Der DDR-Alltag bestimmt genauso wie die BRD-Verhältnisse als jeweils gegebene Struktur die Möglichkeiten des Verhaltens. Wie kann man Verhalten beschreiben? Die folgenden Beispiele erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeif und Ausgewogenheit. Sie dienen ausschließlicn der Illustration von Unterschiedlichkeit im Verhalten zu DDR- und zu BRD-Zeiten und sind bewußt dem Alltagsgeschehen entnommen. In Magdeburg zu DDR-Zeiten ist vollbeschäftigt zu sein, früh am Morgen - oft schon gegen 5 Uhr - aufzustehen, mit der Straßenbahn zum „Betrieb" zu fahren, mehr oder weniger gut zu arbeiten, alltägliche Realität für fast alle Männer und Frauen. Arbeiten ist eine Selbstverständlichkeit. Der Arbeitsalitag endet nicht nach 8,5 Stunden. Brigadefagebuch führen, im FDGB's organisiert sein, um den Titel Kollektiv der sozialistischen Arbeit ringen, Parteiversammlungen besuchen, Kollektiv der DSF'* werden, gemeinsam Veranstaltungen wie Frauenfagsfeiern, Theater-, Konzert-, Kabarettbesuche erleben, Betriebssport treiben, beim Subbotnik'7 zusammenarbeiten, das alles verbindet Arbeitskoľekfive auch. Das Familienleben ist von diesem Rhythmus und anderen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmt. Es wird früh geheiratet, Kinder werden überwiegend früh, zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr, geboren. Aber „das Leben außer der Arbeit verlangt zuviel Aufwand, Energie, Höchstleistung. Frauen erschöpfen ihre Kräfte in Reprodukfionsarbeit, Männer dito oder in Schwarzarbeit. 30 Prozent des Leistungsausfalls sind durch Leistungszurückhaltung verursacht. In der regulären Arbeitszeit wird Privates erledigt und der Schongang eingelegt, nach der Arbeit wird rangeklotzt."'s « Freier Deutscher Gewerkschaffs-Bund, gesellschaftliche Organisation der DDR 16 Deutsch-sowjetischen Freundschaft, gesellschaftliche Organisation der DDR 17 russisch: Arbeitseinsatz 18 Mühlberg, Dietrich: Gedanken zur kulturellen Entwicklung der DDR-Gesellschaft, 1989, S.II 128 Mit sieben Jahren kommen Kinder in die Schule. Sie besuchen eine zehnklassige Polytechnische Oberschule. An Spezialschulen (Sportschulen, Musikschulen, naturwissenschaftlich oder auf Sprachen ausgerichtete Schulen) lernen besonders Talentierte. Ab achter Klasse, später ab zehnter, ist ein Oberschulbesuch möglich. Der Unterrichtsstoff ist in ailen Schulen der Stadt der gleiche19. Der Schulalltag ist neben dem Unterricht u. a. geprägt von der Mitgliedschaft in der Pionier- bzw. FDJ-Organisation, der Mitwirkung in Arbeitsgemeinschaften, dem Besuch des Hortes, der Milch- und Mittagsversorgung, der Unterstützung durch die Patenbrigade20, der Durchführung von Leisfungskonferenzen und Freundschaftstreffen sowie der Übernahme von Lernpatenschaften. Religionsunterricht gibt es auch, am Nachmittag, in den Räumen der Kirche, unabhängig von der Schule. Man studiert in Magdeburg und anderswo in der DDR in der Regelstudienzeit. Frauen verbinden durch spezielle Frauensonderstudien oder gute Studienbedingungen (Krippen, Kindergärten, besondere Studienzeiten) Karriere und Kinderkriegen miteinander, Sie studieren auch in sogenannten typischen Männerberufen (z. B. Tiefbau). Eine zentrale Absolventenlenkung verpflichtet zur Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit an einem bestimmten Ort für die ersten drei Jahre. Im Anschluß an eine Berufsausbildung bleibt der Facharbeiter oft im Ausbildungsbetrieb. Arbeit bekommt jeder. Die Fluktuation ist im Arbeitsieben wenig ausgeprägt. Wohnungen werden vom Mieter überwiegend selbst hergerichtet -gemalert, tapeziert, gefliest, Fußbodenbelag verlegt, Fenster eingesetzt. Wände verputzt. Alles wird gesammelt, jeder Nagel, jedes Brett wird aufgehoben. Möbel werden für ein Leben gekauft. Altstoffe werden sortiert und in der SERO-Abgabestelle2' in klingende Münze umgetauscht. 19 Der Lehrplan war für alle Schulen in der DDR bindend 20 Brigaden aus Betrieben übernahmen die Patenschaft über eine Schuiklasse und betreuten diese 21 Abgabestelle für Sekundärrohstoff (Flaschen, Papier, Metall, Stoffe) 129