Praktische Handreichungen für Fremdsprachenunterricht, Band 2, Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, 2006, ISBN 3-631-54251-8 1. Eynar Leopold: Das Lehrwerk im Fremdsprachenunterricht: ein viel diskutiertes Medium Ist der FSU auf das Lehrwerk für alle Zeiten angewiesen? Kann das Lehrwerk Anstoß für Inovatinen sein oder bilden sie eher ein (un)überwindbares Hindernis auf den Weg zu einem veränderten FSU? Den Unterricht auf der Basis des Lehrwerks zu machen: „ Die Arbeit mit dem Lehrwerk vermittelt Handlungssicherheit und stärkt damit offensichtlich die Selbstwirksamkeitserwartung der Unterrichtenden.“(Schmitz 1998) Für Vielau (2005) bilden Lehrwerke einen äußeren Lehrplan, indem sie einen Lernweg für den Unterricht vorgeben.“ Viele Lerner setzen in subjektiver Naivität Lernfortschritt gleich mit dem bearbeiteten Lektions- und Übungspensum des Lehrwerkes. Da gilt gerade für den Fremdsprachenunterricht, für den die Arbeit mit einem Lehrwerk Orientierung des Lernens sowie Strukturierung des Unterrichts ermöglicht. Das Lehrwerk wird als Medium sicher in unseren Schulen, auch wenn in einer veränderten Form, einen wichtigen Platz im institutiellen Fremdsprachenunterricht einnehmen. Die Vorgaben jedes Lehrwerkes müssen aber vom Unterrichtenden auf den jeweiligen konkreten Unterricht adaptiert werden. Lehrwerkanalyse und Lehrwerkkritik: Die Gründe: Neue Erkenntnisse zum fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozess, veränderte administrative und organisatorische Rahmenbedingungen für den institutionellen Fremdsprachenunterricht, die rapide Entwicklung im Bereich der Unterrichtstechnologien sowie erweiterte Zielsetzungen fordern immer wieder zu der Frage raus, ob denn die Lehrwerke diese Veränderung aufnehmen und somit als wichtige und aktive Mitspieler im Prozess der Innovation angesehen werden können. Zentrales Anliegen der nachfolgenden Ausführungen ist es, die Rolle des Lehrwerkes im heutigen FSU darzustellen und zu zelen, in welcher Weise das Lehrwerk fachdidaktischen sowie bildungspolitischen Veränderungen gegenwärtig Rechnung trägt und wie es in Zukunft zum neuen Profil des FSUs beitragen kann. Begriffsbestimmung: „Als Lehrwerk bezeichnen wir ein Ensemble, bestehend aus einem Lehrbuch für die Schüler als zentralem Element und weiteren skripturalen (gedruckten?), auditiven, visuellen oder audiovisuellen Materialien, auf die im Verlauf der unterrichtlichen Arbeit zurück gegriffen wird, lassen sich die Nieweler (2005) in lehrwerkbegleitende, lehrwerkübergreifende oder lehrwerkunabhängige Elemente unterteilen.“ Lehrwerke werden von Schulbuchverlagen herausgegeben und bei dieser Produktion verbinden sich fachdidaktische Ansprüche mit ökonomischen Gesichtspunkten. Jedes Lehrwerk wird nach bestimmten administrativen Vorgaben vom Bildungsministerium genehmigt, wobei kontrolliert wird, wie es den Lehr- und Bildungsplänen entspricht Das Lehrwerk bildet ein Begleitmedium für den Lehr- und Lernprozess. Aus dieser Bestimmung folgt, dass ein Lehrwerk so konzipiert sein muss, dass es Interessen und Erwartungen sowohl der Lehrerinnen und Lehrer als auch der Schülerinnen und der Schüler berücksichtigt. Falls das Lehrerhandbuch ein zentrales Informations- und Orientierungselement ist, ist für die Schüler das Schülerbuch das Identifikationsinstrument mit dem Unterricht, als Dokument sprachlicher und kultureller Strukturen des Zielsprachenlandes und Nachweis des Erwerbs von Kompetenzen. Konzeptionelle Merkmale; Lehrwerkentwicklung im Spiegel von bildungspolitischen und fachdidaktischen Entwicklungen Lehrwerke sind über die Jahrzehnte auch ein Spiegel der fachdidaktischer Entwicklungen. Allerding müssen wir zugeben, dass die Lehrwerkskonzeption auf methodisch-didaktische Änderungen immer mit einer gewissen Verspätung reagiert hat. In der heutigen Lehrwerkgeneration findet man unter Einfluss der fachdidaktischen Diskussion zur Ausbildung einer kommunikativen Kompetenz im Rahmen pragmalinguistischer Überlegungen in Lehrwerklektionen neben grammatischer Inhalte auch Auflistung kommunikativer Ziele unter Angabe von Sprechsituationen und Sprechakten. Zu diesen neuen Zielen passen auch entsprechende neue Übungsaufgabentypen. Die neueste Änderung brachte der Einfluss vom Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (2001). Nach Leupold (2006) sollen in diesem Sinne vor allem drei folgende Konzepte hervorgehoben werden: · Das Sprachenlernen ist dem Prinzip der Mehrsprachigkeit und der Entwicklung einer Interkulturalität verpflichtet. · Eine Abfolge von allgemeinen Niveaustufen zur Beschreibung der Kompetenz des Lernenden führt zu Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungen. · Als Zielbereiche des Lernprozesses werden die Ausbildung der Wissenskompetenz, der Handlungskompetenz und Persönlichkeitskompetenz genannt. Die Niveaustufenskalierungen orientieren sich an den Vorgaben des Dokumentes des Europarates und werden auch in Lehrwerken in der Korrespondenz mit Bildungsstandards als Lernziele angegeben. Die Bildungsstandards werden in der Form von geplanten Outputs formuliert. Diese „Out-putorientierung“ heißt, dass Unterrichtsqualität sich am messbaren Ergebnis ausweist. Die gegenwertigen Lehrwerkkonzepte scheinen diese Neuorientierung im hohen Maße aufzunehmen. Lehrwerke der heutigen Generation bieten außer Grammatik und Lexik Möglichkeiten zu einem hanlungsorientierten Lernen und eröffnen zunehmend Anlässe zur Entwicklung einer Lernkompetenz….. Z.B.: Aufgaben zur Übung von Lernstrategien und Lerntechniken, im Schülerbuch u.a. Aufgaben zum handlungsorientierten und kreativen Umgang mit der Zielsprache, in der Lernzielausrichtung werden zunehmend Kompetenzstufen A1 bis C2, die im Europäischen Referenzrahmen formuliert wurden, in regelmäßigen Abständen wird in vielen (manchen) Lehrwerken den Lernern die Möglichkeit gegeben, eine Selbstevaluation vorzunehmen. Somit ist der vom Europarat plädierte Gedanke des Sprachenportfolios in Verbindung mit den Niveaustufen zu den einzelnen sprachlichen Fertigkeiten umgesetzt. Weiter werden verschiedene Möglichkeiten zur Einbeziehung der technischen Medien ausgenutzt. Zwei Forderungen aus der fachdidaktischen und bildungspolitischen Diskussion werden bis jetzt eher weniger umgesetzt: es sind das interkulturelle Lernen und die Forderung nach Mehrsprachigkeit. Lehrwerkstruktur: Es gibt, ungesehen auf die neue Entwicklung, eine gewisse Tradition, was die Strukturmerkmale der Lehrwerke betrifft. Für unsere Problematik können außer der positiven Wirkung einiger Merkmalen, wie: Kontinuität, Transparenz und Vergleichbarkeit, auch gewisse Schwierigkeiten auftreten. Die einheitliche inhaltliche und methodische Vorgabe kann zu einer Uniformität führen, die die individuellen Voraussetzungen eines Einzelnen nicht berücksichtigen kann. (Die Spannung zwischen Steuerung und Offenheit.) Es droht hier also die Gefahr der Verletzung des Prinzips der Individualisierung. (vgl. Timm 2003). Das Verlangen nach Authentizität der Lehrwerktexte ist auch mit vielen Fragen verbunden, obwohl viele Didaktiker (z.B. Bleyhl 1999, Legutke (1999) oder Freuenstein (2001) für mehr Authentizität plädieren. Mehr Athentizität in den FSU bringen aber die Lehrwerkilustrationen, die sowohl die sprachliche als auch die Lebensrealität des Zielsprachenlandes bringen. Mit Illustrationen werden Bilder, Skizzen, Zeichnungen, Karten u.a. gemeint. Das Potential von Illustrationen kann sich auswirken auf · Die Motivation zum Lernen, · Das interkulturelle Lernen ? · Die Einstellung zum Zielsprachenland (als ein Bezugspunkt für die Herausbildung von Wirklichkeitsvorstellungen) · Den Sprachlernprozess · Das Bild der Wirklichkeit des Zielsprachenlandes · Die Ausbildung eines ästhetischen Empfindens Unterrichtspraktische Verfahren Zusammenfassung und Ausblick „Lehr- und Lernmaterialien (…)sind das Transportband für Inhalte, Themen, Aufgabenstellungen und sonstige Aktivitäten“ (Vollmer 1999, 240) und deswegen lässt sich erwarten, dass auch nächste Generationen von Fremdsprachenlernerinnen und Lernern mit einem Lehrwerk arbeiten werden. Der Trend ist den Lernenden zumindest phasenweise die Chance für einen selbstständigen und individuellen Lernprozess mit dem Lehrwerk zu eröffnen. Inhaltlich wird es notwendig sein, dem Plädoyer für stärker inhalts- und aufgabenbezogene Elemente, die das interkulturelle Lernen stärken und dem Gesichtspunkt der Ausbildung der Mehrsprachigkeit Rechnung tragen, nachzukommen. Gert Solmecke : Arbeitsanweisungen in Lehrwerken, s.29-33 Das Lehrwerk als zentrales Leimedium des FSUs stellt einerseits Materialien in Form von Texten (nicht nur) zur Verfügung, andererseits steuert es deren Verwendung durch explizite und implizite Arbeitsanweisungen. Teilung der Arbeitsanweisungen – die Doppelfunktion: sprachsystembezogen oder mitteilungsbezogen sein (sind erwünscht). Funktion der Unterrichtenden…… Quetz (1976) stellte fest, dass „sich die Persönlichkeit der Lehrenden immer gegen das Lehrwerk durchsetzt, wenn sie sich durchsetzen will.“ Die Folgen können positiv aber auch negativ sein. …entsprechende Änderungen können die drillartigen Übungen beseitigen. Negativ: geänderte Reihenfolge, Übungen die zur Selbstarbeit bestimmt waren – induktive Grammatikerklärung – überspringt. Keine Problemlösungsaufgaben und -strategien: ein gutes Beispiel für das Lernen lernen. Die Einschätzung von Leistungsfähigkeit der Lerngruppe und wachsende methodische Präferenzen und Vorstellungen über das Lernen und Lehren von Sprachen entscheiden über den Umgang der Unterrichtenden mit dem Lehrwerk und seinen Vorgang für den Unterricht. Man kann auf einer Seite versuchen, Übung für Übung möglichst wortgetreu in Unterrichtliches Handeln umzusetzen, man kann auch im Rahmen seines eigenen Konzeptes das Lehrwerk als Steinbruch für Materialien und Ideen nutzen, oder zwischen diesen zwei Extremen. Die Funktion der Lernenden: auch ein Faktor Unterscheidung zwischen Lernaufgabe (task-as-workplan) und Lernaktivität (task-in-process) ! Verständlichkeit: Verstehen der Anweisung ist auch Verstehen des Textes und ein Ergebnis der Interaktion von Text und Rezipient. Das Textverstehen gelingt um so besser, je mehr Vorwissen vorhanden ist. Wir sollten also zwischen Anfängern und fortgeschrittenen Lernern unterscheiden: Für Anfänger oder schwache Lerner stellen sprachlich schwierige oder zu komplexe Arbeitsanweisungen oft unlösbare Probleme dar. Lehrwerke verlassen sich oft darauf, dass Unterrichtende beim Verstehen von Arbeitsanweisungen helfen. „Mit dem Fortschreiten des Unterrichts, der Nutzung von Routinen, besserer Kenntnisse des Lehrwerkes, der Lehrperson und der unterschiedlichen Typen von Arbeitsanweisungen agieren Lernende zunehmend selbstständig und interpretieren sie auf dem Hintergrund ihres Vorwissens über die von gleichen oder ähnlichen Anweisungen gestellten Anforderungen, ihrer Motivation sowie ihrer positiven und negativen Lernerfahrungen und der daraus resultierenden Selbsteinschätzung ihrer Leistungsfähigkeit. Die Vielzahl der Arbeitsanweisungen im FSU kann auf wenige Grundtypen zurückgeführt werden. Man kann annehmen, dass fortgeschrittenere Lernende prototypische Konzepte gespeichert haben, die es ihnen ermöglichen, für sie nicht handhabbare Arbeitsanweisungen im Interesse der Herstellung von Handlungsfähigkeit zu verändern.