Barthold Hinrich Brockes * 22. 9. 1680 Hamburg, | 16. 1. 1747 Hamburg. - Lyriker u. Übersetzer. 1700 studierte B. Jura u. Philosophie in Halle u. besuchte Vorlesungen von Christian Thomasius. Gleichzeitig pflegte er einen aristokrat. Lebensstil. Im Winter 1703/04 hielt B. sich in Genf u. Lausanne auf u. reiste dann nach Paris, darauf über Brüssel u. Antwerpen in die Niederlande, wo er 1704 in Leiden über das Wechselrecht zum Licentiaten promovierte. B. zeigte selbst aber keine Neigung, sich an der bürgerl. Selbstverwaltung der Stadtrepublik zu beteiligen, was ihm seiner Herkunft nach sehr wohl zugestanden hätte. Er strebte vielmehr mit Widmungen u. Gelegenheitsgedichten an hochgestellte Persönlichkeiten des Reichs die Erhebung in den Adelsstand an. Erst gegen 1716 gab er diesen Ehrgeiz auf u. näherte sich allmählich den bürgerl. Wertvorstellungen der Frühaufklärung. 1714 heiratete B. Anna Ilsabe Lehmann. Aus der Ehe gingen zwölf Kinder hervor, sieben überlebten ihn. 1720 wurde B. zum Ratsherrn gewählt u. gleich 1721 mit einer Bürgermeister Garlieb Sillem unterstellten Verhandlungsdelegation nach Wien geschickt, welche die damals bedrohlich schlechten Beziehungen zwischen Hamburg u. seinem kaiserl. Stadtherrn wieder normalisieren sollte. Zum Zustandekommen der relativ glimpfl. Bedingungen, zu denen die Stadt ihre Eigenstaatlichkeit behaupten konnte, hatten offensichtlich auch B.-Gedichte an den Kaiser u. den Prinzen Eugen beigetragen. Er beteiligte sich mit 23 nachgewiesenen Beiträgen an der von der Patriotischen Gesellschaft veröffentlichten Moralischen Wochenschrift <> (Hbg. 1724-26), die im Sinne der Frühaufklärung für weltbürgerlich-vorurteilsloses Denken u. freiwillig-praktische Betätigung zum Wohl des Gemeinwesens eintrat. Ziel der Patriotischen Gesellschaft war es, die seit Ende der <> politisch desinteressierte hamburgische Bürgerschaft zur Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten zu bewegen. Bereits zur Zeit der Teutsch-übenden Gesellschaft erschien B.' Übersetzung der Strage degli Innocenti (Paris 1620) von Giambattista Marino, ein vom Bethlehemitischen Kindermord handelndes Epos (Verteutschter Bethlehemitischer Kinder-Mord des Ritters MARINO. Köln/Hbg. 1715. Hbg. 21725. 31727. 41734. 51742. Tüb. 61763). B. erwies sich hier noch als Anhänger eines europ. Manierismus, der als Gongorismus, Marinismus, Euphuismus [jufjuji-][1], preziöse Literatur u. zweite schles. Dichterschule in die nationalen Literaturgeschichten eingegangen ist. Als der erste Band des Irdischen Vergnügens in GOTT (9 Bde., Hbg. 1721-48. 1739-48. 1737-49. Neudr. Bern 1970) erschien, hatte sich B.' Geschmack gründlich geändert. Diese Sammlung von Gedichten - sein Hauptwerk - ist in ihrer Diesseitigkeit keine Barockdichtung mehr u. doch noch keine reine Naturpoesie, vielmehr Dichtung explizit zur Ehre Gottes. Deren Themen sind große Erscheinungen wie Licht, Sonne u. Himmel, Meer, Watt, windbewegte Kornfelder - dann wieder die Welt der Blumen, der Tabakrauch u. das mikroskopisch Kleine. B. wollte mit seinen Gedichten den Menschen aus seiner Enge herausführen. Er sah in der Naturwissenschaft ein Thema der Dichtkunst u. stimmte darin mit seinen Zeitgenossen überein. Literarische Vorbilder dieser naturwissenschaftl. Ästhetik des Erhabenen waren Lukrez u. Vergil. Den Topoi des <> u. der <> als Mittlerin zwischen Gott u. Welt verpflichtet, entspricht B.' Poesie einer damals unter dem Namen Physikotheologie verbreiteten Tendenz, naturwissenschaftl. Entdeckungen in christl. Sinne zu deuten. Aus dem Engl. übers. Versuch vom Menchen des Herrn Alexander Pope, Esq. Hbg. 1740. - Aus dem Engl. übers. Jahreszeiten des Herrn Thomson. Hbg. 1744. VII. Teil - Night Thougts von Young Ein Beispiel, wie er die Schönheit und Zweckmäßigkiet der Natur preist: Wer also jederzeit mit fröhlichem Gemüt In allen Dingen Gott als gegenwärtig sieht Wird sich, wenn Sel und Leib sich durch die Sinne freuen, Dem großen Geber ja zu widerstreben scheuen. Seine Betrachtungen über den Schnupftabak führen zu der Erkenntnis, daß auch der Mensch nur Staub sei. Kirschblüte bei Nacht Es schien, als wär ein Schnee gefallen; Ein jeder, auch der kleinste Ast Trug gleichsam eine rechte Last Von zierlich weißen, runden Balen. Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt, Indem daselbst des Mondes sanftes Licht Selbst durch die zarten Blätter bricht Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat. Unmöglich, dacht ich, darf auf Erden Was weißers aufgefunden werden. Indem ich nun bald hin, bald her Im Schatten dieses Baumes gehe, Sah ich von ungefähr Durch alle Blumen in die Höhe Und ward noch einen weißern Schein, Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar, Fast halb darob erstaunt, gewahr. Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein Bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht Von einem hellen Stern ein weißes Licht, Das mir recht in die Seele strahlte. Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergetze, Dacht ich, hat Er dennoch weit größre Schätze. Die größte Schönheit dieser Erden Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden. Albrecht von Haller (1708-1777) Albrecht von Haller wurde am 16. Oktober 1708 zu Bern geboren. Nach seiner schulischen Ausbildung begann Haller 1723 in Tübingen mit seinen Medizinstudien, die er in Leiden 1727 als Dr. med. abschloss. 1728 unternahmen er jene Schweizerreise, die durch Hallers Gedicht "Die Alpen" berühmt wurde. 1729 begann seine Tätigkeit als praktizierender Arzt in Bern . Auf sein Betreiben wurde vom Rat der Stadt ein "anatomisches Theater" eingerichtet und 1735 von Haller eröffnet. Im gleichen Jahr erhielt er die Stelle eines Stadtbibliothekars. 1736-53 wirkte Haller als Professor der Anatomie, Botanik und Chirurgie an der neu gegründeten Universität Göttingen und trug durch seine Lehr- und Publikationstätigkeit massgeblich zu deren Aufschwung bei. Am 23. 4. 1749 erhob Kaiser Franz I. Haller in den erblichen Adelsstand. 1753 erhält er die Stelle des Rathausammanns in Bern. Von 1764 bis zu seinem Tod 1777 lebte Haller wieder in Bern, vielseitig tätig in staatlichen Kommissionen. Dieses Gedicht ist dasjenige, das mir am schwersten geworden ist. Es war die Frucht der großen Alpen-Reise, die ich An. 1728 mit dem jetzigen Herrn Canonico und Professor Geßner in Zürich getan hatte. Die starken Vorwürfe lagen mir lebhaft im Gedächtnis. Aber ich wählte eine beschwerliche Art von Gedichten, die mir die Arbeit unnötig vergrößerte. Die zehenzeilichten Strophen, die ich brauchte, zwangen mich, so viele besondere Gemälde zu machen, als ihrer selber waren, und allemal einen ganzen Vorwurf mit zehen Linien zu schließen. Die Gewohnheit neuerer Zeiten, daß die Stärke der Gedanken in der Strophe allemal gegen das Ende steigen muß, machte mir die Ausführung noch schwerer. ich wandte die Nebenstunden vieler Monate zu diesen wenigen Reimen an, und da alles fertig war, gefiel mir sehr vieles nicht. Man sieht auch ohne mein Warnen noch viele Spuren des Lohensteinischen Geschmacks darin. Ich hatte mir unterdessen die englischen Dichter mir bekannter gemacht und von denselben die Liebe zum Denken /.../ angenommen. Die philosophischen Dichter, deren Größe ich bewunderte, verdrangen bei mir das geblähte und aufgedunsene Wesen Lohensteins[2]. Eine Kostprobe von dem langen Lehrgedicht Ein angenehm Gemisch von Bergen, Fels und Seen Fällt nach und nach erbleicht, doch deutlich, ins Gesicht, Die blaue Ferne schließt ein Kranz beglänzter Höhen, Worauf ein schwarzer Wald die letzten Strahlen bricht; Bald zeigt ein nah Gebürg die sanft erhobnen Hügel, Wovon ein laut Geblök im Tale widerhallt; Bald scheint ein breiter See ein Meilen-langer Spiegel, Auf dessen glatter Flut ein zitternd Feuer wallt; Bald aber öffnet sich ein Strich von grünen Tälern, Die, hin und her gekrümmt, sich im Entfernen schmälern. Dort senkt ein kahler Berg die glatten Wände nieder, Den ein verjährtes Eis dem Himmel gleich getürmt, Sein frostiger Kristall schickt alle Strahlen wieder, Den die gestiegne Hitz im Krebs umsonst bestürmt. Nicht fern vom Eise streckt, voll Futter-reicher Weide, Ein fruchtbares Gebürg den breiten Rücken her; Sein sanfter Abhang glänzt von reifendem Getreide, Und seine Hügel sind von hundert Herden schwer. Den nahen Gegenstand von unterschiednen Zonen Trennt nur ein enges Tal, wo kühle Schatten wohnen ------------------------------- [1] englischer maniersitischer Prtosastil in der 2. Hälfte des 16. Jhs: Euphus or the Anatomy of Wit by J. Lyly [2] barocke Stilmerkmale: Edelsteinmetaphern, Hyperbeln, Bilderhäufung in der repräsentativen Hofkunst