LESEN 1 Sehen Sie sich den Lesetext an. Lesen Sie zuerst nur die Überschrift und den fett gedruckten Absatz daneben. Worum geht es in dem Text? Ob auf Urlaubsreisen oder beim Surfen im Internet - wer Fremdsprachen spricht, kommt schneller an sein Ziel. Und wer beruflich etwas erreichen will, kann auf Fremdsprachen nicht verzichten. Vom künftigen Idealbürger Europas wird sogar erwartet, dass er sich in mindestens zwei Fremdsprachen unterhalten kann. Die Frage, wie man möglichst effektiv Fremdsprachen lernt, wird damit immer wichtiger. Experten haben inzwischen recht genau untersucht, was beim Sprachenlernen tatsächlich geschieht. In der Europäischen Union arbeiten 10 derzeit ungefähr zwölf Millionen Europäer außerhalb ihrer Heimatländer. Circa sechs Millionen leben als „Gastarbeiter", Flüchtlinge und Asylsuchende meist für längere 15 Zeit in Deutschland. Das Erlernen der deutschen Sprache ist für sie der Schlüssel zur Integration in ihrer neuen Umgebung". Ohne jeden Unterricht haben die meisten von 20 ihnen sich die Sprache dieser Umgebung angeeignet. An ihnen haben Linguisten beobachtet, was bei dem Vorgang des natürlichen Lernens ohne systematischen 25 Sprachunterricht, dem so genannten „ungesteuerten Fremdsprachenerwerb", passiert. Die vergleichenden Untersuchungen, die Forscher des Max-Planck-Instituts für Psy- 30 choling'uistik in sechs europäischen Ländern durchgeführt haben, zeigen, dass drei Faktoren für das erfolgreiche Erlernen einer Sprache wichtig sind: die Lern- 35 motivation, das eigene Sprachtalent und der Zugang, den man zu der fremden Sprache hat. Die Forscher fanden heraus, dass sich die Ausländer die neue Spra- 40 che rasch nach dem gleichen typischen Muster aneigneten: Zuerst lernten sie wichtige Nomen und Verben sowie die Personalpronomen ich und du. Endungen ließen 45 sie weg. In einer zweiten Stufe folgten Modalverben wie müssen und können und schließlich die Hilfsverben haben und sein. Dieser es Lernprozess vollzieht sich inner- 50 halb der ersten zwei Jahre. Danach konnten sich die untersuchten Personen meist nicht weiter sprachlich verbessern. Ihre Spra- oo che „fossilierte", d.h. sie blieb auf 55 dem erreichten Niveau stehen. Ganz anders ist dagegen die Situation bei den Kindern dieser Einwanderer. Diejenigen, die ihre 95 Muttersprache bereits beherrschet) ten, lernten die Zweitsprache schneller und besser als ihre Eltern. Sie wachsen kontinuierlich in die fremdsprachliche Umgebung 100 hinein. Aufgrund ihres ausge-65 prägten Spieltriebes fällt es ihnen leicht, die Freunde sprachlich zu imitieren. Ihre Angst vor Fehlem ist geringer als bei Erwachsenen. ios Zu diesen psychosozialen Aspek-70 ten kommt ein biologischer Faktor hinzu: Bis zum 12. Lebensjahr nimmt man Fremdsprachen besonders leicht auf, da das Gehirn bis no dahin relativ leicht neue Nerven-75 Verbindungen ausbildet. Auch das phonetische Repertoire ist noch offen und formbar; daher sprechen Kinder die zweite Sprache ns meist akzentfrei. 80 Erwachsene Lerner erfassen die komplexen Strukturen einer Sprache nicht mehr spontan durch jj u»* XU. cL Sys t* Ä P Ylf* T\ jL €J "30 XÜ © Jü*l ur Europa - » d a > aber wie? einfaches Nachahmen. Während Kinder eher assoziativ lernen und mehr auf Wortklänge reagieren, gehen Erwachsene vor. Sie vergleichen die Fremdsprache mit den Strukturen ihrer Muttersprache, übersetzen und suchen bewusst nach Regeln. Ein weiterer Unterschied betrifft das Aufschreiben des Gehörten. Für Erwachsene ist es eine große Erinnerungshilfe, wenn sie sich Dinge notieren können. Tests haben gezeigt, dass man sich bei gehörten Informationen an 10 Prozent erinnert, bei gelesenen an 30 Prozent und bei solchen, die mit aktivem Verhalten zum Beispiel in Form des Aufschreibens oder des darüber Sprechens verbunden sind, an 90 Prozent. Konsequenz für das Fremdsprachenlernen: Es ist zu empfehlen, eine neue Sprache mehrere Wochen lang im Land selbst zu lernen. Für diejenigen, die sich das nicht leisten können, bleibt ein Trost: Auch im heimischen Sprachkurs kann man einiges unternehmen, um in der Fremdsprache aktiv zu sein: Diskussionen führen, Projekte bearbeiten sind nur zwei der zahlreichen Möglichkeiten. Dem Ideenreichtum von Lernern und Lehrern sind keine Grenzen gesetzt. 29