Journal des Instituts für Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Fernsehforschung Mit ,,Rush" in Paris Heftromanleser Alles Kitsch? Bildungspolitik Projekte ˇ Profile ˇ Meinungen ˇ Informationen ˇ Einblicke ˇ Porträts ˇ Kommentare # 1, Sommersemester 2004 5... DFG-Projekt: Forschung zum DDR-Fernsehen 8... Praxisprojekt: arte-Aktion ,,Rush" 2004, Unimono 11... Nachgefragt: Was macht eigentlich ...die MuK-Institutsgruppe?, ...die Soap? 12... Im Gespräch: Dr. Cordula Günther zu Heftromanlesern 14... Essay: Ist Kitsch wirklich kitschig? 18... Profil: Elke Steinweg und ihre Arbeit als Filmproducerin 20... Praktisch unterwegs: Beim KI.KA in Erfurt 22... Firmenporträt: Digital Design Solutions GmbH 23... Alumni: Anne Sailer, freie Journalistin beim MDR 24... Über den Rand geschaut: Studieren auf Kuba 25... Kritische Seite: Stimmen zur Bildungspolitik 28... Der kleine MuK: Die bunte Seite 30... Magisterarbeiten: Der Diskjockey in der DDR MuKJournal # 1, Sommersemester 2004 Herausgeber Institut für Medien- und Kommunikations- wissenschaften an der Martin-Luther-Universtität Halle- Wittenberg Prof. Dr. Reinhold Viehoff Redaktion dieser Ausgabe Silke Mühl (verantw.) Andrea Hammer, Thomas Jähnig, Sandra Kirchner, Christine Maceczek, Carolin Presdzink, Mirko Preugschat, Sonnhild Raschke, Dagmar Röller, Yvonne Tscherning Mitwirkende dieser Ausgabe Stefanie Bamberg, Andreas Dienemann, Ivonne Drost, Maria Eckert, Adiba El kahia, Katrin Funk, Claudia Görsch, Sally Hohn- stein, Ines Hubert, Sophie Koch, Diana Kränzel, André Müller, Stefan Sommer, Doreen Trümpler Weitere Autoren Felix Knothe, Sarah Lindner, Claudia Mattern, Anja Schließ, Barbara Uhle Layout Dagmar Röller Titelbild Uta Tintemann Bildnachweise Uta Tintemann (Titelfoto); Carolin Presdzink (S. 5-7, 10, 12); Anja Schließ (S. 8, 9); Peter Kossok (S. 14); Peter Kossok, privat Claudia Mattern, www.bizarrverlag.com/ Foto: Sissa Marquardt (S. 17); privat Elke Steinweg (S. 18-19); Dagmar Röller (S. 20-21, 26-27, 30); Dirk Hoppe (S. 22); privat Anne Sailer (S. 23); privat Sarah Linder (S. 24); Felix Knothe (S. 25); Kirill Kolomiets (S. 11, 28) Anzeigenkontakt Silke Mühl Tel.: (0345) 55 236 27 E-Mail: muehl@medienkomm.uni-halle.de Druck Druckerei der MLU Auflage: 800 Redaktionsanschrift Martin-Luther-Universtität Halle-Wittenberg Institut für Medien- und Kommunikations- wissenschaften Rudolf-Breitscheid-Str. 10, 06110 Halle Tel.: (0345) 55 235 71, Fax.: (0345) 55 270 58 E-Mail: mukjournal@medienkomm.uni-halle.de Die nächste Ausgabe erscheint im WS 2004/05. IMPRESSUM Inhalt 3 4 Liebe LeserInnen! Von der Idee bis zur ersten Ausgabe einer neuen Publikation vergeht viel Zeit, mehr als man zunächst vielleicht dachte, als es hieß: Es soll ein Institutsjournal geben, ein neues Medium der Kommunikation für MuK, das informieren und anregen, Transparenz schaffen und Diskussionsstoff bieten will. Studenten entwickelten ein Konzept, schrieben und sammelten Artikel zu Themen, die MuK-Studenten und -Mitarbeiter bewegen. Nunmehr liegt die erste Ausgabe vor, die sich zunächst noch als Probierfeld versteht. Vom DFG-Forschungsprojekt über ,,arte-Rush" hin zu Unimono gibt diese erste Ausgabe einen Einblick in die aktuelle Forschung und Praxis am Institut. Wir blicken nach draußen und stellen vor: Filmproducerin Elke Steinweg und den Mediendienstleister Digital Design Solutions in Halle. Wir fragen nach Möglichkeiten, medienpraktische Erfahrungen zu sammeln. Weiterhin: Wie studiert es sich im Ausland? Wie schreibt man eine Magisterarbeit? Und was wird schließlich aus MuK-Absolventen? Ohne besonderes Engagement aller Beteiligten wäre dieser Anfang nicht möglich gewesen. Wir möchten an dieser Stelle allen, die an der Entstehung des Journals beteiligt waren, herzlich danken. Wenn Sie Ideen oder Kritik haben, machen Sie mit, verändern Sie! Ihre Redaktion ist dankbar für Hinweise, Tipps und Anregungen. Richten Sie diese bitte an mukjournal@medienkomm.uni-halle.de Eine spannende Lektüre wünschen Silke Mühl und die Redaktion Editorial 5 Die Fernsehkieker: unterwegs im Auftrag der Wissenschaft Von Christine Maceczek Aus dem Zimmer 516 im Institut drin- gen Stimmengeräusche nach draußen. Manchmal klingen sie, als kämen sie aus ei- nem Fernseher. Plötzlich öffnet sich die Tür. Sebastian Pfau, wissenschaftlicher Mitarbei- ter im Teilprojekt Familienserien, tritt heraus und macht sich mit einem Stapel Papier auf den Weg zum Kopierraum. Die Tür steht nun offen und erlaubt einen Blick auf die Szene- rie. Die Arbeitsbesprechung der Projekt- mitarbeiter ist in vollem Gange. Es wird dis- kutiert über die DDR-Familienserie ,,Ge- schichten übern Gartenzaun". Ein Blick auf die Türschilder macht einiges klarer, denn hier wird geforscht, und zwar zur Programm- geschichte des DDR-Fernsehens. Die Idee entwickeln An den Universitäten Halle, Leipzig und Berlin (Humboldt) sowie an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg arbeiten Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und studenti- sche Hilfskräfte in derzeit neun Teilprojekten. Gefördert von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft (DFG) werden vor allem unter- haltende Genres untersucht. Doch wie kam es zu der Idee, ein solches Forschungsprojekt zu realisieren? Prof. Dr. Reinhold Viehoff, ne- ben Prof. Dr. Rüdiger Steinmetz von der Uni- versität Leipzig Sprecher und Leiter des ge- samten Projekts, verrät die Entstehungsge- Am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften wird das DDR-Fernsehen erforscht schichte. Gefasst wurde der Entschluss 1998 auf einer Tagung in Marbach am Neckar, auf der es um das Jahr 1968 und die Folgen für unsere Kultur und die Medien ging. ,,Uns ist natürlich aufgefallen, dass das mal wieder ein Thema war, das sich nur mit dem West- fernsehen beschäftigte", so Prof. Viehoff. Die Wissenschaftler entwickelten die Idee für ein neues Forschungsprojekt, in dem das DDR- Fernsehen systematisch untersucht werden sollte. Es begannen zwei Jahre der Planung und Vorbereitung, in denen der Antrag kon- kretisiert und in einzelne Themenbereiche aufgegliedert wurde. Im Jahr 2000 wurde der DFG-Antrag erfolgreich gestellt.Alle beantrag- ten Teilprojekte wurden für drei Jahre bewil- ligt. Die Forschergruppen der vier beteilig- ten Hochschulen beschäftigen sich im Einzel- nen mit der Programmentwicklung des DDR- Fernsehens (Teilprojekt 1), der Rezeptions- geschichte (Teilprojekt 2), der Heiteren Dra- matik (Teilprojekt 3), den Kleinen und Gro- ßen Shows (Teilprojekt 4), den Literatur- verfilmungen (Teilprojekt 5), den Dokumen- tarischen Genres (Teilprojekt 6), dem Sport- fernsehen (Teilprojekt 7), den Familienserien (Teilprojekt 8) und derzeit noch mit dem Kin- derfernsehen (Teilprojekt 9) der DDR. Drei von ihnen, Teilprojekt 1, 3 und 8, sind in Halle angesiedelt. Doch wer sind die Menschen hin- ter den Projekten, wie arbeiten sie und was treibt sie an? Im Teilprojekt 1 arbeitet die ehemali- ge MuK-Studentin Claudia Dittmar. In Halle ist sie jedoch nur ein Teil des Teams, denn zur Programmentwicklung des DDR-Fernse- hens wird auch in Leipzig geforscht. Geleitet wird das Projekt von Prof. Viehoff, dem Leipziger Medienwissenschaftler Prof. Stein- metz und dessen Kollege Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler. Programmgeschichte schreiben Claudia Dittmar stieg nach einem ZDF- Volontariat ins Projekt ein. Beim ZDF hatte sie das Medium Fernsehen schon in der Pra- xis kennen gelernt. ,,Das Besondere am Teil- projekt 1 ist, dass es keine spezielle Fernseh- gattung untersucht, sondern die gesamte Programmgeschichte des DDR-Fernsehens in den Blick nimmt", erklärt Dittmar. Hierfür werden die politischen und technischen Rahmenbedingungen analysiert, und auch die interne Struktur des DDR-Fernsehens wird aufgearbeitet. Jeder Mitarbeiter erforscht dabei ein bestimmtes Gebiet. Claudia Dittmar analysiert den ,,kontrastiven Dialog" zwischen dem DDR-Fernsehen und dem Fernsehen der Bundesrepublik. Als Analyseinstrument ver- wendet sie einen so genannten Methodenmix, den sie aus der Dokumentenanalyse und der Zeitzeugenbefragung zusammenstellt. ,,Die gesamten 40 Jahre DDR-Fernsehgeschichte kann man jedoch nicht mit einem Mal über- blicken", schränkt Dittmar ein. Deshalb sei es sinnvoll, nach Zeitinseln vorzugehen. Nach einerArbeit über den Zeitraum 1968-1974 be- schäftigt sich die Forschergruppe zurzeit mit der Zeitinsel 1981-1985, deren Untersuchung mit einer im Herbst 2004 erscheinenden Pu- blikation abgeschlossen werden soll. Dazu fährt Claudia Dittmar in regelmäßigenAbstän- den in das Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde oder in das Deutsche Rundfunkarchiv (DRA) in Potsdam-Babelsberg und sucht nach Doku- DFG-Projekt Judith Fenkl (l.), Sebastian Pfau und Manja Rothe erforschen im Teilprojekt 8 Familienserien. 6 menten, die für ihren Forschungsschwerpunkt relevant sind. Das können zum Beispiel Schrift- stücke der DDR-Parteigremien oder eben des DDR-Fernsehens sein. Auf der hohen Fernseh- führungsebene untersucht sie, inwieweit das DDR-Fernsehen das Westfernsehen als Kon- kurrenten wahrgenommen hat und wie ver- sucht wurde, darauf zu reagieren. Und was verbindet Claudia Dittmar persönlich mit dem DDR-Fernsehen? ,,Ganz besonders erinnere ich mich an die Diskrepanz, dass es mit dem DDR- Fernsehen und dem Westfernsehen diese zwei Möglichkeiten gab. In meiner Familie wurden gerade Informationssendungen des West- fernsehens geguckt. Dann in der Schule ge- fragt zu werden, was hast du gesehen und da nicht die ganze Wahrheit sagen zu können, das war ein ziemliches Spannungsfeld." Ihre Forschungsarbeit, so Dittmar, wird in eine Promotion münden, in der es um die Ausein- andersetzung des DDR-Fernsehens mit dem so genannten ,,feindlichen Fernsehen" der Bundesrepublik gehen soll. Fernsehen aus Halle erforschen Im Teilprojekt 3 untersuchen Steffi Schültzke und Claudia Kusebauch, beide ebenfalls ehemalige MuK-Studentinnen, ein bestimmtes Genre des DDR-Fernsehens: die Heitere Dramatik am Beispiel des Fernseh- theaters Moritzburg in Halle. Momentan be- schäftigt sich die Forschergruppe mit dem Stück ,,Streichquartett" von Szöke Szakall, welches sowohl am Fernsehtheater (1965 und 1981) als auch im westdeutschen Fernsehen (1962 und 1981) inszeniert wurde. Dabei wer- den alle vier Aufführungen miteinander ver- glichen und es wird untersucht, inwieweit ein Zusammenhang zwischen den Inszenierungen und den unterschiedlichen Gesellschaften und Zeiten zu erkennen ist. Unterstützt werden die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen von den studentischen Hilfskräften Andreas Mohrig und Dana Messerschmidt. Prof. Dr. Gerhard Lampe, Leiter des Teilprojekts 3, ist hoch erfreut über die bisherigen Ergebnisse seiner Forschergruppe. Doch er weiß auch, wie viel Einsatz und Zeit diese Projekte für die Menschen bedeuten, die sie beantragen. Deshalb, so Prof. Lampe, wäre es wünschens- wert, ,,dass die Universität dieses Engage- ment stärker unterstützt, zum Beispiel durch Zuweisung von mehr Hilfskraftdeputat- stunden". Um die Koordination der einzelnen Forschungsschritte kümmert sich Steffi Schültzke. ,,Wir analysieren die Stücke und arbeiten die Institutionsgeschichte auf. Darüber hinaus befragen wir auch ehemalige Mitarbeiter des Fernsehtheaters", so Schültzke. In Letzterem sieht sie eine Beson- derheit des Forschungsprojekts. ,,Es ist schon erstaunlich, wie sehr die Leute auch heute noch mit dieser Institution verbunden sind. Sie haben ja teilweise 25 Jahre dort gearbei- tet. Da hängt viel Leben dran und so tun sich sehr persönliche Geschichten auf", erklärt Schültzke. Als Institution stelle das Fernsehtheater ein Kuriosum dar. Eingerichtet wurde die Büh- ne 1965 in einem Kreuzgewölbe der halleschen Moritzburg. Die Räumlichkeiten waren be- engt, Platz hatten nur 50 Zuschauer. Der Grün- der des Fernsehtheaters, Regisseur und Dra- maturg Gerd Focke, stand für eine bestimm- te Auffassung von Volkstheater, deren Credo vor allem Publikumsnähe war. Inszeniert wur- den Stücke aus derAntike, der deutschen Klas- sik sowie sozialistische Gegenwartsstücke. Dabei waren es oft unbekannte Autoren und Schriftsteller, welche die Vorlage lieferten. Trotz allem Enthusiasmus verlor das Fernseh- theater zunehmend an Attraktivität. Die In- halte und Darstellungen wurden von den Zu- schauern nicht angenommen, oftmals glitten sie in eine komische Absurdität. Dennoch wurden bis 1990 ungefähr 270 Stücke ausge- strahlt. Dass in allen Stücken das ideale sozi- alistische Leben gezeigt werden sollte, ist nicht von der Hand zu weisen. Hauptthemen waren dabei vor allem die Familie und die Gleichberechtigung der Frau. Hier besteht auch eine Verbindung zum Teilprojekt 8, wel- ches sich mit den Familienserien im DDR- Fernsehen beschäftigt. Die behandelten The- men und Probleme waren in beiden Genres oftmals die gleichen. Initiiert wurde das Teilprojekt 8 von Dass in allen Stücken das ideale sozialis- tische Leben gezeigt werden sollte, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Inhalte und Darstellungen glitten oftmals in eine komische Absurdität. DFG-Projekt Die Teilprojekt 3-Gruppe zur Heiteren Dramatik komplett: Steffi Schültzke, Dana Messerschmidt, Claudia Kusebauch,Andreas Mohrig und Prof. Lampe (v.l.n.r.) 7 Prof. Viehoff, der sich schon früher mit Familiensoziologie befasst hatte. Die wissen- schaftlichen Mitarbeiter und ehemaligen MuK- Studenten Sebastian Pfau und Sascha Trültzsch werden in ihrer Arbeit von den stu- dentischen Hilfskräften Judith Fenkl und Manja Rothe unterstützt. Der Untersuchungs- zeitraum der Familienserien beginnt 1960. Erfasst sind insgesamt 45 Serien. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, dass es noch mehr Serien gab, die aufgrund bestimmter Merk- male als Familienserien definiert werden könn- ten, so Sebastian Pfau. In der Fernsehzeit- schrift des Deutschen Fernsehfunks ,,FF- Dabei" tauchen diese Serien nicht unter dem Begriff Familienserien auf. Um sie zu finden, müssten deshalb verschiedene Quellen (z. B. Produktionsunterlagen) herangezogen wer- den. Familienserien analysieren Auch in diesem Projekt, welches sich einem Genre des DDR-Fernsehens widmet, hat jeder Mitarbeiter seinen Schwerpunkt. So beschäftigt sich Sebastian Pfau mit der film- ästhetischen Analyse und der Erforschung des Seriellen im DDR-Fernsehen. Dabei sei wich- tig, so Pfau, dass 1968 unter Manfred Seidowsky eineAbteilung ,,Serienproduktion" gegründet wurde. Man könne sagen, dass es eine Zäsur bei den Familienserien während des Machtwechsels von Walter Ulbricht zu Erich Honecker gab. Diese drücke sich darin aus, dass Familienserien in den 1960er Jahren vordergründig ideologisch geprägt waren und die sozialistische Ideologie in den 70er und 80er Jahren eher in Unterhaltung verpackt war. Momentan arbeitet Sebastian Pfau an zwei Serien, die in den 80er Jahren ausge- strahlt wurden. Dabei handelt es sich um die Serie ,,Geschichten übern Gartenzaun" und deren Fortsetzungsserie ,,Neues übern Gar- tenzaun". Doch wie sieht die Analyse einer solchen Serie konkret aus? Der erste Schritt ist natürlich, sich die Serien anzusehen. Daraufhin folgt die Recherche und Durchsicht von Produktionsunterlagen im Deutschen Rundfunkarchiv. Dabei fanden die Forscher auch einige Kuriositäten: ,,Da gibt es zum Beispiel Pläne, wie man Benzin einsparen kann oder wie Fahrgemeinschaften gebildet wer- den sollen, um Produktionskosten zu sparen", erzählt Sebastian Pfau. Heute klingt dies skurril, doch damals sei das in der Produkti- on Alltag gewesen. Die Analyse erfolgt dann unter verschiedenen methodischen Gesichts- punkten, welche die Forscher selbst entwi- ckelt haben. Die Bestände des Deutschen Rundfunk- archivs sind besonders für die genre- spezifischen Teilprojekte von Bedeutung, da sich in der entsprechendenAbteilung Fernseh- archiv Mitschnitte des DDR-Fernsehens von der ersten Sendung am 21.12.1952 bis hin zur Einstellung des Sendebetriebs am 31.12.1991 befinden. Erleichtert wird die Ar- beit im DRA durch einen Kooperationsvertrag. Ein Koordinator, Dr. Uwe Breitenborn, küm- mert sich vor Ort um die Bereitstellung der Materialien. Die Ergebnisse der Forschungs- arbeiten werden in den MAZ-Bänden (Materi- alien, Analysen, Zusammenhänge) veröffent- licht, die sich vor allem an ein wissenschaft- liches Publikum richten. Neue Projekte starten Zum Ende vergangenen Jahres muss- ten für das Gesamtprojekt Neuanträge für weitere drei Jahre gestellt und Zwischen- berichte geschrieben werden. Auf einer ,,Be- gehung" wurden im November 2003 diese ei- nem Gutachtergremium der DFG vorgestellt. Die Gutachter kamen nach Halle und mach- ten sich ein Bild, wie bisher gearbeitet wurde und welche Ergebnisse bereits vorlagen. Prof. Viehoff kennt beide Seiten der Prozedur, ist er doch selbst Gutachter bei anderen Forschungsprojekten. ,,So eine Begehung ist immer ein wichtiges und auch aufregendes Verfahren", so Prof. Viehoff, schließlich gehe es dabei um die Verlängerung der einzelnen Projekte. Die Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft entschieden im No- vember positiv für die Weiterführung von neun Projekten. Zwar ist nun mit dem Kin- derfernsehen ein Teilprojekt ausgeschieden, doch es ist auch eines hinzugekommen. Das Teilprojekt Fiktionale Geschichtssendungen (Teilprojekt 10) ist im Sommersemester 2004 unter der Leitung von Prof. Dr. Reinhold Vie- hoff und Prof. Dr. Edgar Lersch in Halle ange- laufen. Doch worum genau geht es in diesem neuen Teilprojekt? Frau Dr. Ulrike Schwab, wissenschaftliche Mitarbeiterin in diesem Pro- jekt, erklärt es so: ,,Zunächst ist ein Genre- begriff zu definieren, der das fiktionale und das dokumentarische Element in Beziehung setzt. Danach sind die fiktionalen Geschichtssendungen aus dem Material- bestand des Deutschen Rundfunkarchivs in Potsdam insgesamt zu erfassen. Deren Themenspektrum lässt geschichtspolitische Schwerpunkte erkennen, wonach sich Grup- pierungen von Sendungen inhaltlich auswer- ten lassen und ein Wandel in der historischen Aussage nachvollziehbar wird." DDR-Spielfil- me zu geschichtlichen Themen sollen dem- nach auf ihre gesellschaftspolitischen Inhalte und ihre ästhetische Form hin untersucht werden. Die Idee der DDR hätte sich nämlich beispielsweise in den Luther- oder Thomas- Müntzer-Filmen viel klarer und nachhaltiger für die Bevölkerung ausgeprägt als im ,,Schwarzen Kanal" oder in der ,,Aktuellen Kamera", sagt Prof. Viehoff. In welcher Wei- se spiegeln diese Filme also im Zeitverlauf die politische Intention ihrer Macher wider? Wurden spezielle geschichtliche Themen ganz bewusst inszeniert? Sollten sie beim Zuschau- er vielleicht die eigene sozialistische Ge- schichte rechtfertigen? Man darf auf die Forschungsergebnisse des neuen Projekts, das mit den anderen Teilprojekten kooperieren wird, gespannt sein. Im Auftrag der Wissenschaft Fernse- hen kieken: Das ist mehr als Unterhaltung und der (n)ostalgische Blick auf längst vergangene Fernsehwelten. Es erlaubt aus heutiger Sicht die kritischeAuseinandersetzung mit deutsch- deutscher Fernsehgeschichte. Mehr zu den Ergebnissen und aktuel- len Arbeitsständen unter www.ddr- fernsehen.de DFG-Projekt Diskussion der Forschungsergebnisse im Teilprojekt 1 Programmentwicklung 8 Von Anja Schließ ,,Wer hat Angst vor dem Minotaurus?" ­ diese Frage stellte sich nicht nur Dominique Gros in ihrem gleichnamigen Dokumentarfilm, sondern auch alle deutschen und französi- schen Teilnehmer der diesjährigen arte-Akti- on ,,Rush". Aus einer Auswahl von 20 Stun- den Rohmaterial zu dem von arte koprodu- zierten Film sollten in einem Kreativ- wettbewerb kurze Filmbeiträge geschnitten werden. Insgesamt 15 MuK-Studenten woll- ten sich dieser Herausforderung stellen und bildeten fünf Arbeitsteams. Uns allen war bewusst, dass dies ein anstrengendes und zeitaufwändiges, aber mit Sicherheit auch interessantes Projekt sein würde, bei dem wir viele Erfahrungen sammeln könnten. In einer Gruppenarbeit von Claudia Pittermann, Kathleen Speichert und mir entstand aus dem umfangreichen Material zum Thema Industri- alisierung der Landwirtschaft der achtminütige Beitrag ,,Das Gesetz des Stär- keren". Die erste Begegnung Mit Spannung erwarteten wir bereits zu Beginn des Wintersemesters 03/04 das Roh- filmmaterial. Wir wollten endlich sehen, aus welchen Bildern sich unser Beitrag am Ende zusammensetzen sollte. Doch entgegen der ursprünglichen Vereinbarung mussten wir uns bis Ende Dezember gedulden bis die Kasset- ten verfügbar waren. Was wir dann haupt- sächlich sahen, waren Kühe im Stall, Kühe auf der Weide, Kühe im Schlachthof, dann auch mal Schafe und schließlich Stierkämpfe. Darüber hinaus gab es zahlreiche Interviews zu Viehzucht- und Schlachtmethoden mit fran- zösischen Züchtern, Bauern und Fleisch- verkäufern. Doch was sollten wir mit all dem anfangen? Was hatte Dominique Gros daraus gemacht? Das konnten wir nicht wissen, denn ihren 81-minüti- gen Streifen durften wir z u n ä c h s t nicht sehen. Wir wussten nur: ihre Herangehens- weise war eine do- kumentarische. Uns aber standen zahlreiche andere Möglichkeiten of- fen, sollten doch die kreative Bearbeitung des dokumentarischen Materials im Vordergrund stehen und die Grenzen des Genres getestet werden. So durften wir ex- perimentieren, verfremden, sogar fiktionalisieren, und das war natürlich für alle eine Herausforderung. Vom Papier zum Film Schon bei der ersten Sichtung hatten die Bilder eine enorme Wirkung auf uns. Besonders beeindruckte uns die Geburt eines Kalbes im Kontrast zu den erschreckend blu- tigen Szenarien im Schlachthof. Es war schnell klar, dass diese Szenen in unserem Beitrag eine zentrale Rolle spielen sollten. Nachdem wir aus dem französischsprachigen Ausgangs- material eine eigene Story entwickelt hatten, galt es nun, diese Ideen technisch umzuset- zen. Anders als die Bildebene, die nicht um weiteres Material ergänzt werden durfte, konnte die Tonebene frei gestaltet werden. Schon zu Beginn der Entwicklung unseres Kon- zepts hatten wir uns darauf geeinigt, dass wir aufgrund der ausdrucksstarken Bilder im Ton nur Musik verwenden wollten. Ziemlich schnell entschieden wir uns für den klassi- schen ,,Bolero" von Maurice Ravel, der ein besonders eingängiges Motiv aufweist. Die Besonderheit und zugleich Schwierigkeit im Schnitt lag darin, zwischen Bild und Ton eine Kohärenz zu schaffen. Dies erreichten wir in unserem Film, indem wir die Bilder auf den Takt der Musik schnitten. Während die Bild- und Tonebene im Filmverlauf gleichzeitig ei- nen Höhepunkt bilden, ist die dramaturgische Beziehung zwischen den Inhalten von Bild und Ton weniger eindeutig. Nach vielen Stunden am AVID-Schnittplatz funktionierte schließlich unser minimalistisch angelegter Film, in dem wir den Lebenskreislauf einer Kuh und den ,,Rush"-Hour Zum zweiten Mal nahmen MuK-Studenten am Projekt ,,Rush" des Kulturkanals arte teil. Ziel des Projekts ist es, die Teilnehmer im Umgang mit dokumentarischem Filmmaterial zu schulen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich mit Studenten anderer Universitäten und Filmhochschulen auszutauschen. Wie im vergangenen Jahr galt es, aus professionellem Rohfilmmaterial (,,Rushes") eigene Kurzfilme zu schneiden. Bei der Projektauswertung in Paris waren die MuK-Teams in diesem Jahr besonders erfolgreich. Anja Schließ war dabei und berichtet von ihren Erfahrungen. Deutsch-französischer Erfahrungsaustausch in Paris Praxis-Projekt 9 damit verbundenen Kontrast zwischen Idylle und Schlachthofgemetzel darstellten. Zur Auswertung nach Paris Die Semesterferien neigten sich dem Ende zu, die Filmbeiträge der MuK-Teams waren fertig. Nun hatten Prof. Lampe und Silke Mühl die schwierige Aufgabe, aus den fünf eingereichten Beiträgen die drei besten auszuwählen, denn die Teilnahme an der Projektauswertung in Paris war auf maximal drei Arbeitsgruppen beschränkt. Kurz vor der fünftägigen Studienreise in die französische Hauptstadt im Mai stand fest, dass unsere Arbeitsgruppe es geschafft hatte. Die Aufre- gung war bei mir natürlich groß: ein anderes Land, eine andere Sprache, ein international etablierter Fernsehsender und eine Dominique Gros, die sich alle Beiträge kritisch ansehen würde. Doch bevor die zweitägige Auswertung der ,,Rush"-Aktion auf dem Plan stand, hatte arte speziell für die deutschen Teilnehmer ein Zusatzprogramm organisiert. In den ersten beiden Tagen erfuhren wir beim deutsch-fran- zösischen Kultursender viel über dessen Sen- der- und Programmstruktur, die Sendung ,,Ka- rambolage" und den Einkauf von Programmen. Außerdem durften wir die berühmte Pariser Film- hochschule ,,La Femis" im Quartier Montmartre besuchen. Neben einer Führung durch die Film- und Tonstudios der Hoch- schule, bei der wir die technische Ausstattung bestaunen konnten, fas- zinierten mich dort besonders die von den Absolventen hergestell- ten Kurzfilme. Vom Jean-Renoir- Kinosaal der ,,La Femis" zum Kinosaal bei arte: Die Auswertung be- gann und bald sollten wir unseren eigenen Film auf der Leinwand erleben. In diesem Moment war ich so aufgeregt, dass ich alles um mich herum vergaß. Die Reaktionen des Publikums konnte ich nur in der anschließenden Diskus- sion aufnehmen. Bevor wir uns den Fragen der Jury und des Publikums stellten, erklär- ten wir im Speziellen die Musik, die Schnitt- arbeit und unsere Intention. Durch die positiven Rückmeldun- gen der Zuschauer hatte ich das Gefühl, dass unser Konzept wei- testgehend so aufgefasst wurde, wie wir es auch beabsichtigt hat- ten. Dominique Gros allerdings wollte sich nicht sofort überzeu- gen lassen und hakte vor allem bei der Musikauswahl und dem Zusammenspiel des ,,Boleros" mit der visuel- len Ebene nach. Es begann eine Diskussion darüber, ob und inwieweit der Inhalt der Mu- sik mit dem der Bilder zu vereinbaren sei. Des Weiteren konfrontierten uns die Jury- mitglieder mit kleineren Brüchen in unserer Erzählung, die mir nach dem unzähligen An- schauen unseres Filmes zugegebenermaßen nicht mehr aufgefallen waren: Zum Beispiel portionierte der Fleischverkäufer in einer kurzen Einstellung eine Hähnchenkeule anstatt Rindfleisch. Die jedem der 23 Filmbeiträge folgen- de Diskussion schätzte ich sehr. Die Studen- ten hatten so die Möglichkeit, sich zur Ge- staltung und inhaltlichen Aussage ihrer Wer- ke zu äußern. Darüber hinaus interessierte es mich natürlich, wie eine professionelle Dokumentarfilmerin die Beiträge einschätz- te. Dominique Gros reagierte überwiegend po- sitiv und gab ein ehrliches und offenes Feed- back. Das fiel bei meinem Kommilitonen Andreas Mohrig und seinem Film ,,Spazier- gang" besonders gut aus. Sein Beitrag kam gänzlich ohne Bilder von Kühen und Schafen aus. Effektvoll in Szene gesetzt, erzählt er die fiktionale Geschichte von den Spaziergän- gen eines Großvaters mit seinem Enkel. Die Jury, die sich aus Dominique Gros, arte- Mitarbeiterinnen und Professoren der teilneh- menden Hochschulen zusammensetzte, kür- te seinen Kurzfilm zum besten in der Katego- rie ,,fiktional". Mit ,,gut" bewertet wurden sowohl un- ser ,,Gesetz des Stärkeren" als auch der drit- te hallesche Bei- trag ,,So ist das Leben?" von Kris- tin Bartholmeß, Yves Boczek, Johannes Gutjahr undAndré Müller. Ihr Beitrag er- zählt auf ernst- hafte aber auch humoristische Weise, wie ein Kalb von aus- gewachsenen Tieren über Massenviehzucht und -schlachtungen aufgeklärt wird. Wie schon an der Unterschiedlichkeit unserer drei Filmbeiträge deutlich wird, war die Bandbreite der Projektarbeiten insgesamt erstaunlich groß. Die deutschen Teilnehmer fiktionalisierten das Material oft und gingen experimentell damit um, indem unter ande- rem mit den Genres Fernsehshow oder Ma- fia-Film gespielt wurde. Die Franzosen hin- gegen gingen eher klassisch dokumentarisch oder auch poetisch an das Material heran.Als krönenden Abschluss der Auswertung in Paris sahen wir endlich den Originalfilm von Dominique Gros. Dieser beeindruckte uns natürlich sehr in seiner Professionalität und Ausgefeiltheit. Doch nach ,,arte-Rush" stellt sich nicht mehr nur die Frage nach der Angst vor dem Minotaurus. Denn wie die Ergebnis- se zeigen, kann aus ein und demselben Ma- terial eine Vielzahl von filmischen Aussagen produziert werden. Wer neugierig geworden ist, kann sich die MuK-Kurzfilme bei Silke Mühl zur Ansicht ausleihen oder selbst beim nächsten Mal an der Aktion teilnehmen! Praxis-Projekt Rückmeldung durch Jury und Publikum: Zu- sammenhang zwischen Bildern und Musik diskutieren Kurzfilme aus 20 Stunden Rohmaterial: Die halleschenTeilnehmer vor dem arte-Studio in Paris 10 Von Carolin Presdzink Zentral gelegen, gleich in der Nähe vom Universitätsplatz, sitzt das Hörfunkstudio von ,,Ra- dio Corax". In einem Senderaum, der gerade mal Platz für drei Per- sonen bietet, bemühen sich stu- dentische Radioredakteure seit nunmehr fünf Monaten um auf- merksame Ohren. Jede zweite Woche im Monat, pünkt- lich um 19 Uhr, heißt es: Regler auf ­ die Sendung läuft. Kurz vorher betre- ten die Freizeitmoderatoren mit pochendem Herzen das Studio. Lampenfieber macht sich breit. Haben wir alles? Sind alle Beiträge und Musikstücke griffbereit? Dann ein Zeichen: wir sind auf Sendung! Doch bis hierhin war es ein langer Weg. Auf Initiative von Dr. Golo Föllmer wurde das Projekt im vergangenen Wintersemester ins Leben gerufen. Neun MuK-Studen- ten fanden sich zusammen, um erst einmal Ideen für eine Radiosen- dung zu sammeln. Die erste Hürde war die Namensfindung. Da gab es Vorschläge wie ,,Ohr-Insel" oder ,,Schmidtfunk", doch keine der Ideen gefiel wirklich. Schließlich einigten sich die frisch gebacke- nen Redakteure auf ,,Unimono". Es folgte die Aufgabe, ein selbstständiges Programmkonzept zu entwickeln. Verschiedenste The- men sollten auf möglichst unter- haltsame Weise vermittelt werden, darin waren sich die Radiopioniere einig. Als Format wählten sie das Magazin für eine lockere Mischung aus Musik, Beiträgen und Modera- tion. Themen wie Sound- experimente, Frühlingsgefühle und sportliche Aktivitäten füllten die bisher gelaufenen Sendungen. Das abwechslungsreiche Programm richtet sich nicht nur an Studenten und Dozenten, sondern an alle in- teressierten Hallenser. Das eifrige Redaktionsteam ist mittlerweile auf 15 Studenten angewachsen. Die Organisation des Pro- jekts liegt ganz in ih- ren Hän- den. Nur hin und w i e d e r blickt ihnen Dr. Föllmer über die Schulter. Langfristiges Ziel ist es, die Uni-Radio-Sendung bei ,,Radio Corax" fest zu etablieren. Dazu braucht die momentane Redaktion Regler auf für ,,Unimono"! Eine Radiosendung von halleschen Medienstudenten gemacht: unter dem Motto ,,learning by doing" feilen begeisterte Redakteure erstmals an einem alternativen Radioprogramm. Die Redaktion des Rundfunkprojekts Unimono: Einmal im Monat gehen die Studenten auf Sendung. jedoch kontinuierlich Nachwuchs. Jeder, der Lust auf Radiomachen hat, kann hier mitgestalten.Auch Zuarbeiten einzelner Beiträge sind willkommen. Doch zurück ins Studio. Mittlerweile ist die Sendezeit schon wieder vorbei. Ein Fazit kann gezogen werden: wie immer sind die 50 Minuten viel zu kurz gewesen. Doch zum Glück war es ja nicht die letzte Sendung und bald ist es wieder so weit, wenn es heißt: Regler auf für ,,Uni- mono"! Informationen zum Redak- tionsteam und dem Sendepro- gramm sind zu finden unter www.unimono.de Radiopioniere entwickeln eigenes Programmkonzept Praxisprojekt 11 Täter im Visier Die studentische Seifenoper ,,Unistadt ­ Ein Campus voller Le- ben" geht nach zehn produzierten Folgen in die letzte Runde. Ein Genrewechsel steht an.Aus der Soap wird innerhalb einer Folge ein Kri- mi. Nachdem dazu bereits im vergangenen Wintersemester eine Storyline entwickelt wurde, ist jetzt auch das Drehbuch fertig geschrie- ben. Gedreht wird im September 2004. Hauptkommissarin Birgit San- der, ihr Kollege Kommissar Paul Hol- länder und der Leiter der Spurensi- cherung Oliver Pobowicz werden in der neuen Serie zahlreiche knifflige Kriminalfälle lösen. Wie die drei ihren ersten Fall meistern, was Schauspieler, Studen- ten und Dozenten über das neue Pro- jekt sagen und wie die Krimipläne im Detail aussehen, erfahrt ihr in der nächsten Ausgabe. AH Von Christine Maceczek Nun, es wäre toll, wenn wir eine hätten. Die Zeit, als die MuK-Studen- ten noch von einer Institutsgruppe ver- treten wurden, liegt nämlich schon et- was zurück, genauer gesagt: drei Jah- re.Auf einer Vollversammlung wurden im Juni 2000 erstmals studentische Vertreter gewählt, die sich fortan im Dialog mit den Institutsmitarbeitern für die Interessen der Studierenden einsetzen wollten. Zunächst machte sich die Gruppe in der Phase der Umstrukturierungen stark. ,,Wir woll- ten von studentischer Seite ein Zei- chen setzen und unsere Stimmen für die Bildung eines eigenständigen Ins- tituts bündeln", erklärt Jan Wioland, Gründungsmitglied der ehemaligen Institutsgruppe. Das Engagement ging weiter mit der Erstellung eines Info- hefts für Erstsemestler und der Orga- nisation der ersten Instituts- weihnachtsfeier. Bei Fragen und Pro- blemen rund ums Studium hatte die Institutsgruppe immer ein offenes Ohr. Doch warum gibt es die Institutsgruppe heute nicht mehr? Schlicht weil zur letzten Wahl zu we- nig Studenten erschienen. ,,Vielleicht weil sie so gut mit ihren Dozenten und auch sonst zurechtkamen. Die Studen- ten waren wohl der Meinung, keine ver- mittelnde Instanz zu brauchen", so Konrad Dieterich, ebenfalls ehemali- ges Mitglied der Institutsgruppe. Probleme, die alle etwas ange- hen, gibt es an unserem Institut je- doch genug, denkt man nur an die überfüllten Seminare, den fraglichen neuen Einschreibemodus oder den Mangel an Lehrkräften. Die MuK-Stu- dentinnen Christiane Dankert und Denise Demnitz wollen sich für die Gründung einer neuen Institutsgruppe einsetzen. ,,Wir möchten ein Forum bilden, den Studierenden wieder eine Was macht eigentlich... Nachgefragt ...die Soap? Stimme geben, damit Probleme und Verbesserungsvorschläge direkt an die Lehrenden weitergeleitet werden kön- nen", sagt Dankert. Auch den Profes- soren und Dozenten würde viel an ei- nem besserenAustausch zwischen Stu- dierenden und Lehrenden liegen, so Dankert weiter. ,,I want you" lautet deshalb die Parole. Wir brauchen wieder eine Institutsgruppe! Denn ohne eine stu- dentische Vertretung im Institut hat auch keiner von uns ein Mitsprache- recht in MuK-Angelegenheiten. Wer sich für unser Institut engagieren will, melde sich bei: Christiane Dankert dankert@medienkomm.uni-halle.de oder Dr. Claus-Dieter Edlich edlich@medienkomm.uni-halle.de ...die MuK-Institutsgruppe? 12 Von Andrea Hammer Als Frau Dr. Günther sich Anfang der 1990er Jahre auf den Weg zu einer Konfe- renz nach Siegen machte, ahnte sie sicher noch nicht, mit welcherAufgabe sie zurück- kehren würde. Bei dem Zusammentreffen von west- und ostdeutschen Kollegen aus der Medienrezeptionsforschung wurde die Idee zu einem gemeinsamen Projekt gebo- ren. Dann aber Heftromane zum Gegen- stand wissenschaftlicher Forschung zu ma- chen, war neu, wurden diese ,,Heftchen" in der Öffentlichkeit doch nur allzu oft als Schundliteratur verpönt. Kurze Zeit später folgte ein For- schungsantrag an die Deutsche Forschungs- gemeinschaft (DFG), der zunächst allerdings nur teilweise bewilligt wurde. ,,Während ich meine Arbeit im Ostteil des Landes, vornehmlich in der Region Halle/ Leipzig, aufnehmen konnte, musste mein Siegener Kollege Dr. Achim Barsch noch ein ganzes Jahr warten, um entsprechende Un- tersuchungen auch im Westen Deutsch- lands durchführen zu können." Ziel des Projektes, wel- ches damals noch den Namen ,,Pro- duktion, Distributi- on und Rezeption von Heftromanen" trug, war es schließlich, das Kulturverhalten in den Neuen und Alten Bundesländern miteinander zu vergleichen. ,,Es waren eine Mischung aus eige- nem Interesse, Motivation von außen und der Aktualität des Themas sowie einige Zufälle, die mich damals zur intensivenAus- einandersetzung mit der Thematik beweg- ten und auch heute noch bewegen." Beim Versuch einer Selbsterklärung verweist Frau Dr. Günther zudem auf ihr allgemeines Fai- ble für alltagskulturelle Gegenstände. 1993 startete sie unter großem Zeit- aufwand die ersten 20 Interviews imAllein- gang. ,,Damals", so sagt sie heute, ,,war es noch etwas leichter, die Menschen für sich zu gewinnen." Ein Grund dafür könn- ten auch die von der DFG an jeden Teilneh- mer gezahlten 30 DM gewesen sein. ,,So durfte ich zum Beispiel eine nette alte Dame kennen lernen, die zwar kaum etwas über Heftromane, dafür aber umso mehr über ihre aufregende Lebensgeschichte erzäh- len konnte", glaubte sie doch, die Ur-Ur- Enkelin von Johann Sebastian Bach zu sein, erinnert sich Frau Dr. Günther. Nach ein- einhalb Jahren in Ost- und ca. sechs Monaten intensi- ver Forschungs- arbeit in West- deutschland wurden dann schließlich alle In- terviews ausgewertet. ,,Es zeigte sich, dass kurz nach der Wende bei den Lesern der ehemaligen DDR noch ein gewisser Nach- holbedarf zu herrschen schien und sie die Nachdem sie zunächst in der Jugendforschung und an einem Institut für Kulturforschung tätig war, ist Frau Dr. Cordula Günther seit Mai 1997 fester Bestandteil des MuK-Teams. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte liegt in der empirischen Medienforschung ­ insbesondere in der Literatur- und Rezeptionsforschung. Dies spiegelt sich zusammen mit ihrer Orientierung auf alltagskulturelle Prozesse auch in ihren Seminarangeboten wider. Dort stehen unter anderem Themen wie Werbeästhetik oder der Katalog als Medium im Mittelpunkt. Im empirischen Bereich liegt neben Besucher- befragungen in Museen ihr Hauptaugenmerk auf der Erforschung des Rezeptionsverhaltens von Heftromanlesern in den Neuen Bundesländern. Wie diese Arbeit begonnen hat, zu welchen Ergebnissen sie bisher führte und was zukünftig noch geplant ist, hat Frau Dr. Günther in einem Gespräch näher erläutert. Lesefutter auf dem Nachttisch Studien zum Leseverhalten von Heftromanlesern ,,Damals war es noch etwas leichter, die Menschen für sich zu gewinnen." Im Gespräch 13 neue Lektüre zunächst ,wie verrückt` ge- kauft haben", erzählt Frau Dr. Günther. Dementsprechend waren die Verkaufszahlen hier vergleichsweise hoch. Zudem wurden auch unterschiedliche Vorlieben deutlich. Während im Osten die Liebesromane von Courths-Mahler sehr beliebt waren, bevor- zugten westdeutsche Leser vor allem die bereits seit Jahren laufende Science- Fiction-Serie ,,Perry Rhodan". Für die ost- deutschen Schmökerer war diese im wahrs- ten Sinne des Wortes noch ein unbekann- tes Universum. Im Laufe der folgenden drei Forschungsjahre seien dann zumindest bei den Leserinnen erotischer Romane in Taschenheft-Form kaum noch Ost-West-Un- terschiede auszumachen gewesen. Verkaufszahlen und Favoriten waren hier ungefähr gleich. Insgesamt habe sich das Lese- verhalten in Ostdeutschland auch noch Mit- te der 90er Jahre in einer Umbruchphase befunden, so Frau Dr. Günther. Nach dem Wandel von staatlicher Reglementierung hin zur freien Lektürewahl seien generell drei ver- schiedene Lesergruppen im Osten des Lan- des auszumachen gewesen. ,,Zum Ersten waren das Leser, die ihre bisherigen lite- rarischen Interessen und Vorlieben auch nach der Wende beibehielten und diese nur um die Heftromanlektüre erweiterten. Eine zweite Gruppe veränderte ihre Lese- gewohnheiten und wandte sich nun vorder- gründig Unterhaltungsliteratur zu, also weg von anspruchsvoller, hin zu ,seichter` Lek- türe." Viele dieser Befragten gaben außer- dem an, dass sie nicht mehr so viel läsen wie vor dem Mauerfall. Und schließlich habe sich ein dritter Trend abgezeichnet. Einige der Leser seien sogar dazu übergegangen, nur noch Heftromane und Zeitschriften zu lesen. Bezüglich der Wahrnehmung des schlechten Images von Heftromanen sei ge- samtdeutsch mindestens eine Zweiteilung der Leser zu erkennen gewesen. ,,Während einige Leser die Heftromane als ,gute` Li- teratur bezeichneten, nahmen andere durchaus eine kulturkritische Position ein. Sie meinten, Heftromanlektüre sei gar kei- ne ,richtige` Literatur, sie bilde nicht und diene lediglich der Unterhaltung." Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland seien somit unterschied- liche Positionen deut- lich geworden: Heft- romanleser, die Lite- ratur anhand des Unterhaltungsgrades positiv bewerteten einerseits und Heft- romanleser mit einer kritischen Distanz zur Lektüre andererseits. Hier zeigte sich, so Frau Dr. Günther, ein unterschiedlicher Literaturbegriff. Mitte der 90er Jahre war die Aus- wertung aller Interviews abgeschlossen und punktuelle deutsch-deutsche Vergleiche wa- ren gezogen. ,,Nachdem das Projektziel er- reicht war, die Forschungsberichte an die DFG verschickt wurden und die finanzielle Unterstützung auslief, legte auch ich meine Untersuchun- gen eine Zeit lang auf Eis", erzählt Frau Dr. Günther. Vor einigen Jahren dann lebte ihr Interesse an der Heftroman-Thematik wieder auf. ,,Ich plante neue Interviews im Raum Halle/Leipzig, um he- rauszufinden, ob sich der damals abzeich- nende Trend tatsächlich bewahrheitet hat- te, das heißt, gibt es heute Menschen, die ausschließlich Heftromane und gar keine Bücher mehr lesen?" Dieser Frage geht sie in ihren gegenwärtigen Studien nach. In den von ihr regelmäßig angebotenen Semina- ren haben auch Studenten die Möglichkeit, Interviews mit Heftromanlesern durchzu- führen, um so bei der Suche nach einer Ant- Die neue Lektüre wurde zunächst ,,wie verrückt" gekauft. wort zu helfen. ,,Es bedarf zwar etwas Geduld, Interviewpartner zu finden", so Dr. Günther, ,,da die Menschen heute ja regelrecht mit Fragen nach In- terviews zugepflas- tert werden und das Misstrauen somit auch größer ist als früher." Aber dass es nicht unmöglich ist, zeigen die Erfolge des vergangenen Winter- semesters. Ob sich der Trend zum ausschließ- lichen Heftromanlesen heute bestätigt oder nicht, kann in Zukunft vielleicht jeder nach- lesen. ,,Nachdem ich meine früheren Forschungsergebnisse in zwei Ausgaben der wissenschaftlichen HALMA-Hefte (Hallische Medienarbeiten, Anm. d. Red.) publiziert habe, überlege ich nun, die neueren Studi- en auch in einem Buch zu veröffentlichen." Und was denkt Frau Dr. Günther selbst über Heftromane und deren Ruf? ,,Ich glaube, dass sich insbesondere durch die Forschungsansätze der Cultural Studies das Ansehen von Heftromanen in den letz- ten Jahren verbessert hat und eine größe- re Selbstverständlichkeit für diese Litera- tur entstanden ist." Zudem plädiert sie ­ ohne selbst ,,freiwillige" Heftromanleserin zu sein ­ für die Argumentation, dass ,,Li- teratur auch immer das ist, was die Men- schen als Literatur ansehen." Dennoch sei auch heute noch eine ganze Menge Auf- klärungsarbeit zu dieser Thematik notwen- dig, damit die Heftromanlektüre und die Forschung darüber eine größere Normali- tät in der Gesellschaft erlangen. Im Gespräch Gibt es heute Menschen, die aus- schließlich Heftromane und gar keine Bücher mehr lesen? ,,Literatur ist auch immer das, was die Menschen als Literatur ansehen." 14 Von Claudia Mattern Gemusterter Zierteppich, darauf verschnörkeltes Glastischchen. Spitzendeckchen, Brokatdeckchen. Silberne Untersetzer, Schnapsgläser, Kristallvasen, darin Blumen - keine echten. Von der Decke baumelt eine Blumenampel in Makramee, an der Wand steht ein Schrankmonument aus Gelsenkirchen: Kitsch ist Objektanhäufung zum Zwecke der Verschö- nerung. Die typischen Bewohner dieses Szenarios sind nach der Auffassung von Gerhard Schul- ze über 40, dickleibig, behäbig, ungelenkig. Schulzes Prototypen sind die Hausfrau im Billig- markt mit der Einkaufstasche auf Rädern, das Rentnerehepaar, die Wurstverkäuferin. Sie besitzen eine geringe Schulbildung, treten öffentlich kaum in Erscheinung, denn das Fremde und Unbekannte macht ihnen Angst, deshalb bleiben sie lieber zu Hause. Was Kleidungs- fragen angeht, lieben sie das ästhetisch Konservative. Also kaufen sie ihre Bügelfalten- hosen, Faltenröcke und Strickjacken von der Stange, bevorzugt in zurückhaltenden Farben (grau, beige, olive, dunkelblau). Auch ihre Frisuren sind ,,unaufdringlich". Beliebte Freizeit- vergnügungen sind Fußball, Kaffeefahrten, das Auto pflegen, sauber machen, fernsehen. Weil sie die schlichte Harmonie suchen, lieben sie Blasmusik, deutsche Schlager, Heimatfil- me, Bestsellerromane, das Goldene Blatt, die Bildzeitung. Außerdem neigen sie zum Fatalis- mus, zur Realitätsflucht und politischen Unterordnung. ,,Die Erlebnisgesellschaft" ist der Titel der Studie, in der Gerhard Schulze alltagsästhetische Schemata und Milieus zu ergrün- den sucht. Und über allem schwebt der Kitschbegriff. Aber Kitsch findet im Kopf des Betrachters statt, und folglich ist die Diskussion über Kitsch ein Fass ohne Boden. Umhäkelte Klopapierrolle, Wackeldackel, Poesiealbum sind noch längst nicht alles. Der Kitschbegriff scheint überall anwendbar, in allen Bereichen der Künste, des Lebens und des ästhetischen Verhaltens. Winnetou, Heintje, Diddl, Dirndl, Disney World ­ Kitsch kennt keine Grenzen. Bemerkenswert ist, dass das Kitschurteil meist intuitiv und spontan gefällt wird, eine sachliche Begründung bleibt auch auf Nachfrage meistens aus. Vor allem dann, wenn er von ,Kunst` abgegrenzt wird, verbindet sich mit Kitsch meist ein negatives Werturteil. Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde er zu einem ästhe- tischen Feindbild. Etymologisch zurückgeführt wird Kitsch auf ,,kitschen", was mundartlich ,,zusammenscharren", ,,streichen", ,,schmieren" bedeutet. Das Wort tauchte erstmalig 1870 im Münchner Kunsthandel im Zusammenhang mit einer steigenden Nachfrage nach billigen, sentimentalen Bildern auf. 1911/12 fand der Kampf gegen die ,,Schundindustrien" in der Ausstellung ,,Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe" des Landesgewerbemuseums Stuttgart lautstarken Ausdruck. In einer ,,Schreckenskammer" wurden beispielhafte Ge- schmacksverirrungen an den Pranger gestellt. Das Gegenstück bildeten die ,,ästhetischen Reinkulturen" aus den Manufakturen in Meißen, Schwarzburg und Karlsruhe. Die Läuterung misslang ­ wie wir heute wissen. Seit den 1920er Jahren wird der Begriff allgemein verwendet, um anerkannte ,hohe` Kunst von trivialer Massenkunst abzugrenzen. In der älteren Kitschforschung konzentrierte man sich allerdings auf eine anthropologische Sicht: Kitsch drückt eine typische Haltung und typische Charaktereigenschaften aus: ,,unreflektierter Genuss von Stimmungen, passive Aufnahme der Welt ohne eigenen Gestaltungswillen, Hang zu bequemer Wunscherfüllung", heißt es in der Brockhaus Enzyklopädie. Den formalen und wirkungsästhetischen Charakteristika des Kitsches widmete sich erst ab 1970 die Literatur- und Kunstwissenschaft. Zu dieser Zeit wurde das Thema ausgie- big diskutiert, und man erweiterte den Literatur- und Kunstbegriff um das Genre der Trivi- alliteratur. Will man Kitsch definieren, müssen zwei Bedeutungsebenen betrachtet werden: Einerseits ist Kitsch das durch den Kanon der ,,hohen" Kunst Ausgegrenzte, andererseits das, Die Angst vor dem Kitsch und ein Versuch, sein Geheimnis zu lüften Diddl, Dirndl, Disney World Essay 15 was konsumiert wird, weil es angenehme Gefühle hervorruft. Dabei greift Kitsch auf Formen und Inhalte zurück, die ein bestehendes Harmoniebedürfnis emotional bestätigen. Aber ohne eine Definition von ,,hoher" Kunst ist eine Definition von Kitsch nicht denkbar und umge- kehrt. Hat allein die Kulturindustrie den Kitsch zu verantworten? Gehören die Hausschuhe in Gestalt von Bärentatzen zu einer neuen Art von Volkskunst? Welchen Zweck erfüllt der ,,ech- te" Sonnenaufgang am Meer? Läutet die beleuchtete Miniaturgondel eine neue Demo- kratisierung der Sinne ein? Hermann Broch sah 1933 im Kitsch das ,,ethisch Böse" im System der Kunst. Kitsch ist das Gegenteil von Kunst, und nicht nur das: Er ist Ausdruck von Unfreiheit, Dogmatismus, reaktionärem Denken und Lüge. Schuld daran ist der ,,Kitschmensch", der ohne den Kitsch nicht existieren kann, weil er einen Lügen- und Verschönerungsspiegel braucht. Ludwig Giesz' Interesse hingegen galt 1961 dem Kitscherleben. Laut Giesz fallen wir einem sentimentalen ,,Selbstgenuss", der ,,Genüsslichkeit" anheim. Der kitschige Sonnen- untergang lullt ein, er ist klebrig, exhibitionistisch und macht vor allem passiv. Ganz im Gegensatz zur herben, kühlen, schwer zugänglichen Kunst. ,,Kitsch ist Kunst ohne Tränen, alltägliche Kunst", sagte 1971 der Psychologe Abraham Moles. Daher sei Kitsch die Kunst der Massengesellschaft, er habe die Volkskunst ersetzt. Bärentatzenhausschuhe gehören demnach wohl auch zur neuen Volkskunst? Nach Moles ha- ben die meisten Menschen zur ,,elitären" Kunst keinen Zugang, weil sie keine Muße haben und sich nicht anstrengen wollen. Bärentatzenhausschuhe als Objekte der Kitschkultur sind demnach aufgrund der Massenproduktion zwar produktionsseitig vom Individuum entfrem- det, doch die Beziehung des hausschuhtragenden Individuums zu seinen Schuhen ist ,,echt". Insofern ist zwar nicht der Vorwurf an den Kitsch, aber jener an den Kitschkonsumenten hinfällig, weil einzig die Beziehung des Menschen zur Sache von Bedeutung ist. Moles' Schönheitsbegriff ist ein postmoderner, er gesteht jedem seinen Hausschuhgeschmack zu. Gert Selle plädierte 1983 für das Allerweltsdesign als einen Gegenentwurf zum Design- objekt, der in der Regel in den Museen zu sehen ist. Der Designer, so Selle, halte sich seit 1900 für einen kulturellen Vormund, der meint, die Gebraucher von ,,Kitsch" in die ,,Frei- heit" führen zu müssen. Der scheppernde Hühnerwecker aus Plastik sei Teil einer neuen ,,kleinbürgerlichen" Produktkultur, in der die Normen verschwimmen. Die Leute wissen nach Ansicht Selles selber, was für sie Gebrauchswert und Identitätsdarstellung bedeutet und wel- chen Wecker sie sich am besten neben das Bett stellen. Sie brauchen keine Kulturpädagogen, die ihnen etwas vorschreiben. Ein Geschmacksurteil ­ denn nichts anderes ist das Kitsch- urteil ­ ist ein Standpunkturteil. Selle beruft sich auf Pierre Bourdieu (1982), wenn er sagt, dass jeder, der seinem Geschmack gemäß lebt, einen guten Geschmack hat. Harry Pross widmete sich 1985 den magischenAuseinandersetzungen des Kitschmenschen mit seiner Umwelt. Dieser unterscheide eben nicht zwischen Wunsch und Erfüllung oder Bild und Sache. Die beleuchtete Miniaturgondel aus Venedig ist also, so Pross, die ,,Trophäe des kleinen Mannes", bei der eine Angleichung der Größenverhältnisse stattfindet. Venedig wird ins eigene Heim geholt, weil das Souvenir ein Urlaubsgefühl transportiert. Im Gegensatz zu den bisherigen Theoretikern schließt Pross auch sich selbst nicht aus: Denn wir alle seien ja gelegentlich Kitschmenschen und scheiterten an der ,,Sentimentalitätsklippe". Die meisten Kitsch-Untersuchungen bestätigen die Ablehnung von bestimmten Text- sorten. Hier macht Günther Waldmann 1979 ideologische Momente aus und rückt sie in den Mittelpunkt seines Textes. Weil Kitsch etwas ,,Mindergewertetes" darstelle, sei die Frage nach der Art, Form und Struktur des Kitsches eine Frage nach den Wertschätzungen desjeni- gen, der den Kitschbegriff verwendet. Das Kitschurteil wird zum Machtinstrument der sozia- len Diffamierung. Am Beispiel des Schwangerschaftsratgebers von Verona Feldbusch liest Vom ethisch Bösen zur Sentimentalitätsklippe Essay Kitsch als Machtinstrument 16 sich seine Position folgendermaßen: Die Bedürfnisse der Feldbusch-Ratgeberleserin sind ge- sellschaftlich bedingt und legitim, jedoch ist die Nutzerin nicht in der Lage, den Warencha- rakter des Romans zu erkennen, der nun mal ein Produkt der Unterhaltungsindustrie ist. An dieser Stelle gibt sich Waldmann als Vertreter der Kritischen Theorie zu erkennen: Das Lesen von ,,Der kleine Feldbusch" führt dazu, dass der emotionale Bereich genormt, gelenkt, letztlich fremdbestimmt ist. Somit schließt er aus, dass die Leserin das Buch individuell rezipiert. Nach Waldmann stellt also auch Brochs Verurteilung des Kitsches ein derartiges Standpunkturteil dar: Kitsch als ,,ethisch Verworfener, ein Verbrecher, der das radikal Böse will", ist ein moralisches Werturteil, das eine Emotionalisierung des Lesers bewirken will und in seinem Pathos paradoxerweise kitschige Züge annimmt. Ien Ang, eine Vertreterin der aktuelleren Cultural Studies, nimmt eine Gegenposition zur Kritischen Theorie und Waldmann ein. 1986 stellte sie die These auf, dass die Art und Weise, in der ein Kulturprodukt konsumiert wird, nicht aus der Form abgeleitet werden kann, in der es produziert wurde. Der Konsum hänge vielmehr von zahlreichen soziokulturel- len und psychologischen Bedingungen ab. Auch dem Vorwurf des Eskapismus, von dem in der Kitschtheorie häufig die Rede ist, widerspricht sie: ,,Die Flucht in eine Phantasiewelt ist auch Spiel mit der Wirklichkeit, nicht nur deren Verleugnung." Die ablehnende Haltung von Fernseh- zuschauern zum RTL-Dschungelcamp (,,Ich bin ein Star - Holt mich hier raus") etwa lasse sich emotional und moralisch mit Kategorien wie Verantwortung, kritische Distanz, ästhetische Reinheit etc. erklären, um Missfallen zu legitimieren und zu veranschaulichen. Die Ideologie des Populismus nimmt die entgegengesetzte Position ein: Sie weist jeden Versuch, über das Dschungelcamp ein Urteil abzugeben, mit der Begründung zurück, Geschmack sei eine sub- jektive Angelegenheit. Moralische Kategorien bilden eine zentrale Komponente in der vonAng beschriebenen ,Ideologie der Massenkultur` (genauer: Ideologie der Massenkulturkritik). Schon der Begriff der ,Massenkultur` sei verunglimpfend, weil er von einer Zweiteilung der Kultur in ,gute` und ,schlechte` ausgehe: ,Gut` sei jene, die dem Ideal der ,hohen` Kunst entspricht, weil sie den Geist bemüht, ,schlecht` sei der Rest. Angs Fazit ist, dass die moralischen Kategorien, auf denen die Ideologie der Massenkultur(kritik) basiert, das Vergnügen am Dschungelcamp zu einem irrelevanten, nicht legitimierten Kriterium machen. Im Gegensatz zu den Theorien der Massenkultur, die vom passiven und willfährigen Konsumenten ausgehen, halten andere Theoretiker der Cultural Studies wie John Fiske die Rezipienten für durchaus handlungsfä- hig. Die Rezipienten eignen sich laut Fiske die von der Kulturindustrie vorgegebenen Res- sourcen gemäß eigener Interessen an und nehmen die Veränderung ihres Alltags selbst in die Hand. Eine Kitschanalyse muss also auch die soziale Alltagspraxis der Konsumenten berück- sichtigen. Vor Kitsch haben die Menschen Angst, weil er emotionale Schleusen öffnet. Kitsch funktioniert dann, wenn das präsentierte Szenario persönlich relevant ist und man der mora- lischen Perspektive zustimmt, sagte Jürgen Grimm 1998. Es gibt auch den ,,Anti-Kitsch- Affekt" und den ,,Anti-Kitsch-Menschen", häufig männlichen Geschlechts. Dieser distanziert sich zum Beispiel von der Kuschelrock-Romantik, weil er verdrängte Gefühle vermeiden will, die durch streichquartett-gewaltige Balladen häufig ausgelöst werden. In Wahrheit, so Grimm, ist jeder prinzipiell anfällig für Kitsch (vielleicht nicht jeder für Kuschelrock). Der eigentliche Kern des Kitsches sei nämlich mit einem Teil unserer Emotionen, Ängsten, Träumen iden- tisch. Kitsch ist also ein besonderer Modus des Erlebens, in dem ästhetische Maßstäbe ihre Bedeutung verlieren und der Gefühlsfaktor dominiert. Die zahlreichen theoretischen Positionen lassen sich nicht in einem übergeordneten Kitschbegriff vereinen. Es zeichnen sich vier Typen ab, denen unterschiedliche Umgangsfor- men zugrunde liegen: Es gibt zunächst die strikte Kitsch-Ablehnung (z. B. RTL-Dschungel- camp: ,,Kitsch ist Schund"), die auf der von Ang bezeichneten Ideologie der Massenkultur(kritik) basiert und zur Abgrenzung gegenüber dem ,,schlechten" Geschmack der anderen dient. Ihr Gegenteil ist die unreflektierte Kitsch-Bejahung (z. B. Bärentatzen- hausschuhe: ,,Sie gefallen mir so gut"), der das vonAng beschriebene Vergnügen an kulturel- len Praktiken zugrunde liegt. Der ironische Kitsch-Gebrauch unterscheidet zwischen niedli- chem/kindlichem Kitsch (z. B. Hello Kitty, Polly Pocket, Mangas: ,,Kitsch ist süß") und grotes- Kitsch und der denkende Zuschauer Kitsch öffnet Schleusen Kitsch in Massen Essay 17 kem Kitsch (z.B. Teleshopping: ,,Kitsch ist amüsant"). Beim niedlichen Kitsch findet keine ästhetische Ablehnung statt, beim grotesken Kitsch durchaus, da das Ziel die eigene Distink- tion und Abgrenzung darstellt. Der bewusste Kitsch-Gebrauch zur Gefühlserzeugung (z. B. Liebesschnulze im Kino: ,,Ich sehe es mir an, um wieder mal richtig weinen zu können") ist eine intellektuelle Kategorie, die um den Kitsch weiß, den man vor sich hat. Auch hier findet eine bewusste Abgrenzung von der Masse naiver Kitschkonsumenten und gegenüber der Ide- ologie der Massenkultur(kritik) statt. Die Rolle der Massenmedien in Bezug auf das Kitschphänomen ist vielschichtig. Mas- senmedien sind Voraussetzung für die Entstehung und Verbreitung von Kitsch, weil sie zugleich die massenhafte (Re-)Produktion und den Vergleich zwischen Original und Kopie ermögli- chen. Durch seine mediale Vermittlung kann Kitsch auch eine große Rezipientenzahl errei- chen und deren Bedürfnisse nach ,,schönen" Gefühlen, Vergnügen etc. befriedigen. Die Ab- hängigkeit zwischen Kitsch und den Massenmedien ist aber eine wechselseitige: Kitsch braucht die Massenmedien, umgekehrt jedoch braucht ein Großteil der Massenmedien den Kitsch, denn das Bedürfnis nach ,,schönen" Gefühlen kann durch Kitschangebote befriedigt werden. Außerdem wird jenes Bedürfnis gezielt verstärkt und dadurch der Medienkonsum angeregt. Ein kleiner Teil der Massenmedien, die Feuilletons der Tages- und Wochenzeitungen, Kultur- sender wie arte, Deutschlandradio etc., bekämpft den Kitsch nach wie vor, da seine Vertreter einem bürgerlichen Idealbild huldigen, das die Distanz zwischen ,,hoher" Kunst und Massen- kultur aufrechterhalten will. Seit in den 1980ern und 1990ern die Kitschkunst in die Museen eingezogen ist, meint Kitsch nicht mehr das, was er einmal bezeichnet hat. Umberto Eco vertrat 1987 die Ansicht, dass nicht nur die ,hohe` Kunst, sondern auch Kitsch Anstöße zur Reflexion, Erschütterung, (Selbst-)Erkenntnis o. Ä. geben kann. Heute kann man den Begriff in seinem historisch bestimmten Sinn fast nicht mehr verwenden. Aber hat die Rehabilitation des Kitsches tatsächlich stattgefunden? In den zeitgenössi- schen Künsten sicherlich, in den Köpfen der meisten Menschen keineswegs, wenn auch aufgrund von Modetrends die Akzeptanz größer geworden ist. Der Kitschbegriff polarisiert, weil er in erster Linie ein Werturteil darstellt. Weder postmoderne Pluralität noch Kitsch in den (nicht nur bildenden) Künsten scheinen im Bewusstsein vieler Leute ihre Spuren hinter- lassen zu haben. Der Kitschbegriff sei überflüssig, unbrauchbar, selbstgefällig, elitär, schrei- ben Selle und Waldmann. Doch es würde wenig Sinn machen, ihn abzuschaffen. Man wird nicht auf ihn verzichten können, aber man muss ihn heute differenzierter verwenden. Essay ,,Kitsch ­ ein massenmediales Phänomen?" hieß das Proseminar, welches von der Autorin im WS 03/04 am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften gehalten wurde. 18 Von Andrea Hammer Es sind die bunten Mosaiksteine eines turbulenten Lebens. Doch Elke Steinwegs Bi- ografie ist das Ergebnis harter Arbeit und ei- niger glücklicher Fügungen. Wie sie heute sagt, habe sie schon immer gespürt, dass die Arbeit mit dem Medium Film genau das ist, was sie immer machen woll- te. Doch sträubte sie sich anfangs dagegen, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, der selbst Kamera- mann beim Bildungsfernsehen in der DDR war. Im Alter von 26 Jahren, mit dem Abitur in der Tasche, wird ihr dann aber klar: Du musst zum Film! Sie beginnt das Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften in Hal- le. Bereits während des Grundstudiums sam- melt sie viele praktische Erfahrungen. Sie wird studentische Hilfskraft und arbeitet, um ihr Studium zu finanzieren, nebenbei noch als Produktionsassistentin beim Radiosender MDR Sputnik. Dann der erste Lohn für ihren Fleiß: die Mitteldeutsche Medienförderung (MDM) vermittelt ihr ein Praktikum als Setaufnahmeleitungsassistentin bei Volker Schlöndorff, einem der bekanntesten deut- schen Regisseure. Sie erlebt die Produktion des Films ,,Die Stille nach dem Schuss" haut- nah mit, ihr erster großer Schritt in die Film- branche. Kurz vor den Zwischenprüfungen beschließt sie, noch einige Urlaubstage in Ita- lien zu verbringen. Auf dem Weg dorthin macht sie einen kleinen Abstecher nach Mün- chen. Eigentlich will sie sich hier bei der Kino- welt Filmproduktion um ein Praktikum be- werben. Doch nach drei schönen Tagen im Profil Mit 200 Prozent im Filmgeschäft unterwegs sonnigen Italien klingelt überraschend das Handy. Am anderen Ende ist Ulrich Limmer, Produzent bei der Kinowelt, und bietet ihr ei- nen Job als Produktionsassistentin für die Pro- duktion ,,Das Sams" an. Gesagt, getan. ,,Das war ein Riesenschnitt. Ich habe von heute auf morgen mein Leben komplett nach München verlagert", so Elke Steinweg. Im August 2000 beginnen die Dreharbeiten zu dem bis dahin teuersten deutschen Kinderfilm. Ge- dreht wird in Bamberg, Zürich und auf Mal- lorca. Ihr Studium setzt sie nicht fort. Nach einem halben Jahr Arbeit in München erhält sie erneut ein Angebot und bleibt schließlich bei der Kinowelt. Im Sommer 2001 ist sie mitten in den Vorbereitungen für ein neues Projekt. Dann der Schock: ein Anruf, die Kino- welt ist pleite. Da Steinweg die letzte war, die eingestellt wurde, ist sie auch die erste, die gehen muss. ,,Damit ist meine Karriere wohl so schnell wie sie startete auch wieder vorbei", ist ihr erster Gedanke. Ulrich Limmer hilft ihr und empfiehlt sie bei Helmut Dietl, einem der erfolgreichs- ten Regisseure Deutschlands. Dieser weiß um ihr Können und bietet Steinweg überraschend eine Stelle als seine persönliche Assistentin an ­ wer kann da schon Nein sagen? Etwa zwei Jahre lang liest sie unendlich viele Drehbü- cher und trifft sich mit verschiedenen Auto- ren. Sie verfolgt den Werdegang des neuen Dietl Drehbuchs und ist an den Vorbereitun- Zur Person Name: Elke Steinweg Alter: 34 Jahre Beruf: Producerin bei der Pallas Film GmbH Universitätsring 14 06108 Halle geb. am 11.02.1970 in Halle 1976-1986 Schulbesuch in der DDR keine Zulassung zur EOS (aus politischen Gründen) 1986-1989 medizinisches Fachschulstudium zur Physiotherapeutin 1989-1992 St. Barbara Kranken- haus Halle, Frühgeburtenstation 1992-1993 Reisen und Begleitung von Freunden (Archäologie- studenten) bei Ausgrabungen 1993-1996 Nachholen des Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg 1996 Beginn des Studiums der Medienwissenschaften in Halle ˇ internes Praktikum beim MuK-Krimiprojekt ˇ Erstellen des MDM- Medienguides für Sachsen- Anhalt ˇ zweimonatiges Praktikum bei Volker Schlöndorff 2000-2001 Produktionsassisten- tin bei der Kinowelt in München Herbst 2000 Abbruch des Studiums 2001-2002 Assistentin von Helmut Dietl (u.a. Bereich Development) in München seit Januar 2003 Producerin bei der Pallas Film GmbH Gestern Paris ­ heute Rotterdam ­ morgen Berlin Ihr wird klar: Du musst zum Film! 19 gen des Debütfilms ,,Schatten der Zeit" von Oscarpreisträger Florian Gallenberger betei- ligt. Ende 2002 wächst in ihr der Wunsch, wieder in den Osten zurückzukehren, um dort kleinere Geschichten für kleinere Kinos zu rea- lisieren. Auch hier ist das Glück auf ihrer Sei- te. Kurz bevor sie ihr Vorhaben bei der MDM streut, haben sich Karl Baumgartner (Pandora Film) und Thanassis Karathanos (Twenty Twenty Vision) dazu entschlossen, in Mitteldeutschland eine Firma für den osteuro- päischen Arthouse- Filmmarkt zu gründen. Sie suchen jemanden, der sich als Producer um diese Firma kümmert und die Projekte be- treut ­ genau die rich- tige Herausforderung für Elke Steinweg. Seit Juni 2003 arbeitet sie nun wieder in Halle bei der Pallas Film GmbH. Das Hauptaugenmerk der Firma liegt auf internationalen Koproduktionen für den Arthouse-Filmbereich, vorrangig in Ost- europa. ,,Wir sind aber auch nicht abgeneigt, wenn ihr uns einen tollen Stoff liefert, den wir in Mexiko, Thailand, Neuseeland oder sonst wo verwirklichen können", fügt Stein- weg lächelnd hinzu. Schwerpunktmäßig sol- len Spielfilme produziert werden. Es sei aber auch in Ordnung, wenn hier und da mal ein Dokumentar- film dabei sei. Das Budget für eine Pro- duktion beläuft sich durchschnitt- lich auf 1,5 bis 2 Millionen Euro. Baumgartner, Karathanos und Steinweg sind sehr daran interessiert, Debüt- filme von Regisseuren vor allem auch aus Ostdeutschland zu realisieren. Die Firmengründung vor nunmehr ein- einhalb Jahren verläuft problemlos. Schnell ei- nigen sich die drei auf zunächst vier Stoffe, die sie produzieren wollen. Sie reichen diese zur Paketförderung bei der MDM ein und er- halten 100 000 Euro Fördergeld für die Ent- wicklung der Projekte. Nur kurze Zeit später beginnen im Oktober 2003 die Dreharbeiten für das erste Projekt, eine Liebesgeschichte: ,,Something like Happiness". In einzelnen Blö- cken wird dafür voraussichtlich noch bis Ende dieses Jahres in Tschechien gedreht. Parallel dazu werden auch die anderen Stoffe entwi- ckelt und neue Projekte gesucht. Elke Stein- weg betont, dass die Zusammenarbeit mit Karl Baumgartner, ,,dem deutschen Arthouse-Pro- duzenten", so Steinweg, großartig sei, ,,nicht zuletzt deswegen, weil uns dadurch tolle Pro- jekte angeboten werden." Es sei schon ein gewisser Luxus, aus diesen dann eine Aus- wahl zu treffen. So beginnen bereits Mitte März in Ka- sachstan die Aufnahmen für die Romantik- komödie ,,Tulpan". Als Producerin begleitet sie einen Film von der Ideensuche über die Dreharbeiten bis hin zum fertigen Produkt. Dazu liest sie nicht nur zahlreiche Drehbücher, sucht Ko- produktionspartner, kümmert sich um die Ver- träge, sondern ist auch viel unterwegs. In Paris oder, wie für diesen Sommer geplant, inAme- Profil ,,Die Zusammenarbeit mit Karl Baum- gartner, dem deutschen Arthouse-Pro- duzenten ist großartig, nicht zuletzt deswegen, weil uns dadurch tolle Pro- jekte angeboten werden. Es ist schon ein gewisser Luxus, aus diesen dann eine Auswahl zu treffen." rika trifft sie sich mit Autoren und bereitet die anstehenden Produktionen vor. An den entsprechenden Filmsets ist sie zwar nicht immer kontinuierlich dabei, verbringt aber stets einige Tage vor Ort, um die Aufnahmen mitzuverfolgen.Auf Veranstaltungen, wie dem International Film Festival Rotterdam und den Filmfestspielen Berlin, ist sie regelmäßig auf der Suche nach neuen Filmstoffen und weite- ren Kooperationspartnern. Zudem bieten diese Treffen natürlich auch eine ideale Plattform, um neue Projekte ihrer Firma vorzustellen und mit verschiedenen Regisseuren ins Gespräch zu kommen. Das heutige Leben von Elke Steinweg und ihre Arbeit bei der Pallas Film sind span- nend und turbulent zugleich. Doch sie selbst sagt, dass neben ihrem Ehrgeiz und Engage- ment einfach wahnsinnig viel Glück dabei gewesen sei, das zu werden, was sie heute ist. ,,Ich habe im richtigen Moment die rich- tigen Leute getroffen, die mir dann eine Chance gegeben haben." Momentan gebe sie noch 200 Prozent, um gemeinsam mit Baumgartner und Karathanos die Pallas Film GmbH erfolgreich auf dem Arthouse-Filmmarkt zu etablieren. Sie hoffe aber, ihr Arbeitspensum irgendwann reduzieren zu können, um mehr Zeit für das ihr auch sehr wichtige Privatleben zu haben. ,,Ich habe im richtigen Moment die richtigen Leute getroffen." 20 Von Sonnhild Raschke Was wollen und was sollten Kin- der im Fernsehen sehen? Über diese Frage streiten sich regelmäßig Päda- gogen, Politiker, Eltern und Kinder, öf- fentlich oder zu Hause im Wohnzimmer. Seit 1997 bietet der Fern- sehsender KI.KA eine Alternative zu den Power Rangers, dem A- Team und Bat- man. Zum Programm des Kinderkanals von ARD und ZDF gehören altbewährte Sendungen wie ,,Tabaluga", die ,,Sen- dung mit der Maus" und die ,,Sesam- straße", sowie Wissenssendungen und Spielfilme für Kinder. Darüber hinaus wird täglich eine eigene Sendung im Erfurter Funkhaus produziert: ,,kikania". In der Redaktion dieser Talk- und Unterhaltungsshow sitzen Erwach- sene. Sie überlegen, was ihre Zielgrup- pe, Sprösslinge zwischen acht und drei- zehn Jahren, interessieren könnte, und vor allem wie die Themen kindgerecht umgesetzt werden können. Anne Uebe, Studentin der Medienwissenschaft und Soziologie an der Universität Halle, lernte während ihres sechswöchigen Praktikums, wie Fernsehen für Kinder produziert wird. ,,Beim KI.KA ein Praktikum zu bekom- men, ist nicht schwer, selbst wenn man kurzfristig anfragt." Eine Anfrage per Praktisch unterwegs Was Kinder sehen wollen E-Mail und eine schriftliche Bewerbung beim Kinderkanal in Erfurt reichten aus, um als Praktikantin angenommen zu werden. Es habe sogar Praktikanten ohne Redaktions- und Fernseherfah- rungen gegeben. An- fangs saß Anne Uebe in der Regie. ,,Meine Auf- gabe dort war nicht so toll", meint die heute 24-Jährige. ,,Ich sollte die Fragen, die Kinder per E-Mail zu tagesaktuellen Themen schickten, auf zwei Sätze reduzieren, damit der Moderator sie vorlesen konn- te." Darüber hinaus nahm sie an allen Besprechungen zur Sendung teil und be- kam dadurch einen Einblick in die ge- samte Produktion von ,,kikania". Das betraf die Bereiche Regie, Schnitt, Kameraführung und Redaktion. In Letz- terer verbrachte sie drei Wochen ihres Praktikums und er- zählt mit leuchten- den Augen von der Arbeit im Redak- tionsteam. Sie re- cherchierte Hinter- gründe und Zusammenhänge zu den Themen der Sendung, welche dem Mo- derator später zur Verfügung gestellt wurden. Zu einzelnen Beiträgen schrieb sie die Sprechertexte, die natürlich für Kinder verständlich sein mussten. ,,Ich hatte zum Beispiel das Thema: Urlaub ohne Eltern. Eine Redakteurin fuhr mit einer Gruppe Kinder in den Skiurlaub und begleitete sie mit der Kamera vor Ort." Uebe habe später versucht, et- was Lustiges zu schreiben, was den Bei- trag gut unterlegt. Am Ende ihres Praktikums beim Kinderkanal stand die Aufgabe, eine Sendung selbst vorzubereiten. Sie re- cherchierte telefonisch und im Internet zum Thema Vereine und suchte z. B. nach den lustigsten oder größten Ver- einen.Außerdem versuchte sie, Studio- gäste zu finden, die wiederum span- nend und für Kinder erzählen konnten. Abschließend schrieb sie die Fragen für den Moderator auf. ,,Du lernst punktgenau und für die Zielgruppe zu formulieren und mit dem Terminstress umzugehen", resümiert die Studentin. Außerdem gefiel ihr, dass man anhand der Einschaltquoten eine Art Feedback für die geleis- tete Arbeit be- kam. ,,Du weißt, was du gemacht hast, denn es wird etwas gesendet, was du mit vorberei- tet hast. Das ist ein unheimlich erhe- bendes Gefühl." Das Praktikum ist aber auch eine Frage des eigenen finanziellen Spiel- raums. KI.KA bietet zwar mehrwöchige Praktika an, aber diese werden nicht Punktgenau und für die Zielgruppe formulieren Anne Uebe verbrachte ein sechswöchiges Praktikum beim Kinderkanal in Erfurt. Beim Praktikum merken, was wirklich Spaß macht 21 bezahlt. ,,Man ist auch für die Unter- bringung selbst verantwortlich", sagt Anne Uebe. ,,Ich habe in einem Studentenwohnheim am Campus ge- lebt. Das war wie Einzelhaft, aber bil- lig." Dennoch habe sich das Prakti- kum beim Kinderkanal gelohnt. Gera- de weil es in der Redaktion sehr fami- liär und locker zuging, habe sie keinerlei Hemmungen gehabt, die Kollegen zu fragen oder um Hilfe zu bitten. ,,Du bleibst natürlich schon Praktikantin", sagt die Studentin, aber je mehr die Kollegen merken würden, dass man Ein- satz zeige, werde man auch ernst ge- nommen. ,,Und letztendlich bin ich ja im Praktikum, um etwas zu lernen", meint Uebe. ,,Man muss sich nur trau- en zu fragen, und nicht das stille Mäus- chen in der Ecke spielen." Neben dem Kinderkanal hatAnne Uebe mittlerweile die Redaktionsarbeit im Politmagazin ,,ZDF-Reporter", der Kindersendung ,,PUR" und beim Radiosender MDR Sputnik kennengelernt. ,,Am Anfang meines Studiums wollte ich unbedingt Werbung machen, aber durch die Prak- tika habe ich festgestellt, dass mir die Arbeit in der Redaktion sehr viel Spaß Praktisch unterwegs macht." Unter anderem gefällt ihr, sich mit den unterschiedlichsten Themen und Menschen zu beschäftigen, die Technik kennenzulernen und zum Teil das Wissen aus dem Studium anwen- den zu können. Sie würde jedem län- gere Praktika empfehlen, weil man so einen ersten Eindruck bekomme, und merke, was einem liegt oder wo sich eigene Erwartungen nicht erfüllen. Für die Zeit nach dem Studium hat Anne Uebe noch keine konkreten Pläne, aber Kinderfernsehen zu ma- chen, das könne sie sich gut vorstel- len. MDR ,,Figarino" ...ist das Kinderradio des MDR- Hörfunks. Hier wird eigens für die Kleinen ein Programm produziert. Dazu gehören Beiträge zu aktuellen Themen, Hörspiele und Features. Praktikumsdauer: mind. 4 Wochen Voraussetzungen: abgeschlosse- nes Grundstudium, journalisti- sches Interesse, nicht älter als 29 Jahre Wolfgang Schultze (verantwort- licher Kinderfunkredakteur) Tel.: (0345) 300 54 48 Wolfgang.Schultze@mdr.de www.mdr.de/mdr-figaro Bewerbungen sind zu richten an: Mitteldeutscher Rundfunk BildungsCentrum 04360 Leipzig www.sowieso.de ...ist eine Online-Zeitung für Kids im Alter von 8-13 Jahren, mit Sitz in Berlin. ,,Sowieso" berichtet aktuell und lebendig über Politik, Gesellschaft, Kultur und Sport. Darüber hinaus bietet ,,sowieso" eine Plattform für Kinder zum Spielen und Diskutieren. Praktikumsdauer: 4 Wochen Voraussetzungen: journalistische Orientierung und Interesse am Weltgeschehen Kristine Kretschmer und Annette Bässler Tel.: (030) 827 41 01 redaktion@sowieso.de www.sowieso.de Bewerbungen sind zu richten an: sowieso Pressebüro Taunusstraße 8 12161 Berlin Kinderfilmfestival Goldener Spatz ...wird alle zwei Jahre in Erfurt ausgerichtet und bietet ein vielseitiges Programm von Animationen, Dokumentationen, Unter- haltungsprogrammen bis Spielfilmen. Für das kommende Festival vom 20. - 29.04.2005 suchen die Veranstalter Praktikanten in den Bereichen Medienpädagogik und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie studentische Hilfskräfte für die Gästebetreuung. Praktikumsdauer: Medienpädagogik: 3 Monate (Febr. ­ April) Pressearbeit und ÖA: 4 Wochen (April) Bewerbungsschluss: September 2004 Margit Albers Tel.: (0361) 663 86 12 albers@goldenerspatz.de www.goldenerspatz.de Bewerbungen sind zu richten an: Stiftung GOLDENER SPATZ Postfach 100316 99033 Erfurt Praktikumsbörse: Kindermedien 22 Von Thomas Jähnig und Andrea Hammer Der Dienstleister für Neue Medien Di- gital Design Solutions (DDS) wurde am 1. Januar 1993 von Dirk Hoppe im heimischen Wohnzimmer zunächst als Ein-Mann-Unter- nehmen gegründet. Wenige Jahre nach der Wende entdeckte der gelernte Augenopti- ker die Computergrafik-Branche als Markt- lücke in Ostdeutschland und machte so sein langjähriges Hobby zum Beruf. Er wurde selbstständiger Berater und Verkäufer von Hard- und Software.Anfangs betreute er vor allem Grafiker und Werbeagenturen, die auf komplett neue Technik umsatteln mussten. Mittlerweile hat das Unternehmen drei Ge- sellschafter, die unterschiedliche Dienst- leistungsbereiche betreuen: Dirk Hoppe, Andreas Held und Falko Büchner. Den ersten Servicesektor der DDS bil- den Film- und Tonproduktionen. Verantwort- lich hierfür ist Dirk Hoppe, der z. B. kom- plexe 3-D-Modelle und Animationen für In- dustrie- und Werbefilme erstellt. Der hallesche Mediendienstleister übernimmt einzelne Ton-, Schnitt- und Kameraarbeiten, produziert jedoch auch komplette Filme in Eigenregie. Die technischen Voraussetzun- gen für solch umfangreiche Projekte sind gegeben. So verfügt Digital Design Solutions nicht nur über hochwertige Kamera- und Schnitttechnik, sondern auch über ein mo- dernes Tonstudio, an dem das Unternehmen zur Hälfte beteiligt ist. Im Bereich Web-Design, dem zweiten Standbein des Unternehmens, ist Andreas Held der Spezialist. Nachdem er seit 1994 bei DDS als freier Mit- arbeiter tätig war, ist er 2000 zum Teilha- ber avanciert. Zu sei- nen Aufgaben gehört in erster Linie die Gestaltung von Internetpräsentatio- nen. Bei der Erstel- lung von interaktiven Web-sites und deren Anbindung an Datenbanken wird Held von Falko Büchner unterstützt. Büchner ist nach etwa sieben Jahren freiberuflicher Tätigkeit seit 2002 der drit- te Gesellschafter der Digital Design Solu- tions. Hier ist er verantwortlich für den Dienstleistungssektor Softwareentwicklung, Programmierung und Internetproviding. Daneben betreut er Serveranlagen, die DDS für andere Unternehmen bereitstellt und wartet. Für die optimale Realisierung der ein- zelnen Projekte arbeitet das hallesche Medienunternehmen häufig mit spezialisier- ten Partnerfirmen zusammen. Die Kunden erwarten beste Qualität und vor allem meist Digitale Lösungen made in Halle Drei Jungunternehmer im Dienst der Neuen Medien Neben Fernseh- und Radiostationen sind in der Saalestadt auch viele kleinere Medienunternehmen angesiedelt. Eine der Firmen ist die Digital Design Solutions GmbH, die ihren Sitz in der Maybachstraße 1 hat. individuelle Lösungen. Deshalb sieht es das DDS-Team als großen Vorteil an, dieses brei- te Spektrum an Dienstleistungen anbieten zu können. Die Konkurrenz sei natürlich sehr groß, so Büchner, aber auch die koche nur mit Wasser, und das ihrige sei eben besonders klar. In den kommenden Jahren, so Hoppe, will sich der hallesche Medien- dienstleister verstärkt im filmischen Metier enga- gieren. Zudem soll die Di- gital Design Solutions GmbH zu einem Full-Service-Unternehmen weiterentwickelt und der heute eher regio- nale Kundenkreis weiter vergrößert werden. An einem entsprechenden Marketingkonzept wird dafür momentan gefeilt. Das Wichtigs- te bleibe jedoch der Spaß an ihrer Arbeit, da sind sich die drei Jungunternehmer ei- nig. Übrigens ist auch ein Praktikum bei der DDS möglich. Der/die künftige Prakti- kant/in müsste jedoch schon Vorkenntnis- se im Bereich Web-Design, Film oder Pro- grammierung mitbringen. Anfragen per Email sind zu senden an Andreas Held: a.held@ddweb.de ,,Auch die Konkurrenz kocht nur mit Wasser ­ unseres ist eben besonders klar." FALKO BÜCHNER Firmenporträt Dirk Hoppe (v.l.n.r.), Falko Büchner,Andreas Held 23 Alumni Von Sonnhild Raschke ,,Der Journalistenberuf ist absolut nichts für Frauen, es sei denn, Du willst keine Kinder", meint Anne Sailer. Ausnah- men bestätigen die Regel. Anne Sailer ist eine. Die Mutter eines fünfjährigen Sohnes arbeitet als freie Journalistin beim Radio- sender MDR Kultur in Halle. Eingehende Erfahrungen mit dem Tagesgeschäft einer Radiojournalistin sam- melte sie bereits während des Studiums. ,,Ich brauchte damals einen Job und ein Freund schlug mir vor, dass ich beim MDR nachfragen sollte." Fortan habe sie nur noch nebenbei studiert, für ihren Job bei MDR 1 jedoch vollen Einsatz gezeigt. Die Studen- tin der Germanistik, Medien- und Sprach- wissenschaft interviewt von Zeitz bis Sang- erhausen und produziert ihre Beiträge selbst. Sie nimmt Sprechunterricht, um Atemzüge an den richtigen Stellen einzusetzen und ihren halleschen Dia- lekt zu überwinden. Mehr als einmal zweifelt sie, ob sie weiterhin studieren soll, oder ob der direk- te Einstieg ins Berufs- leben der bessere Karrieresprung sei. Letztendlich siegt die Vernunft. 1999 schließt sie ihr Studium erfolgreich ab und reist nach Mexiko. Dort arbeitet sie für drei Monate bei einem regionalen Radiosender. Zurück in Deutschland steht sie wieder vor einer wichtigen Entscheidung, denn sie ist schwanger. Sie sucht nach einem Weg, um zukünftig Beruf und Kind zu vereinbaren. Kurzerhand bewirbt sie sich beim MDR um einen Volontariatsplatz. Nach meh- reren Tests folgt ein Vorstellungsgespräch, bei dem ,,es richtig zur Sache ging", soAnne Sailer. Vor allem ihre Motivation und Selbst- darstellung seien gefragt gewesen. Sie kann sich noch gut erinnern an diesen Tag: ,,Ich bin hinausgegangen und habe gedacht: Das war´s. Das Volontariat kannst Du verges- sen." Der MDR ist anderer Meinung. Nach zwei Tagen bekommt sie die Zusage für die Ausbildung. Sie sei die erste Volontärin mit Kind, erklärt man ihr, aber sie bekäme kei- ne Sonderbedingungen. Als Volontärin arbeitet sie mehrere Wochen in verschiedenen Städten, unter an- derem in den Regionalstudios von Dresden, Leipzig und Erfurt. Ihre Familie unterstützt sie und kümmert sich während ihrer Abwe- senheit um ihren Sohn. Der MDR bildet sie ,,Ich brauche Herausforderungen" Zwischen Kindergarten und Radiostudio ,,Was willst Du denn nach dem Studium machen?" wird man oft gefragt. Nicht jedem fällt eine klare Antwort ein, und man versucht sich mit: ,,Es gibt viele Bereiche, die mich interessieren" herauszureden. In der Alumni-Rubrik stellen wir deshalb die Werdegänge ehemaliger Studenten der Medienwissenschaft vor. Den Anfang macht eine junge Journalistin, deren Herz für den Radiosender MDR Kultur schlägt. als Radio- und Fernsehjournalistin aus. Nach zwei Jahren Ausbildung entscheidet sie sich für den Radiosender MDR Kultur, nicht zuletzt weil das Klima in der Redaktion stimmt. Sie nimmt eine hal- be Stelle als freie Kul- turjournalistin an. ,,Natür- lich ist die Konkurrenz un- ter freien Journalisten größer und man mel- det sich nur in Ausnahmefällen krank. Aber auf der anderen Seite sind die Redaktionen auf die Beiträge der Freien angewiesen, so dass man um die Aufträge nicht bangen muss." Außerdem müsse ihr die Arbeit Spaß machen, dann könne sie auch etwas stressig sein, fügt Sailer hinzu. ,,Ich brauche Heraus- forderungen, natürlich nicht zu viele, aber ein reiner Bürojob, das wäre nichts für mich." Der Bereich Kultur macht ihr Spaß und so reist sie durch die Region, berichtet über Veran- staltungen, kulturelle Initiativen und über Bildungsthemen. Im Nachhinein schätzt sie am Studium der Medien- und Kommunikations- wissenschaften vor allem, dass versucht wird, den Bogen zwischen Theorie und Praxis zu spannen. Die Berufschancen für Medien- spezialisten hält sie für schwierig, aber nicht aussichtslos. Denn ob Spezialist oder Allrounder, wichtig sei, ,,dass man lernt sich selbst einzuschätzen und weiß, was man kann und will". Anne Sailer scheint es zu wissen und ist nicht zuletzt deshalb erfolgreiche Journalistin und Mutter zugleich. Erste Volontärin mit Kind: ,,Aber keine Sonderbedingungen!" 24 Von Sarah Lindner Von Ende August 2003 bis Ende Febru- ar 2004 war ich auf der größten karibischen Insel, Kuba. Da meine Spanischdozentin an der MLU selbst aus Kuba kommt, war der ers- te Verknüpfungspunkt vorhanden. Studien- gebühren brauchte ich an der Universität Ha- vanna nicht zahlen, da beide Unis damals kurz vor einem gegenseitigenAbkommen standen, das den Wegfall der Gebühren vorsah. So konnte ich viel mehr Kurse belegen, als wenn ich für jeden Kurs teuer hätte zahlen müs- sen. Den größten Teil des Geldes, das mir monatlich zur Verfügung stand, habe ich für die Miete aufgewendet. Das waren allein 350 Dollar. Ge- wohnt habe ich bei einer kubanischen Gastfamilie, die dafür jeden Monat eine Gebühr an den Staat zahlen musste. Die Miete war inklusive Früh- stück, Abendessen und Wäschereinigung. Für weitere Dinge musste ich dann nicht mehr viel ausgeben: Kino, Theater und Essen sind in der Nationalwährung (Peso) sehr günstig. Insgesamt gibt es in Kuba drei Währungen: den Peso (,,moneda nacional"), den Peso convertible und den gleichwertigen US Dollar, mit dem alle Türen offen stehen. Als Student kann man vieles in Pesos zahlen (Eintritte, Fahrkarten etc.). Touristen müssen dafür oft teuer in Dollars löhnen. Das Studium in Kuba ist mit dem in Deutschland nicht wirklich zu vergleichen. Ähnlich wie in der Schule sind die Studieren- den dort im Klassenverband organisiert. Zum Pflichtprogramm gehören systemnahe Kurse in Philosophie und Geschichte.Außerdem sind sehr viele Studenten in der sozialistischen Partei aktiv. Die Betrachtung und Reflexion verschiedener Sichtweisen ist im Vergleich zu deutschen Universitäten nicht so ausgeprägt. Aber gerade ein anderes System kennen zu lernen, hat mich sehr interessiert. Die Bibliotheken sind in der Regel schlecht ausgestattet. Es gibt wenig aktuelle oder ausländische Literatur. Dadurch wird es schwierig, für Hausarbeiten zu recherchieren. Außerdem darf man die Bücher meistens nicht mit nach Hause nehmen, sondern nur in der Bibliothek lesen. Kopierer habe ich, wenn überhaupt, oft nur kaputt vorgefunden. Die Hausarbeiten schreibt man an den wenigen Computern in der Uni oder aber, wie ich es konnte, am eigenen Laptop. Nach Weihnachten hatte ich keine Uni- kurse mehr. Reisen war angesagt, denn dabei lernt man immer noch am besten Land und Leute kennen. Erst bin ich in den Osten ge- flogen, nach Santiago de Cuba, und über die Mitte Kubas (Santa Clara, Santi Spiritus, Trinidad) bis in den Westen (Viales, Pinar del Rio) gereist. So habe ich recht unter- schiedliche Orte, Men- schen und natürlich auch Strände gesehen. Reisen auf Kuba kann bequem und teuer oder anstrengend und billig sein. Entweder man zahlt in Devisen, dann muss man nie lange anstehen, kommt schnell und pünktlich an, oder man fährt mit so genannten ,,Camiones". Das sind Transporter oder Lastwagen, die meistens Sitzplätze haben und die Kubaner von einem Ort zum anderen bringen. Das gro- ße Manko der ,,Camiones" ist jedoch, dass sie nur unregelmäßig fahren und auch nicht besonders komfortabel sind. Dafür kommt man aber für ein paar Dollar oder sogar weni- ge Cent zum Ziel. Bei meinen Reisen habe ich gemerkt, dass die Menschen in Kuba sehr offen und hilfsbereit sind. Einmal wusste ich nicht, wo ich am besten aussteigen sollte und fragte eine jüngere Kubanerin, die wiederum einen älteren Herrn fragte. Nach drei Minuten re- dete der ganze Bus mit. Oft war ich aber auch per Anhalter unterwegs. Das ist in Kuba nor- mal und ich fühlte mich auch als Frau sehr sicher. Aufpassen muss man jedoch vor Die- ben, vor allem in den typischen Touristen- orten. In Trinidad wurden mir sogar meine Schuhe gestohlen. Ich war aber eigentlich selbst schuld, denn ich hatte sie zum Auslüf- ten auf das Fensterbrett gestellt, verließ kurz den Raum, während draußen wohl jemand die Schuhe sah und mitnahm. Probleme in Kuba hatte ich mit der Luft- verschmutzung und mit der Bürokratie. Beispielsweise bekam ich erst nach zwei Mo- naten meinen doch so wichtigen Studienaus- weis. Bevor ich diesen bekommen sollte, stan- den viele mühselige Behördengänge an. Ko- misch und ungewohnt war es außerdem, dass einem in Kuba ständig Kerle hinterher rufen oder pfeifen. Die ständigen, vielleicht auch nett gemeinten Bemerkungen können aber schon lästig werden. Das Leben in Kuba findet vor allem auf der Straße statt. Dort wird getanzt, sich von Balkon zu Balkon unterhalten, Fleisch und Gemüse verkauft, es werden Autos repariert - kurz, es wird einfach gelebt. Auch die Stu- denten-Partys sind ganz anders als bei uns: neben dem Domino-Spielen wird viel mehr getanzt, oft auch paarweise. Die Kubaner versuchten immer wieder, auch mich zum Tanzen zu animieren. Erst ließ ich mich nicht dazu überreden und habe mich sogar ge- schämt, weil ich nicht so gut tanzen konnte wie die Kubanerinnen.Aber nach und nach war es mir egal, und ich glaube, das ist auch die richtige Einstellung. Rückblickend war das halbe Jahr auf Kuba meine bisher beste Lebenserfahrung. Ich hatte sehr viele schöne Erlebnisse und habe einiges an Menschenkenntnis dazu gewinnen können. Gerade während des Studiums in Havanna habe ich erst die deutsche Ausbil- dung und den Komfort, den wir beim Studie- ren genießen, richtig schätzen gelernt. Na- türlich war nicht immer alles so schön, aber ist es das hier bei uns? Wer sich richtig infor- miert, in Kuba aufpasst und nicht jedem sofort vertraut, der wird das Land nicht nur aus der touristischen Perspektive, sondern auch von innen heraus schätzen lernen. Informationen zum Thema Ausland- studium erhält man im Institut bei Dr. Golo Föllmer (foellmer@medienkomm.uni- halle.de) und im studentischen Auslandsamt der Martin-Luther-Universität. Die Idee eines Auslandsaufenthaltes hatte ich schon zu Beginn meines Studiums: andere Kursinhalte kennen lernen, eine fremde Kultur erleben, die Sprache aufbessern und viele Erfahrungen sammeln. Eine sorgfältige Planung vorab erleichtert natürlich den Start im Ausland. Dennoch gerät man immer wieder in Situationen, über die man vorher weder gelesen noch gehört hat. Zwischen kubanischer Salsa und karibischer Hitze Studienaufenthalt in Kuba Über den Rand geschaut Unseren Komfort schätzen gelernt 25 Kritische Seite Studenten der ganzen Republik gingen in der Vorweihnachtszeit auf die Bar- rikaden ­ die Studentenproteste im letzten Wintersemester provozierten, strapa- zierten und rüttelten wach. Denn zu kritisieren gibt es hochschulpolitisch reich- lich. Neben Beschlüssen zu Kürzungen, Schließungen und Gebühren sorgte auch nebenstehendes Interview der Mitteldeutschen Zeitung mit Prof. Viehoff vom 11.12.2003 für Diskussion. Nach der Senatssitzung vom 25. Mai muss die Martin-Luther-Universität Spar- maßnahmen in Höhe von 14,7 Millionen Euro ergreifen, von denen fast alle Fachbe- reiche betroffen sein werden. Noch geben die Pläne dem MuK-Institut jedoch wenig Grund zur Sorge: Die zweite sprachwissenschaftliche Professur der Germanistik soll an uns abgegeben und zur Profilierung und Schwerpunktbildung der Medien- und Kommunikationswissenschaften genutzt werden. Wie sich unser Institut in Rotstift-Zeiten verhält, kommentieren die MuK-Stu- dierenden Barbara Uhle und Felix Knothe auf den folgenden Seiten. Sie sagen, wa- rum auch MuK-Studenten Grund zum Protestieren haben, wie abhängig unser Lehr- angebot von äußeren Faktoren ist und warum Prof. Viehoffs Interview mit der MZ den Studentenprotesten hinderlich war. Das Land protestiert Hochschulpolitik: Es geht weiter Halle im November 2003: Im Rahmen der Streikwoche tragen Studenten ,,die Bildung zu Grabe". Dagegen!Dagegen!Dagegen!Dagegen!Dagegen! Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 11.12.2003 26 Wo ich mich bei den halleschen Protestaktionen engagiert habe: Während der Streikwoche im Winter- semester habe ich mit anderen die Protestaktionen der Musik- wissenschaftler koordiniert und auf der Leipziger Straße mit Oboespielen um ,,Geld für die Bildung gebettelt." Wogegen sich meine Proteste rich- ten: Erst in zweiter Linie gegen die Studien- gebühren, auch wenn ich die nicht in Ordnung finde.Am Herzen liegt mir der Erhalt von Sprachenzentrum, Unisport- zentrum und der Fächervielfalt - eben auch von ,,Orchideenfächern" wie beispielsweise Indologie. Struktur- reformen sind notwendig, aber nicht mit willkürlichen Kürzungen. Muss nicht irgendwo gespart wer- den? Das kann ich schlecht einschätzen, aber das ,,Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen" ist zum Gerede geworden. Wahrscheinlich wird auch irgendwo Geld verschwendet, aber die geplanten Kür- zungen, Stellenstreichungen und Schließungen sind ein Kaputt-Sparen. Was spricht gegen Studiengebühren? Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz bezeichnete Gebühren für Langzeit- studenten im Winter als Erziehungs- maßnahme. Sicher gibt es schwarze Schafe, aber Gründe für langes Studie- ren sind andere: neben dem Studium arbeiten, fehlende Seminarplätze, wei- terführendes Engagement im StuRa oder in Fachschaftsräten. Wenn alle unter Druck geraten, wird bald kein Student mehr tun, als er muss. Hatten die Proteste in Halle Wirkun- gen? Ja, die Studenten wurden aufgerüttelt und informiert, allein dafür hat es sich gelohnt. Politisch hoffe ich, dass die richtigen Leute aufhorchen, aber ein bisschen habe ich das Gefühl, dass wir sie nicht mit den Protesten erreichen. Wogegen protestieren Deutschlands Stu- dierende seit Monaten? Welche Rolle spielt das MuK-Institut der MLU Halle dabei? Zwei studentische Meinungen. Barbara Uhle, 24, Studentin MuK (10. Semester), Musikwissenschaften Dagegen!Dagegen!Dagegen!Dagegen!Dagegen! Vielfalt bewahren Ich wurde gefragt, ob ich es für wichtig halte, für die Medien- wissenschaften protestieren zu gehen: diese Frage muss ich mit ei- nem Nein beantworten. Der Grund dafür ist aber nicht, dass die Medien- wissenschaften laut Prof. Viehoffs Aussage voraussichtlich von den Kürzungen verschont bleiben werden. Auch ist der Grund dafür nicht, dass ich eventuell das Gefühl hätte, die Medienwissenschaften seien gut genug ausgestattet. Meines Erachtens gibt es auch hier (oder besonders hier) zu viele Studenten und zu wenig Dozenten. Die Räume sind zu klein und zu wenig. Auch habe ich das Gefühl, dass größere Mühe in die Forschung gesteckt wird, die über Drittmittel finanziert wird, dass aber die Lehre leider nur an zweiter Stelle steht. Ich habe mich nicht an den Studentenprotesten beteiligt, um meine Institute, an denen ich studiere vor Kürzungen oder vor dem Untergang zu retten. Ich habe mich gegen die Hochschulreformpläne gestellt, weil sie die gesamte Situation an der Universität verschlech- tern würden. Mir liegt nicht nur der Erhalt meiner eigenen Fächer am Herzen, sondern eben auch die Vielseitigkeit der Martin-Luther-Uni- versität an sich. Ich habe versucht, mich für den Erhalt aller Fächer einzusetzen, denn wie sollte man fachübergreifende Themen studie- ren, wenn es einmal keine anderen Fächer geben würde, außer z.B. Jura, Medizin, Wirtschaftswissenschaften und Medienwissenschaften. Ethnologie, Philosophie, Kunstgeschichte, Musik- und Erziehungs- wissenschaften beispielsweise, sollten für einen Medienwissenschaftler genauso zugänglich und von Interesse sein. In vielen Instituten, die nach den jetzigen Plänen verschont blei- ben sollen, spürt man oft das egoistische Denken: ,Es ist gut für mich, wenn anderswo gekürzt wird'. Einzelne Institute geraten mit dieser Einstellung kompromisslos aneinander, jeder will seinen Teil ohne Rück- sicht retten und neue Ideen gehen unter dem Finanzkampf zu Grunde. Des Weiteren habe ich das Gefühl, dass in der Öffentlichkeit nicht richtig ankam, wogegen die Studenten eigentlich protestieren. Es geht uns nicht nur um Studiengebühren und soziale Gleichberechti- gung, es geht uns um die Qualität der Lehre, um Bildungsvielfalt und Mitgestaltungs- bzw. Mitbestimmungsrecht für Studenten und das nicht nur für uns selber, sondern vor allem auch für alle, die nach uns studie- ren wollen. Barbara Uhle Kritische Seite 27 Wo ich mich bei den halleschen Protestaktionen engagiert habe: Ich habe die Proteste aus ,,READiculum"-Sicht beobachtet, bin bei Vollversammlungen und auf den De- mos, im Rahmen der Streikwoche im November auch in Magdeburg, gewe- sen. Wogegen sich meine Proteste rich- ten: Einerseits ist es wichtig, sich gegen die Ökonomisierung in allen Lebens- bereichen zu stellen.Andererseits geht es mir um eine gerechte Bildungs- landschaft, um das Menschenrecht auf Bildung und nicht nur um Ausbildung. Muss nicht irgendwo gespart wer- den? Nicht in der Bildung, die Priori- tätensetzung ist falsch. Es ist ein Ge- rücht, dass es in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit gibt, im Bildungsbereich noch weiter einzusparen. Universitä- ten, Schulen und Kindergärten sind schon jetzt nicht gut genug ausgestat- tet. Was spricht gegen Studien- gebühren? Das Menschenrecht auf Bildung! Jedem Bürger muss in jeder Phase seines Lebens kostenloser Zugang zu Bildung gegeben werden. Gebühren für Langzeitstudenten werden viele Ab- brecher produzieren und der Verwaltungsaufwand wird höher sein als die Einnahmen. Außerdem öffnen sie die Tür für allgemeine Studien- gebühren - die eine Kundenmentalität bei den Studierenden hervorrufen wer- den. Hatten die Proteste in Halle Wirkun- gen? Jein. Skeptisch bin ich, was die poli- tische Ebene betrifft. Sehr wichtig ist es allerdings die Bevölkerung zu er- reichen und die Studenten wach zu rütteln, damit sich Politik langfristig ändert. Da ist viel erreicht worden. Felix Knothe, 25, Student MuK (12. Semester), Anglistik/Amerikanistik, Philosophie Zur Besinnung kommen Wenn man aus MuK-Sicht auf die Proteste des Wintersemesters zurückblickt, mag man auf den ersten Blick meinen, so ganz habe das ganze mit uns nichts zu tun gehabt. Zumal man im jüngsten Streichkonzert mal wieder gut wegzukommen scheint. Also war auch die Beteiligung von MuK-Studierenden am Protest eher niedrig und wird es wohl auch diesmal sein. Doch beschäftigt man sich mit zen- tralen Forderungen der Studierenden und zieht einen Vergleich zu MuK, wird man stutzig. Denn so sehr MuK auf dem Weg ist, Teil der schönen neuen Uni-Welt zu werden, so sehr besteht auch Anlass die- sen Prozess kritisch zu betrachten. So sind zur Zeit zum Beispiel etliche Stellen am Institut lediglich drittmittelfinanziert, was bedeutet, dass auch das Lehran- gebot zu einem erheblichen Teil davon abhängig ist, inwieweit diese Projekte verlängert werden können. Von einer nachhaltigen Aus- finanzierung eines breiten und hochwertigen Angebotes über origi- näre Hochschulmittel ist MuK weit entfernt. Darüber hinaus geht der Ausbau von MuK mittlerweile ausschließlich auf Kosten anderer Be- reiche an Fachbereich und Universität. Noch viel nachdenklicher sollte allerdings die betriebene Elitisierung der MuK machen. Vorselektion durch Professoren, Ein- gangstests für Seminare, Masterstudiengänge mit Studiengebühr, strategische Allianz mit Mitteldeutscher Zeitung ­ genau das ist Aus- prägung der Tendenz, gegen die gerade protestiert wurde. Sie be- fördert Kunden- und Ellenbogenmentalität bei den Studierenden und verhindert eine Demokratisierung von Hochschule und Studium, be- hindert freie und kritische Wissenschaft und ist im Endeffekt das Ende der universitären Idee. Denn wenn Finanzknappheit im Verteilungskampf untereinander endet - anstatt im gemeinsamen Kampf gegen verfehlte Bildungspolitik - bleibt nicht nur die Solidari- tät auf der Strecke. Ein ,,Center of Excellence" namens MuK nützt nur noch einem Schmalspurbachelor, und der Professor thront über allem. Die Frage stellt sich natürlich, inwieweit das von heutigen Studierenden noch als Problem gesehen wird. Ein großes Problem ist es, wenn Hochschule nur auf Professo- ren reduziert wird. So konkret geschehen, natürlich, wenn schon die Studierenden nichts zu sagen haben, in MuK. Professor Viehoffs Einzel- meinung, Halle auf Kosten von Magdeburg auszubauen, geäußert in präziser zeitlicher Koinzidenz mit den größten Studierendenprotesten in der Geschichte des Landes, lanciert mit freundlicher Unterstüt- zung der MZ, war an Kontraproduktivität nicht zu überbieten. Ob aus Naivität oder kühler Berechnung, ob von den Medien benutzt oder sie gekonnt benutzend, dieses Interview erwies nicht nur den protestierenden Studierenden einen Bärendienst, sondern auch der von ihnen angestrebten öffentlichen Debatte über BILDUNG AN SICH. Das Thema Halle-Magdeburg ging besser, Viehoff wurde von allen Seiten (Uni, Ministerpräsident, Studierende) grandios abgebügelt, und nichts war gewonnen. Eine (politische) Besinnung auf die stu- dentische Identität in der freien Wissenschaft ist daher auf jeden Fall dringend nötig, und auch Professoren sollten sich fragen, inwie- weit sie Tendenzen Vorschub leisten, die sie hinterher gar nicht ge- wollt haben wollen. Felix Knothe Kritische Seite 28 Der kleine MuK Kochrezept Heute: die perfekte Hausarbeit Man nehme eine große Schüssel und gebe ein großes Stück interessantes Thema hinein. Danach schütte man mehrere Tassen schlafloser Nächte sowie konstante Konzentra- tionsfähigkeit dazu. Das Ganze schon mal kräftig umrühren und mit einer Prise Ehrgeiz würzen. Anschließend das zusammengesuchte Material klein geschnitten hinzugeben. Aber Vorsicht, keine Plagiatswurst verwenden, sonst gibt es einen bitteren Nachgeschmack. Nach und nach dann schließlich teelöffelweise ein paar Schweißtropfen aus der Nervenüberlastung dazugeben. Ab und zu abschmecken, um den Stand der Dinge zu kontrollieren und eventuell die Geschmackskomposition zu verbessern. Kurz vor dem Ziel bloß nicht aufgeben, alles mit großer Überlegung verkneten, und fertig! Jetzt nur noch ca. zwei Tage schmoren lassen und nach der Frist wohlüberlegt durchkauen. Perfekt ­ oder etwa nicht? YT Bunte Seite 29 Rückblick: 01.04.2004. Endlich wieder ein neues Semes- ter! Endlich wieder Einschrei- bung! Damit endlich auch wieder mitten in der Nacht aufstehen und um Seminarplätze quetschen, drängeln, schlagen ­ ... dachten wir! Denn was durften unsere Augen schon eine Woche vorher lesen: ein neuer Einschreibe- modus!? Per Computer? Endlich wird alles besser! Endlich gibt es keinen Kampf der Ellenbogen mehr, keine blauen Flecke und zersauste Haare nach nur fünf Minuten im Raum! Nach objekti- ven Kriterien sollten von nun an die Seminarplätze optimal und fair verteilt werden. Prima! Dann bekommt sicher jeder MuK-Stu- dent die Seminare, die er wirk- lich belegen will. Zumindest dach- ten wir das, musste man sich doch schon auf vier Wunschseminare beschränken. Zur Not sollte es noch zwei Ersatzmöglichkeiten geben. Wunderbar. Doch dann die Listen. Die Suche im Nummernchaos begann. Und jeder fand seine Matrikel- nummer genau da wieder, wo er sie finden wollte. Na ja, fast je- der. Okay, die meisten. Manche. Zugegeben, einige wenige. Letztlich hatte kaum ein Student das Glück, all seine Wunsch- seminare auch tatsächlich bele- gen zu können. Pech gehabt, wer da als MuK-Hauptfachler eben nur drei oder gar zwei der gewünsch- ten Plätze bekam. Manch einer ging vielleicht nur mit Ersatz- seminaren nach Hause. Rückblickend bleibt fest- zustellen: Es war ein Fehler, an Wunder zu glauben. Uns hätte von Anfang an klar sein müssen, dass der neue Modus nicht die Lösung aller bisherigen Einschreibungs- probleme mit sich bringen wür- de, auch wenn wir dies noch so sehr gehofft hatten. Das Verhält- nis derAnzahl von Lehrenden und Studierenden stimmt einfach nicht, die Uni hat kein Geld. Daran kann wohl im Moment nichts und niemand etwas ändern. Dazu der Ausfall fast aller Seminare von Herrn Dr. Föllmer ­ da mussten wir eben zurückstecken. Nachdem in den ver- gangenen Semestern dieAuswahl- kriterien bereits mehrfach modi- fiziert wurden, war die komplet- te Änderung der Einschreibe- prozedur wohl der größte und überraschendste Schritt. Doch auch diese Innovation hat ihre Tücken: nach welchen Kriterien wird denn nun eigentlich ausge- wählt, wer in welches Seminar kommt und wer nicht? Wir als Studierende wissen es nicht, doch wir würden es gern wissen. Et- was mehr Transparenz kann da sicher nicht schaden. Ziemlich überraschend war außerdem der freiwillige Verzicht einiger weniger Studierender auf einige der so heiß begehrten Seminarplätze. In diesen Fällen war es auch nicht weiter schlimm, dass die meisten von ihnen ihren ,,Rücktritt" nicht auf den Teil- nehmerlisten kenntlich machten. Nicht dass es so war, dass ande- re Kommilitonen nur auf ein sol- ches Zeichen gewartet und gern die freien Plätze genommen hät- ten. Vielleicht sollten die ,,Rück- zieher" zukünftig schon vor der Einschreibung gründlicher darüber nachdenken, welche Seminare sie wirklich belegen wollen. Dass die neue Prozedur nicht ohne Fehler verlief, wissen letztlich alle Beteiligten. Wir dür- fen nun gespannt sein, was uns im Oktober erwartet... Lass dich überraschen... Alles wird besser! ­ Dachten wir das wirklich? Andrea Hammer über den neuen Einschreibemodus Widder (21.03. ­ 20.04.) Du sprühst vor Elan. Nimm doch auf dem Weg zum Institut lieber die Treppe als den Fahrstuhl und schon findest du Verwendung für deine ungenutzte Energie. Stier (21.04. ­ 20.05.) Der Kopierer hängt wieder? Das sture Drücken der Copy-Taste und dein wütendes Schnauben bewirken gar nichts, beachte lieber die Fehlermeldung. Zwilling (21.05. - 21.06.) Du bist ein äußerst geselliger Typ. Gehe trotzdem nicht nur auf Partys, auch in Semina- ren kannst du dich mit anderen austauschen. Krebs (22.06. ­ 22.07.) Zwar ist gegen deine Fürsorglichkeit überhaupt nichts einzuwenden, lenke diese aber lieber auf deine Mitmenschen als auf dein Handy. Löwe (23.07. ­ 23.08.) Du stehst nur allzu gern im Mittelpunkt und drängst dich immer wieder vor die Kamera. Als Kameramann hast du dort allerdings nichts zu suchen. Jungfrau (24.08. ­ 23.09.) Deinen Perfektionismus in Ehren, aber du musst nicht jeden Schusselfehler auf die Goldwaage legen. Schließlich ist das hier die Erstausgabe. Waage (24.09. ­ 23.10.) Der Streit um den optimalen Schnitt beim Filmprojekt hat dich aus dem Gleichgewicht geworfen, stelle deine innere Ausgeglichenheit wieder her. Skorpion (24.10. ­ 22.11.) Du gehst den Dingen gern auf den Grund. Aber was nützt dir ein in Einzelteile zerlegter PC, den du nicht mehr zum Laufen bringst? Schütze (23.11. ­ 21.12.) Dein Weitblick ist bemerkenswert, konzentriere dich jedoch lieber auf das nächste Referat anstatt an die Magisterarbeit zu denken. Steinbock (22.12. ­ 20.01.) Gegen deinen Realitätssinn und deine Boden- ständigkeit ist nichts einzuwenden, doch etwas mehr Phantasie würde deinem Feature gut tun. Wassermann (21.01. ­ 19.02.) Als Moderator kannst du deine Einzigartigkeit darstellen, aber in den Redaktionssitzungen ist mehr Teamgeist gefragt. Fische (20.02. ­ 20.03.) Es kam dir gelegen, dass die vergangene Einschreibung ruhiger als gewohnt verlief. Aber wer weiß schon, was dich beim nächsten Mal erwartet. SK Horoskop Bunte Seite KOMMENTAR Von Dagmar Röller Während seiner Studienzeit arbeitete Thomas Wilke als Diskjockey, legte beispielsweise in der Palette und dem Capitol auf. Die Arbeit als DJ heute kennt er, doch interessierte ihn auch, welche Funktion der Plattenaufleger im Sozialismus hatte. Im Sommersemester 2002 machte Wilke sein Hobby zum Inhalt seiner Magisterarbeit. ,,Der Diskjockey in der DDR. Geschichte, Kultur und Konflikte" heißt dieAbhandlung, in der er sich auf theoretische Weise mit dem DJ ausein- andersetzt. ,,Das halbe Jahr, das für die Arbeit kon- zipiert war, habe ich durchaus gebraucht", sagt Wilke, ,,aber mein Thema hat sich ja vorher schon ergeben." Eigene praktische Erfahrung aus der Zeit vor der Wende hat der heute 28-Jährige zwar nicht, allerdings erlern- te er damals das Handwerkszeug. In einem Plauener Freizeithaus belegte er einen Ein- führungskurs, der zu DDR-Zeiten für jeden zukünftigen DJ obligatorisch war. ,,In meiner Magisterarbeit geht es zum Beispiel um Kommunikation in der DDR-Dis- kothek und die Rolle des DJs in der Gesell- schaft der DDR." Dies sei eine besondere Rolle gewesen, weil der Diskjockey in der DDR nicht wie heute den ganzen Abend lang ausschließ- lich Titel miteinander mischte, sondern auch zwischen den Liedern moderier- te. Literatur und wissenschaft- liche Arbeiten gibt es zum Thema relativ wenig. So las Wilke Geset- zestexte, vor allem aber recher- chierte er in vier zeitgenössischen Zeitschriften. ,,Neues Leben" ist eine dieser Publikationen, von der er alle zwischen 1969 und 1989 erschienenen Ausgaben nach rele- vanten Artikeln durchsuchte. Die Berichter- stattung, so Wilke, zeichnete ein sehr deut- liches Bild ab. ,,Es war klar nachvollziehbar, wie sich die Rolle des DJs im untersuchten Zeitraum entwickelt hatte." Neben der Zeitschriftenrecherche führte er Interviews mit ehemaligen DJs durch und fragte zum Beispiel nach Problemen bei der Musik- beschaffung und dem Verhältnis zum Publi- kum. Viele Aussagen in seiner Arbeit seien erst durch die Erinnerungen damaliger Disk- jockeys möglich geworden. Um sich nicht zu verzetteln, arbeitete Thomas Wilke nach einem straffen Plan. ,,Ich setzte mir einen festen Termin, zu dem alle Interviews vorliegen sollten. Mal schrieb ich Zum Abschluss ein halbes Jahr Einsamkeit Die Magisterarbeit: Finale des Studiums. Der Hallenser Thomas Wilke schrieb über den Diskjockey in der DDR. drei, mal eine Seite am Tag, aber durch mei- nen Plan wusste ich immer genau, wo ich mich inhaltlich befand und wie viel Zeit mir noch blieb", erinnert sich der ehemalige MuK-Stu- dent. Und gerade am Ende kam es nicht ver- mehrt zu Nachtschich- ten? Wilke verneint dies, hatte er doch gut geplant und noch ei- nen Monat für die Kor- rektur freigehalten. Während der Sprechzeiten und per E-Mail stand er im Kon- takt mit seinen Betreuern Prof. Dr. Reinhold Viehoff und Dr. Cordula Günther, mit denen er unter anderem methodische Probleme be- sprach. Für Thomas Wilke sei dieser Aus- tausch sehr wichtig gewesen, denn das Be- sprechen verschiedener Stadien hätte gehol- fen, logische Unklarheiten zu beseitigen. ,,Es ist ein einsamer Prozess", resü- miert Thomas Wilke das Schreiben seiner 120-seitigen Magisterarbeit, zu der darüber hinaus ein noch umfangreicherer Anhang ge- hört. ,,Du verbeißt dich in ein Thema und denkst, keiner kann dir helfen, weil du dich besser auskennst." Seinen Wissensstand baut Wilke gerade weiter aus: Das Konstruieren eines theoretischen Modells für die Diskothek sowie empirische Forschungen dazu beglei- ten seinen Weg zur Dissertation. ,,Du verbeißt dich in ein Thema und denkst, keiner kann dir helfen." Durch seinen festen Zeitplan wurde Thomas Wilkes Magisterarbeit pünktlich fertig. Magisterarbeiten Bisherige Magisterarbeiten am MuK-Institut: Andrea Cramer (SS 02): US-amerikanische Nachrichtenformate: Infotainment im Jahr 2002 am Beispiel von Lokalsendern. Jenny Lehmann (SS 02): Die Anonymität der Kommunika- tion im Internet ­ Voraussetzungen, Probleme, Folgen. Anja Hutans (SS 02): Sport im Fern- sehen der DDR. Die Instrumentalisierung des Sports im Fernsehen der DDR mit dem Bei- spiel der Olympiaberichterstattung der XV. Olympischen Winterspiele Calgary 1988. Steffi Schültzke (SS 02): Familienleitbild in unterhaltenden Genres des DDR-Fernsehens. Eine Untersuchung anhand ausgewählter Beispiele. Christian Thomas (SS 02): Die Kommerzialisierung des Fußballs im Fernsehen am Beispiel der Bundesliga. André Zühlke (SS 02): Satire und Karikatur Adolf Hitlers in den Medien Fernsehen, Film und Literatur. Christine Cubasch (SS 03): Werbeagenturen als Marken. Die Übertragung des Marken- begriffs auf den deutschen Werbeagenturmarkt. Jana Endruschat (SS 03): Als randgruppen- spezifische Subkultur hin zu einer kommerzialisierten Jugendkultur am Beispiel der Punks. Juliane Fügemann (SS 03): Making of Stars. Geschichte, Rezeption, Bedeutung ­ Das Starphänomen am Beispiel von Marlene Dietrich. Claudia Müller (SS 03): Sozialrealismus im Kontemporären Britischen Film. Eine Untersuchung zur Sozialrealistischen Repräsenta- tion in Purely Belter (Mark Herman, 2000) und Billy Elliot (Stephen Daldry, 2000). Sebastian Schmidt (WS 03): Die Konstruktion des ,,Natürlichen" im Filmton. 30