Syntax Sätze sind Ausdruckseinheiten, die ein finites Verb enthalten und die unter strukturellen und kontextuellen Bedingungen notwendigen Verbkomplemente. Darüber hinaus können Sätze auch Supplemente enthalten. Verbalkomplex Verbalkomplexe Der Verbalkomplex ist die typische Realisationsform des Prädikats und gehört als solche neben Komplementen und Supplementen zu den primären Komponenten des Satzes. Er besteht aus einer finiten Verbform (Beispiel (1)) oder aus mehreren Verbformen, von denen eine finit ist. Im letzteren Fall, der eigentlich erst die Bezeichnung Verbalkomplex rechtfertigt, wird eine infinite Verbform oder eine Gruppe infiniter Verbformen durch ein finites Hilfsverb oder Modalverb zum Verbalkomplex vervollständigt (Beispiele (2)-(16)). Das finite Hilfsverb oder Modalverb ist in Verberst- und Verbzweitsätzen oft durch andere Satzelemente vom Rest des Verbalkomplexes getrennt (Beispiele (2)-(13)), der in der Regel am Ende des Satzes steht. In Verbletztsätzen steht das finite Hilfsverb oder Modalverb meist am Ende des Verbalkomplexes (Beispiel (14), zu Abweichungen wie in (15) und (16) vgl. Abfolgeregularitäten im rechten Satzklammerteil): (1) Hans schreibt gerade den Brief. (2) Hat Hans gerade den Brief geschrieben? (3) Hans wird gerade den Brief schreiben. (4) Hans muss gerade den Brief schreiben. (5) Hans wird bis morgen den Brief geschrieben haben. (6) Hans muss gerade den Brief geschrieben haben. (7) Hans hat gerade den Brief schreiben müssen. (8) Hans wird bis morgen den Brief geschrieben haben müssen. (9) Der Brief wird gerade (von Hans) geschrieben. (10) Der Brief ist gerade (von Hans) geschrieben worden. (11) Der Brief wird gerade (von Hans) geschrieben werden. (12) Der Brief muss gerade (von Hans) geschrieben werden. (13) Der Brief wird bis morgen (von Hans) geschrieben worden sein. (14) ... weil der Brief bis morgen (von Hans) geschrieben worden sein muss. (15) ... weil der Brief gerade (von Hans) hat geschrieben werden müssen. (16) ... weil der Brief bis morgen (von Hans) wird geschrieben worden sein müssen. Die Hilfsverben sein, haben und werden beteiligen sich an der Bildung zusammengesetzter Tempus- und Genus-Verbi-Formen im verbalen Paradigma der Vollverben. Mit Modalverben wie dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen werden Propositionen als möglich oder notwendig (und nicht faktisch) eingestuft. Die Modalverben weisen dabei einen unscharfen Übergangsbereich zu den Vollverben auf, der von peripheren Modalverben wie brauchen und Halbmodalen wie scheinen gebildet wird. Der Verbalkomplex ist bestimmt hinsichtlich aller Kategorisierungen des verbalen Paradigmas (Tempus, Modus, Genus Verbi, Person und Numerus). Darüber hinaus kann er unter dem Gesichtspunkt der Aspektualität betrachtet werden. Durch die sukzessive Anbindung der einzelnen Komplemente an den Verbalkomplex entstehen immer größere Verbgruppen, die jeweils durch Supplemente ergänzt bzw. modifiziert werden. Nach der Anbindung der Komplemente ist die Ebene des Satzes erreicht. Die Wortstellung Hier geht es um die Wortstellung im Satz. Die "Grammatik der deutschen Sprache" (GdS) sagt "Linearstruktur des Satzes". Andere Grammatiken überschreiben dieses Kapitel mit "Satzgliedstellung", "Wortfolgeregeln", "Wortabfolgeregeln". Wir gehen von einer unmarkierten, "normalen" Wortstellung aus, die mit sehr vielen Kontexten verträglich ist. Wir gehen weiterhin zunächst von drei Hauptstellungsfeldern innerhalb des Satzes aus, die durch die Satzklammer entstehen. Die Satzklammer (Skl) hat einen linken und einen rechten Teil. Im linken Teil steht in allen Hauptsatztypen das finite Verb. Diese Klammer muss in Aussage- und Aufforderungssätzen immer besetzt sein. Im rechten Klammerteil stehen - wenn er besetzt ist - die infiniten Teile des Verbalkomplexes. In eingeleiteten Nebensätzen steht das Einleitungselement im linken Satzklammerteil (lSkl)und der gesamte Verbalkomplex, also das Finitum und eventuell infinite Verben im rechten Satzklammerteil (rSkl). Die Satzklammer strukturiert den Satz in die drei Hauptstellungsfelder: Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld. Die Position dieser Stellungsfelder wird in der folgenden Grafik deutlich. - Vorfeld lSkl Mittelfeld rSkl Nachfeld 1. Jeremies hat heute nicht so gut gespielt - 2. Gestern ist sie in besserer Laune gewesen als heute. 3. - Wollen Sie morgen früh abreisen? - 4. - Mach mal ein bisschen schneller. - - 5. - Wäre sie doch bloß hier geblieben! - 6. Die Wüste lebt. - - - 7. - weil er heute nicht so gut spielt wie Tom. Man sieht, dass nicht immer alle Satzfelder besetzt sind. Das hängt u.a. vom Satztyp ab. So ist z.B. in Entscheidungsfragesätzen (3), in Aufforderungs-(4) und Wunschsätzen (5) das Vorfeld in der Regel nicht besetzt. Es handelt sich bei diesen Beispielen um Verberstsätze, weil der Satz mit dem finiten Verb beginnt. Wir legen fest, dass auch Nebensätze kein Vorfeld haben (7). Oder andersherum gesagt: Das Vorfeld ist in der Regel nur in Verbzweitsätzen besetzt. Auch die rechte Satzklammer muss nicht besetzt sein (4, 6) außer in Nebensätzen/ Verbletztsätzen (7). Das Nachfeld ist nur relativ selten besetzt, obwohl es bei jedem Satztyp realisiert werden kann. Das Mittelfeld hat potentiell die größte Zahl von Stellungseinheiten. Deshalb sind hier die Wortstellungsregeln besonders wichtig. GRAMMIS weicht in der Anordnung des Felderschemas von der oben beschriebenen Tradition ab und nimmt ein eigenständiges linkes Außenfeld an. Ein entsprechendes, aber weniger strukturiertes rechtes Außenfeld wird zusammen mit dem Nachfeld behandelt. Das differenzierte Feldschema sieht dann wie folgt aus: - li.Außenfeld Vorfeld lSkl Mittelfeld rSkl Nachfeld + re. Außenfeld 8. Also, das hat mich wirklich überrascht. - 9. Den Uwe, den treffe ich häufiger, - Papa. 10. - Wir haben das nicht gemacht, wirklich! Man kann die Wortstellung wie oben unter syntaktischen Gesichtspunkten betrachten, aber auch unter kommunikativen, also mit der Frage nach der Art von Information, die mit den einzelnen Satzteilen übermittelt wird. Unter dieser zweiten Perspektive stehen in der unmarkierten Rede im Vorfeld gewöhnlich die Teile des Satzes, die eine Hintergrund-Information darstellen. Das ist dann eine bekannte bzw. im Vortext oder dem direkt vorangehenden Satz eingeführte Information. Im linken Satzklammerteil und am Anfang des Mittelfeldes stehen gewöhnlich auch noch Hintergrund-Informationen. Am Ende des Mittelfeldes und z.T. im rechten Satzklammerteil folgen dann Vordergrund-Informationen. Das sind meist neue Redegegenstände, also neue Informationen. Das Nachfeld hat keine eigenständige Rolle in der Informationsstruktur. Es kann unterschiedlich gewichtete Informationen aufnehmen bzw. generell durch Ausklammerung die Informationsfülle im Mittelfeld entlasten. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 30.05.2005 14:49. Nebensätze (1) Die Polizei-Direktionen stehen vor der Auflösung. (2) Findet heute die Übergabe der US-Geiseln an die Botschaft in Beirut statt? (3) Stellen Sie das Klavier bitte hierher! Sätze (1)-(3) können selbständig verwendet werden. Sie sind somit funktional gesehen kommunikative Ausdruckseinheiten. Sätze können aber auch nur Teile kommunikativer Ausdruckseinheiten und insofern unselbständig sein. In diesen Fällen wird von Nebensätzen gesprochen. So sind (4) und (5) Nebensätze in Satz (6): (4) der weiß, dass er nur eine einzige Chance hat (5) dass er nur eine einzige Chance hat (6) Der Kanzler hat die angespannte Gelassenheit* eines Wagemutigen, der weiß, dass er nur eine einzige Chance hat. (Süddeutsche Zeitung, 27.10. 2003, 4) Sätze, die kommunikative Ausdruckseinheiten sind wie (1)-(3) und (6), werden auch als Vollsätze bezeichnet. Bestimmung der Nebensätze Neben selbständigen Sätzen, die als kommunikative Ausdruckseinheiten fungieren, gibt es Sätze, die in anderen Sätzen enthalten sind und kommunikativ unselbständig erscheinen. Sie werden Nebensätze genannt und liegen etwa in folgenden Beispielen vor: (1) Eine Tatsache ist, dass Versprechen seltener gehalten als gegeben werden. (2) Das Problem war gelöst, als man sich traf. (3) Niemand verstand, was mit dieser Behauptung gemeint war. (4) Man befürchtet, die Aktien fallen schneller als erwartet. (5) Die Erwartungen, die wir hegten, wurden enttäuscht. (6) Der Tag, als endlich der Regen kam, war einer der letzten Augusttage. (7) Die Würfel waren endlich gefallen, was niemanden mehr überraschte. (8) Hättest du etwas gesagt, wäre die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen. (9) Das Problem war gelöst, als wir erkannten, was mit dieser Behauptung gemeint war. Nebensätze sind die hervorgehobenen Teile der komplexen Sätze. Unter kommunikativem Aspekt lassen sich solche Ausdruckseinheiten folgendermaßen charakterisieren: Nebensätze sind solche satzförmigen Teile komplexer kommunikativer Einheiten, die 1. isoliert nicht als selbständige Einheiten verwendet werden können bzw. 2. isoliert nur unter Änderung ihres kommunikativen Status selbständig verwendet werden können. Das Kriterium 1 erfüllen die hervorgehobenen Sätze in (1), (2), (3), (5), (6), (7) und (9) - das Kriterium 2 greift bei den hervorgehobenen Sätzen in (4) und (8). Letztere ändern isoliert gebraucht ihren kommunikativen Status: Aus bloßen Propositionsausdrücken werden dann Propositionsausdrücke mit einem bestimmten Satzmodus, die als kommunikative Ausdruckseinheiten fungieren. Durch eine solche Änderung des kommunikativen Status, die sich in der Änderung der Intonation ausdrückt, kann etwa aus dem hervorgehobenen Satz in (8) ein Wunschsatz werden: (10) Hättes du (doch) etwas gesagt! Ausdruckseinheiten wie die in (1)-(9) nicht hervorgehobenen Teile der komplexen Sätze werden oft pauschal Hauptsätze genannt. Allerdings sind sie im Hinblick auf ihren Satzstatus heterogen. Die nicht hervorgehobenen Ausdruckseinheiten in (2), (5), (6), (7), (8) und (9) können als vollständige Sätze angesehen werden, da sie jeweils einen Verbalkomplex und die notwendigen Komplemente enthalten: (2') Das Problem war gelöst [...]. (5') Die Erwartungen [...] wurden enttäuscht. (6') Der Tag [...] war einer der letzten Augusttage. (7') Die Würfel waren endlich gefallen [...]. (8') [...] wäre die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen. (9') Das Problem war gelöst [...]. Die nicht hervorgehobenen Teile von (1), (3) und (4) sind dagegen als Sätze unvollständig, da ihnen notwendige Verbkomplemente fehlen: (1') Eine Tatsache ist [...]. (3') Niemand verstand [...]. (4') Man befürchtet [...]. Es empfiehlt sich daher nur bei Ausdruckseinheiten der ersten Gruppe, also (2'), (5'), (6'), (7'), (8') und (9') von Hauptsätzen zu sprechen - Ausdrücke wie (1'), (3') und (4') stellen dementsprechend nur Hauptsatzfragmente dar. Unter kommunikativem Aspekt bietet sich also folgende Charakterisierung der Hauptsätze an: Hauptsätze sind solche satzförmigen Teile komplexer kommunikativer Minimaleinheiten, die isoliert als selbständige Einheiten verwendet werden können, ohne dabei ihren kommunikativen Status zu ändern. An der Ausprägung des Hauptsatzes als Verbzweit- oder Verberstsatz und an dem Verbmodus ist bereits der Satzmodus des komplexen Satzes erkennbar, das heißt, ob es sich bei diesem um einen Aussagesatz, Fragesatz, Wunschsatz usw. handelt. Morphosyntaktische Klassifikation der Nebensätze Was die morphosyntaktische Gestalt der Nebensätze angeht, sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: die Einleitung des Nebensatzes und die Stellung des finiten Verbs. Zunächst einmal können Nebensätze eingeleitet wie in (1) - (4) oder nicht-eingeleitet wie in (5) und (6) sein: (1) Eine Tatsache ist, dass Versprechen seltener gehalten als gegeben werden. (2) Das Problem war gelöst, als man sich traf. (3) Niemand verstand, was mit dieser Behauptung gemeint war. (4) Die Erwartungen, die wir hegten, wurden enttäuscht. (5) Man befürchtet, die Aktien fallen schneller als erwartet. (6) Hätte man noch darauf zu hoffen gewagt, wäre die Entscheidung anders ausgefallen. Nicht-eingeleitete Nebensätze können Verbzweitsätze wie (5) oder Verberstsätze wie (6) sein. In der Regel sind Nebensätze aber eingeleitet und damit fast immer Verbletztsätze. Sie können nach ihren Einleitungselementen klassifiziert werden. Bei den Einleitungselementen sind zu unterscheiden: * Subjunktoren wie in (1) und (2) * W/D-Elemente wie (3) und (4) Subjunktoren erfüllen im Nebensatz keine syntaktische Funktion einer primären oder sekundären Komponente. Als Subjunktoren treten einfache und komplexe Elemente auf. Die meisten Subjunktoren sind einfache Elemente der entsprechenden Wortklasse (wie dass, ob, wenn, während, weil, vgl. Subjunktor). Als komplexe Subjunktoren können bestimmte feste Verbindungen betrachtet werden: * Präposition + einfacher Subjunktor wie anstatt dass, ohne dass * Adverb + einfacher Subjunktor wie sodass, insofern (als), insoweit (als) und * Partikel + einfacher Subjunktor wie zumal (da) Hinzu kommen einige noch komplexere Verbindungen wie Partizip II (+ Korrelat/Komplement) + dass wie vorausgesetzt, dass angenommen, dass gesetzt den Fall, dass abgesehen davon, dass und die erstarrte satzförmige Floskel es sei denn, dass. Auf dem Wege zur Grammatikalisierung als Subjunktor sind Verbindungen aus Präpositionalphrase + dass wie unter der Voraussetzung/Annahme, dass unter der Bedingung, dass im Falle, dass für den Fall, dass Man beachte auch, dass hier in einigen Fällen statt eines Subjunktorsatzes mit dass auch ein Verbzweitsatz folgen kann: angenommen/vorausgesetzt/im Fall, er kommt. Nebensätze mit W/D-Elementen enthalten als Einleitungselement: * ein W-Pronomen wie wer, was, welcher * ein W-Adverb wie wann, wie, wo * ein W-Präpositionaladverb wie wodurch, wofür, womit * eine Form des D(emonstrativ)-Pronomens (traditionell: Relativpronomens) der/die/das Im Gegensatz zu Subjunktoren fungieren W/D-Elemente als primäre oder sekundäre Komponenten des Nebensatzes, das heißt, sie sind Komplemente, Supplemente oder Attribute. Die einen marginalen Typ darstellenden Einleitungselemente von Proportionalsätzen so und je (z. B. So nett er ist, so schwierig ist er /Je älter sie wurde, desto ruhiger wurde sie) sind Teile einer Adjektivphrase und insofern Teile von Teilen des Untersatzes. Hier bedingen die Nebensatzeinleiter obligatorisch das Vorkommen eines Korrelates im Obersatzrest (so...so, je...desto/umso), sodass man von einer zweiteiligen Verknüpfung sprechen kann. Derartige Sonderfälle werden in der folgenden Abbildung nicht berücksichtigt. Abbildung: Morphosyntaktische Gestalt der Nebensätze © IDS Mannheim. Zuletzt geä