„Böhmische Dörfer" Zur Ethnizität der Oppida-Bewohner in Böhmen Sabine Rieckhoff „Bei dem Einen sieht ein böhmisches Dorf so aus wie das, wovon gerade die Rede ist, beim Andern wie ein Satz aus der Naturgeschichte, beim Dritten wie der Pythagoräische Lehrsatz, beim Vierten wie die Theorie der Gleichungen vom vierten Grade, beim Fünften, einem Minister, wie sein Portefeuille, beim Sechsten wie etwas, was man schon wieder vergessen hat oder, bei musikalischen Referenten, wie Etwas, wovon man nichts versteht." K. Gutzkow, Gesammelte Werke (1845 ff.). Böhmen / Boier / ethnische Deutung / Wissenschaftsgeschichte / Jastorfkultur / Kelten / Kulturbegriff / Latenekultur / Migration / Oppida Die Idee einer „keltischen Welt der Latenekultur", vom Atlantik bis zur mittleren Donau, schien ihren überzeugendsten Ausdruck in der von J. Dechelette geprägten „civilisation des oppida" des 2. /I. Jh. v. Chr. zu ßnden. Aufgrund der materiellen Übereinstimmung stand für Dechelette fest, dass auch die Bewohner der böhmischen Oppida Kelten gewesen seien, die aus der antiken Überlieferung bekannten Boier. Diese These blieb bis heute unwidersprochen. Über Herkunft und Lokalisierung der Boier wurden im Laufe der Zeit diverse, zum Teil konträre Thesen aufgestellt, in deren Folge verschiedene archäologische Kulturen mit diesem Namen belegt wurden, was dann seinerseits zu neuen historischen Interpretationen führte. Der Beitrag verfolgt diese zirkuläre Forschungsgeschichte und deren wissenschaftstheoretische Einbettung. Letztere zeigt, dass sämtlichen Modellen derselbe Kulturbegriff zugrunde lag, der mit stabilen, homogenen, eingrenzbaren Großgruppen operierte auf der Grundlage der klassischen prähistorischen Paradigmen: ethnische Deutung und Migration. Löst man sich von diesen Vorgaben, sind auch andere Modelle plausibel, die mit den archäologischen und historischen Quellen besser konform gehen. Zum Beispiel Germanen und Kelten Mit J. Dechelette's berühmter Typentafel (Abb. 1) hat sich in der Eisenzeitforschung der Begriff der 'keltischen Oppidazivilisation' eingebürgert1. Für Dechelette (1862-1914) wiesen die spätlatenezeit-lichen Befestigungen zwischen Frankreich und Ungarn und deren Fundbestand so schlagende Übereinstimmungen auf, dass er nicht zögerte, von einer identischen civilisation zu sprechen, die - zu seiner Zeit selbstverständlich - auch eine identische Ethnizität einschloss: Gallier bzw. Kelten. Auch spätere Forscher betonten die Homogenität dieser Oppida-'Kultur', und es bürgerte sich ein, eine feste Grenze um das 'keltische' Verbreitungsgebiet zu ziehen2. Aus heutiger Sicht erweist sich diese Grenze allerdings zunehmend als beliebig. Ein anschauliches Beispiel ist die Mittelgebirgszone, unter der jeder Bearbeiter etwas anderes zu verstehen scheint. Von Norden gesehen sprangen immer schon die „keltischen Einflüsse" ins Auge3; aus der Sicht der Mitte stand deren Eigenständigkeit im Vordergrund, die zu hybriden Konstrukten führte wie der „parakeltischen", „hercynischen" Spätlatenekultur4; und von Süden aus gesehen erschien, angesichts der verwirrenden Vielfalt jastorfzeitlicher Kulturgruppen, die Lösung (auch für mich) in einer reduktionistischen Generalisierung zu liegen: Germanen im Norden, Kelten im Süden5. Diese abweichenden Sichtweisen erklärten sich aber nicht aus unterschiedlichen Kulturtheorien, sondern aus kontrastierenden Forschungsinteressen, denen nichtsdestotrotz die Vorstellung gemeinsam war, dass archäologische Kulturen auf irgendeine diffuse Weise geschlossene soziale Gebilde darstellen - ob wir diese nun Volk, 1 Dechelette 1927, 477 Abb. 404. 2 Die erste derartige Grenze scheint V. Kruta entworfen zu haben (Kruta 1978; deutsche Ausgabe 1979, 95); die jüngste Oppidakarte von St. Fichtl unterscheidet sich davon nicht wesentlich (Fichtl 2005,20). - Zur forschungsgeschichtlichen Bedeutung von Verbreitungskarten zur so genannten Ethnogenese der Kelten vgl. Collis 2003, 93 ff.; ders. 2007, 124 ff.; Rieckhoff 2006a, 34 ff. 3 Sie bilden die paradigmatische Grundlage auch der jüngsten Darstellung: Brandt 2001. - Zuletzt zur Nordzone: Möllers u. a. 2007. 4 Peschel 1978; ders. 1988. 5 Stöckli 1979, 110 f.; Rieckhoff 1995, 13; 17; neuerdings auch wieder Brandt 2001, 151 ff. 362 Sabine Rieckhoff Stamm, Gruppe oder Ethnos nennen. Mit diesem „essentialistischen" Kulturbegriff, der auf dem „ethnischen Paradigma" beruht6, versucht die Prähistorische Archäologie seit dem 19. Jahrhundert7, die Geschichte ihrer „imaginären Gemeinschaften" zu erzählen8, d. h. deren Veränderungen in Zeit und Raum zu beschreiben. Eine der häufigsten Erklärungen für diese Veränderungen sind - seit der Antike -Wanderungen. Die Geschichte der Germanen und Kelten quillt daher über von antiken und modernen Migrationsmodellen9. Wie schwierig, aber auch wie notwendig es ist, mit diesen traditionellen Paradigmen zu brechen, möchte ich im Folgenden am Beispiel der böhmischen Oppidazivilisation aufzeigen. Sie bildete zwar keinen Schwerpunkt in Amei Längs Forschungen, aber ich möchte ihr diesen Beitrag widmen, weil sie schon vor vielen Jahren in unserer kontroversen Diskussion über 'Germanen' in Süd- 6 Sommer 2007. 7 Brather 2004. -Gramsch 2007. 8 Anderson 1983. 9 Burmeister 2000; Andresen 2004 (Rez. Burmeister 2004). „Böhmische Dörfer" 363 deutschland auf sehr fortschrittliche Weise versucht hat, die 'ethnische Deutung' auszuhebein, indem sie an Stelle von Migration ein modernes ökonomisches Modell setzte10. Methodologische Grundlagen Um ein neues Verständnis der archäologisch-historischen Quellen zu gewinnen, sind ein forschungsgeschichtlicher Rückblick und dessen Einbettung in wissenschaftstheoretische Erkenntnisse erforderlich. Dieser methodische Ansatz ist nicht neu. Er trägt schon seit einigen Jahren dazu bei, das Thema Ethni-zität unbefangener und ergiebiger zu diskutieren, als dies noch vor zehn Jahren möglich schien11. Erst kürzlich hat H. Steuer, in der Diskussion um die kulturelle Zuweisung der Schnippenburg, Ldkr. Osnabrück, explizit auf die prägende Rolle von zeitgenössischen Ideologien, Forscherpersönlichkeiten und historischen Zufällen bei der Konstruktion von archäologischen Kulturen hingewiesen, die uns als Klassifikationsmittel dienen - denn mehr können sie nicht sein12. Als Beispiel wählte er die so genannte Jastorfkultur. Steuer beschreibt diese (konstruierte) archäologische Kultur als „räumliches Kontinuum". Er entnimmt diesen Begriff der modernen Sprachforschung, der für die Archäologie so relevant ist, dass es sich lohnt, das Zitat hier wörtlich zu wiederholen: „...jede regionale Sprachausprägung... (ist) von den benachbarten Sprachausprägungen nur geringfügig verschieden; je weiter aber zwei Sprachausprägungen.. .voneinander entfernt sind, desto größer werden die Unterschiede; in extremen Fällen sind die Sprachausprägungen (also etwa bei einem Hamburger und einem Rosenheimer, die beide ihre Mundart sprechen) nicht mehr gegenseitig verstehbar", obwohl sie - sinngemäß ergänzt - zur selben Gesamtsprache gehören, d. h. zum selben räumlichen Kontinuum13. Vergleichbar mit dem räumlichen Kontinuum einer Sprache sei, so Steuer, das Kontinuum solch großräumiger Erscheinungen wie der gleichzeitigen Jastorf-, Przeworsk- und Latenekulturen, die auf der Karte halb Europa füllen14. Steuer möchte deshalb nicht - um im Bild zu bleiben - von einer Jastorf-Gesamtkultur sprechen, sondern lieber von einem jastorfzeitlichen ,3ündel" von „archäokulturellen" Ausprägungen15, deren Akteure Lokalgruppen (Familienverbände? Interessensver-bände?) gewesen seien mit einem Aktionsradius von nicht mehr als 30-50 km. Politisch handelnde Einheiten (Stämme oder gar Völker), die ausziehen, um sich fremden Territoriums zu bemächtigen, seien dagegen Projektionen des im 19. Jahrhundert wurzelnden Nationalismus; bei schriftlich überlieferten Wanderungen größerer Gruppen (Beispiel keltische Wanderungen) habe es sich nicht um bäuerliche Siedlungsgemeinschaften, sondern um Kriegergefolgschaften gehandelt16. Aus seinem konstruktivistischen Modell zieht Steuer sogar den kühnen Schluss, dass „die Trennung von Latene und Jastorf fragwürdig geworden ist und man besser insgesamt von Vorrömischer Eisenzeit sprechen sollte". Der gute Forschungsstand der „östlichen Kontaktzone"17 in Deutschlands Mitte bietet einen schlagenden Beleg für den dynamischen und handlungsorientierten Kulturbegriff, wie er Steuer vermutlich vorschwebt. Das Oppidum Steinsburg und sein Umfeld, dessen Nah- und Fernbezüge kürzlich K. Peschel noch einmal sorgfältig analysiert hat18, sind geradezu ein Musterbeispiel für eine Lokalgruppe, deren kulturelles Erscheinungsbild durch unterschiedliche Mechanismen unterschiedlicher Akteure zustande gekommen ist: durch Diffusion, durch selektive Akzeptanz oder schöpferische Umsetzung fremder kultureller Elemente, aber auch durch deren Ablehnung19, durch Mobilität der eigenen Gruppe oder fremder Individuen, aus wirtschaftlichen oder sozialen Interessen usw. Die archäologischen Funde der Phasen Lt C-D repräsentieren allein in diesem Kleinraum ein so brei- 10 A. Lang's Ausgangspunkt war die - nur allzu berechtigte! - Kritik an meinem germanischen „InvasionsmodeH" (Rieckhoff 1990, 111 f.; Lang 1993); vgl. hierzu (selbst)kritisch Rieckhoff 1995, 20 f.; dies. 2007a, 418 f. insbesondere 433. 11 Collis 2003; ders. 2007. - Brather 2004, 9 mit Anm. 44 zu älterer Literatur. - Rieckhoff 2006b; dies. 2007b; Rieckhoff/Sommer 2007. 12 Steuer 2007. - Kritisch zum Kulturbegriff in jüngerer Zeit u. a. Müller-Scheeßel 2000, 70 ff.; Brather 2001; Burmeister/Müller-Scheeßel 2006; Sommer 2007. 13 Seebold 1996. 14 Bockius/Luczkiewicz 2004, 2. 15 Künnemann 1995, 87. 16 Steuer 2003, 833. 17 Müller 2007. 18 Peschel 2005. 19 A. Gramsch unterscheidet sinngemäß folgende Formen der Akkulturation: Persistenz (Widerstand gegen kulturellen Wandel), Akkomodation (partieller Wandel durch selektive Übernahme fremder Elemente und deren Integration in das eigene kulturelle System), Assimilation (vollständiger Wandel durch die Überprägung oder den Austausch eigener mit fremden kulturellen Elementen): A. Gramsch, Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Konzepte zum Kulturwandel in Ethnologie und Prähistorie. Vortrag gehalten in Leipzig am 30.4.08. Ich danke A. Gramsch, dass er mir sein Manuskript zur Einsicht überlassen hat. - N. Roymans verwendet eine andere Terminologie, die aber sinngemäß dasselbe meint, wenn er die „Diffusion der Latenekultur" an den Niederrhein untergliedert in „sharing, selective borrowing, and creative appropriation" (Roymans 2007, 324). 364 Sabine Rieckhoff tes Handlungsspektrum20, dass bereits damit gesagt ist, dass sich kein homogener Grenzraum zwischen Jastorf- und Latenekultur finden lassen wird - zumal keine Rede davon sein kann, dass die dafür in Anspruch genommene Nordgrenze der Glasarmringe (mit Schwerpunkt am Niederrhein), der Graphittonkeramik (Nordhessen bis Thüringer Becken) sowie der Drehscheibenkeramik (von der Weira bis zur Elbe) ein „ähnliches Bild" ergeben würde21. Im Gegenteil, die unterschiedliche Verbreitung dieser „typisch keltischen" Fundkategorien zeigt, dass diese völlig unterschiedlichen historischen und sozialen Bedingungen des von S. Sievers propagierten „Kulturtransfers" unterlegen haben müssen22. Trotz des heutigen Bewusstseins dafür, dass Eth-nien im Sinne einer „sprachlichen und räumlichen Integrität gesellschaftlicher Identitätsgruppen" eine Projektion „des industriellen Zeitalters mit nationalstaatlichen Ambitionen" sind23, ist Peschel letztlich doch auch wieder der Versuchung erlegen, die archäologische Kultur als historisch reales Gebilde mit ethnischer Identität zu beschreiben, wenn er aus einem Ausschnitt dieser Zone („nordhessisches Bergland, Thüringer Wald, Harz") das Stammesgebiet der Markomannen, der „Leute in einer Grenzlandschaft " konstruiert24. Markomannen und Boier in Böhmen Mit den Markomannen ist unser Stichwort gefallen. Seit dem 16. Jahrhundert waren die böhmischen Chronisten davon überzeugt, dass Böhmen in vorgeschichtlicher Zeit von keltischen Boiern besiedelt gewesen sei, denen das Land seinen Namen Boioha-emum-Bohemia-Böhmen verdanke. Vor dem Hintergrund des oben skizzierten Forschungsstandes wirft diese ethnische Deutung heute zwei Fragen auf: Mit welcher Berechtigung wird die böhmische Oppidazi-vilisation den aus der antiken Überlieferung bekannten Boiern zugewiesen? Und welche Gründe sind für die Überzeugung verantwortlich, dass in Böhmen im 2. und 1. Jh. v. Chr. Kelten im genuinen Sinne gelebt hätten, also Menschen, die sich selbst als Kelten bezeichneten, so wie Caesar über die Gallier sagt: „Ganz Gallien zerfällt in drei Teile; in dem einen leben die Beigen, im zweiten die Aquitaner und im dritten diejenigen Völker, die sich selbst Kelten nennen, bei uns jedoch Gallier heißen." (Gall. 1, 1, 1)? Die frühe Forschungsgeschichte der böhmischen Oppida verlief recht bewegt. Bereits 1845 glaubte J. E. Wocel (1802-1871), der erste Inhaber eines Lehrstuhls für prähistorische Archäologie an der Universität Prag, Oppida der keltischen Boier zu kennen (von denen freilich heute keines mehr zu diesen zählt)25. 1877 kam in Stradonice ein Aufsehen erregendes Depot von 200-700 Goldmünzen zutage26, das den Fundort schlagartig ins Bewusstsein der europäischen Eisenzeitforschung hob, die sich soeben zu etablieren begonnen hatte. Aber es dauerte noch fast zwei Jahrzehnte, bis 1895 der habilitierte Historiker und Leiter der Archäologischen Abteilung des Nationalmuseums Prag, J. Pic (1847-1911), die erste Grabung in Stradonice durchführte. Wenig später übernahm Dechelette 1897 von seinem Onkel J.-G. Bulliot die Grabungsleitung in einem der bedeutendsten Oppida Frankreichs, in Bibracte auf dem Mont Beuvray in Burgund27. Dechelette, von der Existenz eines continent de La Tene fest überzeugt28, reiste 1899 nach Böhmen, um Stradonice zu besichtigen; er inspizierte das Fundmaterial und identifizierte aufgrund der Übereinstimmungen mit Bibracte in Stradonice das erste Oppidum in Böhmen, das er - für ihn selbstverständlich - keltischen Boiern zuschrieb. Vergeblich versuchte er allerdings, auch den Ausgräber von dieser Deutung zu überzeugen. Obwohl Pic die Ähnlichkeit zwischen Bibracte und Stradonice sehr wohl erkannte, ließ er sich sein ganzes Leben nicht von der merkwürdigen Idee abbringen, dass er in Stradonice das historische Marobudum, die Hauptstadt des germanischen Markomannenreiches entdeckt hätte. 1903 veröffent- 20 Als ausgewählte Beispiele (vgl. Peschel 2005, 13 ff.) für die erwähnten Mechanismen seien genannt: versprengte Einzelstücke wie keltische Münzen und bemalte Keramik (Diffusion), Glasarmringe (Akkomodation durch selektive Akzeptanz), Aneignung des Latenestils auf Stab- und Lochgürtelhaken in Jastorftradition sowie mitteldeutsche Drehscheibenkeramik (Akkomodation durch schöpferische Umsetzung), Import von Rohgraphit und eigene Herstellung von Graphittongefäßen nach Latenevorbild (Assimilation), Trachtzubehör aus Fibeln vom Mittellateneschema Beltz Var. J statt Nauheimer Fibeln (Persistenz). - Zu Stab- und Lochgürtelhaken: Rieckhoff 1995, 140 f. 308 mit Abb. 45; Müller 2007, 279 f. - Zu Fibeln Beltz Var. J und Typ Nauheim: Völling 1994, 151 ff; Rieckhoff 1995, 112 ff. mit Abb. 44; Striewe 1996, Beilage 1. 21 So Schäfer 2007, 347. 22 Glasarmringe: Schäfer 2007, 348 Abb. 1. - Drehscheibenkeramik: Müller 1985,119 Abb. 26. - Graphittonkeramik: Seidel 2002,347 Abb. 5. - Sievers 2007. 23 Müller 2006, 104. 24 Peschel 2005, 25. 25 Salac 2006, 223 ff. - Manteuffel 2007, 52 ff. 26 Die Angaben sind uneinheitlich: Lehrberger u. a. 1997, 212. 27 Fleischer/Rieckhoff 2002; Dhennequin u. a. 2008. 28 Dechelette 1927, 487. „Böhmische Dörfer" 365 lichte er seine Grabungsergebnisse und beschrieb Stradonice als eine „kulturelle und wohl auch nationale Insel"29. Déchelette lernte eigens Tschechisch, um Píč' Publikation übersetzen zu können. Er kürzte und formulierte den Text jedoch nach Gutdünken um. Píč' Markomannen-Interpretation erwähnte er gar nicht und sprach von Oppidum, wo Píč nur místo (Ort) geschrieben hatte30. Nachdem J. Schránil 1928 Dechelette's ethnische Deutung - keltische Boier als Bewohner der Oppida - in seine „Vorgeschichte Böhmens und Mährens" aufgenommen hatte, wurde diese These (denn etwas anderes war es selbstverständlich nicht) nie mehr in Frage gestellt. Dechelette's Paradigma Um das Boier-Problem zu verstehen, muss man zuerst die Forschungsgeschichte zur „Keltisierung" Ostmitteleuropas genauer betrachten. Dazu müssen wir etwas weiter ausholen und mit einem Blick auf die Hallstattkulturen beginnen. Während schon der französische Historiker H. d'Arbois de Jubainvil-le (1827-1902) den Ursprung der Kelten in Südwestdeutschland lokalisiert hatte31, galt die östliche Hallstattkultur von Anfang an mehr oder weniger selbstverständlich als illyrisch. Diese ethnischen Deutungen beruhten noch nicht auf archäologischen Erkenntnissen, sondern auf der Interpretation der antiken Überlieferung, auf linguistischen Theorien, die um die Jahrhundertwende um Theorien der physischen Anthropologie und Rassenkunde ergänzt wurden. Erst mit Kossinnas axiomatischem Leitsatz von den „scharf umgrenzten Kulturprovinzen", die identisch seien mit einem bestimmten Volk und dessen Sprache, wandte sich die Aufmerksamkeit stärker den Unterschieden in der materiellen Kultur zu32. Für die Forscher H. Hildebrand, O. Montelius, O. Tischler, E. Désor und P. Reinecke, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Grundlagen zu Typologie und Chronologie der Hallstatt- und Latěnekul-turen schufen, spielten Philologie und Sprachwissenschaft noch so gut wie keine Rolle33. Erst Déchelette gab der Eisenzeitforschung die neue, entscheidende Wendung. Es ist das Verdienst von J. Collis gewesen, Dechelette's prägende Rolle für die ethnische Deutung der Hallstatt- und Latenekulturen herausgearbeitet zu haben34. Dechelette verknüpfte, sicherlich unter dem Einfluss von Kossinna, die historischlinguistischen Thesen von d'Arbois de Jubainville erstmals mit archäologischen Daten. Er definierte die Ausdehnung der Hallstattkultur - von Burgund bis Böhmen - vor allem anhand von Bestattungssitten. Auf diese Weise konstruierte er eine scheinbar „scharf umgrenzte" archäologische Kultur, die er, unter Berufung auf Herodot (Hist. II, 33, 3), den Kelten zuwies. Auf die Hallstattkultur projizierte er die Verbreitung der Frühlatenekunst zwischen Champagne und Böhmen, die er, da sie sich mit jener teilweise deckte, ebenfalls als keltisch bezeichnete. Er sah seine Deutung bestätigt durch die typologische Ähnlichkeit des Frühlatenestils mit spätlatenezeitlichen Artefakten aus Irland und England, die schon des Längeren als Late Celtic Art bekannt waren - aber dies, wie Collis nachgewiesen hat, nur deshalb, weil die Sprachwissenschaft die Ureinwohner Britanniens zu 'Kelten' deklariert hatte (obwohl dies von keinem einzigen antiken Autor jemals behauptet worden war). Dechelette's archäologisch-linguistische Konzeption der Kelten wirkte so stimmig, dass sie, wie Collis ebenfalls gezeigt hat, die Grundlage aller modernen Verbreitungskarten wurde35. Diese zeigen einen (unterschiedlich definierten) Kernraum, von dem aus sich die 'keltische Latenekultur' entweder diffusionistisch ausgebreitet haben soll oder deren Träger selbst in alle Himmelsrichtungen gewandert seien, so dass diese Kultur schließlich angeblich eine riesige Ländermasse von Irland bis Rumänien umfasste. Seit Dechelette galt daher nicht nur, wer keltisch spricht, ist Kelte, sondern auch die Latene-kultur, insbesondere die h&Xbmkunst ist eo ipso keltisch. Dieses Paradigma führte in ganz Europa zu Thesen und Modellen der Eisenzeitforschung, die bis heute wissenschaftshistorisch kaum hinterfragt worden sind. Wenn ich dies im Folgenden am Beispiel der 'Ostkelten' erläutere, dann nicht, weil die 'Westkelten' keinen Anlass dazu böten36, sondern weil die Boier ein besonders anschauliches Beispiel dafür sind, dass sich selbst eine Ethnie „ dont la cel-ticite parait indiscutable "37 aus diesem Blickwinkel als Konstrukt herausstellt. 29 Pic 1903, 112; Übersetzung nach Manteuffel 2007, 57. 30 Pic 1903, 105 f; Dechelette 1906, 112; Manteuffel 2007, 35. - Salac 2005, 282. 31 d'Arbois de Jubainville 1904. 32 Kossinna 1911, 3. 33 Rieckhoff2009. 34 Collis 2003, 87 ff.; ders. 2007, 115. 35 Collis 2007, 124 Abb. 1. 36 Grundlegend dazu bereits Zapatero 1993. 37 Kruta 2000, 473. 366 Sabine Rieckhoff Frühlatenekultur in Böhmen Nach 520/500 v. Chr. veränderte sich das mitteleuropäische Verkehrssystem38. Aufgrund von Machtverschiebungen im Mittelmeerraum bauten etrus-kische Händler die Verbindungen von Oberitalien nach Nordwesteuropa zu den Zinnquellen, und nach Nord- und Nordosteuropa zu den Bernsteinvorkommen aus. Einer dieser Wege verlief vom caputAdriae über die Ostalpen und den Goldenen Steig nach Böhmen und weiter elbeabwärts. Abgesehen von dem Interesse der Etrusker am Bernstein, wurde dieser Weg auch genutzt, um das 'weiße Gold' aus dem Salzbergwerk vom Dürrnberg gegen böhmisches Gold einzutauschen39. Ein Querweg (die Cham-Further-Senke) verband Westböhmen (Pilsener Becken) über Nordbayern mit dem Mittelrheingebiet. Böhmen war auf diese Weise (wieder) voll in den Austausch mit dem Süden eingebunden. Diese Verkehrswege haben sich in Importen, deren Imitationen und davon angeregten künstlerischen Neuschöpfungen zur Zeit der Frühlatenekultur niedergeschlagen. Zu den faszinierendsten Objekten der Phase Lt A (ca. 475-375 v. Chr.) gehören figürliche Darstellungen wie die Fibel aus Grab 74 von Manětín Hrádek in Westböhmen (Abb. 2). Abb. 2. Figürliche Fibel, Manětín Hrádek Grab 74. Bronze, L. 8,8 cm (Soudská 1968,455 Abb. 5). Die Figur trägt ein Gewand, das ursprünglich mit Bernsteineinlagen verziert gewesen ist, und etruski-sche Schnabelschuhe - ein sprechendes Beispiel für die Kontakte zwischen Italien und Nordeuropa, die in der geographischen Mitte, in diesem Fall in Böhmen, eine künstlerische Synthese auslösten. Der Friedhof von Manětín Hrádek setzte mit der hall-stattzeitlichen Hügelgräberkultur ein, die sich Ende des 9. Jh./Anfang des 8. Jh. v. Chr. kontinuierlich aus der Spätbronzezeit (Ha B3) entwickelt hatte, wie vor allem die Keramik nahelegt40. Neu in Ha C war, wie überall im Westhallstattkreis, die Beisetzung der Oberschicht mit Wagen und Waffen in großen Holzkammern unter Hügeln, die sich in Nordböhmen in der Bylanykultur konzentrierten. Nur die Spitze der Gesellschaft pflegte die Körperbestattung; üblicherweise herrschte Brandbestattung vor. In Ha D2/3 traten die so genannten Flachbrandgräber hinzu, kleine seichte Gruben mit Urnen oder Leichenbrandhaufen, deren unspektakuläre Beschaffenheit ihre Entdeckung erschwert. Eine Besonderheit Nordwestböhmens in Lt A stellten Körpergräber ohne Hügel wie die spätesten Bestattungen in Manětín Hrádek dar, Vorboten der nordböhmischen Skelettflachgräber (Lt Bl-Cl). Am Übergang Ha D3/Lt A wurden die ersten „Fürstengräber" angelegt, ausgestattet entweder mit dem zweirädrigen Wagen oder mit etruskischem Bronzegeschirr. Die hallstattzeitlichen Grabhügelfelder West- und Südböhmens setzten sich kontinuierlich nach Lt A fort unter Beibehaltung der Sitte der Brandbestattung und Gefaßbeigabe. Im 4. Jh. v. Chr. (Lt B) verschwanden nicht nur die Latene-Prunkgrä-ber, sondern auch die west- und südböhmischen Ne-kropolen. Stattdessen entstanden in Nordböhmen die erwähnten Flachgräberfelder mit Körperbestattung, deren neuer Ritus, neue Tracht und Bewaffnung einen kulturellen Bruch anzuzeigen schienen. Während jedoch aus Westböhmen bisher tatsächlich nur ein einziges Kriegergrab aus dem 3.-2. Jh. v. Chr. bekannt geworden ist41, sind in Südböhmen in den letzten Jahren immer häufiger einzelne Flachbrandgräber aus dieser Zeit aufgetaucht (Lt Bl-Cl)42. Welche Keltenkonzeptionen entwickelte die böhmische Forschung aus diesem Befund? Zwei Beispiele, die für viele stehenkönnen, seiengenannt. E. Soudská, die die erwähnte Fibel erstmals 1968 publiziert hat- 38 Ausführlich zum Folgenden: Rieckhoff 2001, 51 ff. 88 ff. mit Abb. S. 89; Chytráček 2001, 122 mit Abb. 1; 135 f. 39 Pauli 1974; Lehrbergeru. a. 1997; Waldhauser 1996, 79 mit Abb. 2; Kubů/Zavřel 1999. 40 Chytráček 1998; Chytráček/Metlička 2002; Sankot/Valentová 2002; Sankot 2006. 41 Sankot 2002. 42 Michálek 1998; ders. 2002. „Böhmische Dörfer" 367 te, war auch noch 1996 überzeugt davon, dass in Manětín Hrádek aufgrund der Kontinuität des Friedhofes immer ein und dieselbe ethnische Gruppe bestattet haben müsse, bei der es sich aufgrund der typischen Lt A-Objekte der letzten Phase um einen Stamm der (Proto-)Kelten gehandelt habe, der jedoch um 400 v. Chr., in der Zeit der historisch überlieferten Keltenwanderungen, abgewandert sei. 2002 ergänzte J. Michálek dieses Szenario für Südböhmen: Die im Zuge der damaligen Migrationen gleichzeitig nach Nordböhmen vordringenden 'Flachgräberkelten' hätten von dort aus, angelockt vom Erzreichtum Südböhmens, diese Region erneut (re)kolonisiert, in der sie nur noch eine hallstattzeitliche Restbevölkerung angetroffen hätten, die an ihrem traditionellen Brandritus festhielt43. Diese komplizierten Konstruktionen wären nicht denkbar gewesen ohne das Modell von J. Filip, dem „maitre de la celtologie", das er 1956 erstmals entwickelt hatte44: Er war überzeugt davon, dass die keltische Ethnogenese mit der späten Urnenfelderkultur begonnen und mit der Hallstattkultur, den „historischen Kelten", abgeschlossen gewesen sei. Aus et-ruskischen Importen und kostbaren Lt A-Objekten in den böhmischen Hallstattnekropolen schloss er, dass sich hier im 5. Jahrhundert, unter dem Einfluss des Austausches mit Italien, diejenige Schicht herausgebildet hätte, deren ethnische und soziale Identität sich in der Latěnekunst und -kultur ausdrückte45; von da an hätten (sinngemäß) eine Oberschicht der Frühlatenekultur und das Volk der Späthallstattkultur parallel existiert. Im 4. Jh. v. Chr., im Zuge der Keltenwanderungen, seien neue Stämme aus West-und Mitteleuropa nach Böhmen eingewandert und hätten sich in den fruchtbaren Gebieten im Norden niedergelassen, während Südböhmen im „Machtbereich" der ansässigen Kelten geblieben sei. Bei den Einwanderern, kenntlich an ihrer neuen Sitte der Körperbestattung, habe es sich um Boier gehandelt, die Böhmen seinen Namen gaben. Andere Stämme in ihrem Gefolge seien weiter gezogen und hätten sich in der Slowakei, in Slowenien, in Ungarn und im Karpatenbecken niedergelassen. Frühlatenekultur in Ungarn Es wäre verlockend, Filip's Modell mit den Keltenkonzeptionen der Nachkriegszeit in Ost und West zu vergleichen, aber das würde hier zu weit führen. Lediglich Ungarn soll kurz erwähnt werden, weil es die Boier betrifft, wenn wir Plinius d. Ä. (nat. 3,146) Glauben schenken wollen, dessen deserta Boiorum (Boier-Einöde) zwischen Neusiedlersee und Plattensee lokalisiert wird46. Über die Ethnizität der vorkeltischen Bevölkerung in Ungarn westlich der Donau (Transdanubien) ist so gut wie nichts bekannt. M. Szabö erwähnte 1992 linguistische Hinweise auf eine „pannonische" Urbevölkerung mit „illyrischer" Sprache, ein „venerisches" Substrat sowie einen epigraphisch singulären („gallischen") „Boier" - diese Mischung habe die „Keltisierung" befördert47. 1992 galt der Osthallstattkreis in der Tat noch unwidersprochen als illyrisch48 bzw. das Veneto-Illyrische als Sprache des Ostalpenraumes49. Neueren Forschungen zufolge ist das schüttere Sprachgut aber nicht für ethnische Deutungen geeignet50. Ursprünglich wurde die Einwanderung der Kelten auf den Balkan aufgrund der literarischen Überlieferung erst in die Zeit der Wanderungen um 400 v. Chr. datiert und galt als kriegerische Invasion. Doch seit den 1980er Jahren häuften sich eindeutig Lt A-zeitli-che Funde in den Hallstattkulturen von Ostösterreich, Südwestslowakei und dem nördlichen Transdanubien. Szabö deutete diesen Befund kürzlich erneut als Beweis für eine friedliche keltische Expansion in der 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr.51. Auch bei der Lateni-sierung des 4. Jh. v. Chr. und der Ausbreitung der Skelettflachgräber südlich des Plattensees bis in die Region um Belgrad hätte es sich um eine friedliche Kolonisation gehandelt, getragen von Siedlungsverbänden, u. a. aus dem übervölkerten Böhmen52, die in bestehende Nekropolen aufgenommen worden seien oder umgekehrt indigene Individuen bei sich aufgenommen hätten. Aus der friedlichen Koexistenz von ,,keltisch-illyrisch-pannonischen" Ethnien hätten sich sogar politische Allianzen entwickelt zwischen 43 Soudskä 1968; dies. 1994; dies. 1996. -Michälek 2002, 174. 44 Drda/Rybovä 1995, 21.-Filip 1956, 514 ff.; ders. 1961. 45 Filip 1961, 96 definierte Latenekultur als „Kultur einer ethnischen Komponente und einer herrschenden Schicht". 46 Dobesch 1999, 351. 47 Szabö 1992, 13. 48 Kromer 1964, 164 ff.; Pauli 1991, 294. 49 Parzinger 1991, 26. 50 Müller-Scheeßel 2000, 78 ff. 51 Szabö 2006. 52 Szabö 2006, 102 bezieht sich hier indirekt auf Kruta 2000, 227. 368 Sabine Rieckhoff keltischen und balkanischen Stämmen, wie z. B. das „kelto-illyrische" Bündnis der Skordisker. Filip's Modell Welcher Autor auch immer behauptete, dass Böhmen von Boiern besiedelt gewesen sei, setzte voraus, dass Ostmittel- und Südosteuropa spätestens im 4. Jh. v. Chr. „keltisiert" worden waren. Aus diesem Grund war es erforderlich, einen Blick auf die Mechanismen zu werfen, mit denen diese „Keltisierung" Böhmens und Ungarns begründet wurde. Auch wenn man die Zahl der Beispiele erweiterte, würde man feststellen, dass es sich letztlich immer um Versatzstücke aus Filip's Urmodell handelte, das seinerseits auf den klassischen prähistorischen Paradigmen beruhte: ethnische Deutung und Migration. Filip hat seine Keltenkonzeption nirgends offen dargelegt, aber sie ist seinen Thesen unschwer zu entnehmen. Ohne explizite Begründung eignete er sich die wesentlichen Merkmale von Dechelette's Konzeption an: die Definition einer Hallstatt-„Provinz" anhand von Bestattungssitten (in diesem Fall der Bylanykultur, durch die Böhmen zum Westhallstattkreis zählte); die Identifizierung der Hallstattkultur mit den historischen Kelten aufgrund einer dubiosen Textquelle (Herodot II, 33,3); die Gleichsetzung von Frühlatenekultur und keltischer Ethnizität (obwohl in dem Streifen zwischen Nordfrankreich und Böhmen, in dem Dechelette die Entstehung der Frühlatenekultur lokalisiert hatte, laut Caesar überwiegend gar keine Kelten lebten; in Nordgallien lokalisierte er vielmehr die Belgae, die über den Rhein gekommen seien, Germani cisrhenani und Kelten, die sich ihrer germanischen Abstammung rühmten53, sowie rechts des Rheins Germani)5*. Filip's sozioökonomisches Modell der Entstehung der Frühlatenekultur besitzt auch heute noch mindestens so viel Gewicht wie das weitaus bekanntere von P. Jacobsthal, der die Latene-kunst aus einem neuen „Verhältnis der Kelten zu Gott und Welt" abgeleitet hatte55, aber eine logische Begründung dafür, dass es sich bei dieser Kultur um 'Kelten' im Sinne Caesars gehandelt habe, leistete Filip nicht - weil sie nicht zu leisten ist. Dasselbe gilt für Filip's Identifizierung der Skelettgräberfelder mit den Boiern, die um 400 v. Chr. eingewandert seien - auch das eine These, die durch nichts zu begründen und deshalb ja auch mehrfach durch andere ersetzt worden ist, sei es, dass man die Volcae Tectosages aus Südfrankreich (Languedoc), die Bituriger aus Mittelfrankreich (Berry), Kelten aus der Schweiz oder der Champagne einwandern ließ, sei es, dass man stattdessen die Boier zu diesem Zeitpunkt nach Italien schickte56. Die gemeinsame Klammer dieser konträren Interpretationen war die neoromantische Überschätzung der Bestattungssitten, die als Inbegriff ethnischer Identität galten und scheinbar dazu zwangen, den Wechsel im Totenbrauchtum mit einem Bevölkerungswechsel zu erklären. Für dessen Begründung bot sich das von den antiken Autoren modellierte Bild der keltischen Wanderungen wie von selbst an. Diese seien nicht nur von Frankreich nach Italien gerichtet gewesen -Stichjahr ist die Eroberung Roms um 387 v. Chr. -, sondern hätten, ausgelöst durch diese, Wanderungen in alle Himmelsrichtungen zur Folge gehabt. Das Ende der Lt A-Grabhügelfelder in den Waldgebirgen West- und Südböhmens sowie die Entstehung neuer Lt B-Flachgräberfelder in den fruchtbaren Lößebenen Nordböhmens passen perfekt in dieses Bild - solange nicht am Ethnos- und Kulturbegriff gerüttelt wird. Klimawandel, Kriegerbanden und Kontinuität Die antike Berichterstattung zu Ursache und Verlauf der keltischen Wanderungen wird vor allem von Livius bestimmt, dessen Konzeption schon seit längerem kritisch analysiert wird57. Von Seiten der Archäologie ist dagegen meist nur das Für und Wider der Wanderungen erwogen worden; die Erörterung der „theories migratoires" steht für die Eisenzeit noch aus58. Es mag eine Binsenweisheit sein, aber um Wanderungen archäologisch identifizieren zu können, müssen wir die archäologischen Überlieferungsbedingungen kennen, sonst nützen Verbreitungskarten gar nichts. P. Sankot hat eindrücklich gezeigt, wie viele Faktoren das Fundbild in Böhmen verzerren: die Zerstörung der Bodendenkmäler nicht nur durch unsachgemäße Ausgrabungen des 19. Jahrhunderts (denen natürlich die größten und damit reichsten Grabhügel zum Opfer fielen), sondern vor allem durch die Mechanisierung der Landwirtschaft sowie die brutale Industrialisierung nach 1945 in Nordböhmen, von 53 Fichtl 1994, 147. 54 Daraufhat erstmals Collis 2003 aufmerksam gemacht. 55 Jacobsthal 1934, 44. 56 Filip 1966/69, 1441. - Waldhauser 2001, 14. - Kruta 2000, 225. - Drda/Rybovä 1995, 10 f. 101 ff. 57 Urban 2006; ders. 2007; Rieckhoff 2007b, 26 ff. 58 Soweit ich sehe, hat sich in jüngerer Zeit nur J.-R Demoule dahingehend geäußert: Demoule 2006, 25 ff. „Böhmische Dörfer" 369 BOHEMIA La Tene A m Tumulus • Cremation cemetery La Tene B — Flat inhumation cemetery © Hoard ] Chernozeme Brown Soils Brown Forest Soils Mountain Podsols Grey Forest Soils Rendzina Alluvium -j_I_i_150k Abb. 3. Grabsitten in Böhmen in Latene A und B (Collis 2003,186 Abb. 78). der nur die Grabhügelfelder in den west- und südböhmischen Waldgebirgen verschont blieben. Dennoch wird auch hier die chronologische Zuordnung des Fundstoffes erschwert durch die während der gesamten Latenekultur geübte Brandbestattung, die die Zerstörung des Metallinventars zur Folge hatte -ganz zu schweigen von den schlechten Erhaltungsbedingungen für die Flachbrandgräber, die überdies nur selten Metallobjekte enthalten (Abb. 3)59. Indessen weisen die in Südböhmen inzwischen häufiger identifizierten Lt Bl-Cl-zeitlichen Flachbrandgräber auf eine - wie Sankot jüngst vermutet hat -kontinuierliche Besiedlung durch die Regionalkultur hin, in die nur gelegentlich Objekte aus der Flach- gräberzone diffundierten. Dieses Modell hat den Vorteil, dass es komplizierte Kolonisationsmodelle erübrigt60. Trotzdem kommt man an der Tatsache nicht vorbei, dass in Lt A im Süden die Grabhügelne-kropolen abbrechen und im Norden die Siedlungen abnehmen. Das weist auf wirtschaftlichen Rückgang und dadurch bedingte erhöhte Mobilität hin. Beides ist auch in der benachbarten bayerischen Lt A-Kultur zu beobachten, so dass man als gemeinsamen Auslöser (auch) einen Klimawandel vermuten darf, wie er sich neuerdings immer deutlicher abzeichnet61. Viehsterben und Ernteeinbußen könnten die Entstehung von Steuers „Kriegerbanden" gefördert haben, die im Süden als „gallische" Söldner oder Räuber in der Historiographie auftauchen62. 59 Sankot 2006. 60 Vgl. Michälek 1998; ders. 2002; dagegen Sankot 2002. 61 Zu Bayern vgl. Krämer 1985, 2 ff. - Ch. Maise hat, allerdings relativ grob, einen „Klimasturz" um 410 v. Chr. errechnet, der in weniger als zehn Jahren zu extremer Kälte geführt haben soll: Maise 1998, 224 ff. - Neuerdings haben B. Schmidt und W. Gruhle auf der Basis einer feineren Dendrochronologie um 400 v. Chr. eine Periode extremer Trockenheit rekonstruiert: Fischer 2006, 459. Wie auch immer sich diese Daten eines Tages korrelieren lassen werden, sie weisen auf einen drastischen Klimawandel zur Zeit der keltischen Wanderungen hin. 62 Steuer 2003, 842 ff. 370 Sabine Rieckhoff Angesichts des oben skizzierten verzerrten Fundbildes ist es kein Wunder, dass der Eindruck herrscht, dass in Nordböhmen Lt A-Nekropolen fehlen und die Lt B-zeitlichen Skelettfiachgräber etwas völlig Neues darstellen. Dennoch zeigen Körpergräber vom Typ Manětín Hrádek, dass es sehr wohl gleitende Übergänge zwischen Lt A und B gegeben hat. Darauf weisen auch gelegentliche Lt A-Marker (Fibeln) in Lt Bl-Gräbern hin63. Die Luftbildarchäologie hat zudem jüngst für die Entdeckung von späthallstatt-frühlatenezeitlichen Grabenanlagen gesorgt, im Falle von Tišice (Bez. Mělník) in unmittelbarer Nachbarschaft eines Skelettgräberfeldes64. Ein solcher Friedhofswechsel muss nicht mit einer Besiedlungszäsur verbunden gewesen sein, sondern kann rituelle Gründe gehabt haben. Das beweisen die kontinuierlich von Ha D bis Lt D bewohnten Dörfer wie Ra-dovesice in Nordwestböhmen, auf dessen Existenz Beginn und Ende des zugehörigen Flachgräberfeldes überhaupt keinen Einfluss hatten65. Allerdings finden sich auch genügend Gegenbeispiele. In Libčice (Bez. Prag-West) liegen der Ha D/Lt A-Friedhof und die zugehörige Siedlung (die bis in die Bronzezeit zurück reicht!) ca. 800 m von dem Flachgräberfeld Letky (Lt Bl-Cl) entfernt. Sankot deutet diese Unterbrechung einer jahrhundertelangen Entwicklung als Zeichen eines fundamentalen wirtschaftlichen und kulturellen Wandels, der keinen individuellen Fall darstelle, sondern mit historischen Vorgängen erklärt werden müsse66. Wie soll man sich diese konkret vorstellen? Laut Steuer sind auch in der „Völkerwanderungszeit" keine Völker, Stämme oder Clans mit „Kind und Kegel" aus ihrer Heimat ausgewandert, sondern nur die erwähnten Kriegerbanden oder größere, komplexere Gefolgschaften („Heerhaufen") unter der Führung von Heerkönigen („war-lords"). Sind diese in der Ferne erfolglos, kehren sie in ihre Heimat zurück; werden sie mächtig genug, versuchen sie sich dauerhaft in der Fremde niederzulassen. Voraussetzung für eine geglückte Landnahme, so Steuer, sei die dauerhafte Ergänzung durch nachziehende Gruppen gewesen; das Kennzeichen dieser Art der Ethnoge-nese sei die Aufrechterhaltung der Verbindungen in das Herkunftsgebiet. Für die Keltenwanderungen des 4. Jh. v Chr. ist jedes dieser Phänomene - Söldner- wesen, Raub, Landnahme und Rückstrom - belegt. Für Böhmen möchte ich daher folgendes Modell vorschlagen: Aus verschiedenen Gründen, u. a. einer Klimaverschlechterung, kommt es am Übergang Lt A/B zu interner Mobilität, Konflikten und schließlich zur Abwanderung von einzelnen Kriegerbanden und/oder Heerhaufen nach Italien, aber der größere Teil der Gesellschaft bleibt sesshaft67. Da die Konsolidierung in der Fremde nicht dauerhaft gelingt, kehren die Krieger (oder der größere Teil) bald wieder zurück, im Besitz von Beute, neuen Kenntnissen und Ideen. Diese führen zum raschen demographischen und wirtschaftlichen Aufschwung in Lt B2, zu neuen sozialen Identitäten (Gefolgschaften!) und zum Wechsel der Bestattungssitte und des -platzes, aber aufgrund der Familienkontinuität zum Teil in der Nähe der ehemaligen Siedlungen. Ob dieses Modell belastbar ist, müsste eine Überprüfung des Fundmaterials erweisen; zunächst soll es nur zeigen, dass weder Kelten noch Boier notwendig sind, um Besiedlungsschwankungen und wechselnde Rituale zu erklären. Solche Überlegungen betreffen auch den mittleren Donauraum, weil damit Wanderungen ganzer Stämme, die in West-Ost-Richtung von Frankreich bis Ungarn geführt haben sollen, fragwürdig werden. Wie Steuer betont, haben sich Söldnerwesen und Raubzüge aus dem Gefälle entwickelt, das zwischen dem Clansystem der mitteleuropäischen Lokalgruppen und den komplexeren mediterranen Gesellschaften mit stehenden Heeren entstand. Ein solches Gefälle gab es aber im 4. Jh. v. Chr. nur in Nord-Süd-Richtung. Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass wir es bei der von Szabö beschriebenen Ausbreitung von Lateneobjekten in der Masse weder mit Kelten bzw. Boiern noch mit Wanderungen zu tun haben, sondern mit kleinräumiger Mobilität, mit unterschiedlichen „Kommunikationsintensitäten"68 und einem differenzierten Kulturtransfer, durch die sich Fibeln, Armringe, Schwertscheiden usw. und Bestattungssitten ausgebreitet haben, so wie es eingangs am Beispiel der Steinsburg und ihres Umfeldes entwickelt wurde69. Eine Münsinger Fibel in Transdanubien ist nicht a priori ein Hinweis auf Immigration, wie die kürzlich erfolgte anthropologische Binnenanalyse ausgerechnet des Gräberfeldes von Münsingen-Rain (Schweiz) bewies, im Gegenteil: Hier konnten von 63 Waldhauserl987,38. 64 Sankot 2006, 149. 65 Waldhauser 1993. 66 Sankot 2001, 308. 67 Steuer 2003, 839 hat für das Jahr 357 n. Chr. pro war-lord ca. 2000-3000 Krieger errechnet und schätzt, dass maximal 20 % der waffentragenden Männer eines Siedlungsverbandes auswanderten. - Waldhauser schätzt, dass etwa 50 % der böhmischen Siedlungen am Übergang Lt A/Lt Bl abbrechen: Waldhauser 1993, 405. 68 Müller 2006. 69 Vgl. o. Aran. 19. - Sievers 2007. „Böhmische Dörfer" 371 fünf Frauen mit typisch 'ostkeltischen' Hohlbuckelringen vier anthropologisch untersucht werden, und drei von diesen waren aufgrund morphologischer Verwandtschaftsmerkmale mit Sicherheit einheimischer Abstammung70. Das sollte davor warnen, ohne Isotopenanalysen auf typologischem Wege individuelle Mobilität zu rekonstruieren, ganz zu schweigen von wandernden Ethnien. Das soll freilich nicht heißen, dass es nicht auch ganz anders motivierte und strukturierte Migrationen gegeben hat. Einen scharfen Gegensatz zu dem multikulturellen Einvernehmen an der mittleren Donau bietet nämlich das Fundbild in Ostungarn und der Ostslowakei. Deren Latenisierung wurde von dem Abbrechen der einheimischen „skythischen" Gräberfelder begleitet71. Das deutet auf tatsächliche Zuwanderung von fremden Gruppen hin (welcher Ethnizität auch immer), die entweder die Vertreibung indigener Gruppen zur Folge hatte oder aber deren komplette Assimilation. Auf letztere weist die neu entdeckte Latenesiedlung von Sajöpetri hin, in der sich reichlich einheimisch-„skythisches" Material fand72. Boier auf dem Rückmarsch? Schriftliche Quellen und archäologische Interpretation Nachdem deutlich geworden ist, dass es keinen zwingenden Grund gibt, in der böhmischen Frühlatene-kultur von Kelten zu sprechen, geschweige denn von Boiern, müssen wir noch die letzte These überprüfen: die Einwanderung der Boier zu Beginn des 2. Jh. v. Chr. in Böhmen, wo sie die ersten Oppida nördlich der Alpen gegründet haben sollen73. Die Argumentation beginnt damit, dass die Ethnogenese der Boier entweder bereits mit der Lt A-Kultur in Böhmen begonnen habe oder spätestens mit deren Landnahme in Italien erfolgt sei, wohin sie um 400 v. Chr. ausgewandert seien, um sich in der Emilia niederzulassen. Gleichzeitig hätten, wie oben bereits erwähnt, neue Keltenstämme unbekannter Herkunft das nunmehr verlassene, fruchtbare Nordböhmen in Besitz genommen. Rund zweihundert Jahre später seien die Boier, wie andere Kelten auch, von den Römern aus Oberitalien vertrieben worden und hätten sich laut Strabon (Geogr. 5, 1,6) „dam leurpays d'origine", also nach Böhmen begeben. Da aber die fruchtbaren Ebenen und die ressourcenreichen Regionen bereits von den 'Flachgräberkelten' besetzt waren, hätten sie sich notgedrungen, obwohl ihre Lebensgrundlage die Landwirtschaft gewesen sei, in siedlungsfeindlichen Höhenlagen niedergelassen, um dort nach italischem Vorbild ihre stadtartigen Siedlungen zu gründen, zuerst in Zävist, dessen Beginn archäologisch in das 2. Viertel des 2. Jh. v. Chr. datiert wird. Über die Kontinuität zwischen Oppidazivilisation und Markomannenreich seien die Boier namengebend für Böhmen geworden. Methodisch gesehen stützen sich die Autoren auch in diesem Fall wieder auf Filip's Modell, vertauschen lediglich die Versatzstücke (da Filip die Boier schon um 400 v. Chr. hatte einwandern lassen). Mit dieser Verknüpfung aus den klassischen archäologischen Paradigmen, ethnischer Deutung und Migration, und schriftlichen Quellen schließt sich der Kreis, denn wir sind methodologisch wieder im 19. Jahrhundert angekommen. Betrachten wir zunächst die Fakten, die sich den Texten entnehmen lassen. Die Forschung folgt durchweg der Angabe von Livius (5, 35, 2), dem zu Folge es sich bei den Boiern um einen Stamm gehandelt hat, der (um 600? um 400?) über den Großen St. Bernhard (d. h. über die Westalpen) nach Italien eingefallen ist. Von einer alten Heimat in Böhmen wissen Livius und andere Quellen nichts. Das spricht dafür, dass es sich um Gallier gehandelt hat, über deren Wohnsitze freilich nichts bekannt ist. Laut Strabon gehörten die Boier zu den drei bedeutendsten Ethnien. Ihre Lokalisierung in der Emilia wird mit der Neugründung von Bononia verknüpft, dem etruskischen Felsina bzw. dem heutigen Bologna. In Italien sind sie mehrfach in Kriege mit den Römern verwickelt, denen sie freilich zuletzt 193/191 v. Chr. in der Schlacht von Mutina (Modena) unterliegen. Viel Kopfzerbrechen hat die Überlieferung von Strabon bereitet (Geogr. 5, 1, 6). Er berichtet, dass die die Boier nach ihrer Niederlage vertrieben wurden und „...in die Gebiete am Istros (Donau) wander- 70 Alt u.a. 2005, 202. 71 Szabö 2006, 102. 72 Im Gegensatz zu Steuer schließe ich aber auch Wanderungen von bäuerlichen Siedlungsverbänden (Beispiel Helvetier) nicht grundsätzlich aus (Caes. Gall. 1, 29, 1). Ich bin (entgegen A. Lang's Kritik!) nach wie vor überzeugt davon, dass die spätlatenezeitliche Bevölkerung Süddeutschlands größtenteils abgewandert ist, da die Funde der Phase D2b (2. Hälfte des 1. Jh. v. Chr.) bis heute schlichtweg fehlen (mit Ausnahme eines Streifens entlang des Alpenfußes: Rieckhoff 2007a), neuerdings sogar nachweislich im allzeit dicht besiedelten Nördlin-ger Ries (Bick 2007). Steuer trennt zwar mit Recht den „war-lord" Ariovist von der Ausbreitung der Przeworsk-Keramik, übersieht aber geflissentlich die weibliche Gürteltracht der gleichzeitig aus Mitteldeutschland nach Südostbayern einwandernden Gruppe (Rieckhoff 1995). 73 Drda/Rybovä 1995, 10 f. 101 f. 121 ff. ; dies. 1997; Kruta 2000, 341 ff. 372 Sabine Rieckhoff ten, sie wohnten mit den Tauriskern (in Kärnten und Ostslowenien) zusammen und führten Krieg gegen die Daker (Karpatenbecken), bis sie als ganzes Volk zugrunde gingen. Ihr ödes Land in Illyrien hinterließen sie den Umwohnenden". Die restlichen Quellen bestätigen diese Abwanderung jedoch nicht. Plinius d. Ältere (nat. 3,116) spricht vom vollständigen Untergang der Boier. Polybius und Livius zitieren eine andere, uns unbekannte Quelle, der zu Folge die Boier umgesiedelt werden (Pol. 2, 35, 4) und/oder die Hälfte ihres Landes an die Römer abtreten müssen (Liv. 36, 39, 3). Strabons Darstellung wird daher von der neueren althistorischen Forschung rundum abgelehnt74. Von einer Rückkehr der Boier in ihre „alte Heimat" Böhmen (von der bei Strabon ohnehin kein Wort steht) kann also nicht die Rede sein. Die 'gallischen Boier' verschwinden einfach aus der Geschichte; ihr weiteres Schicksal ist unbekannt; mit Böhmen hatten sie nie etwas zu tun. Die spätere Erwähnung von Boiern und deren Lokalisierung wirkt auf den ersten Blick höchst verwirrend. Um 115 v. Chr. sollen sie sich im 'hercynischen' Waldgebirge (also irgendwo zwischen Schwäbischer Alb und Karpaten) den Kimbern in den Weg gestellt haben (Poseidonius bei Strabo, Geogr. 7, 2, 2). Taci-tus (Germ. 28; 42, 1) erwähnt die Boier jenseits der Helvetier in Bayern75 und Böhmen, aus dem sie aber (von Sueben?) vertrieben worden seien. Nach G. Dobesch breiten sich die Boier noch vor 60 v. Chr. entlang der Donau bis zur Theiss aus, belagern südlich der Alpen vergeblich das bis heute unbekannte Noreia und geraten dann mit den Dakern in Konflikt, der stärksten Kraft im Karpatenbecken. Um 50/40 v. Chr. werden sie von dem dakischen König Bure-bista so vernichtend geschlagen, dass nur noch die „Boier-Einöde" an sie erinnert. Übrig bleibt nur ein „Stammessplitter" von 32 000 Mann, der sich 58 v. Chr. den Helvetiern auf ihrer Wanderung nach Südwestfrankreich angeschlossen hatte. Bekanntlich hat Caesar die Helvetier gezwungen, wieder in die Schweiz zurückzukehren, aber die Boier wurden von den Haeduern (Burgund) aufgenommen, ohne dass man sie jemals archäologisch identifiziert hätte. Die beiden Zeitebenen - um 400 v. Chr. 'gallische Boier' in Italien, im 2.-1. Jh. v. Chr. 'Donau-Boier' in Mittel- und Ostmitteleuropa - müssen streng getrennt betrachtet werden, denn sie haben nichts miteinander zu tun. Doppelnamen sind in der Antike nicht ungewöhnlich, aber hier haben sie eine unterschied- liche Funktion. Im Falle der älteren Boier ist der Name eine Se/^bezeichnung, im Falle der jüngeren Boier eine Frewüfbezeichnung. Letzteres geht daraus hervor, dass die 'Donau-Boier' erst um 100 v. Chr. in der Historiographie auftauchen, nachdem sie durch die Kimberngefahr ins militärische Bewusstsein der Römer gedrungen sind, sowie aus der weiten, unzusammenhängenden Verbreitung dieser Bezeichnung, die auch an Strabons Verwechslungen schuld ist. Es handelte sich also nicht um einen Stammesnamen, sondern um eine Sammelbezeichnung für mehrere Ethnien (vgl. die Belgae)16. Die Bezeichnung schloss die Oppidabewohner Böhmens ein, aber wie diese sich selbst nannten, wissen wir nicht. Gegen die Einwanderungsthese sprechen nicht nur methodische, nicht nur philologisch-historische, sondern auch archäologische Gründe. Die Lebensgrundlage der Oppida waren nicht die Landwirtschaft, sondern Handwerk und/oder Handel. Die Oppida entwickelten sich aus den großen, offenen, im Tal gelegenen Produktions- und Distributionszentren des 3./2. Jh. v. Chr., nicht immer in direkter nachbarschaftlicher Nachfolge, aber doch in struktureller Hinsicht, unabhängig davon, welche ökonomischen, sozialen oder religiösen Aspekte im Einzelfall den Auslöser einer Gründung bildeten77. Es sind daher verschiedene Modelle denkbar, aber fest steht, wir können nicht nur, wir müssen von einer Kontinuität der Bevölkerung in Böhmen ausgehen, deren Zusammensetzung sich seit Lt B nicht mehr grundsätzlich verändert hatte78. Ergebnis Über die Bewohner Böhmens in der Eisenzeit existieren in der Literatur so unterschiedliche Vorstellungen, dass es einem beim Lesen geht wie dem eingangs zitierten Verfasser mit den „Böhmischen Dörfern". Ziel dieser wissenschaftsgeschichtlichen Rückblende war es daher, die methodischen Grundlagen all dieser Thesen und Modelle herauszuschälen, um auf diese Weise das Wahrscheinliche vom Unwahrscheinlichen trennen zu können. Dazu musste weit ausgeholt und bis an den Beginn der Keltenforschung zurückgegangen werden, weil sich gezeigt hat, dass ethnische Fragen bis heute mit dem Instrumentarium des 19. Jahrhunderts beantwortet werden. Das Ergebnis ist eindeutig: Die vorrömische Bevölkerung 74 Grundlegend Dobesch 1993; zusammenfassend Tomaschitz 2002, 85 ff. 75 Vgl. Rieckhoff 2007a, 423 ff. 439 mit Abb. 5. 76 Das deutet auch Collis 2003, 117 an, kehrt dann aber doch zum Stammesnamen in Böhmen zurück. 77 Guichard u. a. 2000; Salac 2005, 292 ff.; Augstein 2006; Mölders 2007, 114. 78 Waldhauser 1993, 404 ff. „Böhmische Dörfer' 373 Böhmens entwickelte sich kontinuierlich bis in die Zeit der Oppida. Daran änderten auch kurzfristige, gruppen- und zeitspezifische Teilauswanderungen am Ende von Lt A nichts. Die Bewohner Böhmens waren nie Kelten, selbst wenn in Lt B eine Zuwanderung von kleinen Gruppen aus der Champagne erfolgte (die bisher nicht nachgewiesen sind, sondern nur typologisch erschlossen werden). Die Boii, die um 400 v. Chr. in Italien einfielen, kamen aus Gallien und verschwanden wieder; mit Böhmen hatten sie nichts zu tun. Anders verhält es sich mit der Sammelbezeichnung Boii, die Rom seit den Kimbernkriegen für die Ethnien nordöstlich der Alpen verwendete, auch für die Oppidabewohner Böhmens. Wie diese sich selbst nannten, wissen wir nicht. Paradoxerweise dürfte es aber gerade die konstante Fremdbezeichnung gewesen sein, die dafür gesorgt hat, dass - trotz der tiefgreifenden kulturellen Zäsur um 60 v. Chr. zwischen Oppidazivilisation und „Großromstedter Kultur"79 - der Name an der Region haften blieb, unabhängig von deren Ethnizität und Sprache. Böhmen ist ein gutes Beispiel dafür, dass die „keltische Welt der Latenekultur" eine Fiktion ist, die nur ein Paradigmenwechsel aufbrechen kann. Literatur Alt u. a. 2005 K. Alt/P. Jud/F. Müller/N. Nicklisch/A. Uerpmann/W. Vach, Biologische Verwandtschaft und soziale Strukturen im latenezeitli-chen Gräberfeld von Münsingen-Rain. Jahrb. RGZM 52, 2005, 157-209. Anderson 1983 B. Anderson, Imagined communities. Reflections on the origins and spread of nationalism (London 1983). Andresen 2004 M. Andresen, Studien zur Geschichte und Methodik der archäologischen Migrationsforschung. Internat. Hochschulschr. 373 (Münster 2004). Augstein 2006 M. Augstein, Handel und Handwerk: Überlegungen zur wirtschaftlichen Grundlage offener Siedlungen der Mittel- und Spät-latenezeit. In: H.-P. Wotzka (Hrsg.), Grundlegungen. Beiträge zur europäischen und afrikanischen Archäologie für Manfred K. H. Eggert (Tübingen 2006) 595-606. Bick 2007 A. Bick, Die Latenezeit im Nördlinger Ries. Materialh. Bayer. Vorgesch. 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