Uta Itakura Absagen bei der EinkaufsWerkaufshandlung im Deutschen und Japanischen Versuch einer pragmatischen Interpretation 1 Einleitung Die vorliegende Arbeit handelt von der Absage im Deutschen und Japanischen in einer institutionellen Situation, nämlich beim Einkaufen/Verkaufen.^1 Die Absage wurde bisher hauptsächlich als Sprechakt behandelt und von Beebe et al. (1990) mit „semantischen Formeln (semantic formulas)" diskutiert. Andererseits wurden unterschiedliche Strategien der Absage im Japanischen und in anderen Sprachen einzelsprachlich bzw. kontrastiv analysiert (vgl. Moriyama 1990; Laohaburana-kit 1995; Meguro 1994; Hayashi 1997). In weiteren Arbeiten wird „pragmatic transfer" beim Zweitspracherwerb (vgl. Ikoma/Shimura 1993; Kyü 2000) behandelt. Die vorliegende Abhandlung zielt nicht nur allgemein auf die Absage in der deutschen und der japanischen Sprache, sondern versucht sie speziell im Zusammenhang der deutsch-japanischen interkulturellen Kommunikation an verschiedenen Orten in Deutschland und in Japan darzustellen. Die Parameter „Kulturzugehörigkeit" und „Geschehensort" ermöglichen es, sprachliche und kulturelle Neigungen von Deutschen und Japanern in diesem Bereich festzustellen. Anschließend werden die vier Axiome von Grice (1975; 1989) verwendet, um die implizite Absicht des Sprechers zu interpretieren. 2 Forschungsstand Die bisherigen Forschungen können grob in etwa die drei folgenden Gruppen klassifiziert werden: Forschungen hinsichtlich der Strategien, der semantischen Formeln und der pragmatischen Übertragung. Vollmer/Olshtain (1989) untersuchen die Absage in verschiedenen Situationen im Deutschen. Bedeutsam ist diese Untersuchung für die vorliegende Arbeit vor allem hinsichtlich der Strategiewahl. Diese ist sowohl von sozialen Parametern (sozialer Status und Abstand) als auch von Situationen abhängig. Abhandlungen, die auf das Absagen im Japanischen fokussiert sind, finden sich bei Moriyama (1990) und Laohaburanakit (1995). Moriyama (1990) wählt als Analysemethode vier Strategien (iya = keine Lust, uso = Lüge, enki = Aufschub und gomakashi = unklare Antwort) und stellt die Beziehungen zwischen Formulierungen und ihren Bedingungen (dem Status (Rangunterschied), dem Vertrautheitsniveau und dem Geschlecht) dar. Laohaburanakit (1995) analysiert die Inhaltsstrukturen der Absage und die Faktoren bei der Wahl der Formulierung: Beziehung zum Gesprächspartner, zeitliche Möglichkeiten, Handlungsmöglichkeiten und situative Notwendigkeiten. Auf der Grundlage eines Vergleichs des Sprachgebrauchs von Japanern, Chinesen und Taiwanern fügt Meguro (1994) Moriyamas Strategien noch eine weitere hinzu (kenson = bescheiden). Hayashi (1997) interviewt Japaner darüber, wie sie abweichende Strategien der Deutschmuttersprachler bewerten. Sie stellt fest, dass Deutsche bei der Absage einer Bitte dazu neigen, einen Grund zu nennen, während Japaner betonen, wie wichtig die Bitte auch für sie selbst (die Gebetenen) war, und einen Ersatz anbieten. Die Rechtfertigung bei der Absage einer Bitte empfinden Japaner als Störung im Konversationsablauf. Bei der Erforschung von Entschuldigung und Ablehnung wurden von Olshtain/Cohen (1983), im Besonderen aber von Beebe et al. (1990) „semantische Formeln (semantic formulas)" als Analysekriterien entwickelt. Beebe et al. behandeln die Absage im Engli- Dieser Beitrag basiert auf meinem Vortrag „Baibai no bamen ni okeru kotowari no nichi-doku-bunkahikaku. Goyöron-teki kaishaku no kokoromi (Kulturvergleich Japanisch - Deutsch von Absagen beim Ein- und Verkaufen. Versuch einer pragmatischen Interpretation)", gehalten auf einem Workshop der 4. Tagung von „The Pragmatics Society of Japan" (1.12.2001). 220 sehen von Japanern, die Englisch lernen. Sie finden heraus, dass dabei eine pragmatische Übertragung („pragmatic transfer") entsteht. Pragmatische Übertragung ist eine negative Übertragung, die bei der Verwendung der Lernzielsprache entsteht, wenn der Fremd-sprachenlerner Sprachkenntnisse und Höflichkeitsregeln seiner Muttersprache benutzt (vgl. Fujimori 1996; Kyü 2000). Auch die Untersuchung von Ikoma/Shimura (1993) stellt eine pragmatische Übertragung fest, hier bei Japanisch lernenden Amerikanern. Fujimori (1996) vergleicht aus der Sicht des „remedial work" von Goffman (1971) die Anwendungstendenz der fünf Strategien bei japanischen Muttersprachlern, Japanisch lernenden Chinesen und chinesischen Muttersprachlern. Yamaguchi (1997) untersucht, welche Faktoren bei der Strategiewahl von japanischen Muttersprachlern, Japanisch lernenden Chinesen und Taiwanern bedeutsam sind. Nach ihrer Analyse sind für Japaner die folgenden Faktoren in dieser Reihenfolge wichtig: Rangunterschied, Vertrautheitsniveau, Inhalt (z. B. Dringlichkeit, Notwendigkeit und Kosten). Für Chinesen und Taiwaner dagegen sind Befugnis und Würde, Vertrautheit und Inhalt von Bedeutung. Kyü (2000) entwickelt semantische Formeln und vergleicht Faktoren bei der Strategiewahl von japanischen Muttersprachlern, chinesischen Muttersprachlern und Japanisch lernenden Chinesen. Dazu diskutiert er Beziehungen zwischen der Kompetenz in der zweiten Sprache und der pragmatischen Übertragung aus der ersten Sprache. Anders als beim Schwerpunkt der pragmatischen Übertragung untersucht Yokoyama (1993) mit der Methode des Rollenspiels die Fälle von Absagen von japanischen Muttersprachlern gegenüber Japanisch lernenden Amerikanern und auch gegenüber japanischen Muttersprachlern. Diese Arbeit zeigt, dass Formulierungen gegenüber Amerikanern vereinfacht werden. Mit derselben Methode vergleicht Kumai (1993) schließlich Japaner mit ausländischen Studenten. 3 Ziel und Anlage der Untersuchung Das Ziel dieser Untersuchung ist, wie oben erwähnt, die Sprechhandlung der Absage im ^1 In Nagano gibt es jedoch weder deutsche Geschäfte noch deutsche Verkäufer. Deutschen und im Japanischen in verschiede-nen Situationen systematisch zu vergleichen und daraus jeweils bestimmte Tendenzen abzuleiten. Im Vergleich zu den oben erwähn-ten Untersuchungen beruht die vorliegende Arbeit auf folgendem Ansatz: 1. Die Situation, in der die Absage betrachtet wird, wird institutionell eingeschränkt, näm- lich auf das Ein- und Verkaufen. 2. Um nicht nur einzelsprachlich Absagen von Deutschen gegenüber Deutschen und von Japanern gegenüber Japanern darzustellen, sondern dies auch in unterschiedlichen situati- ven Konstellationen zu untersuchen, werden zwei Parameter benutzt, deren Kombination vielfältige Konstellationen ergibt: 1) Nationalität (Kulturzugehörigkeit) des Ver-käufers und des Kunden; 2) Geschehensort, der sich in folgender Wei- se differenzieren lässt: a) Kommunikation am ständigen Wohn- sitz oder am Reiseziel, b) Kommunikation in Deutschland oder in Japan. Der erste Parameter ermöglicht vier Konstellationen in Bezug auf die Teilnehmer: deutsche bzw. japanische Sprecher (Verkäufer bzw. Kunden) gegenüber deutschen bzw. japanischen Gesprächspartnern (Kunden bzw. Verkäufern). Im Hinblick auf die letztgenannten zwei Subparameter sind die folgenden Geschehensorte möglich: am Wohnsitz in Deutschland und in Japan, am Reiseziel in Deutschland und in Japan. Zur Beobachtung dieser Konstellationen bzw. ihrer Kombinationen wurden vier Städte als Untersuchungsort gewählt: Düsseldorf, Tokio, Heidelberg und Nagano. In den ersten zwei Städten, Düsseldorf und Tokio, gibt es deutsche und japanische Ansässige. Die beiden letzteren, Heidelberg und Nagano, werden jeweils von Touristen aus Japan und Deutschland besucht. Der Grund für die Wahl von Nagano war die dort 1998 veranstaltete Winterolympiade, weshalb sich die Untersuchungszeit auch darauf beschränkt.^1 Als Untersuchungsmethode wurden Interviews gewählt, die an deutsche und japanische Verkäufer gerichtet waren. Dabei wurden nur Verkäufer gefragt, die gleichermaßen Erfahrung mit deutschen und japanischen Kunden 221 haben.^1 Die Befragung richtete sich auf folgende Inhalte: Wie verhalten sich deutsche bzw. japanische Kunden in jeder Phase des Einkaufs? Wie verhalten sich die Verkäufer? Die Fragen wurden nach dem Schema gestellt, in dem mögliche Abläufe des gesamten Verkaufsgesprächs vorgestellt werden (vgl. Itaku-ra 2001). Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf die Absage im Einkaufs-/Verkaufsge-spräch. 4 Analyse mit semantischen Formeln: Wenn der Kunde die Ware doch nicht häuft, was sagt er zu dem Verkäufer? Die im Interview von Verkäufern genannten Formulierungen werden nach semantischen Formeln klassifiziert und in einer Tabelle dargestellt (s. S. 223). Mit dieser Tabelle lässt sich analysieren, welche Faktoren die Verwendung jeder Formulierung beeinflussen. Die Ergebnisse können folgendermaßen kurz zusammengefasst werden: 1. Von den Gesprächsteilnehmern bestimmte Formulierungen: Nationalitätskonstellati on. 2. Vom Geschehensort bestimmte Formulie rungen. 3. Von der Nationalität speziell des Sprechers abhängige Formulierungen. Für diese For mulierungen gibt es für Deutsche und Japaner unterschiedliche Anwendungsbe dingungen. Punkt 1 bedeutet, dass es Formulierungen gibt, deren Verwendung durch die Konstellation der Nationalität von Verkäufer und Kunde eingeschränkt wird. Diese Konstellation ist beim Verwenden einer Formulierung der wichtigste Bestimmungsfaktor. Die Formulierungen unter Punkt 2 sind vom Geschehensort (der Untersuchungsstadt) abhängig. Bei diesen beiden Punkten werden also tatsächlich die Formulierungen genannt, deren Verwendung von dem jeweiligen Parameter bestimmt wird. Hingegen ist die Perspektivebene der Analyse bei Punkt 3 anders gesetzt. Hier werden die Formulierungen klassifiziert, bei denen der jeweilige deutsche und japanische Sprecher einen eigenen Bereich hat, in welcher Situation (hinsichtlich der Nationalität des Verkäufers und Kunden und des Geschehensortes) er den Ausdruck verwenden kann. 4.1 Von den Gesprächsteilnehmern bestimmte Formulierungen: Nationalitätskonstellation (1) Entschuldigung./Sumimasen./Gomennasai. Wenn der Kunde ein Deutscher ist, benutzt er diese Formulierung dem japanischen Verkäu fer gegenüber, nicht aber dem deutschen Ver käufer gegenüber. Auch vom japanischen Kunden wird diese Formulierung nicht oft verwendet. Daraus folgt die Vermutung, dass deutsche wie japanische Kunden diese For mulierung eher gegenüber japanischen als gegenüber deutschen Verkäufern verwenden. (2) Ich frage jemanden. /Hoka no hito ni södan simasu. Klar ist vor allem der Fall des japanischen Kunden: Diese Formulierung äußert der Kunde gegenüber einem japanischen Verkäufer, aber nicht gegenüber einem deutschen. (3) Ich komme wieder. / Mata kimasu. Diesen Satz kann man an allen Untersu chungsorten hören, aber dies ist bei der Kon stellation „deutscher Kunde gegenüber deut schem Verkäufer" nicht unbedingt der Fall. Der deutsche Kunde verwendet diesen Satz dem deutschen Verkäufer gegenüber nur im Inland, nicht aber in Japan. (4) Ich überlege es mir noch mal. / Kangaete mimasu. Deutsche sowie Japaner verwenden diesen Ausdruck ihren Landsleuten gegenüber. Wenn sie Derartiges zum jeweiligen ausländischen Verkäufer sagen, wird die Verwendung noch vom Geschehensort eingeschränkt. (5) Ich schaue mich noch anderswo um./Hoka mite kimasu. Diese Formulierung benutzen der deutsche wie der japanische Kunde dem japanischen Verkäufer gegenüber. Deutschen Verkäufern gegenüber wird sie nicht benutzt. Nur zu japanischen Verkäufern wird sie unter der zusätzlichen Bedingung verwendet, dass der Kunde auf einer Reise ist. (6) Ün.../Ä.../Hä... Diese Formulierung wird nur dem japanischen Verkäufer gegenüber verwendet. Ob die genannten Formulierungen (l)-(6) benutzt werden, ist abhängig von der Konstel- ^1 Nur in Heidelberg wurden Fragebogenaktionen durchgeführt. Danach wurden einige Verkäufer noch einmal interviewt. 222 Nationalität direkte indirekte Absage zusätzliche der Absage Formulie- Teilnehmer rungen Kunde —> Ich Entschuldi- Begrün- Begrün- Ausrede Äußern Äußern Zusage Vermeiden Vermeiden Vermeiden Dank Verkäufer möchte gung dung dung einer einer des der Ent- der Ent- der Ent- das anderen anderen nächsten scheidung scheidung scheidung doch nicht. Bedingung Bedingung Besuchs / Iranai. Entschuldi- Das ist zu Das Ich Ich frage Haben Sie Ich Ich über- Ich Un.../ Danke. / gefällt habe schaue gung. / teuer. / mir keine (jn)./ eine komme lege es mich noch A.../Hä... Arigato. nicht. andere mir / Sumimasen. Nedan ga Suki de Zeit. / Hoka no Farbe? / wieder. noch mal. anderswo / / / Gomennasai. takasugiru. nai. Jikan hito ni Hoka no Mata Kangaete um. / ga nai. södan iro wa kimasu. mimasu. Hoka mite simasu. arimasuka? kimasu. J^ J O T, H, O D, T, H OD, T xD, H, x D, T, O D, T, N OH o O D, T, N OH, N o OH, N N N N (N) (OH) (H) (H) J^Dt OD, H O H, (N) X X X X X O OD, T X X OD, H (ohne N) Dt-> J O O OD, T x T, H, X (OD, T X O D, T, OD, H ON (H) x D, T, H O N N mit (H) (N) Grund) X Dt^ Dt o X OD, T xT, H X X OD OD, H O X X o (ohne N) J: Japaner, Dt: Deutscher, D: Düsseldorf, T: Tokio, H: Heidelberg, N: Nagano O Formulierung findet sich in den Untersuchungsdaten, x Formulierung findet sich nicht in den Untersuchungsdaten. lation der Nationalität der Gesprächsteilnehmer. Bemerkenswert ist hier, dass die Verwendung der in der Tabelle unter „Vermeiden der Entscheidung" genannten drei Formulierungen (4), (5) und (6) stets durch die Nationalität der Teilnehmer eingeschränkt ist. 4.2 Vom Geschehensort bestimmte Formu lierungen (7) Danke./Arigatö. Der japanische Kunde sagt dieses Dankwort zwar zum deutschen ebenso wie zum japanischen Verkäufer, aber zum deutschen nur in Deutschland und zum japanischen nur am Reiseziel. Die Formulierung verwendet der Japaner also nur, wenn er sich an einem fremden Ort aufhält. (8) Das gefällt mir nicht./Suki de nai. Während keiner der Befragten in Tokio angab, dass japanische Kunden gegenüber deutschen Verkäufern mit dieser Formulie rung einen Kauf ablehnen, kann man feststel len, dass Japaner diesen Ausdruck nur in Tokio benutzen und Deutsche nur in Düssel dorf. Das heißt, dass Japaner wie Deutsche diese Formulierung nur an dem Ort verwen den, an dem sie wohnen. (9) Das ist zu teuer./Nedan ga takasugjru. Deutsche wie japanische Kunden verwenden diese Formulierung im Prinzip an ihrem Wohnort. Zum deutschen Verkäufer äußern Japaner dies aber weder in Tokio noch in Düsseldorf. Die Formulierungen (8) und (9) gehören zu den semantischen Formeln „Begründung". Obwohl es durchaus logisch erscheint, bei der Absage einen Grund zu nennen, und deswegen vermutet werden könnte, dass diese Formulierung ohne Bedingung bezüglich des Ortes verwendet wird, benutzt man sie nach dieser Untersuchung nur einem Verkäufer gegenüber, der dem Sprecher bekannt ist, also am eigenen Wohnort. Diesem kann der Sprecher mit einem direkten Grund absagen. 4.3 Formulierungen je nach der Rolle der Teilnehmer In Abschn. 4.1 und 4.2 wurden Formulierungen behandelt, die man mit den jeweiligen zwei Parametern bzw. den Subparametern dieser Untersuchung analysieren kann. Unter 4.3 nun werden Formulierungen analysiert, deren Anwendungsbedingungen bei Deutschen und Japanern unterschiedlich bzw. vorzugsweise unterschiedlich sind. Bei dieser Analyse werden die Parameterkonstellationen herangezogen, d. h. Verallgemeinerungen der zwei Parameter auf einer anderen Ebene als die Einzelbedingungen „Teilnehmer" oder „Geschehensort". Die Ergebnisse dieser Analyse sind in zwei Gruppen klassifiziert (s. 4.3.1 und 4.3.2). 4.3.1 Formulierungen, deren Anwendungsbedingungen je nach Kunde unterschiedlich sind (10 Das ist zu teuer./Nedan ga takasugiru. Wie bei 4.2 erwähnt, verwendet der deutsche wie der japanische Kunde diese Formulierung dort, wo er wohnt. Aber der japanische Kunde benutzt sie gegenüber einem deutschen Verkäufer weder in Düsseldorf noch in Tokio. Dies kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Bei dem japanischen Kunden gibt es hinsichtlich der Verwendung dieser Formulierung zwei Bedingungen: 1. am Wohnort und 2. dem japanischen Verkäufer gegenüber. (11) Das gefällt mir nicht. / Suki de nai. Deutsche wie Japaner benutzen diese Formu lierung an ihrem Wohnort. Nur bei Japanern gibt es die weitere Einschränkung, dass der Verkäufer auch Japaner sein muss. (12) Ich frage jemanden. / Hoka no hito ni södan simasu. Der deutsche Kunde verwendet diese Formulierung nicht. Der japanische Kunde benutzt sie in allen Untersuchungsstädten, wenn der Verkäufer auch Japaner ist. Dabei werden die in der Tabelle stehenden D (Düsseldorf) und T (Tokio) als Ausnahme betrachtet. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen man zusammen mit Freunden etwas kauft oder in denen ein Mann statt seiner Frau einkaufen geht. (13) Ich überlege es mir noch mal. / Kangaete mimasu. Die Anwendung dieser Formulierung gegenüber Ausländern wird bei dem deutschen wie dem japanischen Kunden von folgenden Faktoren eingeschränkt: Wenn der deutsche Kunde diese Formulierung gegenüber dem japanischen Verkäufer benutzt, geschieht dies nur im Inland, d. h. in Deutschland. Wenn dies der japanische Kunde dem deutschen Verkäufer gegenüber sagt, sagt er es an seinem Wohnort. 224 (14) Ich komme wieder. / Mata kimasu. Während Japaner diesen Ausdruck ohne Ein schränkung benutzen, verwenden ihn Deut sche gegenüber einem Landsmann nicht im Ausland. (15) Ün.../Ä.../Hä... Von Deutschen hört man dies nicht. Japaner formulieren so gegenüber dem japanischen Verkäufer, jedoch nicht gegenüber dem deutschen. (16) Danke schön. / Arigatö. Dieses Dankwort sagt der deutsche Kunde überall zum deutschen wie auch zum japanischen Verkäufer. Hingegen gibt es für den japanischen Kunden Anwendungsbeschränkungen: Er benutzt es dem japanischen Verkäufer gegenüber nur auf der Reise und dem deutschen Verkäufer gegenüber nur in Deutschland. (17) Ich möchte das doch nicht. / Iranai. Die Bedingungen bei dieser Formulierung sind nicht klar. Jedoch scheint es, dass Deutsche sie ohne Einschränkung verwenden können, während es bei Japanern möglicherweise Einschränkungen gibt. 4.3.2 Formulierungen, deren Anwendungsbedingungen je nach Verkäufer unterschiedlich sind Es geht hier um Formulierungen, die davon abhängig sind, ob der Verkäufer Deutscher oder Japaner ist. In den vorhandenen Daten findet sich nur eine solche Formulierung: (18) Ich schaue mich noch anderswo um. / Hoka mitekimasu. Deutsche wie japanische Kunden äußern diesen Satz dem deutschen Verkäufer gegenüber nicht. Auf einer Reise hingegen und wenn dazu der Verkäufer Japaner ist, können sie so formulieren. Als Ergebnisse von 4.3 können folgende zwei Neigungen der Deutschen und der Japaner festgestellt werden: 1. Japaner brauchen zusätzlich eine Bedin gung hinsichtlich ihrer Gesprächspartner bei einigen Formulierungen wie hoka no hito ni södan shimasu I ich frage jemanden, nedan ga takasugiru I das ist zu teuer und ki ni ira nai I das gefällt mir nicht. 2. Wenn der Geschehensort als Bedingung nötig ist wie bei den Formulierungen kangae- temiru I ich überlege es mir noch mal, mata kimasu I ich komme wieder und arigato I danke schön, erscheint eine unterschiedliche Tendenz zwischen Deutschen und Japanern. Deutsche betrachten es als bedeutender, im Heimatland zu sein als am Wohnort. Für Japaner ist der Wohnort entscheidender als das Heimatland. 5 Analyse durch Grice'sche Axiome In Abschn. 4 wurden die Bedingungen für die verbale Absage durch semantische Formeln analysiert. Im Folgenden soll nun versucht werden, die Entstehung solcher Bedingungen unter Bezug auf das Grice'sche Kooperationsprinzip und seine Axiome psychologisch zu begründen. Grice behauptet, dass das Gespräch eine kooperative Bemühung ist und dass jeder Teilnehmer deswegen in jeder Gesprächsphase dazu beitragen soll, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung verlangt wird. Wenn dieses Prinzip akzeptabel ist, soll das Gespräch diesen vier Axiomen folgen: a) Quantität, b) Qualität, c) Relation und d) Modalität. Im Folgenden werden die Formulierungen in der Tabelle, die nicht zu diesen Axiomen passen, unter zwei Fragen betrachtet: Welcher Aspekt der Formulierung passt nicht zu den Axiomen? Warum kann der Gesprächspartner trotz der Nichtübereinstimmung die Bedeutung verstehen? (19) Ich komme wieder. / Mata kimasu. (von Touristen) Diese Formulierung widerspricht dem Axiom der Qualität „Sage nichts, was du für falsch hältst", weil der Kunde (Sprecher) verspricht, das Geschäft wieder zu besuchen, obwohl er auf einer Reise ist. Die Tatsache, dass der Kunde wie der Verkäufer wissen, dass diese Formulierung falsch ist, bedeutet, dass der Sprecher dem Hörer etwas anderes als das Gesagte vermitteln will und dass das indirekt Gemeinte doch eine Beziehung zu dem hat, was wörtlich formuliert wird. Um diese Beziehung zu verstehen, ist es wichtig, die Situation des Gesprächs zu berücksichtigen: a) Es handelt sich um ein Einkaufs-/Ver- kaufsgespräch. b) Man befindet sich in einer Situation, in der man sich für den Kauf oder Nichtkauf der Ware entscheiden muss. 225 Auf Grund dieser Situation verstehen die Beteiligten, dass die Formulierung in (19) eigentlich bedeutet: „Ich kaufe dies nicht." Man interpretiert, dass mata kimasu I ich komme wieder und ich komme nicht die gleiche Bedeutung haben. Auch die Formulierung (20) kann gleichermaßen ausgelegt werden: (20) Ich frage jemanden. / Hoka no hito ni södan shimasu. Hoka no hito ('jemanden') ist hier beispielsweise mit shujin ('meinen Mann') ersetzbar. Die Beispiele (19) und (20) verstoßen gegen das Axiom der Qualität. Die Formulierung in (21) (21) Ich habe keine Zeit. / Jikan ga nai. (in Heidelberg) verstößt anscheinend gegen das Axiom der Quantität, aber unter der Annahme, dass diese Formulierung dem Axiom der Relation folgt, müssen hier wieder die oben erwähnten zwei Situationskomponenten a) und b) berücksichtigt werden. Dann versteht man diese Formulierung dahingehend, dass der Kunde die Ware nicht kauft. Implizite Bedeutungen von Formulierungen können also offensichtlich mithilfe der Berücksichtigung der Äußerungssituation verstanden werden. Literatur Beebe, Leslie M. et al. (1990): Pragmatic transfer in ESL refusals. 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