28 I. KULTURWISSENSCHAFT ALS DETAILRUNDE Abb. 3: Freuds Gradiva & \Lolf l( hh/anag ^i k ač (p fxnmu An den Übergängen zur Kulturwissenschaft: f*fö }/)fDJl %ß J Die Gangart von Nympha und Gradiva j tsJ dien hatte, nach Wien zur Etablierung der Psychoanalyse als Praxis und Wissenschaft bzw. als Therapie und als Bedeutungstheorie. An diesen Kreuzungspunkten wird besonders deutlich, daß es dabei nicht um die Erfindung ein neuen Fachgebietes geht, sondern um eine Arbeit an Übergängen, dort, ä erlernte Methoden auf andere Phänomene übertragen werden oder aber v traute Gegenstände mit Betrachtungsweisen konfrontiert werden, ^™gl fremden Wissensfeldern stammen - das gesicherte Gebiet der Zunft und 1. ENTSTEHUNG DER KULTURWISSENSCHAFT 29 dort gewonnene Kompetenz und Legitimation im Rücken und das weite Terrain neuer, anderer Erkenntnisweisen im Blick. In den latent gebliebenen Begegnungen zwischen den Wegen Warburgs und Freuds springt am augenfälligsten jene Kreuzung ins Auge, die durch die Füße der Warburgschen Nympha und durch die bemerkenswert ähnliche Gangart der Freud?crren Gradiva begangen wird^FIirrt^TdeTAEnlichkeit ihres Gangs, der vergleichbaren Faszination Beider Autoren für ihre Füße und der auffälligen Ähnlichkeit der Aufwertung von zunächst Nebensächlichem, scheint die unterschiedliche Herkunft der Figuren zu verschwinden. Da ist einerseits die Dienerin auf Ghirlandajos Fresko Johannes' Geburt in der Tornabuoni-Kapelle der Santa Maria Novella in Florenz, die für Warburg zum Urbild seines Nymphenarchivs und zur Verkörperung seines Konzepts der Pathosformel bzw. der erregten Gebärden geworden ist, jenes Phänomens also, das neben dem bewegten Beiwerk zu děn Bilddetails gehört, an denen Warburg sein Deutungsverfahren entwickelt hat. Der fiktive Briefwechsel, der sich um die Nympha als Hauptfigur drehen sollte und dessen Idee im Jahre 1900 aus einem erinnerten Florentiner Gespräch unter Freunden entstanden war, ist allerdings Fragment geblieben, da Warburg die von seinem Freund Jol-les vorgegebene Liebesrhetorik zurückgewiesen, das Projekt des Briefwechsels bereits nach der „Epistula Prima" unterbrochen und durch die Frage nach der Herkunft der Figur ersetzt hat: „Nein, mein Freund, so ohne Weiteres kann ich dich nicht mit dem Mädchen bekannt machen. [...] Es lockt Dich, ihr wie einer geflügelten Idee durch alle Sphären im platonischen Liebesrausche zu folgen, mich zwingt es, den philologischen Blick auf den Boden zu richten, dem die entstieg, und staunend zu fragen: wurzelt denn dieses seltsam zierliche Gewächs wirklich in dem nüchternen florenti-nischen Erdboden?"3 An die Stelle des Bildbegehrens, das einer „geflügelten Idee" gilt, tritt also eine Wissenschaftliche Recherche, die sich als Kombination von philologischem ''Y"1* archäologischer Grabung darstellt: Entstehung der Kulturwis5en-' Kiult aus dem Übergang, von d^FBITderliebe_zu einer philologisch_gestützten 'wSöZölpgie- Die Frage nach der Wieder auf nahmerKetörischerTiebärden heid- ßCr ^jgpschaften aus der Kunsti£Sitikě in äeTcIlrtSÜieheil Malerei •^Renaissance, mit der die Nymphe" ins Zentrum von Warburgs Interesse ge- tfnd KiM^ T- e ^aSeSen in zahlreichen anderen seiner Projekte weiterverfolgt « bis zum Bilderatlas Mnemosyne ein Leitmotiv seiner Arbeiten. P -«ttd2nľ0denZ|Zwischen Gradiva und NymPhe *sLHuber I993- ^•^iMtitute l"VH T1 Aufzeic!inungcn aus dem sogenannten Nymphenfragment im War-; Ö** ^Wficl 2000 VOr aiIem 118'1 bíS U 8,8: WarburS and A- J°lles: Ninfa Fiorentina.