18. November 2005 Bei einer Serie verheerender Anschläge auf Moscheen und Hotels haben am Freitag im Irak mehr als 80 Menschen ihr Leben verloren. In zwei schiitischen Moscheen der Stadt Chanakin in der Provinz Dijala nahe der Grenze zum Nachbarland Iran sprengten sich während des Freitagsgebets zwei Selbstmordattentäter in die Luft und rissen mindestens 77 Gläubige mit in den Tod. Weitere 95 Menschen seien bei den Anschlägen zum Teil schwer verletzt worden, berichteten Krankenhausärzte. Ein weiterer Anstieg der Opferzahl sei zu befürchten. Rettungskräfte suchten am Nachmittag unter den Trümmern weiter nach Verletzten oder Toten.Möglicherweise sind mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen. Chanekin liegt rund 170 Kilometer nordöstlich von Bagdad ist mehrheitlich von Schiiten und Kurden bewohnt. Am Morgen hatte die Detonation von zwei Autobomben in Bagdad neben einem stark gesicherten Hotelkomplex mindestens sechs Menschen das Leben gekostet. Weitere 43 wurden verletzt, wie die Polizei mitteilte. Die Wucht der Explosionen ließ mehrere Häuser einstürzte, Rettungskräfte suchten unter den Trümmern nach Verschütteten. Der Nachrichtensender CNN strahlte Bilder aus, die zeigten, wie ein kleiner Lieferwagen vorfuhr und explodierte. Unter den Verletzten seien auch ausländische Journalisten, die in den Hotels im Stadtteil Dschadirija untergebracht waren, hieß es. Rund um die Hotels Al-Hamra, Al-Duleimi, Sumerland und Ard al- Suhur, in denen auch häufig deutsche Journalisten wohnen, sind Tag und Nacht Wachen stationiert.Autos werden an einer Straßensperre auf Sprengstoff hin durchsucht. Die Anschläge ereigneten sich unweit des Kellergefängnisses des Innenministeriums, in dem 173 Häftlinge mißhandelt worden sein sollen. Mehrere der dort Inhaftierten hatten deutliche Folterspuren aufgewiesen. Ein Vertreter des irakischen Innenministeriums machte die Terrororganisation Al Qaida im Irak für den Anschlag verantwortlich. Die Sprengsätze hätten sich unmittelbar gegen ein Gebäude des Ministeriums gerichtet, wo auch Al-Qaida-Mitglieder festgehalten würden. Unter den Trümmern der Häuser wird noch mindestens eine Familie vermutet. Die Polizei erklärte, bei den sechs Todesopfern handele es sich um Zivilpersonen. Unter den Verletzten seien drei Polizisten. Bei der Explosion einer weiteren Autobombe kam in der Kleinstadt Kanaan nördlich von Bagdad ein 15 Jahre alter Junge ums Leben, mindestens zwei Zivilisten wurden nach Polizeiangaben verletzt. In Baquba starb bei der Explosion eines Sprengsatzes neben einer amerikanisch-irakischen Patrouille ein irakischer Polizist. Ein Beamter erklärte, er selbst und fünf weitere Polizisten seien bei dem Angriff verletzt worden. Auch unter den amerikanischen Soldaten habe es Opfer gegeben. Dies bestätigte die Armee zunächst nicht. In Iskanderija, südlich von Bagdad, töteten Aufständische zwei Polizisten. Südkorea kündigte unterdessen an, im kommenden Jahr rund ein Drittel seiner im Irak stationierten Truppen wieder abzuziehen. Dieser Plan werde dem Parlament vorgelegt, wenn es über die Verlängerung des Einsatzes zu entscheiden habe, hieß es. Derzeit sind rund 3.200 südkoreanische Soldaten vor allem im Nordirak stationiert. Das ist das zweitgrößte Kontingent der Koalitionspartner Washingtons nach Großbritannien. Die amerikanische Regierung zeigte sich überrascht von der Ankündigung. Präsident George W. Bush und der südkoreanische Staatspräsident Roh Moo Hyun waren erst am Donnerstag in Südkorea zusammengekommen. Dabei hatten beide die engen Verbindungen ihrer Länder hervorgehoben und ihren Widerstand gegen nordkoreanische Atomwaffen bekräftigt. Südkorea gilt als enger Verbündeter der Vereinigten Staaten. Die Entsendung der Truppen war in dem Land aber äußerst unpopulär, da der Irak-Krieg von vielen Menschen als ungerechtfertigt betrachtet wird. Angesichts der jüngsten Foltervorwürfe gegen die irakischen Behörden hat die Menschenrechtshochkommissarin der Vereinten Nationen, Louise Arbour, eine internationale Untersuchung gefordert. "Wegen der offenbar systematischen Anwendung und der Größe dieses Problems und der Bedeutung des öffentlichen Vertrauens in jedwede Untersuchung fordere ich die Behörden dringend auf, eine internationale Untersuchung in Betracht zu ziehen", sagte Arbour. Für Arbour ist auch die große Zahl der Gefangenen im Irak ein Problem. So steige nach Informationen ihres Büros und nach Informationen aus dem Irak die Zahl der Gefangenen weiter, obwohl bereits Hunderte entlassen worden seien. Außerdem gebe es Berichte aus Mossul und anderswo, nach denen das Innenministerium trotz einer Aufforderung der Justiz zur Freilassung weiterhin Hunderte von Menschen in Gefangenschaft halte. Der Vorsitzende des sunnitischen Rates der Religionsgelehrten, Scheich Harith al-Dhari, will bei der Irak- Konferenz an diesem Wochenende in Kairo auch den jüngsten Folterskandal zur Sprache bringen. "Wir hatten die Regierung schon vor Monaten auf die Folter in den vielen Gefängnissen des Innenministeriums angesprochen, doch wir haben nie eine Antwort bekommen", sagte Al-Dhari, der am Donnerstag abend nach Kairo reiste , wo an diesem Samstag ein dreitägiges Vorbereitungstreffen für die große Irak- Versöhnungskonferenz beginnt. Diese Konferenz, die von der Arabischen Liga organisiert wird, soll alle politischen Gruppen an einen Tisch bringen. Die Liga bemüht sich besonders, Gruppierungen, die bisher aus Protest gegen die amerikanische Invasion und die anschließende Stationierung ausländischer Truppen nicht am polititischen Prozeß teilnehmen, mit einzubinden. Zu diesen Gruppen, die zum Großteil aus dem Lager der sunnitischen Araber stammen, gehört auch der Rat der Religionsgelehrten. Der Rat hat sich zwar mehrfach gegen Anschläge auf Zivilisten ausgesprochen, sympathisiert jedoch mit dem irakischen Widerstand.