativität -Instrumentalität ■> Zielsetzung Relevanz, Erfolgsaussichten, Schwierigkeit, Kontakt zur L2, Kosten-Nutzen-Relation Intentionsbildung, Zielauswahl Einstellungen zum L2-Lernen, vorhandene Ressourcen, metastrategisches Wissen Handlungs-initiierung ■ den „Rubikon » überschreiten": den „inneren Schweinehund" überwinden Aufmerksamkeit, Selbstregulation, Emotionen Weitere Lernervariablen: Sprachlerneignung, Lernstil ■> Lernanstrengung ___I L2-Lern-Ergebnisse Soziokulturelles Milieu Motivationsprozess beim Fremdsprachenlernen mit den tatsächlich vorhandenen Lernmöglichkeiten (schulische und außerschulische L2-Lernangebote, Freiräume für die Durchführung von Lernaktivitäten, Mediennutzung etc.) - und im Falle gesteuerten Fremdsprachenlernens mit den Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts (Lehrerpersönlichkeit, Lernergruppe, Lernmaterialien etc.). L2-Lernergebnisse werden innerhalb dieses Modells verstanden als Resultat des L2-Motivationsprozesses und weiterer Lernervariablen. Die Lernergebnisse wirken auf der Basis lernerseitiger Selbstevaluation und auch vermittelt durch externe Rückmeldungen (z.B. Bewertungen durch die Lehrkraft, Testergebnisse) auf den Motivationsprozess zurück und dienen dort der Aktualisierung von Motivorientierungen, Kausalattributionen, Einstellungen zum Fremdsprachenlernen etc., die wiederum den Willensprozess unterstützen, der für die Aufrechterhaltung der Lernanstrengung nötig ist. Ausblick: Motivierung im Fremdsprachenunterricht Aus der Fülle der oben zusammengestellten theoretischen Ansätze, Komponenten und Prozesse fremdsprachlicher Motivation wird deutlich, dass hieraus nicht unmittelbar 171 V Unterrichtsformen und Methoden Konsequenzen für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts hervorgehen können in der Form, dass das motivierende Potenzial von Lernarrangements, -materialien und Lehrtechniken generell prognostiziert werden könnte. Vielmehr ist der Hinweis abzuleiten, dass für jede Lernergmppe sorgfältig Lernervoraussetzungen, Motive und Willensbildungsprozesse zu diagnostizieren sind. Motivierung impliziert danach die gezielte Auswahl an den Interessen und Bedürfnissen ausgerichteter Unterrichtsgegenstände, Materialien, Medien und Lehrtechniken sowie die Unterstützung der Lernenden bei der Festsetzung realistischer Lernziele (einschließlich von Zwischenzielen) und bei der Reflexion ihrer Lernfortschritte. Wo keine ausreichenden intrinsischen Motivationen vorliegen, sollten Lernende dabei unterstützt werden (vor allem in schulischen Pflichtkontexten), Formen stärker selbstbestimmter Lemmotivation zu entwickeln, das heißt u.a. wahrzunehmen, dass Unterrichtsaktivitäten und Lerngegenstände für ihr gegenwärtiges und angenommenes zukünftiges Leben von realer Bedeutung sind. Eine Lehrhaltung, die die Lernerautonomie fördert, ist daher ein zentrales Element fremdsprachlicher Motivierungsstrategien. Literatur Belmechri, Faiza/Hummel, Kirsten (1998): Orientations and Motivation in the Acquisition of English as a Second Language among High School Students in Quebec City. In: Language Learning 48, 219-244. Crookes, Graham/Schmidt, Richard W. (1991): Motivation: Reopening the Research Agenda. In: Language Learning 41, 469-512. Dörnyei, Zoltán (1998): Motivation in Second and Foreign Language Learning. In: Language Teaching 31, 117-135. Dörnyei, Zoltán/Ottó, István (1998): Motivation in Action: A Process Model of L2 Motivation. In: Working Papers in Applied Linguistics 4, 43-69. Dörnyei, Zoltán/Ushioda, Ema (eds.) (2009): Motivation, Language Identity and the L2 Self. Bristol u.a. Gardner, Robert C. (1985): Social Psychology and Second Language Acquisition. The Role of Attitudes and Motivation. London. Heckhausen, Heinz (21989): Motivation und Handeln. Berlin u.a. Noels, Kimberly A./Pelletier, Luc G./Clément, Richard/Vallerand, Robert J. (2000): Why Are You Learning a Second Language? Motivational Orientations and Self-determination Theory. In: Language Learning 50, 57-85. Oxford, Rebecca L./Shearin, Jill (1994): Language Learning Motivation: Expanding the Theoretical Framework. In: The Modern Language Journal 78, 12-28. Riemer, Claudia (2003): „Englisch war für mich nur Teil meines Stundenplans" - Motivation zum Englischlernen in Zeiten der Globalisierung. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 8/2-3, 72-96. Claudia Riemer 172