DaF-Szenarien in mehrsprachigen Lerngruppen in Tschechien Alice Brychová Mehrsprachigkeit in Sprachlernkontexten wahrnehmen, aufgreifen und nutzen: Theoretische Modelle und praktische Vorschläge aus dem Europa-Projekt MALWE Mehrsprachigkeit als Herausforderungen des Fremdsprachenunterrichts in Europa • Das Ziel : Mehrsprachigkeit der EU-Bürger • Empfehlungen vom Europarat (2002): - bessere Kenntnis moderner Fremdsprachen - Vielfalt von Sprachen und Kulturen schützen (vgl. GERR, 2000,s. 17) - die Sprachkenntnisse sind integriert und unterstützen sich gegenseitig • Jeder Bürger Europas sollte neben seiner Muttersprache zwei weitere europäische Sprachen beherrschen. (Europäische Kommission 2006) Mehrsprachigkeit • die Fähigkeit eines Menschen, mehr als eine Sprache zu sprechen (Multilingualismus). • die Geltung oder verbreitete Anwendung mehrerer Sprachen in einer Gesellschaft, einem Sprachgebiet oder einem Staat • die Verwendung mehrerer Sprachen, um Informationen für eine möglichst große Zahl Individuen unterschiedlicher Sprachen zugänglich zu machen, etwa auf Schildern, Hinweistafeln, Produktbeschriftungen, in Bedienungsanleitungen sowie auf Webseiten oder in Computerprogrammen. Die Begriffe werden in alltäglicher Anwendung nicht immer klar unterschieden, sind in wissenschaftlichen Disziplinen jedoch genau und einander ausschließend definiert. Womit beschäftigt sich Tertiärsprachendidaktik • Englisch als erste Fremdsprache und Deutsch als Folgefremdsprache: • „Wie kann man das sprachliche Wissen und die Sprachlernerfahrungen, die Schüler von ihrer Muttersprache und dem Erlernen der ersten Fremdsprache her schon mitbringen, im Unterricht der Folgefremdsprachen so nutzbar machen, dass diese effizienter gelernt werden?“ (Neuner, 2003) Unterrichtspraxis • „Die Lektionen in der Schule fokussieren auf die formale Behandlung der Sprache, Entwicklung der Kenntnisse in einer bestimmten Zielsprache, fördern gar nicht: • die Entwicklung von und die Reflexion über ein mehrsprachiges Repertoire. „ (Werlen 2010) Lernen-Erwerb der L1 • Das Faktorenmodell von Britta Hufeisen (2010) verdeutlicht die Unterschiede beim Lernen einer Tertiärsprache (L3): • Erwerb der L1: • Neurophysiologische Faktoren: wie erwerbsfähig ist der Lerner • Lernexterne Faktoren: Art und Umfang des Inputs (wie oft, wie viele Stunden, Kontakt mit L1-Muttersprachlern u. a.); Lernen der L2 • Lernen der L2 (z.B. Englisch) • Emotionale Faktoren: Motivation, Lernangst, Einstellungen zu der Sprache und der zielsprachigen Kultur, zum Sprachenlernen allgemein, Lerntradition: Auswendig oder kommunikativ, Lernumwelt • Kognitive Faktoren: Sprachbewusstsein, metalinguistisches Bewusstsein, Lernbewusstsein • Linguistische Faktoren: linguistische Sachverhalte aus der Perspektive des Lerners und Vergleich mit der L1. Lernen der L3 • Lernen einer L3: erst ab dieser Situation können wir von der Geltendmachung der Mehrsprachigkeitsdidaktik sprechen. • Es tritt zu den Faktoren positiv aber auch negativ das Faktorenbündel Fremdsprachenspezifische Faktoren (vgl.Britta Hufeisen:TheoretischeFundierung multiplenSprachenlernens – Faktorenmodell 2.0 in Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 36 (2010)) Erweiterung des Sprachbewusstseins - deklaratives sprachliches Wissen • Sprachvergleich L1 , L2, L3: im Wortschatz, in der Grammatik, Aussprache, Rechtschreibung: •die einzelnen Elemente können sich als gleich, ähnlich oder gegensätzlich erweisen. Erweiterung des kulturellen Wissens: Interkulturelles Lernen • Vergleich von soziokulturellen Elementen: z.B. Alltagsroutinen Höflichkeit, körperliche Nähe/Distanz, Gewohnheiten Entfaltung des Sprachlernbewusstseins- prozedurales Wissen • An Fremdsprachenlernerfahrungen zurückgreifen/anknüpfen – ggf. vertiefen – erweitern oder verändern • Die Perspektive des Lehrens: Anknüpfung an Erfahrungen mit den Lehrmethoden in der Muttersprache und in der ersten Fremdsprache (L2) • Die Perspektive des Lernens: wie kann der Lernende seine Kenntnisse, Erfahrungen und Voraussetzungen in den Lernprozess einbringen, fördern und erweitern Methodische Grundlagen/Prinzipien für Deutsch nach Englisch • 1. kognitives Lehren und Lernen: Unterschiede u. Ähnlichkeiten vergleichen und besprechen 2. Verstehen als Grundlage des Lernens 3. Inhaltsorientierung (Alter und Interessen) 4. Textorientierung (fremde Welt kommt mediengebunden- Authentizität, Lesestrategien) 5. Ökonomisierung (schnellere Progression) 6. Aktivierung (Nachdenken, Vergleichen, Weiterfragen, Experimentieren, Selbständigkeit, Zusammenarbeit) (vgl. Neuner, 2003) Fremdsprachenlehrer/innenausbildung BIS JETZT • das Bildungsziel des Studiums: Lehrer-/innen einer Fremdsprache • Der FSU: isoliert von anderen Fächern AB JETZT • Das Bildungsziel: Expertinnen für das Fremdsprachenlernen • Der FSU: bei Schüler-/innen, die mehrsprachig sind • Im Falle DaF: Tertiärsprachendidaktik am Beispiel L1 Tschechisch, L2 Englisch, L3 Deutsch Szenario Begrüßungen • ANNOTATION: Dieses Szenario beschreibt, was in einer der ersten Stunden Deutsch gemacht werden kann. Das Szenario dient zur Bewusstmachung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Varianten und der Benutzung der einzelnen Grußformeln in Deutsch/ Tschechisch/ Englisch und anderen in der Lernergruppe anwesenden Sprachen. Sprachliche Lernziele • S1 können die formelle und informelle Grußformel unterscheiden • S können Gruß- und Abschiedsformel der Sprechsituation angemessen zuordnen • S vergleichen die deutschen Varianten der Gruß- und Verabschiedungsformeln mit denen, die ihnen aus verschiedenen Sprachen bekannt sind und Hypothesen bilden, ob sie im deutschsprachigen Kontext verstanden werden können. • Szenario 2: Lernende können die deutsche kommunikativeFunktion der Frage Wie geht es? mit Äquivalenten aus dem Englischen und ihrer Erstsprache vergleichen. Hintergrundinformationen: die sprachsensiblen Momente • Die Benutzung der formellen bzw. informellen Grußformel: • Die Benutzung unterscheidet sich im Deutschen vom Sprecher zum Sprecher und vom Gebiet abhängig. Es können auch unterschiedliche Gebrauchsregeln im Englischen (hallo)und im Deutschen beobachtet werden: im Englischen werden häufiger die informellen Formen benutzt….dies hat einen Einfluss auf die Jugendsprache und das Grüßen in größeren Städten auch in Deutschland und Österreich, z.B. in Geschäften sagt man Hallo auch wenn man die Verkäuferin zum ersten Mal sieht u.s.w. • Im Tschechischenwerden die Formeln konsequent unterschieden. Ahoj nur unter Leuten, die sich duzen, Dobrý den unter Leuten, mit denen man per Sie ist. • Wie ist es in anderen Sprachen, die die S kennen? Die Benutzung der unterschiedlichen Begrüßungsund Abschiedsgrußformeln • Im Tschechischen benutzt man bei der Begegnung und bei der Verabschiedung die gleiche (informelle) Grußformel: Ahoj! Bei der Begegnung im Deutschen und Englischen werden immer andere Grußformeln benutzt: Hallo Tschüss resp. hallo - good by /by by..., aber es gibt auch verschiedene international benutzte und bekannte Formeln, die leicht verstanden werden (Servus, Hi, ciao, Salü, Ave, Ahoj...). • *Wikipedia: Grüß Gott ist eine Begrüßung, seltener auch ein Abschiedsgruß im oberdeutschen Sprachraum, insbesondere in katholisch geprägten Ländern, aber auch im evangelischen Teil von Württemberg und Franken. Der Gruß ist mit einigen Varianten die häufigste Grußformel in Teilen Süddeutschlands, Österreichs und Südtirols. Eng verwandt ist das reformiert-schweizerische grüezi. • bei der Begrüßung und Verabschiedung: Servus , Ahoj, ciao * in Italien beide Situationen *teilweise in Deutschchweiz+ im deutschspr. Raum nur als Abschiedsgruß. Ein konkretes Beispiel: Begrüßungen • Welche Grußformeln aus verschiedenen Sprachen kennst du? • In welchen Situationen hast du sie gehört? PHASE UNTERRICHTSVERLAUF SPRACHSENSIBILISIERUNG/mehrspr achige Momente KONKRETE INDIKATOREN: Mehrsprachigkeit im Unterricht soll/kann.... 1 Arbeitsblatt 1 Einführung ins Thema Begrüßungen. S sollen überlegen, welche Grußformeln sie kennen und werden dazu motiviert, Grußformeln auch aus ihnen bekanntenSprachen (Fremdsprachen) zu suchen. Paar-/Gruppenarbeit • auf eigene Sprachkenntnisse zurückgreifen 2 fakultativ S werden induktiv mit der Form für die informelle Begrüßung mithilfe von einer Hörübung bekannt gemacht. Z. B. durch einen Dialog aus dem KB klett maximal interaktiv 1. • Mit dem Klang der neuen Fremdsprache sich bekannt machen -Schaffen einer Ausgangssituation durch verbale Impulsgebung 3 fakultativ S notieren beim Hören und kurz danach, wie sich die einzelnen Gesprächspartner grüßen (S. 14 Ü 2) *Guten Tag x Hallo... Danach vergleichen sie die Ergebnisse in Paaren + evtl. mit ihrer L1 • Die formelle und informelle Form identifizieren, aus eigenen sprachlichen Erfahrungen dabei schöpfen -Möglichkeiten des peer-feedbacks schaffen 4 Arbeitsblatt 2 Auf dem Arbeitsblatt sind Grußformeln, die man in dem deutschsprachigen Raum überwiegend verwendet. S identifizieren ihnen bekannte Grüße Diese können S nach folgenden Kriterien sortieren: • Gruß - Abschied • Freunde – Erwachsene (informell – formell) • Regionen • Herkunftssprachen Hintergrundinformationen siehe unten. Wichtig! S müssen die angeführten Formeln nicht produktiv beherrschen. S vergleichen diese Grußformeln mit den Gruß- und Abschiedsformeln aus dem E, Tsch und anderen ihnen bekannten Sprachen (Arbeitsblatt1) • Vergleichen verschiedener Sprachen • an die Vorkenntnisse in verschiedenen Sprachen anknüpfen • über bekannte sprachliche Varianten nachdenken - Sprach(en)- und Kulturvergleiche beinhalten: • Sprachliche Mittel für bestimmte Sprachanlässe zur Verfügung stellen • Eine konkrete Fragehaltung ausbauen, die die S zum Nachfragen von Wortbedeutungen und kulturbezogenen Aspekten veranlasst Arbeitsblatt 2 • Kennst du diese Grußformeln? • Zu welcher Sprache / zu welchenSprachen gehören sie? • In welcher Situation kann mansie sagen? (formell / informell und bei der Ankunft oder bei dem Abschied) • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Was ist dir eingefallen? • Welche Grußformeln kennst du noch? • Lösungsvorschlag ANKUNFT ABSCHIED welche SPRACHE? Freunde Hallo Tschüs, Tschüss Deutsch Ja, auch Grüß dich Ba Ba öster. Deutsch ja Grüezi schweiz. Deutsch ja Guten Tag Auf Wiedersehen Deutsch Tag Deutsch ja Grüß Gott Grüß Gott Deutsch Servus Servus z. T. nur als Abschiedsgruß ja Ahoj Ahoj Tschechisch ja Dobrý den Nashledanou Tschechisch Hi Buy Englisch Cześć Cześć (auch Narazie) Polnisch ja Dzien dobry Do widzenia Polnisch Salü Italienisch ja Ciao Tchau Italienisch ja How do you do Englisch Fortsetzung des Szenarios Varianten der Fortsetzung: L führt eine Handpuppeund sie grüßt S informell. S können ausgeschnitteneSprechblasen aus dem Arbeitsblatt benutzen und der HP adäquat antworten. Sie können ihre L1 / L2..Kenntnissenutzen und mit D vergleichen. Die Sprechblasen evtl. ergänzen (gute n Morgen, gute Nacht, bis dann...)und an der Pinwand befestigen • Impulse enthalten, die die Kenntnisse in anderen Sprachen wecken • Sprachliche Mittel als Lernhilfen (als Scaffolding) anbieten -Sprachbewusstheit aktivieren: • Aufgaben anbieten, um sprachbezogenes Wissen einbringen zu können. -eine mehrsprachige Klassenausstattung beinhalten WEITERFÜHRUNG des Themas des SZENARIOS /ggf. SZENARIO II • Die Englischlernenden haben ihre Erfahrungen in der ersten Fremdsprache, sie wissen, dass im Englischen gleich nach dem hallo eine Ergänzung kommen kann und zwar: how do you do? Die Antwort ist danach nur eine Floskel: How do you do...es ist eigentlich ein Teil der Grußformel. Diese Formel ist aber ziemlich veraltet. Lieber fragen wir: How are you? Die Antwort ist dann z.B.: Well, thank you! And you? • Oder auch anders…. Die Frage danach, wie es Einem geht ist ein spezifisches neues und interessantes Thema. • Wie ist es im Deutschen und in ihrer Sprache (im Tschechischen)? • D: Wie geht es? Wie geht`s? Die Antwort variiert: sehr gut, gut, prima, es geht, nicht gut, schlecht... oder auch schrecklich. • Tsch: Jak je? Jak se máte/ máš? - ähnliche mögliche Antworten: die Antworten in beiden /verschiedenen Sprachen können verglichen werden. Szenario 2 Schritt4 : S bekommen eine Rolle (Karten) und gehen in dem Klassenraum herum. Sie sprechen sich an, grüßen sich und sprechen kurz miteinander ( small talk)…hier bietet sich die Frage an: Wie geht´s? • Grußformeln kontextspezifisch nutzen • Reale Kommunikationssituat ion simulieren • Weiterführung der Begegnungsrituale - • Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit • Thank you very much for your attention • Dziękuję za uwagę • Děkuji Vám za pozornost • Grazie per l´attenzione