Der Nullartikel im Singular
„Gérard Dépardieu beim Mahl. Neulich gab es Löwe[.]“
(ZEITmagazin Nr. 53/2014)
Warum wird für Löwe der Nullartikel verwendet?
Und warum wird Löwe hier nicht schwach dekliniert,
also für Akkusativ Singularis: Löwen?
Stoffnamen
„Neulich gab es ØSg Löwe[.]“
bedeutet:
1.a) Neulich gab es [eine unbestimmte Menge an] Löwe [zu essen].
Löwe ist in diesem Kontext ein Nahrungsmittel,
also bezeichnet der Referent Löwe- hier einen Stoff.
Stoffnamen (Kontinuativa) sind unzählbare Substantive,
und können deshalb nicht das Zahlwort einals
indefiniten Artikel führen,
sondern nur den Nullartikel Singularis:
„Neulich gab es ØSg Löwe[.]“
Starke vs. schwache Deklination von Maskulina
„Neulich gab es ØSg Löwe[.]“
ist nicht gleichbedeutend mit:
1.b) Neulich hab es einen Löwen [zu essen].
Denn dies würde bedeuten:
1.b) Neulich gab es einen [:ganzen, zählbaren] Löwen [zu essen].
Löwe wäre nämlich in diesem Kontext ein zählbarer Referent
für ein Lebewesen, also ein Animatum.
Für maskuline Animata ist die schwache Deklination typisch:
Akkusativ Singularis einen Löwen.
Klassifikatoren
2.a) Ich habe ØSg Milch gekauft.
2.b) *Ich habe eine Milch gekauft.
2.c) Ich habe eine Flasche/Packung Milch gekauft.
2.d) Ich habe einen Liter Milch gekauft.
Milch ist ein Stoffname: Man kann sie nicht zählen (2.a–b).
Man kann sie jedoch portionieren (2.c) oder messen (2.d).
Referenten für Maße oder Portionen sind Klassifikatoren,
und Klassifikatoren sind zählbar.
Wird ein Stoffname zusammen mit einem Klassifikator
wie Flasche, Packung oder Liter verwendet,
so führt dieser Klassifikator den indefiniten Artikel ein-.
Klassifikatoren
3.a) Kaufst du bitte fünf Flaschen Milch?
3.b) Kaufst du bitte fünf Liter Milch?
3.c) Kaufst du bitte fünf ___ Milch?
4.a) Ich möchte einen Kuchen. (: einen ganzen Kuchen)
4.b) Ich möchte ein Stück Kuchen.
4.c) Ich möchte zwei Stück(*-e) Kuchen.
Für Stoffnamen/Kontinuativa verwendet wir oft Klassifikatoren,
um Einheiten zu zählen.
Nur feminine Klassifikatoren bilden Pluralformen.
Klassifikatoren
Für Stoffnamen/Kontinuativa verwendet wir oft Klassifikatoren,
um Einheiten zu zählen.
In den Beispielsätzen (6.a–b) haben wir einen Nullklassifikator,
aber es handelt sich implizit ganz klar um Einheiten
(wir wissen nur nicht, um welche Art von Einheit: Liter; Glas; Halbe).
In (7.a–b) werden die Einheiten explizit genannt.
5.a) Gestern habe ich zwei Bier getrunken.
5.b) Gestern habe ich zwei Kaffee getrunken.
6.a) Gestern habe ich zwei Halbe/Glas/Fass/Flaschen Bier getrunken.
6.b) Gestern habe ich zwei Tassen Kaffee getrunken.
Token vs. Typ
7.a) Ich hatte ØSg/Pl? Schnitzel zum Mittagessen.
7.b) Ich hatte ein Schnitzel zum Mittagessen.
Relevant in (5.a) sind nicht die Stückzahl (token),
sondern der Typ des Essens.
Schnitzel könnte in (5.a)
– als Stoffname (unbestimmte Menge) gelesen werden;
– als Pluralform (eines zählbaren Substantivs) gelesen werden;
Zählbare Substantive wie Schnitzel bieten mit Nullartikel zwei Lesarten:
Singular: ØSg Schnitzel
Plural: ØPl Schnitzel
Also müssen wir zwei Arten von Nullartikel unterscheiden.
Welche Sätze sind richtig?
8.a) Eine Jungforscherin Sabrina G. wurde von einer Obdachlosen bespuckt.
8.b) Die Jungforscherin Sabrina G. wurde von einer Obdachlosen bespuckt.
8.c) Die Jungforscherin namens Sabrina G. wurde von einer Obdachlosen bespuckt.
8.d) Eine Jungforscherin namens Sabrina G. wurde von einer Obdachlosen bespuckt.
Spezifizierung von Nominalphrasen
In (8.a–b) bilden Jungforscherin und Sabrina G. eine phrasale Einheit:
Die Nominalphrase Jungforscherin Sabrina besteht aus dem
Nomen commune Jungforscherin und dem Eigennamen (Nomen
proprium) Sabrina G.
Der Referent Jungforscherin wird also mittels Eigenname auf ein
Individuum spezifiziert.
In (8.c–d) wird das Nomen Jungforscherin durch namens spezifiziert.
Aber warum ändert sich der Artikelgebrauch, und was ist namens?
8.b) Die Jungforscherin Sabrina G. …
8.d) Eine Jungforscherin namens Sabrina G. …