>l\» f illM 'Ii Olli» = r' A. Grundlagen 1. Im Zug „Im Lande der Blinden, die. gar nicht so wenig mitbekommen, wie es den Anschein haben könnte, ist der Einäugige nicht König, sondern Zuschauer." (Geertz 1983b:293) Im Zug. Einer liest eine Tageszeitung, der andere eine Illustrierte. Rechts daneben eine Dame studiert einen Computerausdruck über ein Säuglingsbeatmungsgerät., Gegenüber der junge Mann mit den Diskman-Kopfhörern - „City of Angels" steht auf dem CD-Beiheft - berührt mit einem spitzen Kunststoffgriflel sechs oder sieben Stellen auf dem Fenster seines Message Päd. Ein dort angezeigtes Ergebnis notiert er per Kugelschreiber auf Papier und schreibt dort weiter, wo er das Medium zuletzt wechselte: Text, Zahlen, Tabellen. Zwei Sitzreihen weiter liest eine Mutter einem Jungen eine sehr lange Geschichte vor. Ein Jugendlicher tippt und liest Botschaften an seinem mobilen Telefon. Der Schaffner kommt und lässt eine fehlende Zusatzfahrkarte ausdrucken. Der Wagen wimmelt vor Auf- und Inschriften, auch an den Kleidern, Gelränken und Gepäckstücken der Passagiere. Draußen fliegen Plakatwände vorbei. Aus den Lautsprechern hört man: „Der Tisch im Speisewagen ist nun für Sie gedeckt." Drüben ein Laptop, dort die Programmzeitschrift. In der ersten Klasse ist ein Bildschirm in jeden Sitz integriert. Hinten dudelt ein Handy eine immer lauter werdende Melodie, bis der Besitzer es erlöst: „Ja? Ich bin jetzt hinter Münster. 13 Uhr 57 Köln stand in diesem Flyer." Alltag zu Beginn des dritten Jahrtausends. Medienfreie Kommunikation zieht sich in altmodische, intime oder elitäre Reservate zurück. Schrift wandert in Bilder ein, Geräte prägen die Vermittlung von Botschaften. Niemand gilt als verrückt, der stundenlang allein vor dem Bildschirm hockt oder lauthals in eine Hörmuschel spricht statt mit seinem stummen Gegenüber. Medien formen unsere Gescllungsweisc und uns als Individuen. Wir nehmen sie an wie ein Kind Sprache. Mediatisierung geht einher mit Entkörperlichung: Anwesende sprechen kaum miteinander, Kommuntkationspartner sind fern und teils fremd oder anonym, Mediennutzer bewegen sich wenig. Hier im Zug wird Bewegung vollends an Teclinik delegiert. Eine Urszene moderner Medienkommunikation. Wie sprechen wir mit Medien? Sprache in modernen Medien • Einführung in Tatsachen und Theorien,' Themen und Theten von Ulrich Schmitz ERICH SCHMIDT VERLAG