Anna Kim im Gespräch mit Susan Christely Donnerstag, 23.03.2017, 11:30 bis 12:00 Uhr 3sat-Stand, Glashalle Empore Nord, Stand Nr. 19 Leipzig, Deutschland Susan Christely im Gespräch mit Anna Kim über Ihren Roman "Die große Heimkehr" (bis Dokumente, die dann schwieriger zugänglich sind) Buchzeit Extra SC: Anna Kims Roman Die große Heimkehr ist eigentlich ein Buch über die Geschichte Koreas. Doch die aktuellen Ereignisse machen es auch zum Buch der Stunde. Ich freue mich sehr über ein Gespräch, das ich jetzt führen darf mit ihr über das über Nord- und Südkorea von damals und heute. Ditte begrüßen Sie, meine Damen und Herren, die Schriftstellerin Anna Kim. 0:32 SC: Die Staatschefin Südekoreas Park ist entmachtet worden. Sie wird gerade von der Staatsanwaltschaft vernommen und es drohen Veränderungen. Wie ist der Zustand Südkoreas? 0:50 AK: Also ich glaube, es ist momentan es extrem chaotisch, sogar für koreanische, also für südkoreanische Verhältnisse. Und natürlich hat dieser eine Skandal sehr sehr viele Skandale ausgelöst. Die Korruption hängt ja immer zusammen, es löste ja eine Korruptionswelle aus. Und in diesem Stadium befindet sich gerade Südkorea. Es ist natürlich schlecht, weil auch Samsung darin involviert ist . Aber ich nehme an, dass sich das Land daraus wieder retten kann. 01:21 SC: Es ist jetzt begleitet gewesen diese Phase, dieser Korruptionsskandal von vielen Demonstrationen, davon, dass sich Südkorea jetzt freut, dass sie entmachtet wird. Gleichzeitig gibt es auch Demonstrationen für sie. Das erinnert mich an Szenen aus Ihrem Buch, wo es viel politische Bewegungen gibt, die immer von Demonstrationen begleitet waren. Warum findet Südkorea nicht zur Stabilität? 01:46 AK: Ich glaube, es hängt stark damit zusammen, dass die Strukturen, die bereits nach dem Zweiten Weltkrieg, eigentlich schon während der Kolonialzeit angelegt wurden, dass die nie verändert wurden. Die Leute, die damals an der Macht waren, sind eigentlich immer noch an der Macht und diese Kontinuitäten, eben Korruption, auch Skandale, die wurden mitgeschleppt. Das halt ein Problem, Wenn man sie nie bereinigt, wie soll man dann jemals zur Ruhe finden? 02:16 SC: In Ihrem Roman heißt es an einer Stelle, dass die Protagonisten auf der Suche nach einer Wahrheit sind und dann feststellen, dass es die eine Wahrheit nicht gibt. Wie wahr kann ein Buch über die Geschichte Koreas? 02:30 AK: Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, ‒ ja ‒ Also, ich persönlich glaube, dass ein Roman eher wahr sein kann als ein Geschichtsbuch, weil ich glaube, in einem Roman lassen sich diese verschiedenen Wahrheiten auch darstellen und auch vereinen. Außerdem gibt der Roman einen Spielraum, um dieser einen Wahrheit, die propagiert wird, zu widersprechen. Und darum ging es auch in meinem Roman. Es geht eigentlich um eine Dekonstruktion der Wahrheit und weniger um Behaupten von Wahrheit. 03:06 SC: Und wie schwierig war es, es sind ja große geschichtliche Ereignisse, die in ihrem Roman werden angesprochen, also vor allem auch der Kampf zwischen China, der UdSSR und den USA auf koreanischem Boden, wie schwierig war es für Sie da, in diesen schwierigen geschichtlichen Wahrheitsverhältnissen das darzustellen, diesen Kampf? 03:27 AK: Also ich hab´mich dafür entschlossen, ganz bewusst, also diese ganzen Zusammenhänge auch darzustellen, weil ich nicht den Eindruck hatte, dass ich, wenn ich mich auf Korea beschränke, dass das Ganze noch Sinn macht. Also wenn man sich, man kann, ich hätte den Roman auch schreiben können, wenn ich mich nur auf die koreanische Geschichte beschränke, und eigentlich nur Innerkoreanisches darstelle. Das wäre auch gegangen. Aber ich habe mich bewusst dagegen gestellt, dass man dadurch Geschichte Koreas wirklich versteht. Dass man wirklich versteht, warum die Verhältnisse so sind, wie sind sie heute. Ich habe das Buch auch immer im Hinblick auf die Gegenwart geschrieben, nicht auf die Vergangenheit, und daher war das eine haarige Angelegenheit. Auch deshalb, weil in genau diesen Staaten die Vergangenheit ja gar nicht aufgearbeitet wird. Also die Archive sind recht verschlossen. In Russland gab es eine ganz kurze Phase, wo die Archive geöffnet wurden. Das waren nur ein paar Jahre, dann wurde sie ganz schnell wieder verschlossen. In China ich weiß nicht ob irgend jemand an die Archive rankommt. Nordkorea, das Gleiche. Und in Südkorea sind Archive auch fest verschlossen. Und gerade diese Epoche, das … . Ich würde mich wundern, wenn das in den nächsten fünfzig Jahren noch geöffnet würde. Also vielleicht in hundert Jahren oder zweihundert Jahren. Und die USA, na gut, die haben natürlich bestimmte Gesetze, die auch das Öffnen von Archiven festlegt [sic], aber diese Zeit sind sie immer noch fest verschlossen. Und dann sind ganz besonders geheime Dokumente, die dann noch einmal schwieriger zugänglich sind. Das wär´s für heute. Das nächste Mal beginnen wir mit … 05:05 SC: Wie sieht das Leben in Korea [aus], gerade was die Identität angeht, der Menschen in Korea, wenn Sie gerade sagen, an die Vergangenheit ist schwer ranzukommen. AK: In Südkorea, genauso wie in Nordkorea, genauso wie in China oder in Japan, ist geradezu eine starke nationalistische Bewegung im Gange, die ist eigentlich schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs sehr präsent.