60 Jahre Marktwirtschaft Wie deutsche Ideen China verändert haben Peking - Im Bücherschrank von Ding Anxin stehen Übersetzungen deutscher Volkswirtschaftler, die der Germanist und Ökonom an der Universität Wuhan herausgab. Der emeritierte Hochschullehrers hat auch die wichtigsten Schriften Ludwig Erhards - "Wohlstand für alle" und "Der Weg zur sozialen Marktwirtschaft" - aus dem Deutschen übertragen. "Chinas erste Übersetzungen waren aus dem Englischen und voller Fehler", sagt Ding. Als Erhards Schriften in den neunziger Jahren in Wuhan erschienen, stand China noch unter dem Leitmotto Deng Xiaopings: "Lasst einige zuerst reich werden." Pekings Planer setzten auf Wachstum um jeden Preis und katapultierten ihr Land so zur Nummer Drei in der Weltwirtschaft. Für soziale Marktwirtschaft interessierten sich einige Forscher, nicht jedoch die wachstumsfixierten Technokraten im Politbüro. . "In den ersten Jahren des Booms sind etwa in China soziale Probleme nicht beachtet worden", sagt Klaus Schrader, der am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) den Forschungsbereich Globalisierungswirkungen leitet.. Die Folge ist ein großes Wohlstandsgefälle, vor allem zwischen prosperierenden Großstädten und ärmlichen Dörfern. Das hat sich jedoch geändert. Inzwischen erinnert Peking in ganz anderer Weise an seinen Vater des chinesischen Wirtschaftswunders, der am Sonntag vor zehn Jahren starb. Ziel der Dengschen Politik sei das Ideal des "gemeinsamen Wohlstands" gewesen, schreibt plötzlich die Parteizeitung von Kanton. Das bedeutet nicht nur, dass China sein Wirtschaftstempo verlangsamen will, sondern sich auch den Zielen des sozialen Ausgleichs, Gerechtigkeit, Ressourcensparen und Umweltschutz verschreibt. Auf dem Parteitag im Herbst wollen Hu und Wen die Weichen für eine Neuorientierung der Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung stellen. Ihr Ziel ist, die Entwicklung im Inneren zu stabilisieren. So soll China zur globalen Großmacht aufsteigen. Politisch kommt so auch der Vater des deutschen Wirtschaftswunders Ludwig Erhard zu Ehren. Das Interesse sei groß, sagt der Leiter der Konrad-Adenauer Stiftung, Winfried Jung. In Debatten tauchen immer wieder Vorstellungen zur sozialen Marktwirtschaft auf, stellt auch Rechtsprofessor Hinrich Julius fest. Er koordiniert in Peking die Rechtsberatung der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Beim Entwickeln und Abfassen chinesischer Sozialgesetze halfen GTZ-Berater mit. Spuren hinterließen an Erhards Ideen geschulte Deutsche etwa im Arbeitsrecht. Beim kommenden Volkskongress können die Deutschen mitverfolgen, wie auch dank ihrer Mitarbeit eines der wichtigsten Vorhaben zur Sicherung der chinesischen Marktwirtschaft auf den Weg gebracht wird. Nach Jahren kontroverser Debatten verabschiedet Peking sein Gesetz zum Sachenrecht, das nach europäischen Vorbild Eigentumsfragen absichert. Auch die Regierung in Vietnam lässt sich derzeit von westlichen Experten beraten, um den Aufbau sozialer Sicherungssysteme voran zu treiben. Durch die Globalisierung entwickelten sich die asiatischen Länder dabei deutlich schneller weiter als das alte Europa, sagt der Kölner Ökonom Rösner, der seit Jahren Entwicklungsländer beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme berät.: "Was sich bei uns in 120 Jahren Industrialisierung vollzogen hat, passiert dort in 30 Jahren." Dazu tragen auch die Konsumenten in Europa und Amerika bei. "Die Verbraucher werden immer kritischer, sie schauen den Unternehmen immer genauer auf die Finger", sagt Jürgen Schott vom Zentrum für Unternehmenskultur in München. "Der Grundgedanke, das Prinzip der Marktwirtschaft mit Prinzipien des sozialen Ausgleichs zu verbinden, findet weltweit immer stärkere Verbreitung", sagt der Kölner Ökonomieprofessor Hans Jürgen Rösner. So macht die Globalisierung die soziale Marktwirtschaft nicht zu einem Auslaufmodell, sondern zu einem Exportprodukt - in ersten Ansätzen. Die Voraussetzungen dafür schafft ein weltweites Wirtschaftswachstum, das dank offener Grenzen und internationaler Investitionen so kräftig ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr. "Sowohl die Industriestaaten als auch die Entwicklungsländer haben an Wohlstand gewonnen", sagt Dierk Hirschel, Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Eine Aufgabe: In dem Text wird mehrmals der Name Ludwig Erhard erwähnt. Bereiten Sie sich, bitte, ein paar Informationen über diese bedeutende Persönlichkeit der deutschen Geschichte vor.