Lyrik des Rokoko und die Anakreontik Wilhelm Ludwig Gleim: Einladung zum Tanz Kein tödtliches Sorgen Beklemmt mir die Brust! Mit jeglichem Morgen Erwach' ich zur Lust. Hier, unter den Reben, Die Bacchus gepflanzt, Uns Schatten zu geben, Sey heute getanzt! Kommt, freundliche Schönen, Gesellet euch hier, Erfüllet die Scenen Der Freude mit mir! Den alten Betrübten Laßt Laster und Pein, Und folgt der Geliebten In tanzende Reih'n! Unschuldige Jugend Dir sey es bewußt: Nur Feinde der Tugend Sind Feinde der Lust. Die Wolken der Grillen Verrathen genug Unfreundlichen Willen Und bösen Betrug. Ja , Tugend und Freude Sind ewig verwandt; Es knüpfet sie beide Ein himmlisches Band! Ein reines Gewissen, Ein ehrliches Herz Macht munter zu Küssen, Zu Tänzen und Scherz. Ihr Faunen, ihr Nymphen, Es gab euch ein Gott Die Gabe zu schimpfen, Und Launen und Spott: Des Tanzes Verächter Verachten auch euch: Ein höhnisch Gelächter Verjage sie gleich! Friedrich von Hagedorn: An die Freude Freude, Göttin edler Herzen! Höre mich! Laß die Lieder, die hier schallen, Dich vergrößern, dir gefallen; Was hier tönet, tönt durch dich. Muntre Schwester süßer Liebe! Himmelskind! Kraft der Seelen! Halbes Leben! Ach, was kann das Glück uns geben, Wenn man dich nicht auch gewinnt? Stumme Hüter toter Schätze Sind nur reich. Dem, der keinen Schatz bewachet, Sinnreich scherzt und singt und lachet, Ist kein karger König gleich. Gib den Kennern, die dich ehren, Neuen Mut, Neuen Scherz den regen Zungen, Neue Fertigkeit den Jungen, Und den Alten neues Blut. Du erheiterst, holde Freude! Die Vernunft. Flieh auf ewig die Gesichter Aller finstern Splitterrichter Und die ganze Heuchlerzunft! Immanuel Jakob Pyra und Samuel Gotthold Lange: Des Thirsis Treue Mein Damon, ewiglich von mir geliebter Freund! Von dessen felsenfester Liebe Der ganzen Welt verlachter Sturm und Zorn Mein standhaft Herz nicht würde reißen können; Du, dessen hoch und edlen Geist, Der Himmel, er uns einst besonders hold gewesen, Mit vollem Segen mir zum Trost herabgesandt, Als er, bevor dein Freund der Sonnen Glanz gesehen, Mir ein so hohes Glück bestimmt, Das kein gemeiner Geist auch nur zu schätzen wüßte: Dein Thirsis bleibt getreu. Und du Zerstörerin der eitlen stolzen Wunderwerke, Zeit, du tilgst nie aus meiner festen Brust Des edlen Paars zu tief gegrabne Namen. Ja, ja, es soll die Ewigkeit O Damon, Doris, einst an daurnden Ehrenmälern Die glänzenden verschlungnen Züge sehn, Wie sie am sandigen und erlenvollen Ufer Der hellen krebsereichen Spree Durch euers Schäfers Hand tief eingeschnitten stehen. Des Unglücks Wolken ziehn noch über meinem Haupt; Ich sitze traurig in dem Dunkeln; Nichts tröstet mich als Gott und eure Gunst In meiner arm und frommen Mutter Armen, Die mich durch ihren Schweiß ernährt. Wie oft erzähl ich ihr mit Tränen in den Augen Die Liebe, die ihr ohn Eigennutz erzeigt, Wie groß und treu dein Herz, wie liebreich schön die Doris, Was Hilas uns für Lust gemacht. Sie weint und segnet euch mit aufgehobnen Händen. Freund, ach, warum sind wird getrennt! Ach, soll ich euch nicht ferner sehen! Wo ist ein Freund, so edel als wie du, Wo find ich, Doris, doch so eine holde Freundin? Vergesset euren Thirsis nur, Mein Damon, Doris, nicht vergeßt, vergeßt mich nimmer! Was hab ich auf der Welt als euch, das mich erfreut? und läßt mein Unstern mich euch nicht mehr hier umarmen, So seufz ich nach der Ewigkeit; Ach, Freund, mit welcher Lust werd ich euch dort umfangen!