Kapitel 3: Guten Appetit! Kapitel 3: Güten Appetit! Texte Redewendungen l am Hwigertuch(e) nagen [ugs., scherzh:] Hunger leiden, nichts zu essen haben Im frühen Mittelalter bis ins 17. Jahrhundert war es üblich, in der Pastenzelt (von Aschermittwoch bis zum Karfreitag) den Blick auf den Altar in der Kirche mit einem großen Tuch zu verdecken. Die Fastenzeit war wirklich eine Zeit des Hungerns. Man durfte 40 Tage kein Fleisch, keine Milch, keinen Käse; keine Bier und kein Schmalz verzehren. Das Verb „nagen" bedeutet hier nicht: Der Hund nagt an einem Knochen, die Maus nagte am Holz. Es kommt wahrscheinlich von „nähen", denn im 16. Jahrhundert gab es Wendungen, wie z. B. am Hungertuch flicken öder nahen, Die kirchliche Herkunft ging dann verloren. 2 jemandem hängt der Magen in den Knie-' kehlen ' [ugs.] Hunger haben Vielleicht parallel .'zu der Wendung: „nur • einem einzigen ..; das Herz, wie man zusagen'-' .''pflegt, in die Kniekehlen gesunken war." v. (Felsenburg: GW) „wenn aber Lissemo bei ihnen ankam, so fiel ihnen schon das Herz in die Kniekehle." (Saiinde; GW) 3. Kohldampf haben/schieben [ugs.] Hunger haben Dies hat nichts zu tun mit Kohl, Dampf und schieben, schob, geschoben. Die drei Wörter kommen aus dem Rotwelschen, der' Sprache . der Gauner und Landstreicher bis ins 19. Jahr-■ hundert. Diese Sprache hat Wortgut aus dem Deutschen, aus den romanischen Sprachen,-dem Jiddischen und der Zigeunersprache. Nouvelle Cuisine: Wenn man es sieht, läuft einem das Wasser im Munde zusammen (7), wenn man es dann versucht, kitzelt es den Gaumen (9) und zergeht auf der Zunge (8), maň darf aber nur essen wie ein Spatz (5) und die Rechnung ist gesalzen. Danach hat man einen Bärenhunger (6). Meine Tochter macht mir Sorgen. Sie isst nur wie ein Spatz (5) und leidet an Appetitlosigkeit..Hoffentlich wird das nicht schlimmer. Was man heute so alles über Anorexie liest: Mein Fre.und Karl ist wirklich i n Ordnung, aber dass er sich bei jeder Gelegenheit den Bauch vollschlägt (11.) und wie ein Scheunendrescher frisst (12), das geht miř doch auf die Nerven. Als wenn er noch nie etwas von Cholesterin gehört hätte. Meine Mutter war da furchtbar streng. Wenn meine Augen wieder mal größer als mein Mund waren (10), gab's keine Ausflucht. Der Teller musste leer gegessen wöfden. Während des Krieges und noch die nächsten Jahre danach hat mein Vater oft Kohldampf schieben müssen (3), und er hat's nie vergessen. Nach dem Schwimmen im Solbad hing uns der Magen immer in den Kniekehlen (2) und gewöhnlich kehrten wir bei „Witwe Bolte" zum deftigen Bauernfrühstück ein. Geräucherte Lachse sind so zart, dass sie einem auf der Zunge zergehen (8). Petra wohnt seit vielen Jahren ira Ausland. Wenn sie zu Besuch in Deutschland ist, kauft sie mit Vorliebe im Bäckerladen ein, wo ihr beim Anblick der Backwaren und beim Duft des frisch gebackenen Brotes das Wasser im Munde zusammenläuft (7). Andere Narren sehe ich, die ihren Reichtum und ihre Pracht nur draußen auf der Gasse zeigen und sich stattlich sehen lassen, aber zu Hause am Hungertuche nagen (l). (Albertinus 1616, modernisiert: GW) Ich füll meinen Wanst (Bauch) und wasch'meinen Kragen, lass Weib und Kind am Hungertuche nagen. (Hans Sachs: GW) ... als zerginge ihm..,. diese saftige Frucht auf der Zunge! . (Heinrich Seidel: GW) ... KTWWJ23 -'SSW' Hungertuch: Stickerei; 1696 (II 24 25