Die Vergessenen von Nouadhibou Dicht an dicht sitzen sie da, rund 300 Männer, graue Decken über den Knien, die Hände auf den Boden gestützt, die Blicke ins Nichts gerichtet. Sie tun vor allem eins: warten. Seit drei Wochen. Irgendwann im letzten Jahr haben sie ihre Heimatländer verlassen - Indien, vermutlich auch Pakistan, um auf einem rostigen Schiff das Glück in Europa zu suchen. Stattdessen landeten sie in einem Hangar im Hafen von Nouadhibou, streng bewacht von mauretanischen und spanischen Polizisten, verloren im diplomatischen Netz der Länder, die sie nicht haben wollen, gefangen in ihren eigenen Träumen, die nicht wahr werden. Die Helfer vom Spanischen Roten Kreuz zeigen ihnen Filme, machen Aerobic-Übungen mit ihnen, "damit sie wenigstens nicht den ganzen Tag nur herumsitzen", wie Helfer Miguel Angel Rodríguez sagt. Inzwischen würden die meisten Flüchtlinge freiwillig in die Heimat zurückkehren. Aber das ist nicht so einfach. Die Verhandlungen zwischen Mauretanien, Spanien und Indien kommen nur schleppend voran. Mauretanien möchte die "Sin Papeles", was so viel bedeutet wie "ohne Papiere", so schnell wie möglich loswerden. Spanien will das richtige Signal in Sachen Flüchtlingspolitik senden. Indien zweifelt, ob es sich bei den Männern wirklich um Inder handelt. Erst 18 von ihnen konnten vor wenigen Tagen in ihre Heimat zurückgebracht werden. Die anderen leben weiter im Hangar, sie schlafen auf dem Boden, ins Freie dürfen sie nicht. Es gibt viel zu wenig sanitäre Anlagen. "Das Provisorium geht für zwei, drei Tage, aber doch nicht für Wochen", sagt Helfer Rodríguez. Hoffnungslosigkeit macht sich breit. Zwar habe Indien inzwischen 63 weitere Flüchtlinge als Inder anerkannt, sie könnten demnächst zurück, kündigte der spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos jetzt an. Das Schicksal der Übrigen bleibt ungewiss. Das Flüchtlingsdrama, das Moratinos als eine der "größten Krisen der spanischen Regierung" bezeichnet, dauert schon seit Monaten an. Ende Januar wurde ein spanisches Flugzeug auf einen schrottreifen Frachter mit Kurs auf die Kanarischen Inseln aufmerksam, auf dem sich fast 400 Menschen befanden. Asiatische Flüchtlinge, hieß es zunächst. Die "Marine I" war da schon zwei Monate lang unterwegs, irrte auf hoher See umher. Vor der Küste des Senegal geriet sie in Seenot. Nachdem das westafrikanische Land die Aufnahme der Flüchtlinge ablehnte, brachte Anfang Februar ein Schlepper der spanischen Seerettung das Schiff zurück vor die Küste Mauretaniens. Aber die Odyssee war hier noch nicht zu Ende. Die mauretanischen Behörden verweigerten ihrerseits das Einlaufen des Schiffs. Zehn Tage lag die "Marine I" einige Meilen vor der Küste vor Anker, an Deck herrschten immer katastrophalere hygienische Zustände. Hilfsorganisationen schlugen Alarm. Erst nach zähen Verhandlungen zwischen den spanischen und mauretanischen Behörden durfte die "Marine I" doch anlegen. "Wirtschaftsentschädigungen" sollen bei dieser Entscheidung behilflich gewesen sein. An Land lief wiederum alles anders als vorgesehen. Trotz aller erkennungsdienstlichen Anstrengungen, zu der extra Beamte der Guardia Civil aus Spanien anreisten, konnte nur ein Bruchteil der Männer identifiziert werden: 35 Flüchtlinge aus Sri Lanka, Myanmar und Afghanistan. Sie wurden auf die Kanarischen Inseln gebracht, weitere 35 Westafrikaner schickte man nach Kap Verde. Die übrigen Flüchtlinge wurden in besagtem Hangar untergebracht. Eine Weile beherrschten die Bilder der Männer die spanischen Zeitungen, dann verschwanden sie wieder aus dem Blick der Öffentlichkeit. Was die vergessenen Männer im Hangar von Nouadhibou demnächst erwartet, weiß niemand. Die spanische Regierung beschränkt sich momentan vor allem auf zwei Aussagen: Es sei wichtig und richtig gewesen, in einer Gefahrensituation humanitäre Hilfe zu leisten, und das werde Spanien immer wieder tun. Es sei aber mindestens genauso wichtig, sich in dieser Situation standhaft zu zeigen und der Welt und vor allem den Schleppermafias zu demonstrieren: Spanien sei nicht das Eintrittstor nach Europa und werde die illegale Immigration nicht weiter tolerieren. Noch im letzten Jahr kamen allein auf dem Seeweg fast 40 000 illegale Einwanderer ins Land; mehr als 31 000 davon landeten auf den Kanarischen Inseln. Mindestens 6000 Menschen meist afrikanischer Herkunft bezahlten 2006 die riskante Überfahrt in den Kontinent ihrer Träume mit dem Leben.