L i tc ratu rve rzc ichnis Bodciidcnkmalpflcgc in Mccklciilnirg-Vorpommcrn, Jahrbuch 200 1 — 49 Seite 253-284 Lübstorf 2002 Blaschke, W./Schumann, Ch. 1999 Das „Greiffen berger Geschirr" gleich „Stettiner Ware"? - Stralsunder Beiträge 2, 44-46. Stralsund. Buchholz, R. 1992 Tonpfeifen des 17.-19. Jahr- hunderts als Bodenfunde aus dem Wismarer Stadtkern. - Wismarer Studien 2, 73-84. EWE, H. 198-4 Geschichte der Stadt Stralsund. Wci mar. Hansestadt Stralsund 1999a (Hrsg.) Die Altstadtinsel Stralsund - Ein städtebauliches Denkmal. Put- bus. 1999b (Hrsg.) Die Altstadtinsel Stralsund - Illustrierte Denkmalliste. Die Baudenkmale der Altstadt in Text und Bild. Putbus. Kaute, P. 1998 Schuhleisten und Spielbrett aus Greifswald. - Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 5, 131-136. Low, L/Schäfer, H7Spindi.hr. K. 1997 Bodenfimde Bunzlauer Keramik der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Greifswald. - Nearchos 5, 103-122. Poche, F.. 1992 Porzellanmarken. Hanau. 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Im Jahre 1311 errichtete dieser einen befestigten Hof gegenüber der außerhalb der Stadtmauer gelegenen Hauptburg. Um eine Verbindung zwischen Hof und Hauptburg zu gewährleisten, mußte das Mecklenburger Tor jederzeit offenstehen.2 Heute ist der Fürstcnhof eine repräsentative, zweiflügelige Schloßanlage. Der Westflügel, Altes Hans genannt, wurde 1512/13 im spätgotischen Baustil vollendet, und der als Neues Haus bekannte Nordflügel wurde 1555 im Renaissancestil errichtet.^ Ein dritter Bau, der den Schloßhof nach Süden begrenzte, ist bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgerissen worden/4 Im Vorfeld der Sanierung des Schlosses unternahm das Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern von Januar bis März 1999 eine Ret-tungsgrabting im Hofbereich der Schloßanlage. In einem ersten Schritt wurde die Trasse der geplanten Abwasserleuung mit zwei rechtwinklig aufeinander zulaufenden Hauptschnitten und zwei kürzeren Nebenschnitten untersucht {Abb. 2). In einem zweiten Schritt wurde der Bodenaustausch auf einer Fläche von 29 x 26 m bis in eine Tiefe von 50 cm baubegleitend beobachtet. Parallel dazu setzte im erweiterten Schnitt 1 die Untersuchung der Gußgrube 1 fort. Bei der Grabung im Fürstenhof wurden mehrere Befunde ausgegraben, die eine intensive handwerkliche Nutzung des Geländes belegen. Es handelt sich überwiegend um Gtißgruben und Ofenreste, die einer Bronzegießerci zugerechnet werden. In der Mehrzahl stammen die Befunde aus beiden Hauptschnitten, wo sie, die tiefen Gruben 4, 9 und 11 ausgenommen, bis zum gewachsenen Boden untersucht wurden. Im Verlauf des Bodenaustauschs fanden sich nur wenige Objekte (Abb. 2). Anschrift des Verfassers Holger Fries, M. A. Burgstraße 8 17389 Anklam 1 SCHL1E 1898, 6. 2 Schlie 1989, 7. 3 Scheie 1898; Ende 1968. 4 Diese Feststellung resultiert daraus, daß auf einer im Stadtarchiv aufbewahrten Kar- te des Fürstcnhofs aus dem Jahre 1833 der Südflügel noch abgebildet ist, aber nicht mehr auf dem Gemälde von J. Gottheil von Poppel und Kurz aus der Zeit um 1850 (Ende 1968, Abb. 2). 252 253 Abb. 1 Hansestadt Wismar, Stadtplan. 1 Grabung Fürsrenhof; 2 Rathatis; 3 St. Nikolai; 4 St. Marien; 5 St. Georgen; 6 Heiliggeist-Spital mit Kirche. Stratigraphische Verhältnisse und erste Besiedlungsspuren Die Ausarbeitung der Srratigraphie für die Grabung Fürstenhof erwies sich als unerwartet schwierig. Zum einen war der mit einer Mächtigkeit von 60-80 cm ohnehin sehr geringe Schichtenaufbau durch verschiedene Befunde stark zerstückelt (Abb. 3). Zum anderen hatten zwei der vier Längsprofile keine Anbin-dung an die Flügel des Schlosses. Als entscheidender Störfaktor erwies sich aber die fehlende stratigraphische Verbindung zwischen den beiden Hauptschnitten, die durch eine Baugrube für einen im Süden gelegenen Luftschutzbunker unterbrochen wurde. Das bedeutet, daß die Befundabfolge nur für Einzelschnitte ausgearbeitet, eine übergreifende Gesamtstratigraphie und damit eine Periodisie-rung des Fundplatzes Fürstenhof aber nicht vorgelegt werden kann. Der Schichtenaufbau umfaßt, abgesehen von den mitunter sehr tiefen Gruben, wenige Nutzungs- und Planierschichten sowie Bauhorizonte. Allein die Abb. 2 Hansestadt Wismar, Grabung FUrsrenhof. Gesamtplan. unterste, unmittelbar über dem gewachsenen Boden liegende Nutzungsschicht aus humosem Lehm wurde im gesamten Grabungsareal angetroffen. Gleichzeitig mit dieser Nutzungsschicht sind die mit gleichem oder ähnlichem Material verfüllten Gruben 2 und 3 in Schnitt 1. Da diese Befunde nur angeschnitten wurden, sind ihre Ausdehnungen unbekannt, lediglich ihre Tiefen können mit 1,2 m und 1,5 m angegeben werden. Diese drei Befunde bilden den ältesten Besicdhmgshorizont auf diesem Fundplatz. Zu dessen Datierung stehen 13 Ke-ramikfragmente der harten Grauware zur Verfügung. Zwei davon stammen von sehr dünnwandigen Gefäßen, bei einer weiteren Scherbe handelt es sich um das Randstück eines Topfes mit verdicktem Rand. Damit kann dieser Horizont nur allgemein in die zweite Hälfte des 13. und möglicherweise den Anfang des 14. Jahrhundetts datiert werden. Die Stratigraphie der nachfolgenden Befunde kann, auf jeden Schnitt für sich bezogen, als älter oder jünger im Verhältnis zur angrenzenden Bebauung angegeben werden. Als Trennung dient im Schnitt 1 eine Baugrube und im Schnitt 2 254 2S5 ßilsi Hüttenlehm rüTTTTi fjacksiem Siem rj Lehm **» Holzkohle Sand ^ leeio Pfosten lochet ■I Schlacke P Fullboden ......j gewachsener 8oden moderne Siedlung sschicht Abb. 3 Hansestadt Wismar, Grabung Fürstenhof. Schnitt 1, Westprofil. ein Bauhorizont. Beide Befunde waren zwar relativ gut erkennbar, belegen aber unterschiedliche Bauzeiten. Für Schnitt 1 ist es das Jahr 1 555 und für Schnitt 2 das Jahr 1512/13. So sind die für die Einzelschnitte erzielten Ergebnisse nicht aufeinander übertragbar. Aus diesem Grund werden im folgenden die Befunde aus den beiden Schnitten und aus der Fläche getrennt voneinander vorgestellt. Dabei werden nach Möglichkeit nur jene Befunde chronologisch präsentiert, deren Verbindung mit der Bronzegießerei belegt ist oder vermutet werden kann. Anschließend werden diese hinsichtlich ihrer Datierung und Funktion unter Berücksichtigung der historischen Fachliteratur analysiert. Schnitt 1 Der Schnitt 1 erstreckt sich vom Norden nach Süden auf einer Länge von 22 m. Mitbehandelt werden zwei nach Osten und Westen abzweigende Nebenschnitte mit einer Länge von 5 m und 6,5 m. Die entdeckten Befunde, zwei große Gruben und Reste von drei Öfen, konzentrieren sich auf den nördlichen Teil, denn im Süden ist die Grabungsfläche durch die erwähnte große Baugrube des Luftschutzbunkers gestört (Abb. 2). Grube 1 Die Grube 1 wurde als einzige nahezu vollständig freigelegt und untersucht. Sie lag vor der Durchfahrt im Neuen Haus und teilweise noch darunter. Diese Grube wies einen länglichen und zweiteiligen Grundriß auf (Abb. 2). Der Südteil war viereckig und maß 4 x 4,5 m. Wie ein Quer- und ein Längsschnitt zeigen (Abb. 4), waren die Grubenwände hier sehr steil, fast senkrecht eingegraben, und die horizontale Grubensohle lag in einer Tiefe von 2,8 m. Der Nordteil der Grube war mindestens 4,5 m lang, aber mit 3 m etwas schmaler. Seine Sohle stieg langsam nach Norden an und wies kurz vor der Grabungsgrenze drei kleine Stufen auf. Dieser Befund läßt sich fraglos als Arbeitsbereich mit einem nach Norden orientierten, schmalen Einstieg interpretieren. Die Grubenverfüllung bestand weitgehend aus leicht sandigem Lehm. Im unteren Teil waren zahlreiche, teils große Brocken aus gebranntem oder versiegeltem Lehm eingelagert (Abb. 3), die sich sich sowohl auf den Arbeitsbereich als auch auf den angrenzenden Einstiegsbereich konzentrierten. Diese in zwei Schichten abgelagerten Lehmbrocken wiesen unterschiedliche Farbtone und verschiedene Brandhärten auf, Die untere Lage enthielt die weicheren Teile, deren Farbe im Bruch von braun in schwarz übergehe (Abb. 5). Gleichzeitig stieg auch ihre Brandhärte an. Das Material war sehr fein, wie geschlämmt und mit Stroh oder Gras gemagert. Im Eingangsbereich im Norden lagen die Brocken einzeln, im Süden mehrfach geschichtet übereinander. Hier ließ sich stellenweise eine geschlossene und mit Holzkohle vermischte, bis 20 cm starke Schicht erkennen. Nur bei wenigen der geborgenen, bis zu 6 cm starken Teile aus gebranntem Lehm sind glatte Oberflächen oder Kanten erhalten geblieben (Abb. 6). In dieser Schicht fanden sich auch mehrere sekundär angeschmolzene und stark deformierte Backsteine des Klosterformats, an manchen von ihnen haften noch kleine Bronzereste. Die Steine konzentrierten sich auf die Mitte des Arbeitsbereiches, wo sie ungeordnet lagen. Die obere, mit 40 cm stärkere Lage der Grubenfüllung fand sich nur im Arbeitsbereich und enthielt die härter gebrannten Fragmente. Deren Farbe wechselte im Bruch von gelb über braun und schwarz bis zu ziegelrot; entsprechend stieg auch die Brandstärke von ungebrannt bis hart gebrannt an. Bei mehreren dieser Fragmente wurde eine sehr harte, aber unregelmäßige und poröse Oberfläche be- 256 257 Abb. 4 Hansestadt Wismar, Grabung Fürstenhof. Schnitt 1, Grube 1, schematischer Lang-und Querschnitt. obachter, die manchmal wie verschlackt wirkt. Im Übrigen wurden in der Grabenverfüllung wenige Schlackcklumpen und Bronzereste gefunden. Aufgrund der stratigraphischen Beobachtungen läßt sich die Grube 1 in die Zeit vor dem Bau des Schlosses datieren. Sie erstreckte sich unterhalb des Nordflügels und wurde von einer Abfallgmbe überlagert, die unverbrauchtes, aber schadhaft gewordenes Baumaterial, sogenannte Rippensteine, enthielt. Die gleichen Rippensteine finden sich in dem Sterngewölbe verbaut, das über einen Saal im Erdgeschoß des Westflügels gespannt ist. Die Funde aus der Grubenverfüllung erlauben eine recht genaue Datierung. 13 Fragmente der Harten Grauware, zwei Fragmente der geglätteten harten Grauware und drei Scherben des engobierten und salzglasierten Faststeinzeugs belegen das 14. Jahrhundert, das Fehlen von Siegburger Steinzeug deutet eher auf dessen erste Hälfte hin. Abb. 5 Hansestadt Wismar, Schnitt 1, Grube 1 Grabung Fürstenhof. Verfülluns mit den Fragmenten der Gußform (untere Lage) in Planum und Profil. Hansestadt Wismar, Grabung Fürstenhof. Schnitt 1, Grube 1, zwei Fragmente eines Gnßformniantels mit Abdrücken des Gußstücks. M. 1:2 Für die Funktionsbestimmung der Grube 1 sind ihre Größe und ihre Verhüllung ausschlaggebend, die sie als eine Gußgrubc ausweisen. Darauf deuten sowohl die zahlreichen Bruchstücke aus gebranntem oder verziegeltem Lehm, die offensichtlich Fragmente einer Gußform sind, als auch die Bronzereste und Bronzeschlacken. Nun stellt sich die Frage, was darin gegossen wurde. Die Gußformfragmente selbst geben darüber nur wenig Aufschluß. Einige sind mit weiten Krümmungen versehen und manche von ihnen weisen glatte Flächen oder Kanten auf, die sich als Abdrücke des Gußstückes bezeichnen ließen. In Anbetracht des beachtlichen Gruben-umfangs sowie Form, Größe und Menge der Gußteile, muß es sich um einen ziemlich großen Gegenstand gehandelt haben. Im Spätmittelalter kamen dafür nur wenige Objekte in Frage, neben großen Bronzestatuen waren es vor allem Kirchenglocken. Ein Vergleich mit anderen bekanntgewordenen Gußgruben mag der Klärung dieses Umstands dienen. 259 Ein Überblick zeigt, daß keine dieser Gußgruben^ annäherungsweise an die Dimensionen der Wismarer Grube 1 heranreicht. Die Befunde in Hamburg, Duisburg und Odense, aber auch die jüngst entdeckten Gruben in Bernau waren kleiner/' lediglich die 7,5 m lange> zweite Dammgrube in Bamberg nähert sich dem Wismarer Befund an. Alle Gruben wurden, bis auf die Duisburger, nur teilweise erfaßt und untersucht. Soweit erkennbar, haben alle einen langgezogenen Grundriß. Die am besten erhaltene, neben der Salvatorkirche in Duisburg gefundene Gußgrube des 12. Jahrhunderts,7 ist mit 6,6 x 2,25 m deutlich kleiner als die Wismarer Grube l.8 Sie war nordsüdlich orientiert und wies im Süden einen leicht gegen die Längsachse versetzten Einstieg auf. Auf ihrer Sohle konnten noch zwei Arbeitsgruben mit zugehörigen Feuergassen entdeckt werden, die aus zwei entgegengesetzten Richtungen zu dem Brennofen führten.9 Zwei kleinere, rechtwinklig dazu verlaufende Heizkanäle waren ansatzweise erkennbar. Der Brennofen war aus Lehm und wenigen Natursteinen errichtet worden und hatte einen kreuzförmigen Grundriß mit vier Auflagestellen für die Gußform. Darüber wurden noch Reste der runden Gußform erfaßt. Weitere kreuzförmige Brennöfen aus Lehm mit Natursteinen sind aus Bernau, Bamberg und Hamburg bekannt.10 Einen Brennofen gleicher, aber aus Backsreinen errichteter Konstruktion hatten die Gußgrube in Rostock und die zwei Gußgruben in Odense; sie werden in das 13. Jahrhundert datiert.11 Der jüngere Ofen der Grube 1 in Odense war nur mit drei Auflagestellen ausgestattet und vermutlich für eine kleinere Gußform vorgesehen. Während bei allen zum Vergleich herangezogenen Glockengußgruben die Reste der Brennvorrichtungen in Form eines kreuzförmigen Ofens erhalten waren, konnten in der Wismarer Gußgrube 1 weder der Brennofen, noch seine Gassen nachgewiesen werden, ein Umstand, der dessen Interpretation als Glockengußgrube in Frage stellen kann. Auf die Existenz eines Brennofens deuten jedoch die verworfen in der Grubenverfüllung gefundenen angeschmolzenen Backsteine hin. Der Ofen dürfte in einer kreuzförmigen Konstruktion gebaut worden sein, denn im Mittelalter waren keine anderen im Gebrauch, und runde Brennöfen wurden erst in der Neuzeit gebaut.12 Grube 4 Von der Grube 4 wurde nur die 5 x 2 m große Nordostecke erfaßt (Abb. 2), während ihr Hauptteil in der Mitte des Hofes lag. Hinsichtlich ihrer Dimen- 5 Drescher 1984, 49. 6 Drescher 1961; Krause 1992; Vellev 1998; Zeune 1989; Wittkopp 1999. 7 Krause 1992, 13. 8 Die Maße der Gußgrube in Abb. 14 und 1 5 stimmen nicht überein. Zum Ermitteln ihren Länge und Breite wurde die Abb. 14 genommen, denn hier entsprechen die Werte denen aus dem Übersichtsplan in Abb. 2. 9 Krause 1992, Abb. 14. Wimcopp 1999; Zeune 1989; Drescher 1961. Eine weitere Gußgrube wurde im Februar 2000 in Dresden entdeckr (Lausitzer Rundschau, 18. 2. 2000, 22). Da der Befund noch iinpubliziert ist, können keine Atigaben zur Konstruktion des Brennofens gemache werden. Mulsow 1996, 46; Vellev 1998, 205. Diderot 1762-77. Ein runder Brennofen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde in Siegbuig freigelegt (Rech/WenTSCHER 1988). sionen, der Ausführung der Grubenwände und ihrer Verfüllung entspricht die Gußgrube 4 dem Befund von Grube 1, sie war jedoch anders orientiert. Wie die steile nördliche Grubenwand zeigt (Abb. 3), muß der Arbeitsbereich im Norden und der Einstieg in die Grube im Süden gelegen haben. Die Sohle der Grube im Arbeitsbereich konnte wegen — beziehungsweise trotz — der begrenzten Grabungsriefe von 4 m nicht erreicht werden, was auf eine beträchtliche Grubentiefe von mindestens 3,5 m schließen läßt. Bemerkenswert ist eine Reihe von vier Pfostenlöchern, die als Hohlräume in der Grubenverfüllung entdeckt wurden. Diese erstreckte sich in nordsüdlicher Richtung, parallel zur östlichen Grubenwand. Die zugehörigen Hölzer mit einem Querschnitt von ca. 20 x 20 cm waren nicht mehr erhalten.13 Eines der Pfostenlöcher hatte noch eine Tiefe von 1,82 m (Abb. 3). Möglicherweise waren die Hölzer Teil einer Hebevorrichtung, mit der die Form und das gegossene Objekt bewegt werden konnten. Die Grubenverfüllung bestand aus dem gleichen Materia! wie in Grube 1, wobei allerdings die Fragmente aus gebranntem und versiegeltem Lehm nicht in Schichten, sondern verstreut lagen. Auch Bronzereste und sekundär angeschmolzene Backsteine des Klosterformats wurden geborgen. Nennenswert sind Fragmente einer Dachpfanne, an deren konkaver Innenseite Bronzereste hafteten (Abb. 12) und die deswegen als Verkleidung in einem Abstichkanal bezeichnet werden kann.14 Auf Grund dessen, vor allem aber wegen ihrer Ähnlichkeiten mit Grube 1 kann dieser Befund als Dämmgrube interpretiert werden. Das hier ehedem gefertigte Gußstück läßt sich allerdings nicht bestimmen. Wegen der fehlenden stratigraphischen Anbindung an andere Befunde oder an das Schloß und wegen der spärlichen Funde aus der Verfüllung ist die Datierung der Grube 4 schwierig. Vier Scherben der harten Grauware, eine des Siegburger Steinzeugs und eine der neuzeitlichen roten Irdenware deuten auf die Zeit nach dem 15-/16. Jahrhundert hin. Die Orientierung der Grube 4 und die vermutete Lage des Arbeitsbereiches im Norden legen es nahe, den zugehörigen Schmelzofen nördlich davon zu suchen. Hierfür käme der Ofen 3 in Frage, der nur 1,2 m nördlich der Grube lag und dessen Abstichkanal in deren Richtung führte (Abb. 2). Die Höhenverhältnisse sprechen nicht dagegen, denn der Ofenboden lag auf 13,77 m HN, und der Grubenrand wurde auf 14,10 m HN ermittelt. Das stratigraphische Verhältnis der beiden Befunde zueinander konnte aber wegen einer dazwischen liegenden Störung nicht abschließend geklärt werden (Abb. 9, 1). Im Fall einer Zusammengehörigkeit würden die Grube 4 und der Ofen 3 in das 17./18. Jahrhundert datieren. Eine ähnliche Befundsituation ist aus Bamberg bekannt, wo die Entfernung der Grube zum Ofen 1,5 m betrug.15 Die Schriftquellen unterstützen diese Annahme. So empfiehlt Theophilus den Gießern (12. Jahrhundert), den Schmelzofen in einem Abstand von 5 Fuß zur Gußgrube zu bauen.16 Auch die späteren Autoren, etwa Diderot, lokalisieren beide Objekte in einem geringen Abstand zueinander. Auf die Bodenverhältnisse ist zurückzuführen, daß das Hol/, im Fürstenhof nicht erhalten ist. Auch beim Ofen 2 winden die Pfosten in Form von Hohlräumen übermittelt. 14 Von den an der Dachpfanne anhaftenden Bronzeresten wurden iVlctallanalysen durchgefühlt, deren Ergebnis bei Redaktionsschluß noch nicht vorlagen. 15 Zeune 1989, 194. 16 Theobald 1984. 260 261 Ofen 2 Der Ofen 2 ist über der verfüllten Grube 1 errichtet worden und erwies sich als eine zweiphasige Anlage, von der nur der komplizierte Unterbau erhalten war. Sie bestand aus einer ostwestlich orientierten, ca. 3.3 x 2,2 m großen Grube mit birnenförmigem Grundriß, in die ein 80-90 cm starkes Lehmpaket gestampft worden war (Abb. 7, 1). In den so vorbereiteten Untergrund hatte man mehrere kleine Holzpflöcke mit einem Durchmesser von 8-10 cm dicht nebeneinander eingerammt. Am breiteren Grubenende waren stärkere Hölzer angebracht worden, die über den verfüllten Bereich hinausragten. Beim Auffinden waren allerdings alle Pflöcke verrottet, und der Lehm war mit hohlen Pfostenlöchern durchsetzt (Abb. 8), in deren Spitzen und an deren Rändern sich mehrfach Holzspuren beobachten ließen (Abb. 7, 2). In einem letzten Schritt hatte man im breiteren Teil der Grube eine runde, bis zu 8 cm starke Schicht aus Backsteingrus eingefüllt. Ein derartig aufwendiger Unterbau, der wohl als Fundament für einen jüngeren Ofenkorpus zu interpretieren ist,17 wird verständlich, da er unmittelbar über der verfüllten Gußgrube 1 errichtet wurde. Auf diesem massiven Fundament ruhte der Ofen der Phase 1. Weil der Oberbau nicht mehr erhalten war, lassen sich keine Angaben zu dessen Aussehen oder Bauweise machen. Lediglich eine kreisförmige Fläche von 1,3 m Durchmesser aus rotbraun gebranntem Lehm, die über dem Backsreingrus des Fundaments gefunden wurde, deutet auf den Ofenboden hin. Nach dem Abbruch des Ofens der Phase 1 und der Beseitigung des Abbruchmaterials waren dessen Reste zuerst mit einer 2—4 cm starken Lehmschicht abgedeckt und darüber eine bis zu 8 cm starke Schicht aus Backsteinbruch aufgebracht worden (Abb. 7, 2). Auch von dem darauf erbauten Ofen der Phase 2 sind, abgesehen von einer ähnlichen, 1,2 m großen runden Fläche aus gebranntem Lehm, keine Reste in situ geblieben (Abb. 7, 1). In seiner Abbruchschicht wurden allerdings zahlreiche Fragmente aus stark vcrziegcltem und verschlacktem Lehm beobachtet, die auf einen Ofenkorpus aus Lehm hinweisen. Der Boden könnte, wie bei dem Ofen 3, aus Backsteinen bestanden haben. Darauf deutet die gleiche Befundsituation, besonders die kreisförmige Lage aus rotgebranntem Lehm, die mit der Zwischenschicht dieser Ofen identisch ist - nachfolgend mehr dazu. Zur Datierung stehen sieben Fragmente der harten Grauware, eine Scherbe des Siegburger Steinzeugs und sieben wenig charakteristische Fragmente der neuzeitlichen roten Irdenware zur Verfügung, die letztgenannten datieren den Ofen 2 allgemein in das 17./18. Jahrhundert. Rekonstruktion und Bestimmung des Ofens 2 basieren auf Erkenntnissen, die beim Ofen 3 gewonnen wurden. Wie bei diesem könnte es sich um einen Schachtofen aus Lehm mit einem vermutlich aus Backsteinen bestehenden Boden handeln, in dem höchstwahrscheinlich Bronze geschmolzen worden ist. Sein Innendurchmesser wird auf 80-90 cm geschätzr. Der Metallabstich erfolgte in westlicher Richtung, wie an der Verengung seiner Baugrube in diese Richtung zu erkennen ist. 17 Diese Meinung teilt auch H. Dreschet-, sionsbercitschaft sei ihm an dieser Stelle mit eiern ich den Befund ans Wismar dis- ganz herzlich gedankt, kutiert habe. Für seine Hilfe und Diskus- Huttenlehm .._„..] Lehm [Z3 Humus 1 Backsteingrus BcS88 verziegeltor Lehm ['.,"TJ gewachsene! Boden ! I Sacksteinfragmenle \j leere Pfoslenlöcher i 1 modere Siedlungsschich! 2 Abb. 7 Hansestadt Wismar, Grabung Fürstenhof. Schnitt 1, Ofen 2. 1 Grundriß; 2 Schnitt. 262 263 Ofen 3 Mit dein Ofen 3, bei dessen Errichtung der Westteil des Ofens 2 zerstört worden ist, wurde der am besten erhaltene Befund dieser Art der Grabung Fürstenhof erfaßt. Wegen seines hervorragenden Erhaltungszustandes sind sowohl dessen Bauweise als auch dessen Bestandteile sehr gut erkennbar. Es handelt sich um ein rundes, leicht in den Untergrund eingelassenes Objekt aus Backsteinen und Lehm mit einem Innendurchmesser von 1 m und einer erhaltenen Tiefe von 40 cm (Abb. 9). In einem ersten Schritt ist die runde Baugrube ausgehoben und mit kleinen Holzbrettern umstellt worden. Die Bretter waren nicht mehr erhalten, sondern im Planum teils als viereckige humose Verfärbungen, teils als ein humoser Streifen erkennbar. Anschließend ist in die Baugrube eine runde, 22—28 cm starke Lage aus klein-teiligem Backsteinbruch für den Ofcn-unterbau, das Ofenfundament, aufgebracht und darüber der eigentliche Ofenkorpus errichtet worden. Auf eine nur wenige Zentimeter starke Zwischenlage aus Lehm hat man daraufhin zuerst den viereckigen Boden aus hochkant gestellten Klosterformatsteinen gelegt, und zwar derart, daß die Steine eine Neigung zur Mitte des Objektes, aber auch nach Süden, zu dem geplanten Abstichkanal aufwiesen (Abb. 1 1). Auf den so vorbereiteten Boden ist anschließend mit Hilfe einer Holzverschalung die runde Wandung des Ofens aus Lehm gebaut worden, sein Innendurchmesser betrug ca. 1 m. Der Übergang zwischen Wandung und Boden wurde muldenförmig gearbeitet (Abb. 10). Im Süden ließ man eine 36 cm breite Aussparung für den Abstichkanal frei, der nach Süden führte, wo die zugehörige Gußgrubc zu suchen ist. Weitere Einzelheiten ließen sich nicht mehr beobachten, da der Ofen zerstört und mit Schutt verfüllt angetroffen wurde. Vermutlich war der Abstichkanal mit Dachziegeln ausgelegt worden, darauf deuten vereinzelte Dachzicgclfragmeme mit grün patinierten Metallresten auf der konkaven Seite, wie sie unter anderem aus Grube 4 geborgen wurden (Abb. 12).18 Der ganze Ofen wies Einwirkungen der hohen Temperatur auf, die während des Betriebs in seinem Inneren geherrscht hat. Die Lehmschicht unter dem Zie- Abb. 8 Hansestadt Wismar, Grabung Für-stenhof. Schnitt 1, Ofen 2, Pfostenlöcher der ehemaligen hölzernen Ofcnfundamentierung im Lehmboden. 18 Die Praxis, den Absrichkanal mir Dachziegeln aiisyAiicgen, ist aus dein 16. Jahrhun- dert überliefert (BiRiNGUCCio, 303). j j Lehm _] Backsteingrus L.Hmtenlehm [ j Backsteinbruch verziegeller Lehm ■.'.*/ Schlacke I 1 Humus SIH3; Ofenwandung. versiegelter bis verschlackter Lehm Abb. 9 Hansestadt Wismar, Grabung Fürstenhof Schnitt 1, Ofen 3, mit Ofen 2. 1 Grundriß; 2 Schnitt. 264 Abb. 10 Hansestadt Wismar, Grabung Fürstenhof, Schnitt l, Ofen 3 nach dem Freilegen. gelbodcn war rot bis rotbraun gebrannt, und die Backsteine waren an der Oberfläche angeschmolzen und sehr brüchig. An der "Wandung war deutlich eine unterschiedliche Brand-harte erkennbar: die innere, 5 cm starke Schale wirkte wie graue Tiegelkeramik, war verschlackt und brüchig; sie ging in den gebrannten Lehm über, dessen Brandstärke nach außen abnahm, bis er nach 20 cm nicht mehr gebrannt war; von innen nach außen wurde der Lehm entsprechend von dunkel rot bis orangerot heller. Im Innenraum des Ofens waren noch die für einen Schmelzvorgang typischen Gebrauchsspuren erhalten: grün patinierte Mctallreste, vermutlich Bronze, die an der Wand, aber vor allem auf dem Boden hafteten, selbst in die ['Ligen zwischen den Bodensteinen war das flüssige Metall eingedrungen. Dieser Befund läßt erkennen, daß in diesem Ofen nicht mit Gußtiegcln gearbeitet wurde. Es handelt sich vielmehr um einen sogenannten Schachtofen, in dem die Bronze ohne zusätzlichen Behälter eingeschmolzen wurde.|t) Öfen eines solchen Typus benötigte man für den Glockenguß. Ausschlaggebend für die Datierung des Ofens 3 ist dessen stratigraphisches Verhältnis zum älteren Ofen 2 aus dem 17-/18. Jahrhundert. Die Tatsache, daß der Ofen 3 aus klostcrformatigen Backsteinen erbaut war, wird als Hinweis auf eine frühere Zeitstellung im Rahmen dieser Zeitspanne geweitet. Die Analyse einer aus der VerfülUmg des Ofens geborgenen Bronzeschlackc, ergab eine zinnannc Zinnbronze mit einem Zinnanteil von 4,74 %. Solches Material winde eher für Guß von Bronzegeräten als von Glocken verwendet. Die Untersuchung wurde von J. Riederer vom Rathgen-For-scluingslabor der Staatlichen Museen zu Berlin vorgenommen. Ihm sei hier ganz herzlich gedankt. 265 verziegelter Lehm (abgestuft nach Brandhärte) ■f \ Ho./ , ^=Ba Bronzeresle Ffjr^ Dachplarmen Backsteinbruch. Hansestadt Wismar, Grabung Fürsrenhof. Rekonstruktion eines Schachtofens (Variante Faßofen) nach dem Befund des Ofens 3. Funde von Schmelzofenanlagen sind bisher - anders als Gußgruben - eher eine Seltenheit, weshalb auch keine Anlage zur Verfügung steht, die sich mit dem hier vorgelegten Befund vergleichen ließe. Eine Reihe mittelalterlicher Anlagen ist aus Bonn-Schwarzrheindorf,20 aus Großenkneten bei Oldenburg21 und Eine Werkstatt mit sechs Windöfen, in denen mit Tiegeln gearbeitet winde (janssen 1987). Bei dem Befund des 11. Jahrhunderts (Drescher 1961, Abb. 4, 1) handelt es sich um einen konischen Schachtofen aus Lehm. Etwa 32 cm über dem flachen Boden war ein Düsenloch erhalten, ein Abstichkanal wurde nicht entdeckt. Der Durchmesser des Ofens war mir 60-70 cm wesentlich kleiner als der des Wismarer Ofens. Die Hohe wird auf 1,1 m rekonstruiert, als Abdeckung wird ein Kugeltopf angenon 266 ~~] Bronze vorhanden [=1 iL:Iii Bfonze abgelöst Abb. 12 Hansestadt Wismar, Grabung Fürstenhof. Dachpfannen mit Bronzeresten als Abstich-vorrichtung in einem Schachtofen. M. 1:4 aus Höxter22 bekannt geworden, die bei einem Vergleich eher die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten deutlich machen. Während der Wismarer Ofen 3 ebenfalls rund und in den Untergrund eingelassen ist und die Höhe, bei etwa gleichem Durchmesser wie bei den Öfen aus Höxter, ca. 1,6-1,8 m betragen 22 Die zwei konischen Schachtöfen des 11. Jahrhunderts (KRABATH ET AL. 1999, 431 Abb. 1) sind allein wegen ihrer Dimensionen (Dm. max. 1 m; H. rekonstruiert 1,6 m) mit dem Wismarer Ofen 3 vergleichbar. Beide Ofen gehören zu einem Typ mit einer eisernen Pfanne auf dem Boden. 267 2 Melall res! e | versiegelter Lehm g gewachsener Boden moderne Sied lungs Schicht Hansestadt Wismar, Fürstenhof. Ofen 1. riß; 2 Schnitt. Grabung l Grund- haben dürfte, sind vor allem die Baumaterialien - die Wandung aus Lehm, der Boden aus Ziegelsteinen23 - des Wismarer Schmelzofens verschieden. Besonders füllt die Einfassung des Ofens mit Holzbrettern auf. Im unterirdischen Bereich kann sie als Auskleidung der Baugrube erklärt werden, oberirdisch dürfte sie jedoch eine andere Funktion gehabt haben, Hier hat sie wie ein Korsett die Wand umspannt und zusammengehalten. Man wird dafür ein Faß benutzt haben, die Verwendung von Fässern beim Bau von Schmelzöfen für den Glockenguß ist durch mittelalterliche Rechnungen bestätigt.24 Der Ofen 3 war nicht mit einer Eisenpfanne ausgestattet, der Schmelzprozeß ging direkt auf dem Backsteinboden vor sich. Öffnungen für die Düsen wurden im erhaltenen Rest des Objektes nicht entdeckt, das heißt, sie müssen mehr als 40 cm über dem Boden gelegen haben. Ofen 1 Bei dem dritten Ofen in Schnitt 1 handelt es sich um eine einfache ovalförmigc Erdmulde mit einem Durchmesser von 1,4 x 0,9 m (Abb. 13). Er wurde vollständig aus Lehm oder Ton gebaut, der infolge der hohen Temperatur rot gebrannt war. Seine Wände mit einer Stärke von 4-7 cm sind bis zu einer Höhe von 40 cm erhalten, der muldenförmige Boden nur teilweise. Nach seiner Aufgabe wurde der Ofen mit Abfallmaterial verfüllt, das neben sehr vielen Bronzeresten und -schlacken auch Hüttenlehm und Backsteinbruch enthält. Der Ofen 1 wurde nach dem Abbruch des Ofens 2 errichtet und ist infolgedessen wie dieser in das 17./18. Jahrhundert zu datieren, sein stratigraphisches Verhältnis zu Ofen 3 ist unbekannt. Seine ursprüngliche Funktion läßt sich anhand der Verfüllung nur allgemein im metallverarbeitenden Bereich vermuten. Backsteinsplittern, die als Bauhorizont des Westflügels interpretiert wird. Sie war merkwürdigerweise in der Mitte des Hofes stärker und mit wesentlich mehr Bauresten durchsetzt, als direkt an der Schloßmauer. Die zahlreichen, nachein-anderfolgenden Gruben und Ofen konzentrierten sich auf einen sehr begrenzten Raum in der Mitte des Schnittes, wo sie sich oft schnitten und überlagerten (Abb. 2). Dadurch kam es zur starken Störungen und Zerstückelungen der Einzelbefunde. Ihre sekundäre Lage zum Alten Haus von 1512/13 ergibt sich daraus, daß das älteste Objekt von ihnen, die Grube 11, den erwähnten Bauhorizont schnitt. Die ergrabenen Befunde werden hier in chronologischer Reihenfolge vorgestellt. Grube 11 Von der ältesten Grube in diesem Schnitt wurde nur das 4 m breite Nordende erfaßt (Abb. 2). Sie wies, wie die Gruben 1 und 4 aus Schnitt 1, sehr steile, fast senkrechte Wände auf. Die Grubensohle wurde trotz einer Grabungstiefe von 2,2 m nicht erreicht. Die Verfüllung bestand aus umgelagertem Lehm, der mir Bronzeresten, Schlacken und kleinen Fragmenten aus versiegeltem Lehm durchsetzt war. Letztere bildeten keine geschlossenen Streifen wie in der Grube 1, sondern lagen, wie in Grube 4, zerstreut in der Verfüllungsmasse. Das ist darauf zurückzuführen, daß von der Grube 11 nur ihr Ende erfaßt wurde. Die Ähnlichkeiten mit den beschriebenen Gruben 1 und 4 lassen auch diesen Befund als eine Gußgrube interpretieren. Das Fundgut, zwei Scherben der harten Grauware und drei Scherben des Siegburgcr Steinzeugs aus dem 14./15. Jahrhundert, bestätigt die durch die Stratigraphie gewonnenen Datierung von nach 1512. Grube 12 Auch dieser Befund, der jünger als Grube 11 ist, wurde nur ansatzweise erfaßt. Es könnte sich allerdings um das Südende der Grube 8 handeln, die beim Absenken des Hofes beobachtet wurde. Die Grube 12 hatte steile Wände und einen flachen Boden und war im erfaßten Bereich 1,5 m tief und 1,7 m breit. In ihrer lehmigen Verfüllung lagen unter anderem gebrannte Lehmfragmente, die auf eine Zugehörigkeit zu der Gießerei hindeuten, ohne daß sich die Funktion dieser Grube eindeutig bestimmen ließe. Es wurde keine datierenden Gegenstände gefunden. Schnitt 2 Schnitt 2 erstreckte sich von Westen nach Osten auf einer Länge von 18 m. Sein östliches Drittel war durch die Baugrube für den Luftschutzbunker gestört. Über dem ersten Bcsiedlungshorizont lag eine Sandschicht mit Mörtelresten und 23 Vergleiche auch den Schmelzofen in Barn- 24 BlRINGUCClO 1540, 343. berg(ZEUNE 1989, 194). Ofen 4 Eigenartig für diese Grabung ist ein Befund, der im Südprofil entdeckt wurde. Seine nördliche Ausdehnung war durch den Ofen 6 zerstört, die südliche wurde durch den Bodenaustausch nicht erreicht (Abb. 14, 1). In einer ca. 3 m breiten, muldenförmigen Grube lag eine 30-40 cm starke Lehmschicht, deren oberer Teil durch von oben einwirkende, sehr hohe Temperatur bis zu 16 cm tief ge- 268 269 1 1___ •* ' * *»■'*- *\ "1 1 y y —L M._______J B J > I_I|vj I • I Backslein l'""".] Hiitienlehm 13,80 i__i Backsteinbruch !_J Lehm I Back Steinsplitt I I Humus ESSSS verziegeller Lehm L.wi Sand L _J gewachsener Boden[•* *«! Holzkohle ffiHJ Olcnwanäung aus versiegeltem 3 bis verschlacktem Lehm Abb. 14 Hansestadt Wismar, Grabung Fürstenhof. Schnitt 4, Folge von vier Öfen auf engem Raum. 1 Planum mit Öfen 4-5, 6 (Phase 1) und 7; 2 Planum mit Öfen 6 (Phase 2) und 8; 3 Schnitt durch Ofen 6. brannt war. Die Oberfläche des gebrannten Lehms hatte dadurch ihr brüchig-poröses, dunkelgraues Aussehen bekommen. Dieser Befund ähnelt dem Rand des Ofens 5 Lind den Teilen aus gebranntem Lehm, die in Gußgrube 1 gefunden wurden; aber sowohl die Größe als auch die sanft abfallenden und stärkeren Wände unterscheiden Ofen 4 von Ofen 1. Eine Funktionsbcsrimmung des Befundes ist jedoch schwierig, er erinnert eher an eine Herdmulde. Ofen 5 Dieser Befund WLirdc nur fragmentarisch erfaßt (Abb. 14, 1). Zum großen Feil war er durch den nachfolgenden Ofen 6 zerstört, der Rest lag außerhalb der Gra-bungsflächc. Erkennbar war ein Bodenteil aus hartem, rotgebranntem Lehm, der von einem bis zu 14 cm starken Wandrest umschlossen wurde. Am Südprofil des Schnittes ließ sich die Gründung der Ofenwand auf einem Backstein nachweisen. Die Wandteile waren im Inneren des Befundes infolge der hohen Temperatur angeschmolzen und verschlackt, nach außen hin wurde das Material weicher und ging in ungebrannten Lehm über. Aufgrund der Ähnlichkeiten mit Ofen 6 gilr auch dieser Befund als Schmelzofen. In Ofen 5 wurden keine datierenden Funde geborgen, stratigraphisch datiert er in die Zeit nach 1512/13. Ofen 6 Ofen 6 ist ein runder, zweiphasiger, leicht in den Boden eingetiefter Befund. Die ermittelte Eintiefting während der Phase 1 von rund 50 cm dürfte, wie die Höhe des Hofterrains beweist, von der Lirsprünglichen nicht wesentlich abweichen. In der runden Baugrube war zuerst eine runde Fläche mit einem Durchmesser von 1,6 m mit Backsteinen ausgelegt und mittels kleiner, im Abstand von 30-45 cm gesetzter Holzpflöcke umstellt worden (Abb. 14, 1). Die nahezu vollständig erhaltene Backsteinplatte wird als Unterbau für den eigentlichen Ofenboden gedeutet. Zwar war die Oberfläche der Steine in der Befundmitte kreisförmig schwarz gefärbt, doch wohl nur als Abdruck des daraufliegenden Bodens aus gebranntem Lehm, die Steine selbst wiesen keine Spuren eines sekundären Brandes auf. Auf dem so vorbereiteten Untergrund ist aus Lehm der Ofen der Phase 1 errichtet worden. Von ihm waren eine Hälfte des Bodens und der Wandung erhalten. Der Innendurchmesser des Bodens betrug ca. 1,2 m, seine Stärke 6-12 cm (Abb. 14, 3). Die Wandung war bei einer Stärke von bis zu 30 cm noch 20 cm über dem Boden bewahrt. Der Lehm war auf der Innenseitc der Wandung und des Bodens durch die hohe Temperatur fast vollständig rot gebrannt, mit für Objekte dieser Art typischer Abnahme der Brandstärke zur Peripherie des Befundes. Der Ofcnbodcn war flach und leicht nach Süden geneigt. In dieser Richtung wies die Wand eine Unterbrechung auf, in der sich eine Abstichvorrichtung befand, von deren Unterbau nur zwei stark nach Süden geneigte Backsteine erhalten waren. Sowohl die Backsteine, als auch die Sandschicht, in der sie eingebettet lagen, zeigten die Einwirkung hoher Temperatur. In Phase 2 wurde die vermutlich schadhaft gewordene Anlage aus der vorherigen Phase instandgesetzt (Abb. 14, 2). Den Boden erneuerte man durch Aufbringen einer bis zu 20 cm dicken Lehmschicht - nur der obere, bis zu 14 cm starke Teil des neuen Lehms war rot gebrannt (Abb. 14, 3) - und als Wand wurde die des Ofens der Phase 1 nach einer Ausbesserung weiter genutzt. Auch die Abstichvorrichtung erneuerte man in gleicher Weise wie beim Vorgänger. Ihre Konstruktionsmerkmale sind jetzt viel besser zu erkennen. An gleicher Stelle und mit gleicher Neigung wie beim Ofen der Phase 1 lag ein Backstein, der in den 270 271 Lehm der Südwand eingelassen war; diese Verbindung blieb erhalten. Auf ihm müßte ein Stück Rohr gelegen haben, das, durch die Ofenwand geführt, in das Ofeninnere mündete. Darauf deutete eine runde, 8 cm große Öffnung hin, die direkt über dem Stein noch bis zur Hälfte in der Wand erhalten war. Die Unterkante der Öffnung lag lediglich 2 cm über dem Hachen, ebenfalls nach Süden geneigten Boden des Ofens. Im weiteren Verlauf wird das Rohr, wie beim Ofen 3 vermutet, in eine Rinne aus Dachziegeln übergegangen sein. Zur Datierung des Ofens 6 stehen zwölf kleine Scherben der harten Grauware und eine Scherbe des grau glasierten Steinzeugs zu Verfügung, die aus seiner Baugrube geborgen wurden; eine Scherbe der neuzeitlichen roten Irdenware fand sich über dem Boden. Die Funde erlauben keine Differenzierung der durch die Stratigraphie gewonnenen Datierung in die Zeit nach 1512/13. Trotz gewisser Ähnlichkeiten unterscheidet sich der Ofen 6 hinsichtlich seiner Konstruktion beträchtlich von den Öfen 2 und 3. Sein Unterbau bestand nicht aus Backsteinbruch, sondern aus einer Backsteinplatte, die mit wenigen runden Holzpfosten umstellt war. Wegen des weiten Abstandes zwischen den Pfosten können diese nicht zur Sicherung der Baugrube gesetzt worden sein. Die Holzpfosten standen vermutlich eher mit der Konstruktion der Ofenwandung in Verbindung, wo sie als Gerüst für ein Flechtwerk gedient haben. Die Verwendung eines Fasses oder eines zylindrischen Korbes beim Schmelzofenbau ist für das späte Mittelalter und die Neuzeit gut belegt,25 wie zum Beispiel die Abbildung eines entsprechenden Ofens bei V. Biringuccio aus dem Jahre 1540 zeigt. Ein weiterer Unterschied zum Ofen 3 bestand darin, daß auf dem Boden des Ofens 6 keine Bronzereste entdeckt wurden. Dieser Umstand deutet darauf hin, daß das geschmolzene Metall - wie schon von Theophilus für den Bau eines Schmelzofens empfohlen26 - in einer Eisenpfanne aufgefangen worden war, die man beim Abriß des Ofens entfernt und andernorts weiterverwendet hatte.27 Auch die Abstichvorrichtung des Ofens 6 war anders ausgeführt. Die zugehörige Dammgrube ist, wie der Abstichkanal zeigt, im Süden zu suchen. Ofen 7 Bei diesem Befund handelt es sich um einen dreiphasigen, beziehungsweise zweimal erneuerten, runden, in die Erde eingelassen Ofen, der mit dem Nordprofi] des Schnittes 2 nur leicht angeschnitten wurde (Abb. 2; 14, 1)- Sein vollständiger Umriß konnte nur für die jüngste Phase beim Bodenaustausch nördlich des Schnittes erfaßt werden, eine zufriedenstellende Untersuchung der älteren Phasen gelang umständehalber nicht. Der Ofen der Phase 1 war ca. 70 cm in die Erde eingerieft. Als unterster Befund kann eine vermutlich runde Lage aus diagonal in Lehm verlegten Backsteinen des Klosterformats bezeichnet werden. Ihre Umrandung durch Pfostengruben, die auf eine Korbkonstruktion wie bei Ofen 6 deutet, wurde nur zum Teil 25 Drescher 1961, 118. 27 Eine solche Lösung wurde bei den Öfen in 26 Theobald 1984, 155 ff. Höxter gewählt (Zeunf. 1989, 194). 272 erfaßt. Die Gemeinsamheiten hinsichtlich Lage und Ausführung mit der Backsteinplatte des Ofens 6 erlauben dieselbe Funktionsbestimmung als Unterbau für den eigentlichen Ofenkorpus. Darüber wird infolgedessen der nun nicht mehr erhaltene Ofenboden aus gebranntem Lehm gelegen haben. Auf dessen ehemalige Existenz deutet schwarzes, gebranntes Material hin, das sowohl auf den Oberflächen der Steine als auch in den Fugen entdeckt wurde. Die Anlagen der nachfolgenden Phasen 2 und 3 sind ebenfalls mit ihren untersten Befunden vertreten. Es handelte sich um je eine ca. 10 cm starke Schichtenabfolge aus gelbem Lehm und Backsteingrus. Auf der Oberfläche der jüngeren Lage aus Backsteingrus (Dm 2 m) wurden Teile aus rot gebranntem Lehm beobachtet. Die Befunde aus beiden Phasen weisen so große Ähnlichkeiten mit den Öfen 2 und 3 auf, daß sie zweifellos als Unterbaukonstruktion für den nicht mehr erhaltenen Korpus eines Schmelzofens bezeichnet werden können. Es wurden keine datierenden Funde geborgen. Ofen 8 Der Ofen 8 war nach Süden versetzt über den Resten des Ofens 6 errichtet worden. Wie bei allen Wismarer Schachtöfen, handelt es sich um ein rundes, leicht in die Erde eingelassenes Objekt. Erhalten war nur sein Boden mit dem Unterbau, der sich als eine runde, 1,5 m große und mit Backsteinen ausgelegte Fläche erkennen ließ (Abb. 14, 2). Die Steine lagen in gelbem, nicht gebranntem Lehm und waren, wie die der älteren Phase des Ofens 6 und 7 auch, mit kleinen, im Abstand von 35-50 cm stehenden Pfostenlöchern umrandet. Für den eigentlichen Boden war darauf eine 15 cm starke Lehmschicht aufgebracht worden, deren obere Partie infolge der hohen Temperatureinwirkungen rot bis schwarz gebrannt war. Die Wandung war nicht mehr erhalten, ließ sich aber noch mit Hilfe der zahlreichen Fragmente aus stark gebranntem Lehm in der Abbruchschicht nachweisen. Die Konstruktion des Ofens 8 entspricht der des Ofens 6, weshalb auch hier eine Funktion als Schmelzofen mit Korbaufbau angenommen werden darf. Für diesen Ofen gilt ebenso eine Datierung in die Zeit nach 1512/13. Grube 9 Die nordwestlich von Ofen 8 liegende Grube 9 wurde während des Bodenaustausches beobachtet und dokumentiert (Abb. 2). Sie hatte einen runden Grundriß mit einem Durchmesser von ca. 3 m und wies steile Wände auf. Ihre Sohle wurde nicht erreicht. In der Grubenverfüllung lagen Bronzereste und Hütten-lehmfragmente, die auf eine Verbindung mit der Bronzegießerei hinweisen. Diese Annahme wird durch eine 10-30 cm starke Schicht bestätigt, die aus sekundär gebrannten und angeschmolzenen, mit rot gebranntem Lehm vermischten Backsteinen bestand und die als Abbruchmaterial eines Ofens gedeutet wird. Diese Schicht war die obere Vcrfüllung der Grube und erstreckte sich darüber hinaus in die unmittelbare Umgebung. Eine gleiche Schicht, möglicherweise dieselbe, 273 lag auch über dem Boden des Ofens 8 und kann als dessen Abbruchhorizont erklärt werden. Es liegt die Vermutung nahe, daß die beiden Befunde gleichzeitig benutzt und im Zuge derselben Maßnahme aufgegeben worden waren; die Grabungsumstände ließen einen Beweis allerdings nicht zu. Grube 9 könnte eine Gußgrube des Ofens 8 gewesen sein. Aus der Grubenverfüllung stammende Keramikfragmente der neuzeitlichen roten Irdenware, der neuzeitlichen gelben Irdenware und der harten Grauware erlauben eine Datierung der Grube 8 in das 16.-17. Jahrhundert. Ofen 9 Am Südprofil des Schnittes 2 wutde ein weiterer Ofen mit einem Viertel seiner runden Fläche aus gelbem, in der Mitte orangerot gebranntem Lehm und der Umrandung mit kleinen Pfostenlöchern erfaßt (Abb. 2). Im Unterschied zu den Öfen 2-3 und 6-8 fehlte bei dem vorliegenden Befund der Unterbau in Form einer stabilisierenden Stickung aus Backsteinbruch oder einer Backsteinplatte. Die Umrandung aus Holzpflöcken bestätigt eine Korbkonstruktion des Befundes. Dieser Ofen ist jünger als der Bauhorizont des Westflügels und datiert nach 1512/13. Sein stratigraphisches Verhältnis zu den übrigen Befunden konnte nicht geklärt werden. Das Absenken des Hofes Die beim Bodenaustausch im Hof entdeckten Befunde sind, soweit es sich nicht um Fortserzungen derjenigen aus den Hauptschnitten handelt, kaum stratigra-phiscb einzuordnen oder zu datieren. Drei Gruben und der Rest einer Feuerstelle oder eines Ofens (Abb. 2) können hier vorgestellt werden, sie sind alle jünger als die erste Siedlungsperiode des Geländes. Die Grube 8 wurde teilweise auf einer Länge von 11,5 m untersucht, auf eine mögliche konstruktive Verbindung mit der Grube 12 wurde bereits hingewiesen. Die Breite ihres länglichen Grundrisses ist unbekannt, sie wird aber nicht mehr als 3,5-4 m betragen haben, denn am Ostrand des Ofens 7 konnte die ungestörte Schicht der ersten Siedlungsperiode erkannt werden. Drei Scherben der harten Grauware wurden geborgen. Auch die jüngere Grube 6, ein längliches, 3,5 m breites und vermutlich über 7 m langes Gebilde, wurde nur zum Teil erfaßt. In der oberen Verfüllschicht der Grube fanden sich mehrere Gußformfragmente, Bronzereste und Schlacken, die eine Deutung als Gußgtube nahelegen. Ein neuzeitlicher Grapenstiel wurde hier geborgen. Die runde Abfallgrube Grube 7 ist mit einem Durchmesser von 2,3 m wesentlich kleiner als die fetzten beiden Befunde. Ihre Verfüllung bestand unter anderem aus einem Gemisch mit vielen sekundär angeschmolzenen Backsteinen, Hüttenlehmfragmenten und Bronzeresten, vermutlich dem Abbruchmaterial eines Ofens. Sie enthielt keine datierbaren Funde. Ofen 10, ein runder, 50 cm großer Befund aus gebranntem Lehm ist der Rest einer Feuerungsanlage, möglicherweise auch nur einer einfachen Feuerstcllc, Dieser Befund ist jünger als der unterste Besiedlungshorizont. Zur Datierung der Wismarer Glockengießerei. Schriftquellen zum Glockenguß im Fürstenhof Die Ausgrabungen im Hofbereich der Schloßanlage Fürstenhof haben Zeugnisse einer intensiven gewerblichen Nutzung dieses Geländes zutage gefördert. Die Reste von neun Ofenanlagen und sechs Gußgruben gehörten zu einer ehemaligen Bronzegießerei, die ausweislich der Keramikfunde in der Zeit von der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis etwa in das 17./18. Jahrhundert in Betrieb gewesen sein muß. Während die untere zeitliche Grenze durch das Fundmaterial aus der Gußgrube 1 ziemlich sicher belegt ist, gestatten die wenig charakteristischen neuzeitlichen Scherben aus der Baugrube des Ofens 2 keine Präzisierimg der oberen Grenze. Während dieser Zeit sind die Kirchen Wismars mit mehreren Giocken für ihre Türme und Uhrwerke ausgestattet worden. Aber nicht jeder Guß gelang, und mitunter zerbrach die eine oder andere Glocke nach nur wenigen Betriebsjahren und mußte ausgetauscht werden.28 Da sich die l ätigkeiten der Gießerei vermutlich auf die eine oder andere Weise in den schriftlichen Quellen niedergeschlagen haben, sollen diese im folgenden daraufhin naher untersucht werden. Neben den Schriftquellen werden sowohl die aus der Uberlieferung bekannten, aber nicht mehr erhaltenen, als auch die noch existierenden Glocken der Wismarer Kirchen herangezogen, da diese selbst eine ausgezeichnete Quelle zur Erforschung ihrer Geschichte sind. Die Glockeninschriften tragen neben der Widmung oft auch Angaben zum Guß, etwa das Herstcllungsjahr, den Namen des Meisters und, in seltenen Fällen, ihren Herstellungsort, das heißt, den Städtenamen. So liest sich zum Beispiel die Inschrift der im Jahre 1710 für die Georgenkirche gegossenen großen Glocke folgendermaßen: „Un-lautbar war mein Klang da ich vor dieser sprang nun kling ich wieder wohlauf wen und wie ich soll als ich / durch Gottes Gnad wieder auf das Neue timbegossen worden durch Johann Heinrich Schmidten aus Alten Stettin in Wismar Anno MDCCX M: September... ",29 Unter den noch heute existierenden und den inzwischen wieder eingeschmolzenen Glocken der Wismarer Kirchen gibt es eine Reihe von Exemplaren, die von bisher nichr lokalisierbaren Gußplätzen stammen.-50 Die zwei ältesten Glocken, von denen keine Einzelheiten zum Gießer, zum Gußjahr und zum Gußort bekannt sind, hängen noch heute in der Marienkirche. Sie wurden nach stilistischen Kriterien in das 14, Jahrhundert beziehungsweise in dessen zweite Hälfte datiert.31 Es ist daher nicht undenkbar, daß wenigstens die schwerere von beiden - ihr Gewicht beträgt mehr als 1200 kg - in unmittelbarer Nähe, vielleicht im Fürstenhof gefertigt worden ist. 28 Peter 1993/94; 1997/98. 30 Peter 1993/94, 73; 1997/98, 79. 29 Pe-tl-r 1993/94, 85. 31 Peter 1993/94, 73. 275 Bei der Suche nach genaueren Angaben muß man auf die ausführlicheren Schriftquellen zurückgreifen. Für die Nicolaikirche liegen zwei bedeutende Überlieferungen vor, mit deren Hilfe sich die Glockengießereien lokalisieren lassen. Die Dokumente bestätigen zwei Glockengüsse im Fürstenhof in einem Abstand von 22 Jahren und bezeugen zudem eine besondere Beziehung der herzoglichen Familie zur Nikolaikirche. Das erste Schriftstück stammt aus dem Jahre 1464 und liest sich so: „Anno 1464 don warth des heruestes [Herbstes]gegaten de grote Klocke vp den mecklenburger Haue manch dem voicke. M. Vincentiiis was sin f des Meisters I name vnd he waß van Rostock gekamen ... "-^ In dieser wird das Umgießen einer zersprungenen, vom Meister Voss im Jahre 1453 hergestellten Glocke erwähnt. Der Standort der Werkstatt im Fürstenhof (vp den mecklenburger Haue) geht hieraus eindeutig hervor. Ob auch der Meister selbst dort gearbeitet hat, läßt sich nicht nachweisen, ist aber nicht abwegig. Das zweite Schriftstück datiert in das Jahr i486: „ ... vnd die Seyer effte de Klocke wardt driemahl gegaten, 2 mahl bitten den Lüpeschen Dore by St. Jürgen Tegelhaue, wandages ein Kerckhoff gewesen, so me secht, to der 3. Wise warth se gegaten vp den Mecklenburger Haue".^ Es schildert den dreimaligen Versuch, eine Glocke für die Nikolaikirche zu gießen. Nach dem zweiten Versuch war die Gießerwerkstatt auf den Fürstenhof verlegt worden, was vermutlich auf die Initiative des Herzogs hin, aber gewiß nicht ohne dessen Zustimmung geschehen sein wird. Der Grund für die Verlegung der Werkstatt auf den Fürstenhof bleibt ungenannt, nicht auszuschließen ist aber, daß der Herzog, möglicherweise als Stifter der Glocke, deren Herstellung nach zwei mißlungenen Versuchen nun selbst überwachen wollte. In diesem Fall wäre auch ein Wechsel des Meisters denkbar. Ein drittes Dokument bezieht sich indirekt auf den Fürstenhof als Gießereiplatz. Als der Rat der Stadt Wismar im Jahre 1494 beabsichtigte, eine neue Glocke für die Marienkirche gießen zu lassen, empfahl Herzog Magnus ihm den Gießer Andreas Ribe aus Rostock, der zuvor für die Nikolaikirche eine gute Glocke hergestellt hatte. Die von ihm 1479 gefertigte Stundenglocke hängt noch heute in dieser Kirche.Da der Guß Ribes zeitlich zwischen die Vorgänge von 1464 und i486 fällt, ist anzunehmen, daß auch dieser im Fürstenhof hergestellt worden war. Ein weiterer Guß für diese Kirche ist im Jahre 1612 gefertigt worden,35 der Gußplatz ist jedoch unbekannt. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden die Stadt Wismar und der Fürstenhof zuerst von Wallcnsrcins Truppen und im Jahre 1632 von den Schweden besetzt, die hier 1653 den Sitz des schwedischen Gerichtshofes einrichteten.36 Während der Betrieb der Bronzegießerei zur Zeit der Besetzung des Fürstenhofes 32 Schrödf.r 1741, 2142 ff.; Peter 1997/ 98, 79. 33 Schröder 1741, 2387; Peter 1997/98, 79. 34 Cruli. 1859,8. 35 Aus den Schriftquellen sind für die Marienkirche drei Glockengußplätze bekannt. Bereits vor 1415 wurden mehrere Glocken in der Kapelle St. Maria zur Weyde (Schröder 1741, 1778; Peter 1997/98, 78), im Jahre 1 542 auf dem Reiferwall und 1567 in der Blinden Straße [Bliedenstraße] {Schröder 1788, 40. 529; Peter 1997/ 98, 78) gegossen. Daher ist es unwahrscheinlich, daß Glocken unbekannter Herkunft aus dieser Kirche im Fiirstenhof gegossen wurden. 36 Scheie 1898, 22; schubert 1988, 44. durch das Militär noch möglich gewesen sein wird, weil dort die Möglichkeit bestand, Teile der Ausrüstung, beispielsweise Kanonenrohre herzustellen,37 war dieses seit 1653 unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich geworden. Dementsprechend ist das durch die Keramikanalyse für das 17./18. Jahrhundert ermittelte Kode der Bronzegießerei im Fürstenhof auf die Mitte des 17. Jahrhunderts zu präzisieren. Demzufolge ist die Betriebszeit der Bronzegießerei im Fürstenhof von der ersten Hälfte des 14. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts belegt, und nur für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts ist die Glockenherstellung durch schriftliche Quellen bestätigt. Die Funktion der Befunde und die Schmelzöfen typen Die Mehrzahl der im Fürstenhof ausgegrabenen und mit der Bronzegießerei in Verbindung stehenden Befunde, konnte entweder als Gußgruben oder als Schmelzöfen gedeutet werden. Zur Gruppe der Gußgruben zählen sechs Befunde (Gl, G4, G6, G8-9, Gl 1), die durch ihre besondere Größe, Form und Ver-füllung gekennzeichnet sind. Die Zugehörigkeitskriterien gründen auf Erkenntnissen, die allein in der annähernd vollständig freigelegten und untersuchten Gußgrubc 1 gewonnen wurden. Die Gußgruben 1 und 8 sind mit ihren Längen von 8,5 in und über 1 1,5 m die größten im Fürstenhof und zudem im deutschen Raum ohne Parallelen. Nur die 7,5 m lange Dämmgrube in Bamberg kommt diesen Ausmaßen nahe. Die Grube 4 ist mit mindestens 3,5 m die tiefste. Die Gußgruben weisen einen länglichen Grundriß auf, einzige Ausnahme ist die runde Grube 95 die mit einem Durchmesser von 3 m auch die kleinste von allen ist. Die angeschnittenen Gruben haben sehr steile, fast senkrechte Wände, und alle wurden mit ähnlichem Material verfüllt, das mit Fragmenten der Gußform und des Brennofens, mit Bronzeresten und Bronzeschlacken durchsetzt Ist. Um die Funktion und den Aufbau einer Gußgrubc zu erklären, soll nachfolgend der Gußprozeß einer Glocke geschildert werden. Nach der schon im Mittelalter praktizierten und von Theophilus beschriebenen Methode des Glockengusses in einer großen Grube wird in wesentlichen Zügen noch bis in die heutige Zeit verfahren.38 Das Ausheben der Gußgrubc beschreibt Theophilus folgendermaßen: „Dann mache eine Grube an dem Platz, wo du besagte Form zum Brennen einlassen willst, so tief, wie es der Höhe der Form entspricht. Aus Steinen und Ton baue nach Art einer Grundmauer einen kräftigen Sockel von Fußhöhe, auf dem die Form stehen soll. Und zwar soll in Richtung des Durchmessers ein Raum wie eine Gasse von anderthalb Fuß Breite frei bleiben, in der ein Feuer unter der Form brennen soll. Dann ramme vier Pfähle, die bis zur Sohle emporragen, neben besagtem Sockel ein und fülle die Grube fort wieder mit Erde zu. Sogleich führe dann besagte Form herbei, stelle sie mitten zwischen jenen Pfosten waagerecht auf und beginne. 37 Im 16. Jahrhundert wurden Kanonenrohre wie Glocken in der Gußgrube stehend gegossen (BlRlNGUCClO 1540, 301). 38 Das Handbuch von Theophilus wurde von W. 1 lieobaUl übersetzt und mit umfang- reichem Kommentar versehen, der neben Erläuterungen auch Studien über historische Literatur enthält (vergleiche DRESCHER 1961, 119 ff.; 1984, 48 ff.; Jansen 1987). 276 277 die Erde unter der Form ... herauszuschaufeln ... bis die Form auf dem Steinsockel waagerecht aufsteht. Nach Entfernen der Pfähle, die lediglich eingerammt waren, um die Form gerade zufuhren. ... mauere beiderseits von jener Gasse, die du in der Mitte des Sockels fi-eigelassen hast, einen Bordßir den Ofen und führe ringsum den Ofen selbst in einem halben Fuß Abstand von der Form auf."y^ Nach dem Trocknen und Brennen wird die Gußform in der Grube zugeschüttet und der Gießprozeß vollzogen. Da die Hersteilung der Glockenform verschiedentlich detailgetreu, unter anderem von H. Drescher beschrieben und interpretiert worden ist/0 soll dieser Prozeß hier nur knapp dargestellt werden. Von zwei Möglichkeiten der Herstellung der Glockengußform war das Formen auf der Drehlade vor allem für kleinere Objekte geeignet.41 Seit etwa 1200 ging man dazu über, die Gußformen für große Glocken direkt in einer Gußgrube zu errichten.42 Da jede Form vor dem Gießen getrocknet und gebrannt werden mußte, hat man im ersten Fall unter der Drehlade ein Feuer entzündet und im sie zweiten Fall direkt auf einem Brennofen gebaut. In mehreren Arbeitsvorgängen formte man dann mit Hilfe von drehbaren Schablonen den Kern und darüber das Modell der Glocke - auch Falscbeglocke genannt - sowie den Mantel. Die Form der Krone wurde separat herstellt und montiert. Wie die Überlieferung späterer Jahrhunderte zeigte wurden die Gußgruben mit geringen Modifikationen bis in das 19. Jahrhundert hinein auf gleiche Weise ausgeführt. Zwar sind die Informationen zu den Dämmgruben nicht immer sehr genau, doch entsprechen diese den Befunden aus Wismar und den ausgegrabenen Gußgruben allgemein recht gut. Theophilus macht keine Angaben bezüglich des Umfangs der Gußgrube, doch geht aus seiner Beschreibung deren enorme Größe hervor. Seine Angaben bezüglich des Abstands der Gußgrube von dem Ofen (fünf Fuß) sind dagegen sehr präzise. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert fand sich in der Gießerwerkstatt eine Hebevorrichtung zum Heben der Formen und der Glocken. Eine erste Darstellung, auf der sie in Form einer Radwinde abgebildet ist, geht auf das Jahr 1568 zurück.4^ Als Spuren einer solchen Hebevorrichtung dürfen die Pfosrcnlöcher in der Dämmgrube 4 gedeutet werden. In Diderots Darstellung einer Glockengießerei ist die steilwandige Gestalt der Dämmgrube abgebildet, Die zweite, wesentlich umfangreichere und differenziertere Befundgruppe sind die zehn Schmelzöfen/^ die sich nach zwei Haupttypen unterscheiden lassen. Zum ersten Typ gehören zwei Herdmulden (Ofen 1, 4), bei denen es sich, soweit erkennbar, um leicht in die Erde eingetiefte ovale Gruben handelte, deren Böden und Wände mit Lehm ausgelegt waten. Diese Ofen wurden ohne Bälge betrieben und sind als Windöfen zu bezeichnen. Ihre Funktion ist unklar, sie werden aber im Zusammenhang mit der Metallverarbeitung gestanden haben. H. Drescher interpretiert derartige Herdmulden als Schmelzöfen, in denen Metall in Tiegeln geschmolzen wurde.46 39 Theobald 1984, 154. 44 Amman 1568. 40 Drf.schf.r 1961; 1984. 45 Die Bestimmung des als Ofen 10 bezeich-4 1 I) RliSCI (KR 1984, 48. neten Objekts ist unzureichend geklärt. Ks 42 drescher 1961, 119. könnte sich auch um eine einfache Feucr- 43 Biringuccio 1540; Diderot 1762-77; stelle handeln. Krünitz 1780. 46 Janssen 1987, 208. 278 Der zweite Typ, der Schachtofen, ist siebenmal repräsentiert (Öfen 2-3, 5-9). Es handelt sich um runde, leicht in den Untergrund eingelassene Schächte, die auf teilweise komplizierten Fundamenten stehen. In den Schachtöfen wurde mit Belüftung durch Bälge die zum Guß benötige Bronze geschmolz,en und über den Abstichkanal der Gußform zugeführt. Aufgrund der Bauweise, insbesondere der Ausführung des Schmelzraumes, können zwei Varianten unterschieden werden. Die erste Variante umfaßt Ofen aus Lehm, deren Innenräume mit einer eisernen Pfanne ausgelegt waren, Zu ihr zählen die Ofen 6-8 aus Schnitt 2, obwohl bei keinem von ihnen eine Pfanne gefunden wurde. Der Ofen der zweiten Variante unterscheidet sich von der ersten durch den aus Backsteinen gesetzten Boden und durch das Fehlen der eisernen Pfanne. Der Schmelzprozeß fand ohne jeglichen Behälter direkt auf dem Ofenboden statt. Zu dieser Kategorie zählt der Ofen 3 aus Schnitt 1. Für die Rekonstruktion des oberirdischen, durch die Ausgrabung nicht belegten Teil des Ofens können Hinweise aus der historischen Fachliteratur gewonnen werden. Das Errichten eines Schachtofens beschreibt Theophilus wie folgt: „ ... nimm eine eiserne Pfanne mit gewölbtem Boden, lediglich für diese Arbeit bestimmt, die beiderseits zwei eiserne Henkel hat, oder wenn es eine große Glocke werden soll, zwei oder drei. Schmiere sie innen und außen mit tüchtig durchgeknetetem Ton aus, einmal, zweimal und zum drittenmal, bis er zwei Finger dick ist, und stelle sie einander gegenüber auf, so daß man zwischen ihnen hindurchgehen kann. Unterfülle sie mit gewöhnlicher Erde und treibe an ihrem Umfang hölzerne Pflöcke ein. An zwei oder, wenn nötig, drei Punkten aber, wo die Bälge aufgebracht werden sollen, schlage kräftig zivei gleich breite Pflöcke ein. Zwischen ihnen mache eine Öffnung gegen den Rand der Pfanne hin, ... und in jede Öffnung setze ein gebogenes Eisenblech ein, so daß die Düsen der Bälge fest in ihm liegen können. Dann errichte aus Steinen und Ton über besagte Pfanne ringsum einen Ofen, anderthalb Fuß hoch, schmiere ihn innen gleichmäßig mit demselben Ton aus....... brich dann [wenn die Bronze geschmolzen ist] den Ofen ringsum ab, stecke zwei kräftige Stangen in die Henkel der Pfanne, ... und laß... die Pfanne mit aller Vorsicht anheben und zur Form tragen. ... Willst du die Mühe dieses Tragens and mehrfachen Gießens umgehen, so verschaffe dir eine ganz große Pfanne mit ebenem Boden. An der Seite über eben diesem Boden mache ein [Abstich-j Loch und verkleide die Pfanne innen und außen mit Ton wie früher. Hierauf stelle sie in einem Abstand von nicht mehr als fünf Fuß neben der Form auf, treibe an ihrem Umfang die Pflöcke ein und... errichte ringsum den Ofen wie früher. " Den Abstichkanal läßt Theophilus aus Holz verkleidet mit Lehm bauen.47 Nach V. Biringuccio wird der Schachtofen im 16. Jahrhundert aus Backsteinen und Lehm ohne eine Schmelzpfanne errichtet. Den Abstichkanal verkleidet er mit Dachziegeln oder mit den Backsteinen.48 Zur gleichen Zeit wurden aus Backsteinen gemauerte Schachtöfen im Bergwesen verwendet.49 Eine andere Form des Schachtofens ist der Korbofen (Abb. 16): „ ... man baut ihn aus Pfählen auf, die in der Erde im Kreise eingerammt und mit Zweigen von 47 Theobald 1984, 155 ff. 49 Agricola 1556, 312 ff. 48 Biringuccio 1540, 342 ff. 279 Kastanien, Weiden, Nußbäumen und dergleichen durchflochten werden, gerade so, wie man einen Korb oder Schanzenkorb macht. Der Bau wird so hoch und so weit gemacht, wie ihr es für richtig haltet, denn man kann ihn nach Belieben groß oder klein machen. Dann füllt man ihn sorgfältig mit gut getretenem und geschlagenem Lehm und macht in der Mitte eine Höhlung von der Tiefe und Weite, daß sie nach eurem Dafürhalten das zu schmelzende Material faßt. Dann glättet ihr den Boden, macht ein Loch als Ablauf für das Metall und steckt den Eisenzapfen hinein. "50 Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Schachtöfen runde Kuppelbauten aus Backsteinen mit einem seitlich liegenden Schornstein,51 der tief, viel tiefer als der Schmelzofen gründen konnte.52 Der Vergleich der Wismarer Bronzeschmelzöfen mit der historischen Fachliteratur zeigt eine große Übereinstimmung mit den dort beschriebenen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Anlagen. Sie betrifft sowohl die Verwendung des Baumaterials als auch die Bauweise. Die Umrandung der Ofenwandung mit hölzernen Brettern oder Pflöcken, die bei den Wismarer Ofen 2—3 und 6-9 vorgefunden wurde, ist bereits von Theophilus im 12. Jahrhundert beschrieben worden. Auch wenn er keine Angaben zur Funktion dieses Konstruktionsdetails macht, wird es dieselbe gewesen sein, die von V. Biringuccio um 1540 beschrieben wird. Er läßt um die Pflöcke, die rund um den Ofen in den Untergrund eingerammt waren, den korbartigen Ofenkorpus bauen. Dieser Befund wurde bei den Wismarer Schmelzöfen 2 und 6—9 beobachtet, die demzufolge als Korböfen mit Korpus in Form eines Korbes zu rekonstruieren sind {Abb. 15). Beim Wismarer Ofen 3 dagegen, wo die Hölzer für ein Flechtwerk zu dicht nebeneinander stehen, wurde für den Bau des Ofenkorpus wahrscheinlich ein Faß verwendet (Abb. 11). Bemerkenswert ist, daß dieser als einziger Ofen keine Schmelzpfanne hatte. Als Faßofen ohne Schmelzbehälter ist er eine Variante des Schachtofens. Auch die von V. Biringuccio erwähnte Auskleidung des Abstichkanals mit Dachziegeln wird durch die Wismarer Befunde bestätigt. Zwar wurden keine Dachpfannen in situ in einem Abstichkanal vorgefunden» doch konnten einige mit anhaftenden Bronzeresten in verworfener Lage geborgen werden. Zusammenfassung Die Grabung im Fürstenhof zu Wismar hat wichtige Erkenntnisse zu Ntitzungs-geschichte dieses Areals erbracht. Die ersten Besiedlungsspuren datieren in die zweite Hälfte des 13- bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts. Die Untersuchung hat vor allem eine bisher unbekannte Bronzegießerei zutage gefördert, die von der ersten Hälfte des 14. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts in Betrieb gewesen ist. Es konnten zehn Öfen und sechs Gußgruben untersucht werden, die zum Gießen großformatiger Objekte, sehr wahrscheinlich von Kirchenglocken benutzt worden waren. Der dominierende Ofentyp ist der mit Bälgen betriebene Schachtofen, der in zwei Varianren vorkommt. Bei der ersten Variante, dem Korb- 50 Biringuccio 1540, 343 Abb. 44. 52 KrOnitz 1779, Abb. 941. 51 Diderot 1762-77; Krünitz 1779 Abb. 15 Hansestadt Wismar, Grabimg Fürstenhof. Rekonstruktion eines Schachtofens (Variante Korbofen mit Schmclzpfanne) nach dem Befund des Ofens 6. ofen (Ofen 6), handelt es sich um einen runden Schacht aus Lehm, der von außen von einer korbartigen Konstruktion umschlossen war. Der Schmelzprozeß erfolgte im Inneren des Ofens in einer Schmelzpfanne. Das Abstechen verlief durch eine unmittelbar über dem Boden Hegende, etwa 8 cm große Öffnung. Der Abstichkanal konnte mit Dachpfannen ausgelegt sein. Bei der zweiten Variante handelt es sich um einen Faßofen ohne Schmelzpfanne (Ofen 3). Sein Boden wurde aus Backsteinen, die Wandung aber aus Lehm hergestellt und von außen von einem Faß umschlossen. Der Schmelzvorgang fand direkt auf dem muldenförmigen Boden ohne jeglichen Behälter statt. Für einen Abstichkanal wurde in der Wandung eine Öffnung eingelassen. 280 281 Abb. 16 Ein Korbofen (nach BmiNGUCCIO 1540). Die Verwendung von Schachtöfen war beim Gießen von großen Objekten, vor allem von Glocken, unumgänglich. Vergleiche mit den schriftlich überlieferten Beschreibungen des 17. Jahrhunderts zeigen weitgehende Übereinstimmungen der neuzeitlichen Ofen mit denen des Mittelalters, eine Tendenz, die auch H. Drescher für die Messingöfen nachweisen konnte.53 Zu den übrigen Befunden zählen zwei Herdmulden, in denen das Metall, wahrscheinlich Bronze, in Tiegeln geschmolzen werden konnte, sowie sechs Dämmgruben. Doch welche Objekte in den Gruben gegossen wurden, ließ sich durch das Fundmaterial nicht ermitteln. Die kirchlichen Quellen belegen den Guß von Glocken für die Nikolaikirche im Fürstenhof für die Jahre 1464 und i486. 53 Janssen 1987,234. Literaturverzeichnis Agricola, G. 1556 Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen. Neudruck 1994. München. Amman, J. 1568 Das Ständebuch. 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Güstrow, auf dem Grundstück Baustraße 40 nach Beendigung einer archäologischen Untersuchung ein Münzschatz entdeckt.1 Während der Abbrucharbeiten an den dokumentierten Mauern des mittelalterlichen Gebäudes wurde eine Wasserleitung beschädigt, die die Baugrube rasch unter Wasser setzte — keineswegs zum Nachteil für die Archäologie, wie sich zeigen sollte. Denn nach dem Abpumpen des Wassers fand der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger F. Schmiel zahlreiche Münzen, die durch das Wasser freigespült worden waren. Eine Nachsuche führte unmittelbar zu dem Versteck, das sich außerhalb eines Fundamentrestes befand und in dem noch der größte Teil eines Münzschatzes mit rund 1400 Münzen in situ lag. Die Baugrube wurde daraufhin mit Hilfe eines Metalldetektors abgesucht und die bei der Überschwemmung entstandenen Schwemmsandschichten sorgfältig durchgesiebt. Trotz der widrigen Umstände geht der Finder davon aus, daß der Münzschatz aufgrund der genauen Nachsuche vollständig geborgen wurde.2 Hinweise auf ein Verwahrgefäß fanden sich nicht - ein im Boden vergangener Leinenbeutel wäre denkbar, dessen Spuren mögen aber durch das Wasser vernichtet worden sein. Der Münzschatz wurde nach seiner Bergung in das Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern gebracht und dort restauriert.^ Eine erste grobe Durchsicht erfolgte durch W. Virk. Der Fund umfaßt 2136 Münzen und gehört damit zu den größten frühneuzeitlichen Münzschätzen Mecklenburgs. Übertroffen wird der Güstrower Fund lediglich durch die Funde von Doberan mit 4246 Exemplaren (gefunden 1804)4 und Waren mit 4020 Münzen (gefunden 1912).5 Die Schlußmünze gibt das Jahr 1630 an. Der Fund besteht Der Aufsatz faßt die Ergebnisse meiner Magisterarbeit Der Münzfund von Güstrow und der Geldumlauf in Mecklenburg im 16. und frühen 17. Jahrhundert zusammen, die im Jahre 2000 an der Einst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vorgelegen hat. Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle Prof. Dr. Michael North und Prof. Dr. Horst Wcmicke, die die Arbeit betreuten, Dr. Friedrich Lüth, der mir die Bearbeitung des Münschatzes ermöglichte sowie Prof. Dr. Niklot Kltißcndorf, Michael Kun-zel, Haik Thomas Porada und Ivo Asmus für zahlreiche Hinweise. 2 Freundliche Mitteilung F. Schmiel, Güstrow. 3 Der Münzfund ist unter der Nummer ALM 1996/521, 215 inventarisiert. 4 Hamann 1994. Der Fund wurde nach 1542 verborgen. 5 Klüssendori- 1981, 134-136. Der iFund wurde um 1623 verborgen. 284 285