128 4 Feministische Sprachpolitik weder öffentlich noch innerhalb des Betriebs nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben ...") eine sprachpolitische Maßnahme ergriffen, die auch eine sprachliche Diskriminierung von Frauen (durch Nichtncnnen) verhindern soll. Die Stellenausschreibungen folgen oft schon der ausgeschriebenen Beidbenennung oder benutzen Formen der Sparschreibung. Obwohl die Diskriminierung von Frauen durch die Textformulierung in den letzten Jahren erheblich abgenommen hat, bleibt eine Diskriminierung von Frauen bei Stellenanzeigen für Führungskräfte und Führungskräftenachwuchs nachweisbar. Dort werden noch 45 Prozent der Stellenanzeigen nur für Männer ausgeben.8 Auch journalistische Glossen sind sprachpolitische Maßnahmen, die dem Ziel der Gleichbehandlung zuarbeiten; ebenso Vorschläge, die das Sprachsystem zu verändern oder die Rechtsbegriffe neu zu formulieren und damit neu zu definieren suchen. Bei den Berufsbezeichnungen (Abschnitt 3.3) und bei der Rechtssprache (Abschnitt 3.4) haben wir gesehen, daß die feministische Sprachkritik eine Veränderung des Sprachgebrauchs wünscht. Sie formuliert diese gewünschten Veränderungen in Empfehlungen, Rundschreiben und Aufsätzen. Diese sprachpolitischen Maßnahmen beginnen bereits zu greifen. 4.2 Sexistischer Sprachgebrauch „Sexistische Einstellungen sind fest in unserer Gesellschaft verankert. Frauendiskriminierung und Frauenfeindlichkeit gehören dazu."9 Wenn es eine Benachteiligung und Diskriminierung von Personen auf Grund ihres Geschlechts gibt, so ist zu vermuten, daß diese Diskriminierung sprachlich ihren Niederschlag findet. In der Theorie der Feministischen Linguistik können prinzipiell sowohl das Sprachsystem als auch der Sprachgebrauch sexistisch sein. Sexistische Sprache meint prinzipiell die Sprache, mit der Frauen angesprochen werden und mit der über Frauen gesprochen wird, wenn diese Sprache herabsetzt, verunglimpft oder Frauen auf andere Weise kritisiert. Dabei ist das Geschlecht der Sprecherin oder des Sprechers irrelevant.10 8Domsch/Ladwig (1993). 9Hellinger/Kremer/Schräpel (1989), S. 1. 10Hill (1986), S. XIV; nach Gräßel (1991), S. 24; von mir übersetzt. 5cuu)Jl i^Ooo) - ííh^liVU/rj i/n W 4.2 Sexistischer Sprachgebrauch 129 Nach den Autorinnen der Richtlinien für nichtsexistischen Sprachgebrauch besteht die Diskriminierung von Frauen in unserer Sprache11 vor allem in vier Bereichen: „Wenn Frauen und ihre Leistungen ignoriert werden, wenn Frauen in stereotypen Rollen beschrieben werden, wenn sie herabsetzend behandelt werden oder wenn sie in Abhängigkeit von und zu Männern beschrieben werden."12 Trömel-Plötz (1982) spricht von „vulgärem sexistischem Sprachgebrauch", wenn Männer von Frauen verniedlichend als Mädchen sprechen oder wenn ein Bild geschaffen wird, in dem Frauen als dumm gedacht und beschrieben werden. Damit werde eine Weltsicht vermittelt, in der jeder Mann (und sei er noch so dumm) jeder Frau überlegen ist, - allein auf Grund seines Geschlechts. Trömel-Plötz sieht hier die Parallele zum weißen Rassismus. Sexistischer Sprachgebrauch manifestiert sich als offene und sublime sprachliche Gewalt (vergleiche Kapitel 1). War das Geschlech-terverhältnis als Machtverhältnis beschrieben, so rindet der Gewaltbegriff seine Anwendung, wenn es um die Beschädigung von Personen durch Sprache geht. In gemischtgeschlechtlichen Gesprächen beispielsweise findet sich die sublime Gewalt als Ungleichbehandlung von Frauen als Gesprächspartnerinnen von Männern. Weder ihre Leistung noch ihre Arbeit im Gespräch werden honoriert, noch wird ihnen die eigene professionelle Kompetenz garantiert (vergleiche Kapitel 6). Darin liegt nach Trömel-Plötz sogar eine „Vergewaltigung" von Frauen in Gesprächen.1*' Um den Begriff der Vergewaltigung nicht zu verharmlosen, indem er für sprachliche Formen der Gcwall.aiisübung benutzt wird, wird er in der neueren Literatur zugunsten des Begriffs der Gewalt nicht mehr verwendet.H Der feministische Begriff der Gewalt, wie er von mehreren Autorinnen benutzt wird, wurde von Frank (1992) analysiert. Sie fand, daß darauf die Definition von Galtung (1975) paßt. Nach Galtung '' liinen Forschungsüborblick zum sprachlichen Sexismus geben zum Beispiel Schoenthal (1985, 1992, 1998), Gräßel (1991). 12Hellinger/Kremer/Schräpel (1989), S. 1. "Trömel-Plötz (1984a), S. 66. "Zum feministischen Begriff der Gewalt siehe Trömel-Plötz (1984a), S. 50 IT., Gräßel (1991), S. 23, Hornberger (1993), S. 90 ff„ und vor allem Frank (1992), S. 1-15. 130 4 Feministische Sprachpolitik liegt Gewalt immer dann vor, „wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung."15 Galtung unterscheidet zwischen personaler und struktureller Gewalt: Nicht nur von Personen kann Gewalt ausgehen, sondern auch von Inl.eraktionssystemen beziehungsweise von Strukturen, die als geltende Ordnung etabliert sind. Den Betroffenen entsteht in jedem Fall ein Schaden. Sprachlicher Sexismus ist eine Form von Gewalt durch Sprache. Der Gewaltbegriff in der feministischen Sprachwissenschaft weist sowohl auf das Sprechen hin (beispielsweise bezieht sich die Beschimpfung einer Frau als dumme Gans oder Nervensäge auf Regeln des Sprachgebrauchs) als auch auf grammatische Normen wie die Wortbildungs- oder Kongruenzregeln. Normen unterscheiden sich von Regeln, indem bei ersteren eine Regelformulierung vorliegt, die die Einhaltung der Norm fordert. Dabei muß es eine Normquelle wie etwa den Rechtschreibduden geben, auf Grund derer die Einhaltung der Norm gefordert werden kann. Doch erst wenn Personen oder Personengruppen Muster sprachlicher Handlungen kritisieren oder andere favorisieren, besteht Bedarf an Normierung. Dann nämlich ist eine Normänderungsbestrebung im Gang.16 Mit dem Begriff der sprachlichen Gewalt sind unterschiedliche Bedeutungsvarianten verknüpft:17 1. Wenn Männer Frauen nicht ausreden lassen, sondern ihnen das Wort, abschneiden, wenn sie die Gesprächsthemen bestimmen oder mehr reden, üben sie personale Gewalt aus.18 Hierzu zählen ebenso die Beschimpfung einer Frau wie der Gebrauch des generischen Maskulinums. Letzteres bedeutet sexistische Gewalt insofern, als die Einwirkungen nur gegenüber Frauen möglich sind beziehungsweise nur Frauen einschränken. Die Bestimmung von Gesprächsthemen oder die Okkupation von Redezeit müssen nicht als sexistische Gewalt wahrgenommen werden; sie sind oft unauffällige Selbstverständlichkeiten gegenüber Frauen.19 '''Galtung (1975), S. 9, nach Frank (1992), S. 5. 16Nach Hornberger (1993), S. 92 f. 1 Ich lehne mich bei der Einteilung an Hornberger (1993) an und ergänze seine Ausführung. 18Homberger (1993), S. 91 f. '"Frank (1992), S. 11 f. 4.2 Scxistischcr Sprachgebrauch 131 2. Psychische Gewalt liegt vor, wo Trömel-Plötz Männer über die Sprache verfügen sieht, weil sie in der Öffentlichkeit sprechen, neue Wörter oder neuen Sprachgebrauch einführen sowie Sprache beschreiben und kodifizieren. „Sie definieren und fixieren uns [die Frauen] sprachlich."20 Trömel-Plötz sieht die Terrorisicrung von Frauen durch psychische Gewalt gegeben, auch wenn diese geistigen Gewaltakte durch Sprache vermittelt werden. Hierzu zählt sie Sprech-handlungen wie Beleidigung, Beschimpfung, Verleumdung, Diskreditierung, Herabminderung, Mißachtung, Abwertung, Ignorieren, Lächerlichmachen bis hin zur Demütigung und zum Rufmord.21 Diese Formen von Gewalt sind auch personal, da sie von Personen gegenüber anderen Personen ausgeübt werden. 3. Das Gesprächsverhalten von Männern basiert auf Einstellungen aus einer geschlechtsspezifischen Übernahme von kulturellen Werten und Normen (Enkulturation); sie wird in der Regel nicht bewußt eingesetzt und erst in der Analyse und deren Interpretation sichtbar. Enstspringt daraus Gewalt, so ist sie sublim. 4. Strukturelle Gewalt zeigt sich sowohl in Eigenschaften unseres Sprachsystems als auch in androzentrischer Sprachverwendung. Pusch nennt diese Eigenschaften „Sprachpathologien".22 Strukturelle Gewalt ist hinter dem generischen Gebrauch des Maskulinums festzustellen, an der Movierung von Personenbezeichnungen und an Referenzen (Bezügen) im Pronominalsystem (das heißt daran, daß sich grammatisch maskuline Pronomen sowohl auf Männer als auch auf Frauen beziehen können). Hier geht von allgemein gültigen sprachlichen Regeln und semantischen Normen Gewalt aus. Die strukturelle Gewalt richtet sich nicht gegen Individuen.23 Werden nur Frauen so beeinflußt, daß sie sich nicht in der Art verwirklichen können, wie es ihnen ohne diese Beeinflussung möglich wäre, so ist sexistische Gewalt gegeben. Zur sexistischen Gewalt kann die Definition von Frank (1992) herangezogen werden. Sexistische Gewalt liegt danach vor, „wenn durch eine Einwirkung prinzipiell vermeidbare Umstände oder Bedingungen geschaffen werden, die zum Nachteil von Frauen hinter dem Gleichheitsprinzip im '•'"Trömel-Plötz (1982), S. 156. 21 Trömel-Plötz (1984 a), S. 50 ff. "Pusch (1990), S. 82. '■"Krank (1992), S. 14. 132 4 Feministische Sprachpolitik Sinne der Chancengleichheit von Frau und Mann zurückbleiben ... Der feministische Begriff der sexistischen Gewalt ... impliziert, daß ein Akt personaler Gewalt gegen eine Frau nur dann sexistisch ist, wenn er in irgend einer Form strukturell hinterbaut ist, und daß sexisti-sche Strukturen nur insofern erkennbar werden, wie sie personale Gewalt gegen Frauen begründen und legitimie- «24 ren. " Sprachlich drückt sich sexistische Gewalt unter anderem in der Be-vorteilung der maskulinen Ausdrücke aus. Denn mit ihnen wird in unserer Sprache eine Weltsicht geschaiTen, in der Frauen deswegen unwichtig sind, weil sie nicht existieren.25 „Alle Menschen werden Brüder", nicht jedoch Geschwister; wir reden nach wie vor von „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit" statt von „Mitmenschlichkeit". Da mit solchen Ausdrücken die Sprachnorm („die geltende Ordnung") nicht verletzt wird, ist die sexistische Gewalt, die in ihnen liegt, strukturell. 26 Die Auswirkungen sexistischen Sprachgebrauchs waren in den fünfziger Jahren in der Schweiz zu spüren: Den Schweizerinnen wurde das Wahlrecht mit der Begründung, die Verfassung der Schweiz enthalte nur das Maskulinum, vorenthalten. In der Verfassung hieß es, „jeder Schweizer" sei stimmberechtigt.27 Dies ist ein gutes Beispiel dafür, daß das Maskulinum nur dann generisch verwendet wird und Männer wie Frauen umfaßt, wenn es Männern nützt. Schon früher wurden solche Auswirkungen des generischen Maskulinums kritisiert. Karl Kraus schrieb 1912 in der Fackel zum juristischen Streit, ob eine Frau, die gerade Abgeordnete wurde, auch in den böhmischen Landtag einziehen dürfe: „Die Abgeordnete wird ihr Mandat vielleicht doch nicht ausüben können, weil es im Gesetz heißt: ,Als Landtagsabgeordneter ist jeder wählbar, der ...' Jedes Gesetz hat aber nach der fortschrittlichen Ansicht zwei Eigenschaften: einen Wortlaut und einen Geist des Gesetzes. Wird nun das Reichsgericht so engherzig sein und nach 24Frank (1992), S. 13. "Trömel-PIötz (1984a), S. 56. 26Vgl. Frank (1992), S. 12-14, 130 ff. 27Käge (1983), S. 265. 4.3 Bereiche sexistischer Sprachverwendung 133 dem Wortlaut ...? Die Frauenrechtler mögen verzweifeln, aber es läßt sich nunmal nicht ändern: Die Sprache hälts mit dem Mann. Sie ist noch immer nicht emanzipiert. ,Jeder' kann sich tatsächlich auch auf Frauen beziehen; aber das eben sollte sie in Harnisch bringen, daß die Sprache zur Bezeichnung einer Allgemeinheit das Maskulinum gewählt hat. Warum sagt sie nicht ,Jede', um beide Geschlechter zu berücksichtigen? Vollends dem jedermann' müßte eine Suffragette die Augen auskratzen. Wenn jedermann in den Landtag gewählt werden kann, so können gewiß auch Frauen hineinkommen. Aber das erste, was sie dort tun müßten, wäre: dafür zu stimmen, daß dieses Wort aus dem Sprachschatz zurückgenommen oder daß es auf sein Geschlecht eingeschränkt und daß zur Bezeichnung eines Zustandes, der ausdrücklich beide Geschlechter umfassen soll, das einzig zeitgemäße jede-frau' eingeführt werde."28 Die Klassifizierung von Gesellschaft, Sprachsystem und Sprachgebrauch als sexistisch (gesellschafts- und sprachkritisch) ist der Grund für das Ergreifen sprachpolitischer Maßnahmen. Als eine der ersten Frauen in der Bundesrepublik rief Trömel-Plötz (1982) dazu auf, das Sprachsystem dort, wo es sexistisch sei, zu ändern; es solle nicht mehr sexistisch geredet werden; es solle Widerstand gegen sexistische Sprache geleistet werden, indem andere korrigiert würden, die sexistisch sprechen oder schreiben.29 Diese klare Handlungsaufforderung entspringt dem Gedanken, daß die gesellschaftlichen Zustände über ein verändertes Sprechen und über eine veränderte Sprache geändert werden können. Einen solchen Zusammenhang postuliert die Sapir-Whorf-Hypothese (vergleiche Abschnitt 2.6). 4.3 Bereiche sexistischer Sprachverwendung Sprachlicher Sexismus kommt nicht allein in der Verwendung des generischen Maskulinums zum Ausdruck, sondern auch in bestimmten Wörtern oder in dem, was diese Wörter an Nebenbedeutungen 28 Karl Kraus in der Fackel Nr. 351/352/353 vom Juni 1912. 29Trömel-Plötz (1982), S. 53.