Eötvös Loránd Tudományegyetem Germanisztikai Intézet Dr. Dirk Hohnsträter, DAAD-Lektor (Kommentiertes) Beispiel für ein Referat1 Semester, Seminartitel und Codenummer Name, Telefon und eMail des Studenten Die Reform der deutschen Rechtschreibung2 1. Einleitung Was am 31. Juli noch richtig geschrieben war, wird am 1. August als Fehler angestrichen.3 Wie ist das möglich?4 Am 1. August 2005 tritt in allen deutschsprachigen Ländern offiziell eine neue Rechtschreibung in Kraft. Dann werden in den Schulen und Behörden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz höchst umstrittene Regeln verbindlich. Kein Wunder, daß die Reform kontrovers diskutiert wird. Im folgenden werde ich diese einschneidende Veränderung, die uns alle angeht, zunächst kurz darstellen und dann kritisch bewerten. Ich werde die Entstehung der Rechtschreibreform skizzieren und die wichtigsten neuen Regeln vorstellen. Im zweiten Teil werde ich Argumente für und gegen die Reform referieren und prüfen, wie überzeugend sie sind. Aus dieser Erörterung wird sich meine eigene Position zur neuen Rechtschreibung ergeben. Abschließend folgt ein Resümee mit einem kurzen Ausblick.5 2. Hauptteil 2.1 Darstellung Um der Uneinheitlichkeit der Rechtschreibpraxis im deutschen Sprachraum zu begegnen, veröffentliche der Gymnasiallehrer Konrad Duden 1880 sein Orthographisches Wörterbuch. Im Jahr 1902 wurde es offiziell maßgebend in allen Zweifelsfällen. Seither spiegelt jede neue Auflage dieses Werkes die Sprachentwicklung des Deutschen. Um die Orthographie nicht nur zu vereinheitlichen, sondern auch zu vereinfachen, beschlossen die 16 Kultusminister der Bundesrepublik 1996 eine Reform der Rechtschreibung, die im Duden dokumentiert ist. Seit 1998 wird sie in den Schulen gelehrt und vielfach praktiziert. Während einer Übergangszeit bleibt jedoch die alte Rechtschreibung ebenfalls zulässig. Zum 1. August 2005 soll dann ausschließlich die neue gelten.6 Da die Rechtschreibreform umstritten ist, wurden in der 23. Auflage des Duden (2004) einige Regelungen der ursprünglichen Neufassung relativiert: bestimmte Zusammenschreibungen sind jetzt wieder erlaubt. Diese Korrekturen dürften nicht die einzigen bleiben. Nachdem zahlreiche Presseverlage, darunter der ,,Springer Verlag" und 1 Beim folgenden Text handelt es sich um Beispiel. Das ,wirkliche' Referat kann kürzer oder länger ausfallen, je nach Vorgabe. Beachten Sie: Ein Referat ist ein mündlicher Vortrag. Lesen Sie daher nicht einfach vom Blatt ab. Sprechen Sie frei oder nach Stichworten; wenn Sie zuvor ausformulieren, vergessen Sie Sprechpausen nicht, betonen Sie wichtige Wörter und blicken Sie gelegentlich dem Auditorium in die Augen. Achten Sie auch auf Ihre Körpersprache. 2 Ein präziser Titel ­ gut! Das Thema läßt Darstellung und kontroverse Diskussion zu. 3 Mit einer überraschenden Behauptung zu beginnen sichert Aufmerksamkeit ­ Sie müssen nicht von Anfang an Ihre Kommilitonen langweilen! 4 Fragen ­ gut dosiert ­ beleben Ihr Referat. 5 Sie kündigen an, was die Zuhörer erwartet. 6 Eine knappe historische Einordnung empfiehlt sich oft zu Beginn. der ,,Spiegel", zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt sind, steht die Reform erneut auf dem Prüfstand. Am 7. Oktober 2004 haben die Kultusminister der Länder beschlossen, die Reform durch einen 36-köpfigen ,,Rat für deutsche Rechtschreibung" überprüfen zu lassen (Hage et al. 2004, 32).7 Für mein Referat stellt sich damit ein methodisches Problem. Soll ich die ursprüngliche Reform besprechen oder die derzeit (Oktober 2004) gültige Zwischenfassung? Ich entscheide mich dafür, von der ursprünglichen Reform auszugehen, da ich auf diese Weise besser den Kern der Reform herausstellen und beurteilen kann. Trotzdem werde ich gelegentlich auf die neueste Fassung Bezug nehmen, damit mein Referat auch den aktuellen Stand berücksichtigt.8 Worin bestehen die wichtigsten Neuerungen? Eine Übersicht findet sich im Internet unter http://www.ids-mannheim.de/reform/. Besonders hilfreich sind die Erläuterungen durch Dieter E. Zimmer von der ,,Zeit" unter http://www.zeit.de/zeitschreibung/index.9 Ich werde mich im folgenden auf die einschneidensten Änderungen beschränken. Von 212, so die Reformbefürworter, bleiben nach der Reform nur 112 Regeln. Zahlreiche Kommasetzungen sind nicht länger verbindlich, und Trennungsregeln werden liberalisiert. Die Groß- und Kleinschreibung folgt künftig einer Vielzahl neuer Regeln. So werden persönliche Anreden auch in Briefen immer klein geschrieben (,,dein Dirk"). Ebenfalls umfassend neu geregelt werden Zusammen- und Getrenntschreibung. Für 43 Wörter ändert sich aufgrund eines neuen Wortstammes die Schreibweise, teils gezwungenermaßen, teils nach Belieben der Schreibenden. Beispiele: ,,Potenzial" statt ,,Potential" oder ,,Tunfisch" statt ,,Thunfisch". Bei Eszett folgt nach kurzem Vokal künftig Doppel-S, und in zusammengesetzten Wörtern werden drei gleiche, aufeinanderfolgende Buchstaben neuerdings ausgeschrieben. Fremdwörter werden im Schriftbild eingedeutscht bzw. der Aussprache angeglichen: ,,Newage" statt ,,New Age".10 Wie bereits bemerkt ist hinzuzufügen, daß die 23. Auflage des Duden die Reform teilweise zurückgenommen hat. Der Sprachwissenschaftler Theodor Ickler weist beispielsweise darauf hin, daß ,,wiederherstellen (...) laut neuester Dudeneinsicht nur zusammen-, wiederherrichten dagegen nur getrennt geschrieben werden [darf], und bei wiederaufbereiten (...) beides möglich" ist (Ickler 2004).11 7 Hier zeigt der Referent, daß sein Material die neueste Entwicklung einbezieht. Recherchieren Sie gründlich! Im Zeitalter des Internet gibt es keine Ausreden mehr. 8 Besonders gut, denn der Referent gibt sich als Wissenschaftler zu erkennen. Er reflektiert was er tut und begründet sein Vorgehen. 9 Quellenangaben ­ dürfen durchaus auch im Vortrag gelegentlich erfolgen. Vor allem: Seien Sie kritisch gegenüber dem benutzen Material. Spätestens bei Nachfragen in der Diskussion müssen Sie zeigen, daß Sie Ihre Referenzen verstanden haben und kritisch einordnen können. Besser Sie weisen auf Probleme hin als Sie werden im nachhinein eines Plagiats überführt. 10 Hier hat sich der Referent auf das Wichtigste beschränkt. Andere Gewichtungen sind natürlich zulässig. In jedem Fall ist es gut, durch Beispiele zu veranschaulichen. 11 Achtung, ein Zitat! Beim Vortrag müssen Sie darauf hinweisen, z.B. indem Sie sagen ,,Ich zitiere" oder ,,Zitat Anfang", ,,Zitat Ende". In diesem Zitat finden sich Auslassungen (runde Klammer) und Hinzufügungen (eckige Klammer). Die Seitenzahl fehlt bei der Quellenangabe, da die Quelle nur eine Seite hat. Sonst muß sie dazu. 2.2 Wertung 2.2.1 Pro Wie ist die Orthographiereform einzuschätzen? Zunächst stelle ich die gewichtigsten Pro-Argumente dar, dann präsentiere ich zentrale Einwände. Das wichtigste Motiv für die Einführung neuer Rechtschreibregeln besteht darin, daß die Verringerung, Vereinfachung und Liberalisierung der Regeln das Erlernen und Praktizieren der deutschen Sprache erleichtern soll. Schulkindern und Ausländern dürfte es künftig leichter fallen, das Deutsche zu lernen. Gegen die Ablehnung der neuen Rechtschreibung führen ihre Befürworter ins Feld, daß lediglich Gewohnheit und Bequemlichkeit die Reform blockieren, aber keine überzeugenden Gründe. Die Reform, behaupten sie, sei ein Testfall für die Beweglichkeit unserer Gesellschaft. Die Vorherrschaft derjenigen, die dank privilegierter Herkunft und guter Ausbildung die komplizierten und oft unsinnigen alten Regeln korrekt anwenden, muß zugunsten derer, denen das Lernen schwerer fällt, abgebaut werden. Sprachreform ist auch Sozialreform. Verwirrung, die in einem Übergangsstadium entstehen mag, ist der Preis dafür, daß es künftig besser wird. Eines Tages wird ­ aller Aufregung zum Trotz ­ die neue Orthographie so selbstverständlich sein wie heute die herkömmliche. Schließlich, auch wenn das selbst Befürworter selten offen aussprechen, hat die Reform auch einen ökonomischen Vorteil: zahllose Bücher müssen neu aufgelegt werden, was dem Verlagswesen gewiß zugute kommt.12 2.2.2 Contra Aber überzeugen diese Argumente? Oder gibt es gewichtigere, die gegen die Rechtschreibreform sprechen? Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, daß zahlreichen Umfragen zufolge die Mehrheit der Menschen die Reform ablehnt. Darüber hinaus haben beinahe alle bedeutenden Schriftsteller und Journalisten, eine Vielzahl von Verlagen sowie unzählige Lehrer sich gegen die Reform ausgesprochen. Gerade diejenigen, die beruflich jeden Tag die deutsche Sprache benutzen, halten die Reform für verfehlt. Das hat eine wichtige Konsequenz. Weil viele Zeitungen und Zeitschriften zur traditionellen Orthographie zurückgekehrt sind und zahlreiche Verlage und Autoren seit jeher an ihr festhalten, werden die Schüler ein anderes Deutsch lernen als ihnen im Alltag begegnet. Verwirrung und eine Spaltung der Sprachgemeinschaft sind die Folgen. Soll die Politik wirklich gegen den Willen der Mehrheit und gegen den Widerstand der Gebildeten ihre Vorstellungen durchsetzen? Schwerer noch als diese politischen Argumente wiegen Einwände des Lyrikers Reiner Kunze.13 Durch die Rechtschreibreform, bemerkt der vielgeehrte Dichter, ,,verlören [die Wörter] einen Teil ihres Ausdrucks- und Verständigungswertes" (Kunze 2003, 7). Gröber werde die Sprache und mißverständlicher. So bedeute das ,,Zusammenschreibverbot" (a.a.O., 8) zu ignorieren, ,,was eine Gemeinschaft von fast hundert Millionen Menschen in hundert Jahren an Sprachgefühl entwickelt und an Sprachintelligenz investiert hat" (a.a.O., 9). Nach neuer Rechtschreibung kann etwa ein ,vielversprechender' Politiker nicht mehr von einem ,viel versprechenden' unterschieden werden. Nur ein Beispiel dafür, wie unzählige Differenzierungsmöglichkeiten abgeschafft werden. Dient das unseren Kindern? Der Verlust an nuancenreichem Schreiben birgt überdies die Gefahr 12 Hier werden Argumente in eigenen Worten wiedergegeben. So soll es sein. Natürlich können Sie auch zitieren, aber nicht ausschließlich und wenn, dann bitte nicht so monoton (X sagt, Y sagt, und Z sagt auch was...). 13 Aha, die Argumente werden strukturiert und eingestuft. Das zeugt von selbständigem Denken ;-) sinnwidrigen Vorlesens. Bislang gab die richtige Schreibung dem Leser Anhalt bei der korrekten Betonung. Das muß künftig entfallen. Die Erleichterung der Orthographie ist also erkauft mit einem Erschweren des richtigen Lesens (vgl. Munske 2004). Allgemein läßt sich sagen, daß das Sprachniveau durch die neuen Regeln sinkt und die bildende Kraft der Sprache minimiert wird. Anstatt beispielsweise durch morphologisch korrekte Trennungen Einsicht in die Herkunft von Fremdwörtern zu geben und dadurch den Nachschlagenden zu bilden, erlaubt die neue Rechtschreibung noch die unsinnigste Trennung und tut ,,dem ratsuchenden Benutzer keinen Gefallen, sondern verweigert ihm die Auskunft, um deretwillen er überhaupt nachschlägt" (Ickler 2004). Hinzu kommen Grotesken wie die halbherzige Eindeutschung etwa von Anglizismen (,,Ketschup") und die Kombination der Dreibuchstabenregel mit Bindestrichen (,,Eisschnell-Läufer"). Sprachwissenschaftler haben sogar nachgewiesen, daß Teile der Reform ,,grammatisch falsch" (Ickler 2004) sind, darüber hinaus willkürlich, widersprüchlich und in jedem Fall überflüssig. 2.2.3 Eigene Position Meine bisherigen Ausführungen haben bereits nahegelegt, welche Meinung ich vertrete.14 Ich bin dagegen, auf Differenzierungsmöglichkeiten zu verzichten und das Niveau auf das ,,Leistungsvermögen am unteren Ende der Bildungsskala" (Kunze 2003, 15) zu senken. Das schadet sowohl den schwachen Schülern, die nicht mehr gefordert werden, als auch der Sprachgemeinschaft insgesamt, deren Reichtum durch Kultusfunktionäre künstlich verringert wird. Die Rechtschreibreform geht von falschen Voraussetzungen aus: statt das Niveau einiger zu erhöhen senkt sie den Standard aller. Sie zeugt von einem großen Mangel an Sensibilität gegenüber der grundlegenden Kulturform ,Sprache'. Und sie mißachtet die jahrhundertelange, lebendige Sprachentwicklung zugunsten einer Veränderung auf dem Verordnungswege ­ gegen den Willen der Mehrheit der Menschen und derer, die beruflich mit Sprache umgehen. Die Rechtschreibreform schadet Deutschland, spaltet die Sprachgemeinschaft und wird ausgetragen auf dem Rücken aller schulpflichtigen Kinder. 3. Schluß Ich resümiere: Mit dem Ziel der Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung wurde 1996 eine Orthographiereform beschlossen, deren endgültige Umsetzung kurz bevorsteht. Sie soll insbesondere Lernschwachen den Umgang mit der deutschen Sprache erleichtern. Kontroversen über Sinn und Unsinn der Veränderungen haben jedoch zu einer erneuten Überarbeitung gezwungen. Unterdessen ist die deutsche Sprachgemeinschaft gespalten, und Gegner der Reform üben zivilen Widerstand. Sie sehen den Reichtum des Deutschen in Gefahr und glauben, daß die Reform ihr Ziel verfehlt. Zur Zeit ist die Situation wieder offen, und es wird spannend sein, den weiteren Verlauf zu verfolgen.15 14 Die eigene Meinung soll ja aus den Argumenten entwickelt werden, sich daraus ergeben. Nicht am Ende ein oder zwei Sätze anhängen wie ,Ich persönlich finde die Rechtschreibreform doof.' 15 Ein kurzer Ausblick macht die Sache runder. In der Wissenschaft sind das oft Vorschläge für die weitere Forschung. Literaturhinweise16 Die Quellen und Sekundärtexte, auf die sich mein Referat stützt, habe ich auf dem Thesenpapier verzeichnet. Besonders möchte ich Euch davon das kleine Buch des Schriftstellers Reiner Kunze empfehlen, denn es ist verständlich geschrieben, enthält viele überzeugende Argumente und einen informativen Anhang mit weiterem Material. 16 Sie müssen auf die benutzten Quellen hinweisen. Sie können die Quellen kritisch kommentieren, zum Beispiel indem Sie auf besonders gute Texte hinweisen wie in diesem Beispiel.