Werkstatt 14 (2019), 12-29 ISSN 2061-8999 Aufsatz Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Fanni Boglárka Farkas Department of German Studies, University of Debrecen Egyetem tér 1. H-4032 Debrecen farkas.fanni.boglarka@gmail.com Abstract The teaching of foreign languages is today a very important part of the education. An aim is, that the students could learn languages in an interesting way. This study will focus on the Children’s and Youth Literature and on the possibilities, how can students get to know other cultures with these readings. Keywords: Children’s and Youth Literature, interculturality, education Einleitung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Kinder- und Jugendliteratur, bzw. mit der Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht. Dieses Thema ist von besonderer Relevanz, denn im Globalisierungszeitalter kommt dem Fremdsprachenunterricht eine wesentliche Rolle zu. Außerdem ist eine entspannte und motivierende Lernatmosphäre beim Fremdsprachenlernen wichtig – unabhängig davon, ob Lernende Deutsch als Fremd- oder als Zweitsprache (DaF/DaZ) lernen. Der Einsatz von kinderund jugendliterarischen Werken kann diesbezüglich viele Möglichkeiten bieten. Gleichzeitig wird Interkulturalität heute im Unterricht großgeschrieben. Mit literarischen Texten haben DaF- und DaZ-Lernende deshalb auch die Möglichkeit, nicht nur die Sprache zu üben, sondern auch die Kultur und die Traditionen des Zielsprachenlandes kennenzulernen. In den wieteren Teilen versuche ich einen Überblick zu geben, wie die Kinderund Jugendliteratur und dadurch die Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht erscheint. Dazu sind die Begriffserklärung nötig, Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 13 was man unter Kinder- und Jugendliteratur versteht. In dieser Arbeit bekommt der geschichtliche Überblick eine wichtige Rolle. Was die Praxis betrifft, versuche ich mithilfe verschiedener Lehrwerken vorstellen, wie man kinder- und jugendliterarischen Werken, bzw. Interkulturalität im Unterricht einsetzen kann. Der Begriff Kinder- und Jugendliteratur Der Begriff Kinder- und Jugendliteratur ist schwer zu definieren. HansHeino Ewers hat kinder- und jugendliterarische Werke nach bestimmten Merkmalen in verschiedene Gruppen unterteilt: 1) faktische Kinder- und Jugendlektüre 2) intendierte Kinder- und Jugendlektüre 3) erfolgreiche und nicht erfolgreiche Lektüreangebote/ unbeabsichtigte Kinder- und Jugendlektüre 4) sanktionierte und nicht-sanktionierte Kinder- und Jugendlektüre 5) originäre Kinder- und Jugendlektüre (Ewers 2012: 14ff). Unter faktischer Kinder- und Jungendlektüre versteht Ewers die von Kindern und Jugendlichen freiwillig gewählte und „tatsächlich konsumierte Literatur“ (Ewers 2012: 14). Ewers weist in seinem Buch darauf hin, dass die Lektüren, die im Unterricht verwendet werden, zu der Kategorie der sogenannten „Pflichtlektüre“ gehören, obwohl es in manchen Fällen durchaus möglich ist, dass Lernende diese Texte in ihrer Freizeit auch lesen, oder dass Freizeitlektüren im Unterricht behandelt werden. Bei faktischen Kinder- und Jugendlektüren kommt es in erster Linie darauf an, dass sich Kinder und Jugendliche freiwillig für diese literarischen Werke entscheiden (Ewers 2012: 14-15). Bei der intendierten Kinder- und Jugendlektüre sei es ein wichtiges Kennzeichen, dass sich Kinder und Jugendliche diese Texte nicht freiwillig aussuchen. Die Auswahl richtet sich hierbei „nach Vorstellung der Gesellschaft, nach Auffassung von Autoren, Verlegern, Kritikern, Buchhändlern, Bibliothekaren, Geistlichen, Lehrern, Erziehern, Eltern, etc.“ (Ewers 2012: 15) Hier geht es wiederum nicht um die sogenannten Pflichtlektüren im Unterricht, sondern um Werke, die zum Beispiel „durch eine bloße Leseempfehlung“ als „für Kinder und Jugendliche vorgesehen[e] Lektüreangebote oder Lesestoffe“ positioniert werden (Ewers 2012: 16). Nach Ewers werden die Lektüren, die Kindern und Jugendlichen empfohlen werden und unter der Kategorie der intendierten Kinder- und Jugendlektüre zusammengefasst, meistens von diesem Publikum tatsächlich konsumiert. Diese seien die erfolgreichen Lektüreangebote (ebd.). Es könne jedoch vorkommen, dass ein Werk für ein jugendliches Lesepublikum ge- Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 14 dacht ist, trotzdem nicht von Kindern und Jugendlichen gewählt wird. Diese werden als nicht erfolgreiche Lektüreangebote bezeichnet. Eine wietere Unterkategorie sei in diesem Kontext erforderlich: die unbeabsichtigte Kinder- und Jugendlektüre. Hierbei verweist Ewers auf Werke, die ursprünglich nicht für Kinder und Jugendliche geschrieben wurden, trotzdem von dieser Altersklasse gelesen werden. Unter diesen Werken gebe es noch weitere Unterklassen: Die unbeabsichtigte Kinder- und Jugendlektüre bleibt teils unbemerkt (heimliche Lektüre), teils wird sie geduldet (tolerierte Lektüre), teils mit propagandistischem Aufwand als ‚Schmutz und Schund‘ bekämpft und aktiv unterbunden (verbotene Lektüre) (Ewers 2012: 17). Wie Ewers feststellt, gab es in der Geschichte immer Instanzen, die entscheiden durften, welche Lektüre für die Kinder und Jugendliche geeignet sind, und welche nicht. Diese seien zum Beispiel die Kirche, „der (absolutistischen) Staatsmacht“ oder die „Instanzen der pädagogischen Fachöffentlichkeit“ gewesen (ebd.). Die kinder- und jugendliterarischen Werke, die als geeignet angenommen wurden und auch eine Auszeichnung bekamen, beschreibt Ewers als (positiv) sanktionierte Kinder- und Jugendlektüre (ebd.). Die Werke, die „unter Umgehung oder gar in Missachtung der gesellschaftlich anerkannten Bewertungsinstanzen“ veröffentlicht wurden, würden zu der nicht sanktionierten Kinder- und Jugendlektüre gehören (Ewers 2012: 18). Bei originären Kinder- und Jugendlektüren seien vor allem „die Herkunft“ und „die Entstehungsweise der Werke“ wichtig (Ewers 2012: 19). Gemeint sind damit die Texte, die schon seit ihrer Entstehung von ihren Autoren bzw. Autorinnen für Kinder- und Jugendlichen geschrieben wurden. Der Begriff Märchen Da dieser Beitrag teilweise auch Märchen fokussiert, muss dieser Begriff hier auch definiert werden. Das Märchen als Teil der Kinder- und Jugendliteratur lässt sich auch vielfältig definieren. Kathrin Pöge-Alder definiert den Begriff Märchen in ihrer Arbeit Märchenforschung, wie folgt: Der Begriff ‚Märchen’ dient häufig als Oberbegriff für Erzählungen, die meist durch das Element des ‚Wunderbaren’ miteinander verbunden sind und einen Anteil an geglaubter Unglaubwürdigkeit haben (Pöge-Alder 2006: 45). Märchen lassen sich am besten aufgrund ihrer Merkmale identifizieren. Vor allem können die Märchen nach ihrer Entstehung in zwei Klassen ge- Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 15 gliedert werden, so werden Volksmärchen und Kunstmärchen voneinander unterschieden. In der von School-Scout Verlag veröffentlichten Arbeit werden die folgenden Merkmale der Volksmärchen hervorgehoben: Ein wichtiges Kennzeichen des Volksmärchens sei, dass es „von Generation zu Generation weitergegeben und infolgedessen natürlich stetig modifiziert“ ist (Themenratgeber 2011). Was die Thematik betrifft, gebe es wiederkehrende Elemente wie „das Streben nach Glück“ oder „die Hoffnung der einfachen Leute auf ein besseres Leben“ (ebd.). Es gibt also keinen bestimmten Autor. Solche Märchen wurden lange Zeit nur mündlich überliefert. Später gab es Märchensammler wie die Brüder Grimm, die diese mündlich überlieferten Geschichten sammelten und niederschrieben. Das Kunstmärchen ist in vielerlei Hinsicht anders als das Volkmärchen. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Kunstmärchen einen konkreten Verfasser haben und deswegen „nicht eine kollektive Weltanschauung, sondern nur die Vorstellungen des Autors“ beinhalten (Themenratgeber 2011). Man kann auch bezüglich der Kunstmärchen feststellen, dass diese Texte etwas komplexer sind, aber hier seien ähnliche Motive, wie in den Volksmärchen zu finden (ebd.). Die gemeinsamen Merkmale sind hingegen vor allem, dass sich die phantastischen und realen Elemente mischen, beispielsweise gibt es in Märchen sprechende Tiere (Die Bremer Stadtmusikanten) oder verzauberte Gegenstände (Tischlein deck dich). Was die Sprache betrifft, zeichnen sich Märchen durch feste Wortverbindungen, einfache Bezeichnungen und ständige Attribute aus, die immer mit den Namen der Figuren zurückkehren (ebd.). Bei den Themen der Märchen kommen die Proben, das Streben nach Glück und das glückliche Ende oft vor. Ein Überblick über die Geschichte der deutschsprachigen Kinderund Jugendliteratur Die deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur hat eine lange Geschichte und es ist bemerkenswert, dass diese Werke oft mit der Erziehung oder mit der Schule zu tun hatten. Wie Laura Scheriau in ihrem Werk über Märchen feststellt, sind Märchen „ein kulturelles Gut“ (Scheriau 2014: 16) und deshalb dazu geeignet, Lernenden die Geschichte einer fremden Kultur bekannt zu machen. Die früheren und auch die heutigen Traditionen, Ängste oder einfach die Lebensweise eines Volkes könnte demnach nicht nur in Märchen, sondern auch in anderen kinder- und jugendliterarischen Werken erscheinen. In der Geschichte der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur ist es merkwürdig, dass jede Epoche seine eigenen Merkmale in den Texten Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 16 hat: Die Kindheit wurde das erste Mal in der Epoche der Aufklärung „als ein[e] eigenständig[e] Lebensphase“ (Weinkauff & Glasenapp 2014: 18) betrachtet, so gelte die Aufklärung als einen wichtigen Zeitraum und werde demzufolge auch als Beginn der Kinder- und Jugendliteratur angesehen. Vor dieser Zeit gab es schon Werke, die auch von Kindern und Jugendlichen gelesen wurden, wie beispielsweise in der Antike die Ilias von Homer, (Kautt 2012) aber erst diese Epoche ermöglicht nach Weinkauff und Glasenapp „ein[e] besonder[e] Literatur für Kinder und Jugendliche“ zu schaffen (Weinkauff & Glasenapp 2014: 18). Die Aufklärung hatte auch das Ziel, Menschen zu bilden, und sie dazu anzuregen, ihren eigenen Verstand zu nutzen. Auch der Literaturbetrieb nahm diese Impulse auf: So entstanden literarische Werke für Kinder und Jugendliche, damit sie „gut[e], hilfsbereit[e] Weltbürge[r]“ (Kautt 2012) werden können. Als intendierte Kinder- und Jugendlektüre gelten nach Weinkauff und Glasenapp vor allem „Bücher, Zeitschriften und Almanache“, die beispielsweise „im häuslichen Rahmen der bürgerlichen Familie oder in den pädagogischen Einrichtungen der Aufklärer“ (Weinkauff & Glasenapp 2014: 26) verwendet wurden. Anzumerken ist, dass die Kinder- und Jugendliteratur gleich nach ihrer Erscheinung eine wichtige Rolle im Unterricht und bei der Erziehung bekommt. Die Entwicklung des Buchdrucks, die immer größere Anzahl der Menschen, die Lesen konnten, sowie die Vielfalt an Lektüren tragen auch dazu bei, dass diese Werke immer mehr Menschen bekannt waren. Was die Vielfalt betrifft, erwähnt Annette Kautt in ihrem Artikel vor allem Kinderlieder, Fabeln, Spiel- und Beschäftigungsbücher, Fibeln, Sittenlehren, Ratgeber, Reiseberichte und Sachbücher als Beispiele (Kautt 2012). Es sei aber bei diesen Lektüren besonders wichtig gewesen, dass sie sowohl lehrreich, als auch unterhaltsam sein sollten. Romantik In der Epoche der Romantik findet ein Perspektivenwechsel in der Kinderund Jugendliteratur statt. Im Gegensatz zur Aufklärung spielten in der Romantik nach Weinkauff und Glasenapp nicht die lehrhaften Gattungen, sondern eher „die folkloristischen Formen wie Ammenverse, Volkslieder, Märchen, Sagen, Legenden und Volksbücher“ (Weinkauff & Glasenapp 2014: 44) eine wichtige Rolle. In der Romantik habe die lange Tradition der Aufklärung jedoch mit ihren lehrhaften Werken nachgewirkt und dies habe Einfluss auch auf die neuen Werke gehabt (Weinkauff & Glasenapp 2014: 45). Eine weitere Veränderung sei, dass die Romantik Erwachsenen eine andere Funktion zu- schrieb: Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 17 Unter dem Einfluss der Romantik entstehen ‚doppelsinnige‘ kinderliterarische Texte, die unterschiedliche Lesarten zulassen und dem erwachsenen Mitleser mitunter raffinierte ästhetische Genüsse offerieren, statt ihn auf seine Funktion als pädagogischen Vermittler zu reduzieren (Weinkauff & Glasenapp 2014: 44). Die Kindheit sei in der Romantik im Gegensatz zur Aufklärung anders betrachtet worden. In dieser Epoche „gilt die Kindheit als eine gerade aufgrund der Affinität zu der Sphäre des Wunderbaren, der Natur, der Religion und der Kunst schützenswerte Daseinsform“ (Weinkauff & Glasenapp 2014: 47). Man habe vor allem die sog. Volkspoesie als für Kinder und Jugendliche geeignete literarische Werke betrachtet (Weinkauff & Glasenapp 2014: 53). Die Rolle des Volkes und der eigenen Nation wurde in der Romantik aufgewertet, das Volk, als Quelle literarischer Werke wurde in den Vordergrund gestellt. In der Romantik sind noch die verschiedenen Sammlungen erwähnenswert, wie die Brüder Grimm im Bereich von Märchen. Das Biedermeier und der Realismus In dieser Epoche ist festzustellen, dass sich die Anzahl der Kinder an Schulen gestiegen ist, was dazu führte, dass immer mehr Kinder lesen und schreiben konnten (Kautt 2012). Deswegen wurde die Nachfrage nach Kinder- und Jugendliteratur größer. Auf der Seite des Angebots kann man nach Kautt beobachten, dass die verbesserten Drucktechniken und das Interesse der Verlage, beziehungsweise der Druckhäuser mehrere und billiger hergestellte Bücher ermöglichten (ebd.). Die kinder- und jugendliterarischen Werke konnten aber nicht nur deswegen weitere Kreise erreichen. Die verschiedenen Themen und die unterschiedlichen Preise haben auch erlaubt, dass immer mehr Menschen Zugriff auf diese literarischen Werke hatten. Im Fall der Kinder legt Kautt dar, dass die Kinder „mit eigenem Leseinteresse“ auch berücksichtigt wurden. Das heißt, dass es in diesen Epochen nach Kautt schon ein vielfältiges Lektüreangebot gab, wie zum Beispiel „technische Sachbücher, Abenteuer- und Indianerbücher“ für Jungen (wie Winnetou-Serie von Karl May oder aus der Weltliteratur Tom Sawyer von Mark Twain aus dem Jahr 1876) und die sogenannte „Mädchenliteratur“ oder „Backfischliteratur“ für Mädchen (wie Trotzkopf von Emmy von Rhoden aus dem Jahr 1885 oder Backfischchen‘s Leiden und Freuden von Clementine Helm aus dem Jahr 1871) (ebd.). Die Weimarer Republik und die Neue Sachlichkeit Im Hinblick auf die Kinder- und Jugendliteratur haben die Epochen der Wiemarer Republik bzw. der Neuen Sachlichkeit auch Veränderungen mit sich gebracht. Hier hätten die Autoren relativ wenige Phantasielektüre ge- Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 18 schrieben (ebd.), sondern sie hätten sich eher mit den aktuellen Geschehnissen der Welt beschäftigt. Als Ergebnis wurden nach Ewers solche Texte geschrieben, deren Thematik „eine Öffnung der Kinderliteratur hin auf die Welt der Erwachsenen intendiert. Sie rücken die Arbeitswelt, die Großstadt, schließlich auch die sozialen Verhältnisse in den Blick des Kindes“ (Ewers 2012). Sowohl Kautt, als auch Ewers erwähnen exemplarisch vor allem Emil und die Detektive von Erich Kästner. Nationalsozialismus In dem Nationalsozialismus bekommt die nationalsozialistische Ideologie eine sehr wichtige Rolle. In dieser Epoche durften nur Werke veröffentlicht werden, die dieser Ideologie entsprachen. Diese Bücher waren nach Kautt solche, die „die Kinder im Sinne des Nationalsozialismus zu ordentlichen, gehorsamen, dem Deutschtum, seiner Machterhaltung und Machterwieterung verpflichteten Menschen erziehen sollten“ (Kautt 2012), Die „emotionale Beeinflussung“ bekommt nach Kautt in diesen Texten eine ganz bedeutende Rolle (ebd.). Die Bücher, die diese Kriterien nicht erfüllten, wurden auf irgendeine Weise sanktioniert. Nachkriegszeit In der Nachkriegszeit ist hinsichtlich der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur zu berücksichtigen, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt wurde. So wurden aus dem ehemaligen Deutschen Reich zwei neue Staaten gegründet: Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Die verschiedenen politischen Einstellungen sind auch in kinder- und jugendliterarischen Werken wahrnehmbar. In der sozialistischen DDR wurde „von den Autoren eine sozialistisch-realistische Literatur gefordert, die sich auf die Zielvorstellungen des Kommunismus konzentrierte“ (Kautt 2012). Die Zensur spielt eine sehr große Rolle, auch Autoren war es bewusst, dass sie bestimmte Gedanken einfach nicht mitteilen dürfen. Wenn sie doch eine Botschaft vermitteln wollte, die den Regeln nicht entsprachen, „versuchten [sie] ihre Kritik zwischen den Zeilen zu verpacken“ oder eine andere Möglichkeit war es, „ihr[e] Texte in der BRD zu veröffentlichen“ (ebd.). Was ausländische Werke betrifft, gab es in erster Linie Bücher aus der „sowjetischen Besatzungsmacht“ (ebd.). Eine der wichtigsten Funktionen der Kinder- und Jugendliteratur war in der DDR die Erziehung und deswegen spielt diese Art von Literatur dort eine wesentliche Rolle. Im Laufe der Zeit hat sich die Thematik kinder- und jugendliterarischer Werke verändert. Nach Kautts Zusammenfassung kann Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 19 man feststellen, dass in den 1950er-Jahren die Vermittlung „eine[r] sozialistische[n] Weltsicht“ im Mittelpunkt stand. In den 1960er- und 1970erJahren haben sich die Autoren mit den „Alltagsprobleme[n] und persönlichen Konflikte[n] beschäftigt“ und in den 1980er-Jahren gab es „eine Hinwendung zu fantastischen Stoffen wie Märchen, Heldendichtungen [und] Mythen“ (ebd.). Die Autoren hätten dann angefangen, die Aufmerksamkeit ihrer Leser und Leserinnen auch auf globale Probleme (wie zum Beispiel auf den Umweltschutz) zu lenken. In der BRD, wo Marktwirtschaft entstand, hatte die Funktion der dortigen Kinder- und Jugendliteratur eher mit der Unterhaltung zu tun. Auch schon seit den 1950er-Jahren waren sowohl „klassische Märchen- und Heldendichtungen“, als auch ausländische Lektüren, wie Der kleine Prinz oder Tarzan zu finden (ebd.). Am Ende der 1960er-Jahren wurden die fantastischen Geschichten kritisiert und es wurde gefordert, dass die Kinderund Jugendliteratur die Aufgabe erfüllen sollte, Kinder und Jugendliche vor allem zum kritischen Denken und „selbständigem […] Handeln“ zu befähigen (ebd.). Später wurden die fantastischen Erzählungen wieder beliebt, aber die Darstellung der Wirklichkeit und die Sensibilisierung der Kinder bekamen auch eine bedeutende Rolle. Aktuelle Tendenzen der Kinder- und Jugendliteratur im deutschsprachigen Raum Zu gegenwärtigen Tendenzen gehört vor allem die Benutzung der verschiedenen Medien, mithilfe derer die kinder- und jugendliterarischen Werke vermittelt werden. Neben der schon in den früheren Jahrhunderten bekannten Büchern und Zeitschriften erschienen infolge der technischen Entwicklung seit dem letzten Jahrhundert immer mehr neue Erfindungen wie das Radio, der Film oder das Smartphone. Im schulischen Bereich sind auch die verschiedenen Hörbücher, Videos, E-Books oder Apps sehr hilfreich. Was die Thematik der zeitgenössischen Kinder- und Jugendliteratur betrifft, kann man auch im Einklang mit Jana Mikota feststellen, dass ein Hauptmerkmal des heutigen Angebots vor allem die Vielfältigkeit ist. Leser und Leserinnen können nicht nur verschiedene und dabei auch neue Gattungen wählen, sondern auch unterschiedliche Themen im Angebot finden. Die Gattungen, „wie Comicroman, Dokufiktion, fiktives Sachbuch oder Future-Fiction“ (Mikota 2015) sind heute auf der Leseliste von Jugendlichen wahrscheinlich zu finden. Auch sehr populär sind die sogenannten „Magie- und Fantasiebüche[r]“ und die japanischen Comics, die „Mangas“ (Kautt 2012). Unter den Werken sind die „hybride[n] Genre[s]“ auch sehr beliebt. Mikota erwähnt als Beispiel die sogenannte „Steampunk Novel“ Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 20 (Mikota 2015), in der sich typischerweise „Science-Fiction-Elemente“ und historische Geschehnisse miteinander mischen. Die Beschäftigung mit der Zukunft, vor allem die Dystopie (die Darstellung der kommenden Zeit mit einem negativen Ausgang) ist auch populär. Bilderbücher haben sich nach Kautt auch geändert: neben den bisherigen Werken, die „kunstvolle Illustrationen“ enthalten, erscheinen nun auch solche, deren Illustrationen nur das Ziel haben, den Text zu ergänzen (Kautt 2012). Bemerkenswert ist, dass die Kinder- und Jugendliteratur auf die aktuellen Geschehnisse unseres Zeitalters reflektiert. So begegnen die Figuren in den Büchern der heutigen Kinder- und Jugendliteratur auch der Interkulturalität, der Inklusion, dem Krieg, der Flucht oder Herausforderungen in der Familie (Mikota 2015). Die Stimmen in den Lektüren haben sich auch geändert, zum Beispiel erscheint in den modernen Werken ein „neutraler Erzähler“, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern keine Kommentare oder Urteile übermittelt (ebd.). Im Vergleich zu früheren Epochen, als oft nur ein Idealbild existierte und die guten Figuren nur einen möglichen, am meisten „den richtigen Weg“ wählen konnten, gibt es heute am Ende der Geschichten „keine klaren Antworten“; Kinder und Jugendliche haben deshalb die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie „das Handeln der Figuren“ für richtig oder für unfair halten (ebd.). Das ist ein beachtenswerter Schritt: mögliche Gründe können dafür sein, dass einerseits die Autoren beziehungsweise Autorinnen diese jungen Menschen dazu für fähig halten, eigene Entscheidung fast ohne Hilfe zu treffen, andererseits wird damit gerechnet, dass in den einzelnen Familien verschiedene Wertesysteme vorherrschen. Wichtig ist aber, dass die Möglichkeit, dass jemand eine andere Meinung haben kann, nicht so etwas ist, was man unbedingt korrigieren muss, sondern vielmehr eine Gegebenheit. Ein Beispiel von Jana Mikota für diese Werke, die dem Leser die Aufgabe überlassen, nach seinen eigenen Werten zu entscheiden, ist der Roman Elefanten sieht man nicht von Susan Kreller aus dem Jahr 2012 (ebd.). In diesem Roman geht es um ein kleines Mädchen, dessen Freundin von häuslicher Gewalt betroffen ist. Das Buch erzählt von den Bewältigungsversuchen der Kinder und von den Reaktionen der Erwachsenen. Der Titel ist auch bemerkenswert, er weist darauf hin, dass die Menschen die Sachen, die vor ihren Augen passieren, einfach nicht bemerken oder nicht bemerken wollen. Die Sensibilisierung und die Aufforderung zum Handeln (gegen Gewalt) spielen nicht nur im Buch, sondern auch heute eine sehr wichtige Rolle. Es wurde schon erwähnt, dass die Thematik der kinder- und jugendliterarischen Bücher die aktuellen Geschehnisse der Welt widerspiegelt. Die gesellschaftlichen Änderungen schaffen neue Protagonisten und neue Herausforderungen in den Werken. Mikota schreibt darüber wie folgt: Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 21 Die Kinder- und Jugendliteratur modelliert und konstruiert Mädchen-, Jungen- und Erwachsenenbilder, setzt sich mit gesellschaftlichen Diskursen […] auseinander und leistet mit Romanen […] auch einen wichtigen Beitrag zur Inklusion (Mikota 2015). Diese neu konstruierten Bilder sind besonders wichtig, vor allem, wenn man die bisherigen Tendenzen betrachtet. In ihrem Buch schreibt Laura Scheriau bezüglich des klassischen Märchens über die Figuren der Helden und der Prinzessinnen und erwähnt die sogenannte „Rollenfixierung“ (Scheriau 2014: 30f). Das bedeutet, dass in diesen Geschichten weibliche Figuren als passive, zu rettende Charaktere erscheinen, während männliche Figuren die aktive Rolle besetzen. Im Gegensatz dazu treten die Mädchen in heutigen kinder- und jugendliterarischen Werken „als emanzipierte und selbstständige Figuren“ auf (Mikota 2015). Obwohl bei Jungen „das Klischee des Abenteuerhelden“ heute nicht mehr so bezeichnend ist, ändert sich das Jungenbild nicht so schnell, wie es bei Mädchen passiert. Nach dem Artikel von Jana Mikota kann man feststellen, dass das Jungenbild vielfältiger wurde. Es scheint so, als ob Jungen in den Büchern aus der namenslosen „der-Prinz-Rolle“ heraustreten würden und sich diese Protagonisten folglich dem wahren Jugendlichen annähern würden. In der Kinderund Jugendliteratur erscheinen auch Jungen, die beispielsweise Probleme haben oder weniger begabt oder behindert sind. Sensibilität und Großspurigkeit gehören nach Mikota auch zu den modernen Jungenfiguren, diese schließen aber die Validität der Heldenfigur nicht aus (ebd.). Bei den Erwachsenenbildern hat sich die Darstellung der Großeltern und Urgroßeltern auch geändert. Der Paradigmenwechsel und damit eine andere Darstellungsweise ist nach Mikota in den 1970er-Jahren zu beobachten, indem die Gefühle und Probleme der älteren Verwandten fortan besser thematisiert wurden (ebd.). Zuerst erschienen mit den Omas und Opas in den Büchern auch die Krankheiten und Schwierigkeiten des Alterwerdens, dann lernen Leser und Leserinnen in den folgenden Jahren allmählich auch die eigenen Wünsche der Großeltern. In dem Roman Die Oma gibt dem Meer die Hand von Vera Ferra-Mikura aus dem Jahr 1982 möchte die Großmutter ans Meer fahren, deswegen verlässt sie ihre Familie (ebd.). Nach den 1990er-Jahren kommen in den kinder- und jugendliterarischen Büchern heute häufige Krankheiten wie Demenz oder Alzheimer vor, und es gibt auch Geschichten, in denen der Großvater oder die Großmutter in einem Altersheim lebt (ebd.). Die verschiedenen Darstellungen des Großelternbildes können dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche diese Lebensphase besser verstehen und vielleicht mit den eventuellen Schwierigkeiten ihrer Großeltern besser umgehen können. Sie können ihre eigenen Großeltern leichter in einem Buch „wiedererkennen“, was bei der Verarbeitung ihrer eigenen Erlebnisse sehr hilfreich sein kann. Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 22 Die heutigen gesellschaftlichen Tendenzen schlagen sich auch in den kinder- und jugendliterarischen Werken nieder, so bekommt das Thema Interkulturalität eine große Aufmerksamkeit. Die Sensibilisierung der jungen Generation spielt eine wichtige Rolle, deswegen ist es nützlich, wenn sie zum Beispiel über die verschiedenen Lebensformen lesen können. Jana Mikota nennt als Beispiel Zoran Drvenkars Romane. Er hat seine Inspiration aus seinem eigenen Leben geschöpft. Aus seinen Romanen können Leser die verschiedenen persönlichen Herausforderungen kennenlernen: Die Protagonisten sollen vor allem zwischen zwei verschiedenen Kulturkreisen die Balance finden, Freundschaften schließen und auch das Wertsystem seiner eigenen Familie nicht vergessen. Es werden Themen wie Rassismus und Gewalt gegen Geflüchtete, bzw. Asylsuchende sowie Mobbing im Kontext der Interkulturalität auch in anderen Werken behandelt (Mikota 2015). Selbst die Darstellung der Flucht erscheint immer wieder in heutigen kinder- und jugendliterarischen Büchern. Das ist aber kein neues Phänomen, in den früheren Epochen, zum Beispiel in der Zeit der Exilliteratur, wurden Themen wie Flucht und Krieg ebenfalls behandelt (ebd.). In den zeitgenössischen Werken erscheinen neben diesen Themen auch der Terror oder die Naturkatastrophen (ebd.). In dem Roman Dazwischen: Ich von Julya Rabinowich aus dem Jahr 2016 geht es um das Leben eines Flüchtlingskindes. Madina, die mit ihrer Familie in Deutschland angekommen ist, soll ein neues Leben anfangen. Sie hilft ihren Eltern, schließt neue Freundschaften und versucht, die Schwierigkeiten zu überwinden. Leser lernen Madinas Wünsche, Ängste und Schmerzen auch kennen. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Kinder- und Jugendliteratur fast immer die Geschehnisse ihrer Entstehungszeit reflektierte. Ihre Funktionen sind doppelseitig: Einerseits helfen kinder- und jugendliterarische Werken Kindern, sich in die Gesellschaft möglichst erfolgreich zu integrieren. Das bedeutet, dass durch diese Texte Kinder und Jugendliche einen Überblick über die kulturellen, geschichtlichen, politischen, sozialen Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft bekommen können. Andererseits können Erwachsene diese Werke so verwenden, dass sie Kindern und Jugendlichen Gedanken und Werte vermitteln können, die sie für wichtig halten. In der Gegenwart hat das sich auch nicht verändert. Interkulturalität in der Schule Wie schon oben betont wurde, gehören auch kinder- und jugendliterarische Werke zur Kultur eines Volkes. Bevor ich die Einsatzmöglichkeiten dieser Werke thematisiere, versuche ich einen kurzen Überblick darüber zu Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 23 geben, wie die Kultur und die Interkulturalität selbst in der Schule erscheinen kann. Es ist vorgeschrieben, dass Lehrpersonen nicht nur die Sprachkenntnisse, sondern auch die interkulturelle Kompetenz von Lernenden entwickeln sollen. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich auf diese Weise auch über die Kultur und die Traditionen des Zielsprachenlandes im Klaren sein. Um dieses Ziel zu erreichen, können Lehrpersonen verschiedene Kursbücher, Arbeitsbücher und Aufgabensammlungen als Hilfsmittel verwenden. Als Beispiel habe ich das Kurs- und Arbeitsbuch Direkt 3 von Klett Verlag ausgewählt. Dieses Lehrbuch wurde für Deutschlernende ab 14 bis 18 Jahre konzipiert. Es berücksichtigt die Altersbesonderheiten und die Aufbereitung der verschiedenen Themen kann auf Sprachlernende motivierend wirken. Wichtig ist, dass die vielfältigen Aufgaben alle vier Fertigkeiten – wie Lesen, Hören, Schreiben, Sprechen – fördern. Interkulturalität erscheint in fast jeder Lektion. Beispielsweise verarbeitet Lektion 22 das Thema Familie. In diesem Teil können Lernende die verschiedenen Formen des Zusammenlebens aus einem Text kennenlernen und mit der SOS-Methode (Sammeln – Ordnen – Systematisieren) bearbeiten. Somit werden Begriffe wie „traditionelle Familie“, „Großfamilie“, Patchwork-Familie“, „Einelternfamilie“ und „kinderloses Ehepaar“ erklärt. Eine interessante Aufgabe ist auch, dass Lernende die Möglichkeit haben, über die Familienformen früherer Zeiten zu diskutieren. In dem zweiten Teil der Lektion geht es um Mann und Frau. Hier besprechen Lernende auch Klischees und Stereotype über Männer und Frauen. Es wäre in einer Klasse mit erweitertem Deutschunterricht interessant, die verschiedenen Vorstellungen in den einzelnen Kulturen und Kulturkreisen über Frauen und Männer miteinander zu vergleichen. Im Schlusskapitel der Lektion steht die Beschäftigung mit Kultur und mit Interkulturalität am deutlichsten im Fokus. Hier geht es um Feiertage. Lernende haben die Möglichkeit, durch kurze Texte die wichtigsten Merkmale, die Herkunft und die Traditionen dieser Feiertage kennenzulernen. Dabei erscheinen die Adventszeit, der Nikolaustag, Weihnachten, Ostern, Halloween und der Geburtstag. Das Buch behandelt später, in Lektion 24 die bekanntesten Events der deutschsprachigen Länder wie das Oktoberfest in München, die Frankfurter Buchmesse, die Berlinale oder den Engadin in der Schweiz. Was Interkulturalität betrifft, sind Lektion 25 und Lektion 30 bemerkenswert. In der Lektion 25 bekommen Lernende Bilder und Informationen über Ungarn und in der Lektion 30 sind Deutschlandbilder zu finden. Sie können ihre bisherigen Kenntnisse nutzen und auch erweitern. Sie können die wichtigen Symbole, die Architektur, die Traditionen und die größeren Städte der beiden Länder kennenlernen. Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 24 Zur Erweiterung interkultureller Kompetenz können Lehrpersonen noch verschiedene Übungsbücher und Hilfsbücher verwenden. Ein ungarisches Beispiel hierfür ist Ildikó Lázárs Spielsammlung 33 kulturális játék a nyelvórán (dt.: 33 kulturelle Spiele in der Sprachstunde). Das Ziel dieser interkulturellen Spiele ist, dass Lernende nicht nur die Zielsprache selbst, sondern auch die interkulturelle Kommunikation üben können. Hier spielen nicht unbedingt die landeskundlichen Kenntnisse eine große Rolle, sondern vielmehr werden die gesellschaftlichen Traditionen und Wertsysteme behandelt (Lázár 2006: 10). Als Beispiel wird erwähnt, dass in manchen Kulturkreisen Aufforderungssätze unhöflich wirken, wenn man um etwas bitten möchte. Stattdessen sollte man eher Fragen verwenden. Auch die Körpersprache oder Körperkontakte sind kulturabhängig. Kinder- und Jugendliteratur in dem fremdsprachigen Deutsch- unterricht In der Gegenwart wurde die Rolle der Schulen bezüglich der Vermittlung kinder- und jugendliterarischer Werke verstärkt. Nicht nur der (muttersprachliche) Literaturunterricht hat die Möglichkeit, diese Werke Schülern und Schülerinnen vorzustellen, sondern es ist auch eine Aufgabe der „Schul- und Klassenbüchereien“ (Weinkauff & Glasenapp 2014: 236) Nicht zuletzt können sich Lernende auch in anderen Unterrichtsstunden mit diesen Lektüren beschäftigen. Kinder- und jugendliterarische Texte bedeuten vor allem eine gute Basis für den Fremdsprachenunterricht, aber sie können noch „im Geschichts-, Gemeinschaftskunde-, und Religionsunterricht“ vorkommen (ebd.). Sie lassen sich zweifelsohne in jedem Lehrfach einsetzen, wenn man Lernende motivieren möchte. Die Verwendung kinder- und jugendliterarischer Werke im Unterricht ist ein ganz untersuchtes Thema. Weinkauff und Glasenapp heben in ihrem Werk im Hinblick auf Deutschland hervor, dass kinder- und jugendliterarische Werke an den meisten Schulen erscheinen, aber bemerkenswert ist, dass die Aktualitäten aus dem Buchmarkt oft fehlen. Ein Grund dafür kann sein, dass selbst die Lehrpersonen diese aktuellen Werke nicht kennen (Weinkauff & Glasenapp 2014: 236) Der Einsatz kinder- und jugendliterarischer Werke ist auf jeden Fall positiv. Weinkauff und Glasenapp verweisen auf viele wissenschaftliche Arbeiten, in denen die Möglichkeiten und Auswirkungen der Auseinandersetzung mit diesen Lektüren an Schulen untersucht wurden. Die Ergebnisse zeigen vor allem, dass man mit der Kinder- und Jugendliteratur die „Lesemotivation“ der Kinder und Jugendlichen fördern kann, denn Schülerinnen und Schülern finden diese Texte spannend und damit kann folglich die so- Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 25 genannte „literarische Genussfähigkeit“ gesteigert werden (Weinkauff & Glasenapp 2014: 240f). Im „literarisierende[n] Unterricht“ (Weinkauff & Glasenapp 2014: 241) ist es wichtig, auch Texte zu bearbeiten, die nicht unbedingt zu der positiv sanktionierten Kinder- und Jugendliteratur gehören, weil es vorkommen kann, dass man eben mit diesen Texten die Motivation stärken kann. Diese Texte können auch zur Förderung von Fantasie und Kreativität beitragen. Die Entwicklungen der „Literaturdidaktik“ zeigen sich heute ganz deutlich – das heißt, immer mehr Projekte, Publikationen oder Initiativen erscheinen und die Beschäftigung mit kinder- und jugendliterarischen Werken an den meisten Schulen gerne gesehen ist (Weinkauff & Glasenapp 2014: 245). Die Veränderung der Lesegewohnheiten von heutigen Kindern und Jugendlichen soll man aber nicht außer Acht lassen. Viele Jugendliche finden das Lesen einfach nicht spannend, oder eben langweilig. Der Literaturunterricht spielt aber auch eben deswegen eine wesentliche Rolle, weil dort Jugendliche verschiedene literarische Werke kennenlernen können, auch wenn sie keine Lust zum Lesen haben. Das Lesen, als Thema erscheint auch in dem gymnasialen Fremdsprachenunterricht, so habe ich das Kurs- und Arbeitsbuch Ausblick 2 vom Hueber Verlag ausgewählt, um diese Unterrichtskontexte zu untersuchen. In der dritten Lektion finden wir das Thema Lesen. Auf der ersten Seite dieser Lektion sind verschiedene bunte Bilder über kinder- und jugendliterarische Werke zu sehen sowohl aus der deutschen Literatur, als auch aus der Weltliteratur,wie zum Beispiel Max und Moritz von Wilhelm Busch, Das kurze Leben von Sophie Scholl von Hermann Vinke oder Harry Potter von J.K. Rowling. Lernende haben dabei die Möglichkeit, verschiedene Gattungen wie Comics, Fantasieromane, Liebesromane oder Sachbücher kennenzulernen. Sie können auch selbst ein bisschen recherchieren und lernen, wie man ein Buch vorstellen kann. Auch Hörbücher werden in dieser Lektion behandelt. Ein Sonderbereich innerhalb der Kinder- und Jugendliteratur an Schulen ist der fremdsprachige Deutschunterricht und das Märchen, das eine Gattung der Kinder- und Jugendliteratur ist. Der Einsatz von Märchen bietet eine ganz besondere Möglichkeit im fremdsprachlichen Deutschunterricht. Natürlich ist dieses Thema sehr komplex und wirft viele Fragen auf, wie zum Beispiel: Wie kann man Märchen im fremdsprachigen Deutschunterricht erwerbsfördernd verwenden. Können die Märchen den Unterricht erfolgreicher machen? Was für Märchen sind für den fremdsprachigen Deutschunterricht geeignet? Wie soll man Märchen auswählen? In welchen Unterrichtsphasen kann man mit Märchen arbeiten? Welche Altersstufe zeigt sich offen für Märchen? Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 26 Ein deutlicher Vorteil ist, dass Märchen die Kreativität und zum Beispiel durch die Erkennung von Zusammenhängen die Fähigkeit zum logischen Denken fördern. Hierbei spielen die ständigen Attribute und die Wiederholungen in den Märchentexten eine sehr wichtige Rolle. Märchen erwecken außerdem die Aufmerksamkeit von Sprachlernenden und unterstützen zum Beispiel durch Gruppenarbeit oder Rollenspiele ihre sozialen Fähigkeiten, Mit dem Einsatz von Märchen lernen Schülerinnen und Schüler auch die deutschsprachige Literatur und Kultur sowie die Traditionen, oder die gesellschaftlichen Einrichtungen des Zielsprachenlandes kennen. Diese Texte seien auch deswegen wichtig, „denn Märchen gibt es in allen Kulturen“ (Scheriau 2014: 8). Bei Märchen werden oft nur die Kinder als „Zielgruppe“ genannt. Die Jugendlichen an Schulen können aber auch Märchentexte analysieren, eigene Texte schreiben oder die verschiedenen Geschichten miteinander vergleichen. Scheriau stellt fest, dass Erwachsene durch die Beschäftigung mit der Kinder- und Jugendliteratur emotional angesprochen werden können (ebd.). Im Erwachsenenunterricht kann nach Scheriau vor allem die Motivationskraft der Märchen erwähnt werden (ebd.). Diese besteht beispielsweise darin, dass die einzelnen Märchen oft international bekannt sind, – Scheriau verweist exemplarisch auf die Grimm’schen Märchen – deshalb kann der Spracherwerbsprozess leichter sein (Scheriau 2014: 55). Der Grund dafür ist, dass Sprachlernende über „Vorwissen über die Inhalte und Struktur des Märchens“ verfügen, somit ist das Textverstehen leichter und das Erfolgserlebnis größer (ebd.). Scheriau hebt darüber hinaus zum Einsatz kinder- und jugendliterarischen Werken hervor, dass es von der jeweiligen Lerngruppe abhängt, welche Lektüren ausgewählt werden (ebd.). Es sei auch wichtig, dass Schülerinnen und Schüler nicht unbedingt den ganzen Roman lesen müssen, sondern sie können sich mit ausgewählten Textpassagen auseinandersetzen und Leseverstehen, Hörverstehen, Schreiben oder Sprechen üben und ihre landeskundlichen Kenntnisse vertiefen (Scheriau 2014: 56). Was Sprachlehrende betrifft, ermöglichen Märchen auch die kreative und spannende Zusammenarbeit von mehreren Schülerinnen und Schülern. Wie können dann Märchen in den fremdsprachigen Deutschunterricht eingesetzt werden? Welche Aufgabentypen kann man verwenden? Natürlich braucht man dafür didaktisierte Materialien. Angelika Lundquist-Mog bearbeitete 12 Grimm-Märchen für das Goethe-Institut im Jahr 2012 anlässlich der Erscheinung der Märchensammlung Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm vor 200 Jahren. Für jeden Monat gibt es ein Märchen: Januar – Frau Holle, Februar – Der Froschkönig, März – Aschenputtel, April – Sterntaler, Mai – Dornröschen, Juni – Rotkäppchen, Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 27 Juli – Rapunzel, August – Tischchen deck dich, September – Schneewittchen, Oktober – Rumpelstilzchen, November – Die Bremer Stadtmusikannten, Dezember – Hänsel und Gretel. Zu diesen Märchen gibt es eine sehr kreative, vielfältige und spannende Aufgabensammlung für die Niveaustufen A2 und B1. Diese Aufgabensammlung des Goethe-Instituts enthält mehrere Aufgabentypen. Was das didaktische Konzept betrifft, können die Aufgaben in drei Gruppen verteilt werden: 1) Vor dem Lesen; 2) Während dem Lesen; 3) Nach dem Lesen. Diese Herangehensweise ist in der Arbeit mit literarischen Werken ganz gewöhnlich. Auch Emer O’Sullivan und Dietmar Rösler erwähnen in ihrem Artikel in der Zeitschrift Fremdsprache Deutsch unter Rückgriff auf Caspari und Koppensteiner einige Tätigkeiten, die bei der Didaktisierung von Lektüren verwendet werden können. Sie erwähnen zum Einstieg Aufgaben wie die Verarbeitung „zum Text passende[r] visuelle[r] Medien“, die Sammlung von „Schlüsselwörtern“ und die Erstellung von „Wortfeldern“ sowie „die Aktivierung vom Vorwissen (O’Sullivan-Rösler 2002: 8). Für die mittlere Phase der Textarbeit empfehlen die Autoren vor allem „die Vervollständigung eines vorgegebenen Textanfangs“, Lückentexte, das Schreiben eines eigenen Lesetagebuches oder die Gestaltung eines Standbildes, das die ersten Leseeindrücke zeigt (ebd.). Zu der letzten Phase werden kreative und spielerische Aufgaben wie „der Wechsel der Erzählperspektive“ oder der „Textsorten“ und „die Entwicklung inhaltlicher Alternativen oder sogar alternativer Texten“ vorgeschlagen (ebd.). Diese Aufgabentypen sind auch in der genannten Sammlung zu finden. Zusammenfassung Es ist höchst interessant, dass die Kinder- und Jugendliteratur fast immer ihre Entstehungszeit reflektierte. Kinder- und jugendliterarische Texte geben Kindern und Jugendlichen einen Überblick über die kulturellen, geschichtlichen, politischen und sozialen Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft. Außerdem können Erwachsene diese Werke so verwenden, dass sie damit Kindern und Jugendlichen Gedanken und Werte vermitteln können, die sie für wichtig halten. In den gegenwärtigen kinder- und jugendliterarischen Lektüren finden wir Themen, denen ein Kind heute wahrscheinlich begegnen kann. Diese Themen sind vor allem Interkulturalität, Migration, Altern, Krankheiten, Mobbing oder Probleme in der Familie. Vor allem die Vielfältigkeit ist ein wichtiges Merkmal der heutigen Kinder- und Jugendliteratur. Es ist diesen Umständen zu verdanken, dass sich kinder- und jugendliterarische Werke auch im Unterricht sehr produktiv und unterschiedlich einsetzen lassen. Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 28 Literatur Ewers, Hans-Heino: Literatur für Kinder und Jugendliche. Eine Einführung. 2. überarb. u. aktual. Aufl. Paderborn: Wilhelm Fink, 2012. Fischer-Mitziviris, Anni: Ausblick 2. Kursbuch. Ismaning: Hueber Verlag, 2009. Lázár, lldikó: 33 kulturális játék nyelvórán. Segédkönyv tanároknak az interkulturális kompetencia fejlesztéséhez nyelvórákon és kommunikációs tréningeken. Budapest: OPKM-ECML-Magyarországi Kontaktpont. 2006. O’Sullivan, Emer & Rösler, Dietmar: Kinder- und Jugendliteratur im Deutschunterricht. Fremdsprache Deutsch. 2002/27, S. 5-9. Motta, Giorgo, Cwikowska, Beata & Oros, Andrea: Direkt 3. Kursbuch. Budapest: Klett Verlag, 2010. Pöge-Alder, Kathrin: Märchenforschung. Theorien, Methoden, Interpretationen. Tübingen: Narr Francke Attempto, 2006. Rabinowich, Julya: Dazwischen: Ich. 5. Aufl. München: Carl Hanser, 2016. Scheriau, Laura: Kinderliteratur im Deutschunterricht. Spracherwerb durch Märchen. Hamburg: Diplomica, 2014. Themenratgeber: Reihenplanung konkret – Märchen im Deutschunterricht. Münster: School-Scout, 2011. Weinkauff, Gina & Glasenapp, Gabriele v.: Kinder- und Jugendliteratur. 2. Aufl. Paderborn: Ferdinand Schöning, 2014. Internetquellen Ewers, Hans-Heino: Kinder- und Jugendliteratur der Jahrhundertwende und der Weimarer Republik. 2012. URL: http://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/kinder-und- jugendliteratur/104-mediageschichte/literaturgeschichte/462- kinderliteratur-der-jahrhundertwende-und-der-weimarer-republik (letzter Zugriff: 14.03.2019.) Kautt, Annette: Kinder- und Jugendliteratur. 2012. URL: http://www.literaturlexikon.de/sachbegriffe/kinder_und_jugendliterat ur.html (letzter Zugriff: 10.03.2019.) Lundquist-Mog, Angelika: Märchenhaft. Unterrichtsvorschläge rund um das Thema Märchen. Goethe Institut. München: h3a Mediengestaltung und Produktion 2012. URL: http://www.goethe.de/lrn/pro/maerchen/unterrichtsmaterial/2016/GI _Maerchen_Gesamte_Didaktisierung.pdf (letzter Zugriff: 26. 03. 2019) Fanni Boglárka Farkas: Kinder- und Jugendliteratur und Interkulturalität in dem fremdsprachigen Deutschunterricht Werkstatt 14 (2019) 29 Mikota, Jana: Trends und Tendenzen. Ein Blick auf die deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur nach der Jahrtausendwende. 2015. URL: http://literaturkritik.de/id/21385 (letzter Zugriff: 15.03.2019.) Rebling, Karoline: Zukunft für Phantasie – Der Verlag Friedrich Oetinger. 2004. URL: http://www.goethe.de/ins/es/mad/prj/kuj/lit/de207022.htm (letzter Zugriff: 18.03.2019.)