Für den Abend dieses großen Tages stand im Nationaltheater die Krönungsoper auf dem Festprogramm, endlich war die Stunde gekommen, in der sich dem noblen Publikum der Vorhang zu der unter so großem Zeitdruck geschaffenen Opera hob. Nur achtzehn Tage, so die Legende, soll Mozart an \ui clemen^a di Tito gearbeitet haben, achtzehn Tage, in denen er sich krank und ausgelaugt gefühlt hätte. Und doch war ein Werk vollbracht mit „Melodien darin, schön genug die Himmlischen herabzulocken", wie Meissner sich enthusiastisch äußerte. „Für den Abend dieses festlichen Tages war eine große Opera seria von den Ständen vorbereitet. Schon am 3. September hatte man das Publicum durch eine gedruckte Ankündigung unterrichtet, auf was Art man die Kintrittsbillete vertheilen werde. Die Verthcilung selbst geschah am 5. und Vormittags am 6. September. Man nahm hiebei vor allen auf die k.k. Hofsuite und den fremden Adel, dann erst auf den inländischen Adel und ungeadel-te Fremde, endlich auf die inländischen Honoratioren Rücksicht. Der Adel überhaupt, ebenso fremde Beamte, Offiziere, Gelehrte und Negotianten wurden ersucht, die Billete in der Praesidial-kanzlci des k. Guberniums gegen schriftliche Anzeige ihres Namens und Beidrückung des Siegels abholen zu lassen. Beamte der k. Amter, Magistratsmitglieder, der Universitätslehrstand, das Collegium der Advokaten, der höhere I landelsstand, die Offiziere, Unteroffiziere, und vier Gemeine von jeder Bürgercompagnie erhielten die Billete, insoweit sie zureichten, für sich, ihre Gemahlinen, und eine erwachsene Tochter, durch den Präsidenten und Vorsteher. Auch für die Zu- und Abfahrt wurde schon am 3. September eine besondere Ordnung im Drucke herausgegeben. Die Stände hatten das von dem bisher unerreichten italienischen Operndichter Abbate Metastasio, verfaßte Singspiel: La Clemcnza di Tito gcwählet, und die Musik hiezu von dem Kom-positor am k. k. I Iofe Wolfgang Mozart, dessen Name jeder Musikkenner mit 1 Ehrfurcht nennet, verfertigen lassen. Die ersten drei Decorationen verdankte man der lirfindung des Peter Travaglia, welcher bei Sr. fürstl. Gnaden dem Herrn Anton Fürsten v. Iisterhazy in Diensten stand, die vierte aber hatte Preisig aus Coblenz erfunden. Die Kleidung zeichnete sich durch Neuheit und Reichthum aus, und war von Cherubin Babini aus Mantua angegeben. Um 7 Uhr ging die Aufführung dieses ernsthaften italienischen Singspiels vor sich. Die gewöhnliche Theaterwache war 226 verdoppelt, eine Division Carabiniers besetzte die angemessenen Posten, und die Feucrlöschanstaltcn waren vermehrt. Ihre Majestäten der König und die Königin sammt der k. Familie beehrten das Nationaltheater, das bis zur Vermeidung eines Gedränges ganz angefüllt war, und wo man aus Prags bekannter Gefälligkeit den Fremden die ersten Plätze überließ, mit ihrer Gegenwart, und wurden mit Jubel empfangen. Das Singspiel selbst ward mit dem Beifalle, welchen Verfasser, Compositor und die Singstininien, besonders die rühmlich bekannte Todi, aus vollem Grund verdienten, autgenommen, und es schien, daß ihre Majestäten mit Zufriedenheit das Schauspielhaus verlassen haben." Aus der Krönungsurkunde Nein, die Majestäten hatten das Theater keineswegs zufrieden verlassen! Gegen Mozart, der den antiquierten Stoff auf höchstem Niveau vertont hatte und die Opera seria auf eine moderne und frische Art belebt hatte, bestand ganz offensichtlich eine vorgefasste Meinung. Leopold II. hatte die erlauchte Nase gerümpft und sich abfällig über ha ckmen-%u diTito geäußert, und seine soeben zur Königin von Böhmen gekrönte Gemahlin Marie Louise soll sich sogar dazu verstiegen haben, die Musik ,una porcheria tedesca' — also eine deutsche Schweinerei' — zu schimpfen. Freilich entbehrt diese in der Mozartliteratur immer wiederkehrende Behauptung jedes wirklichen Beweises. Graf Zinzendorf, der von einer Loge im ersten Rang aus der Aufführung folgte, empfand die Oper als „überaus langweilig". 227 Noch am Abend der Uraufführung war klar geworden, daß Mozart auch diesmal seitens der Wiener gekrönten Häupter die Anerkennung seiner künstlerischen Leistung versagt und damit selbstredend jegliche finanzielle Prämierung ausbleiben sollte. Fraglich ist, ob Mozarts Konkurrenten, die ebenfalls in Prag weilenden Kompositeure Leopold Koželuch und Antonio Salieri ihren Teil dazu beigetragen haben, dem an der Moldau allzu erfolgreichen Mozart eine Niederlage zu bereiten — für diese mancherorts geäußerten Vermutungen gibt es jedoch keine konkreten Belege. Antonio Salieri war am 26. August mit fünf Kutschen und zwanzig Hofmusikern nach Prag gekommen. Er sollte für das gesamte Krönungszeremoniell eine bedeutende Rolle spielen, so kam ihm die ehrenvolle Aufgabe zu, am Sonntag, dem 4. September 1791, bei der Erbhuldigung in der St. Veits-Kathedrale auf dem Hradschin eine neue Krönungsmesse des Prager Domkapellmeisters Johann Anton Koželuch zu dirigieren, möglicherweise setzte der Hofkapellmeister zu dieser Gelegenheit Mozarts Offertori-um Misericordias Domini (KV 222) auf den Programmzettel. ^_,„^y..^r _ , t, . , Die vermeintlichen Wi- dersacher hatten in jedem Falle mehr Glück als der unsterbliche Meister. Leopold Koželuch war schon am 2. August in Prag eingetroffen und im ,Einhorn' abgestiegen, er hatte demnach genügend Zeit gehabt, eine Huldiguiißskantale zu komponieren. Schon bald nach seiner Ankunft hatte er es verstanden, sich in einem großen Konzert im Palais Czernin in den Vordergrund zu rücken. Höhepunkt des Antonio Salieri Festprogrammes an diesem ^^mmi Mfem/r ' 'Jti/ttrt 228 Abend waren seine Chorwerke, die in Begleitung eines 150 Mann starken Orchesters zelebriert wurden. Koželuchs \-\uldigungskantate, die Vertonung eines Textes von August Gotdieb Meissner, erlebte dann im Zuge eines großen Volksfestes der böhmischen Stände am 12. September seine festliche Uraufführung. Mozart muß es besonders geschmerzt haben, daß gerade seine Vertraute Josepha Duschck bei der Aufführung dieses Werkes seines eifrigsten Widersachers mitwirkte. Obwohl der dieser Kantate zugrunde liegende Text von Gottlieb August Meissner — zumindest aus heutiger Sicht — schlicht einfältig war, wurde er zur Gänze im Tagebuch der Krönungsfeierlich-keiten abgedruckt. Anders Mozarts ha elementu di Tito. War die Aufführung des Don Giovanni im Krönungstagebuch wenigstens verzeichnet worden, so schien am 6. September weder der Name der Krönungsoper selbst, noch der ihres Schöpfers mit nur einem einzigen Wort auf: „Gestern abends war Freyopera in welche sich Se. Majestät mit der durchlauchtigsten Familie und dem Hofstaate in die für Höchst dieselben zubereiteten Logen nach 8 Uhr begaben, wohin dieselben ein allgemeines freudiges Vivatrufen durch alle Gassen begleitete, mit welchem Höchstdieselben auch im Theater empfangen wurden" vermeldete das Krönungstagebuch knapp. Die Oper hatte nicht gefallen und man erwähnte sie, wohl auf Geheiß der allerhöchsten Herrschaft, mit keinem Wort. Nur im ,Krönungsjournal für Prag' erinnerte man sich an Mozart: „Am 6"" als am Krönungstagc gaben die I lerren Stände, um diesen lag Sr. Majestät zu verherrlichen, eine ganz neu komponierte Oper, deren Text zwar nach dem Italiänischen des Metastasio, von I Irn. Mazzola aber, Theaterdichter in Dresden, verändert worden. Die Komposition ist von dem berühmten Mozart, und macht demselben Khrc, ob er gleich nicht viel Zeit dazu gehabt und ihn dazu noch eine Krankheit überfiel, in welcher er den letzten Thcil derselben verfertigen mußte. An die Aufführung derselben hatten die I Ferren Stände alles gewandt, sie hatten den entrepreneur nach Italien gesandt, der eine prima donna und einen ersten Sänger mit sich gebracht ... Der I'antritt war frey, und viele Billets waren ausgetheilt. l>as I laus fasset eine große Anzahl Menschen, dennoch aber kann man sieh denken. 229 daß bei einer solchen Gelegenheit der Zulauf nach den Billets so groß ist, daß sie endlich ein linde nehmen, daher auch manche einheimische und Ercmdc, selbst Personen vom Stande wieder weggehen mußten, weil sie sich nicht mit Billets versehen hatten. Sc. Majestät erschienen um halb acht Uhr, und wurden mit lautem Zujauchzen der Anwesenden empfangen. Die I ľerren Stände Mitglieder nahmen selbst die Billets ein, und sahen auf die gehörige Ordnung, damit niemand aufsein Billet zurückgewiesen werden, und keiner ohne Billet eindrängen sich möge." Krönungsjournal für l'rag Man bezahlte Mozart das ihm zugesicherte Honorar von 200 Dukaten, eine darüber hinausgehende Belohnung durfte er sich nicht erhoffen. Nicht nur Mozart hatte damit wenig Grund zur Zufriedenheit, auch des Impresarios Erwartungen waren bei weitem nicht erfüllt worden. Guardasoni wandte sich kurzerhand mit der Bitte um Entschädigung an die Theaterkommission. Er habe viel investiert und fühle sich durch die Intcressenlosig-keit des Hofes geschädigt. Sein Gesuch wurde geprüft und die Kommissionsmitglieder bestätigten, sozusagen amtlich, daß sich „bey Hof wider Mozarts Composition eine vorgefasste Abneigung" gezeigt hätte und deshalb dem Gesuch um Entschädigung stattgegeben werden müßte. Guardasoni erhielt tatsächlich eine Entschädigung von 150 Dukaten. Es war wohl nur ein schwacher Trost, daß das angereiste Publikum ein ganz anderes war, als jenes, das wenige Jahre zuvor dem Figaro oder dem Don Giovanni zugejubelt hatte. Freilich war das harte Urteil über La demen^a di Tito weder gerecht noch blieb es unwidersprochen. Dem Prager Publikum gefiel der Titus schließlich sogar so sehr, daß man diese Oper für die Abschiedsvorstellung wählte, als die italienische Opernbühne 1807 nach dem Tod ihres letzten Impresarios Guardasoni aufgelöst wurde. Heute sieht man im Titus eine der großen Schöpfungen Mozarts, das Werk wird weltweit auf bedeutenden Opernbühnen inszeniert. In bewegenden Worten brachte Niemetschek sein Wohlgefallen an Ta dementi di Tito zum Ausdruck: 230 „1 j Clcmenza di Tito wird in ästhetischer 1 linsicht als schönes Kunstwerk, für die vollendeteste Arbeit Mozarts gehalten. Mit einem feinem Sinne faßte Mozart die Einfachheit, die stille Erhabenheit des Charakters des Titus, und der ganzen Handlung auf, und übertrug sie ganz in seine Komposition. Jeder Thcil, selbst die gemässigte Instrumcntal-parthie trägt dieses Gepräge an sich, und vereinigt sich zu der schönsten Einheit des Ganzen. Da sie für ein Krönungsfest und für zwey ganz eigens dazu angenommene Sänger aus Italien geschrieben war, so mußte er nothwendig brillante Arien für diese zwey Rollen schreiben. Aber welche Arien sind das? Wie hoch stehen sie über dem gewöhnlichen Troß der Bravour-Gcsänge? Die übrigen Stücke verrathen überall den großen Geist aus dem sie gefloßen. Die letzte Scene oder das Finale des ltcn Aktes ist gewiß die vollkommenste Arbeit Mozarts; Ausdruck, Charakter, Empfindung, wetteifern darinn den größten Effekt hervorzubringen. Der Gesang, die Instrumentation, die Abwechslung der Töne, der Wiederhall der fernen Chöre bewirkten bey jeder Aufführung eine Rührung und Täuschung, die bey Opern eine so seltene Erscheinung ist. Unter allen Chören, die ich gehört habe, ist keiner so fliessend, so erhaben und ausdrucksvoll, als der Schluß-clior im 2"" Akte; unter allen Arien, keine so lieblieh, so voll süsser Schwermuth, so reich an musikalischen Schönheiten, als das vollkommene Rondo in E, mit dem oblig: Bassethorne, Non piu die Eiori im 2"" Akte. Die wenigen instrumentirten Rezitative sind von Mozart, die übrigen alle — was sehr zu bedauern ist, - von einer Schülerhand. Die Oper, die jetzt noch immer mit Entzücken gehört wird, gefiel das erstemal bey der Krönung nicht so sehr, als sie es verdiente. I Cin Publikum, das von Tanz, Bällen und Vergnügungen trunken war, in dem Geräusche eines Krönungsfestes, konnte freylich an den einfachen Schönheiten Mozartscher Kunst wenig Geschmack finden!" Eranz Niemetschek, II". A. Mo^iirl's Lebe/i So ist es denn kein Wunder, wenn sich die Oper zu guter Letzt doch noch auf Prager Boden durchgesetzt hat. In einem Brief an Constanze bezog sich Mozart auf ein Schreiben des Klarinettisten Stadler, der sogar über die Krönungsfeierlich-keiten hinaus in Prag geblieben war und am 16. Oktober, als Mozart sich bereits wieder in Wien befand, eine musikalische Akademie in der Altstadt ausrichtete. Mozart hatte ihm, seinem Freund, ein Klarinettenkon^eii (KV 622) geschickt, daß nun zum erstenmal erklang. 231 „... in dieser Zwischenzeit kämm ein briet von Prag vom Stadler; — Die Duscheckischen sind alle wohl; — mir scheint Sie muß gar keinen brief von Dir erhalten haben - und doch kann ich es fast nicht glauben! — genug — Sie wissen schon alle die herrliche aufnähme meiner teutschen ()per'. — das sonderbarste dabei ist, das den abend als meine neue ()per mit so vielen beiiall zum crstcnmale aufgerührt wurde, am nemlichen abend in Prag der Tito3 zum letztenmale auch mit außerordentlichen beifall aufgeführt worden. - alle Stücke sind applaudirt worden. - der Hedini sang besser als allezeit. - das Duettchen ex A3 von die 2 Mädchens wurde wiederhollet - und gerne - hätte man nicht die Marchctti geschonet - hätte man auch das Rondo4 repetirt. - dem Stodla5 wurde (0 böhmisches Wunder! - schreibt er) aus dem Parterre und so gar aus dem Orchestre bravo zugerufen, ich hab mich aber auch recht angesetzt, schreibt er; - auch schrieb er (der stodla) daß ihn .....'' und nun einsehe daß er ein Kscl ist - ...7 verstellt sich, nicht der stodla - - der ist nur ein bissei ein I '.sei, nicht viel - aber der ..." - )a der, der ist ein rechter Kscl. —" Mozart, Briefe und AitJ~eichnimgen Ein weiteres Werk Mozarts wurde in Prag während der Tage der KrönungsFeierlichkeiten zu Gehör gebracht: Anläßlich der Weihe der Erzherzogin Maria Anna zur Äbtissin des Königlichen Damenstifts wurde am 8. September 1791 ein feierliches Zeremoniell abgehalten, bei dem vermutlich Mozarts Piccolomini-Messe den musikalischen Rahmen bildete. Für Mozart war nach der Uraufführung seines T it us der Auftrag allerdings erledigt und er konnte sich wieder seiner in groben Zügen fertiggestellten Oper Die Zauber/löte zuwenden. Noch in Prag, vermutlich in der Bertramka, entstanden die Skizzen zum Quintett Nr. 12, vielleicht auch der Priesterchor 0 Isis und Osiris sowie die Papagenolieder. 1 Die Zaiiberflöte. 2 Im elementu di Tito. 3 A perdona atprimo affetto. 4 Non piti dißori. 5 Anton Stadler. 6 Von Nissen gestrichene Passage. 7 Von Nissen gestrichener längerer Name. " Von Nissen gestrichener Name. 232 Mozart war bereits seit sieben Jahren Freimaurer, als er am 10. September 1791 die Prager Loge ,Zur Wahrheit und Einigkeit zu den drei gekrönten Säulen' in der Bredauer-gasse besuchte. Die Bauhütte war eine der insgesamt drei Logen, die nach dem Ereimaurerpatent Josephs II. in Prag noch zugelassen waren. Nur ein Jahr später wurden die letzten Prager Lreimaurcrbünde von Kaiser Franz II. aufgelöst. „Als er das Ictztcmal kam. hatten sich die Brüder in zwei Reihen aufgestellt, und der I'antretende wurde mit der Gantatc ,Maurertreude', die er 1785 zu Iihren Borns komponirt, empfangen. Diese Aufmerksamkeit rührte Mozart tief und als er dafür dankte, äußerte er: er werde demnächst dem Maurerthume eine bessere I luldigung darbringen. Kr meinte damit die ,/auberflöte', welche bereits in seinem (leiste reifte." Alfred Meissner, Rococobilder Am Montag, dem 12. September 1791, wurde noch Marie Louise zur Königin von Böhmen gekrönt. Wahrscheinlich ließ Salieri wieder die beiden Mozartschen Krönungsmessen aufführen, die schon am 6. September anläßlich der Krönung Leopolds erklungen waren. Den Beschluß der vielen Feierlichkeiten bildete des abendliche Galasouper, bei dem Josepha Duschek die bereits erwähnte I luldigungskantate von Leopold Koželuch darbrachte, sowie ein großer ,F'rey-balľ im Nationaltheater. Die geschicktesten Tonsetzer' und beiläufig 300 Musikanten sorgten für die Musik, sie werden den Prager Tanzlustigen zum Ausklang so manchen Deutschen Tanz von Mozart gespielt haben. Nicht unähnlich der Situation des Jahres 1787, als Mozart für Josepha Duschek die große Szene Bella mia fiamma komponiert hatte, schrieb er gegen Ende seiner letzten Prager Tage innerhalb weniger Minuten die einfache aber wirkungsvolle Baßarie Io ti lascio, o cara, addio (KV 621a). Man sagt, Mozart hätte diese Arie in letzter Minute komponiert, vielleicht hat er sie für die Sänger Campi oder Bassi geschrieben, wohl eher aber für seinen Wiener Freund Jacquin. lis ist nicht auszuschließen, 233 daß er sie für Josepha Duschek schut, was zumindest eine Erklärung für die Weigerung Constanzes wäre, die Echtheit des Werkes anzuerkennen. Vor allem von der Arie Non piü difiori aus der Oper Im äemen^a di Tito wird behauptet, Mozart habe sie seiner Muse Duschek gewidmet. Tatsächlich nahm die Sängerin diese Arie immer wieder ins Programm, ließ sie nun in Dresden, Weimar, Berlin oder Wien hören. Mitte September war nun endgültig der Augenblick gekommen, an dem der in letzter Zeit kränkelnde Mozart von seinem geliebten Prag Abschied nehmen mußte und laut Niemetschek tat er das mit Wehmut und Tränen in den Augen. Süßmayer reiste gemeinsam mit dem Ehepaar Mozart zurück nach Wien. Meissner bestätigt dies in seiner Darstellung der Abschiedsszene: „Mozarts Wagen stand schon in aller Frühe vor dem Hause zu den ,drci Hackein', nicht nur mit Koffern und Schachteln, sondern auch mit Körben bepackt, denn Frau Constanze pflegte nie die Rückreise nach Wien anzutreten, ohne sich mit dem zu versorgen, was das edle Böhmerland im Gebiet des Eßbaren, namentlich an Schinken, Fasanen und gestopften Gänsen Treffliches bietet. Die Duschcks kamen, die Kapellmeister Kucharz und Strohbach mit großen Blumenbouquets, die Direktoren Guar-dasoni und Bondini - Letzterer mit Frau und Tochter - und noch manche andere standen im Hintergrunde. Ganz schüchtern näherte sich auch der kleine Harfenist Hofmann [...|. Nun sagte /Mies einander Lebewohl und Mozart umarmte die Damen. Schon oft war er von l'rag abgereist, aber noch nie hatte der Abschied einen Charakter wie heute. Mozart war nämlich cigenthümlich weich und wehmütig und vergoß zahlreiche Thränen. Trug er das Vorgefühl seines Todes bereits in sich?" Alfred Meissner, Růcocobi/der Im Herbst 1791 war Mozart immer noch gesund, aber er fühlte sich überarbeitet, müde und niedergedrückt. Die hinter ihm liegenden Wochen waren alles andere als einfach gewesen und die Belastungen standen ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Biograph Niemetschek hielt der Nachwelt 234 fest: „Schon in Prag kränkelte und medizinierte Mozart unaufhörlich; seine Farbe war blaß und die Miene traurig, ob-schon sich sein munterer Humor in der Gesellschaft seiner Freunde doch oft noch in fröhlichen Scherz ergoß." Was Wunder, wenn nachfolgende Generationen irrigerweise bereits im Prag der T/toj-Zeit den Keim jener Todeskrankheit ausmachen wollten, der Mozart wenige Monate später erlag. Der aus dem Böhmerwald stammende sudetendeutsche Schriftsteller Hans Watzlik hat mit seinem Mozartroman Die Krönungsoper eine lebendige und an Bildern reiche Schilderung jener Prager Tage Mozarts geschaffen. Trotz literarischer Untiefen vermag dieses Werk seine Leser in die Atmosphäre jener Zeit zu versetzen und sollte schon deshalb nicht in seiner Bedeutung unterschätzt werden. „Schon wartete der Wagen reisebereit im Hof. Zum letztenmal ging Mozart durch den Garten. Alles ruhte in trauriger, silberzitternder Frühe. Fr hörte die Fallfrucht dumpf auf den Rasen pochen. Am Brunnen nippte ein rotbrüstiger Vogel. Wandersüchtige Schwalben schrillten. Morgentrunken schwankten die Blumen. Der nahe Herbst schwoll in unzähligen Früchten, in Apfel und Traube. Vor Fruchtbarkeit senkten sich die Aste tief zur Ivr-de. lis war ein gesegnetes Jahr. Xartbereiftc Pflaumen rundeten sich. Mozart nahm eine vom Zweig und aß sie. Der alte Apfelbaum an der Kegelbahn stand in fast erstickendem Überfluß, die Stützen seiner Äste drohten zu brechen. Mozart sah in den Baum hinein wie in ein verwandtes Gesicht. Jetzt wirst du deine Fülle schenken, und dann ruhst du wieder drei Jahre', sagte er. ,Der Mensch aber darf nicht rasten.'" Hans Watzlik, Die Krönuiigsoper 235