C \r*f'- lín« •UO Mitarbeiter: Margarete Steffin Personen Lukullus, römischer Feldherr Der Sprecher des Totengerichts Der Totenrichter Der Lehrer, die Kurtisane, der Bäcker, das Fischweib, der Bauer - Totenschöffen - Der König, die Königin, zwei Jungfrauen mit einer Tafel, zwei Sklaven mit einem goldenen Gott, zwei Legionäre, der Koch des Lukullus, der Kirschbaumträger - Friesgestalten • Die fahle Stimme • Eine alte Frau • Die dreifältige Stimme ■ Zwei Schatten Der Ausrufer ■ Die Menge: Zwei junge Mädchen, zwei Kaufleute, zwei Frauen, zwei Plebejer, ein Kutscher ■ Chor der Soldaten - Chor der Sklaven * Kinderchor • Stimmen 89 Der Trauerzug Geräusche einer großen Volksmenge DER AUSRUFER Hört, der große Lukullus ist gestorben Der Feldherr, der den Osten erobert hat! Der sieben Könige gestürzt hat! Der unsere Stadt Rom mit Reichtümern gefüllt hat! Hinter seinem Katafalk Der von Soldaten getragen wird Gehen die angesehensten Männer des gewaltigen Rom Mit verhüllten Gesichtern, neben ihm Geht sein Philosoph und sein Advokat und vor ihm Schleppen sie einen riesigen Fries, der Seine Taten darstellt und für sein Grabmal bestimmt ist. Noch einmal Bewundert das ganze Volk sein wunderbares Leben Der Siege und der Eroberungen Und erinnert sich seines einstigen Triumphzugs. Gesang der Soldaten die den Katafalk tragen: Haltet ihn stetig, haltet ihn schulterhoch: Daß er nicht schwankt vor den tausenden Augen da Nunmehr der Herr der östlichen Erde sich Zu den Schatten begibt, habet acht, ihr, und stolpert nicht! Was ihr da tragt aus Fleisch und Metall Es beherrschte die Welt. Gesang der Sklaven die den Fries schleppen: Vorsicht ihr, stolpert nicht! Ihr, die den Fries mit dem Bild des Triumphes schleppt! Wenn auch der Schweiß euch vielleicht in die Augen lauft Laßt ja die Hand am Stein! Denkt doch, entstürzt er euch Möcht er in Staub zerfalln. DIE MENGE JUNGES MÄDCHEN Sieh den Rothelm! Nein, den Großen! ANDERES MÄDCHEN Schielt. ERSTER KAUFMANN Alle Senatoren! 9° Das Verhör des Lukullus (rg4o) ZNPEITER KAUFMANN Und auch alle Schneider! ERSTER KAUFMANN Nein, der Mann ist bis nach Indien vorgestoßen! ■ ( ZWEITER KAUFMANN Hatte aber längst schon ausgespielt. Meiner Ansicht leider. ERSTER KAUFMANN Größer als Pompejus! io Rom war ohne ihn verloren. Ungeheure Siege! ZWEITER KAUFMANN Meistens Glück! EINE FRAU is Meinen Reus Der in Asien umkam, kriege Ich durch all den Rummel nicht zurück! ERSTER KAUFMANN Durch den Mann w Machte mancher ein Vermögen. ZWEITE FRAU Meinem Bruder seiner kam auch nicht mehr heim. ERSTER KAUFMANN Jeder weiß, was Rom durch ihn gewann! =i Allein an Ruhm! ERSTE FRAU Wenn sie nicht so lögen Ginge ihnen keiner auf dem Leim. ERSTER KAUFMANN jo Heldentum Stirbt leider aus. ERSTER PLEBEJER Wann Wird man uns mit dem Gewäsch von Ruhm verschonen? )l ZWEITER PLEBEJER In Kappadozien drei Legionen Hin mit Mann und Maus! EIN KUTSCHER Kann Ich hier durch? 2 SchneĽer Ausklang 91 ZWEITE FRAU Nein, hier ist abgesperrt. ERSTER PLEBEJER Wenn wir unsre Feldherren verscharren Müssen sich die Ochsenkarren Schon gedulden. ZWEITE FRAU Meinen Pulcher haben sie vor das Gericht gezerrt; Steuerschulden. ERSTER KAUFMANN Man kann sagen Daß man ohne ihn heut Asien nicht besäße! ERSTE FRAU Hat der Thunfisch wieder aufgeschlagen? ZWEITE FRAU Auch der Käse! Das Geschrei der Menge schwillt an. DER AUSRUFER Jetzt Durchziehen sie den Triumphbogen Den die Stadt ihrem großen Sohn errichtet hat. Die Weiber heben die Kinder hoch. Die Berittenen Drängen die Reihen der Zuschauer zurück. Die Straße hinter dem Zug liegt verwaist. Zum letztenmal Hat der große Lukullus sie passiert. Der Lärm der Menge verliert sich und auch der Marschtritt des Zugs. 2 Schneller Ausklang und Rückkehr des Alltags der ausrufer Der Zug ist verschwunden. Nun Füllt die Straße sich wieder. Aus den verstopften Nebengassen Treiben die Fuhrleute ihre Ochsenkarren. Die Menge Wendet sich schwatzend ihren Verrichtungen zu. Das geschäftige Rom Geht zurück an seine Arbeit. yi Das Verhör des Lukullus (1940) 3 In den Lesebüchern kinderchor i In den Lesebüchern Stehen die Namen der großen Fetdherrn. Ihre Schlachten lernt auswendig Ihr wunderbares Leben studiert Wer ihnen nacheifert. 13 Ihnen nachzueifern Aus der Menge sich zu erheben Ist uns aufgetragen. Unsre Stadt Ist begierig, einst auch unsre Namen Auf die Tafeln der Unsterblichen zu schreiben. I! 4 Das Begräbnis der ausrufer » Draußen, an der Appischen Straße Steht ein kleiner Bau, vor zehn Jahren gemauert Bestimmt, den großen Mann Im Tod zu beherbergen. Ihm voraus ii Biegt der Haufe von Sklaven ein Der den Fries des Triumphzugs schleppt. Dann Empfängt auch ihn die kleine Rotunde Mit dem Buchsbaumgestrüpp. EINE FAHLE STIMME jo Halt, Soldaten! DER AUSRUFER Kommt eine Stimme Von jenseits der Mauer. Sie befiehlt von jetzt ab. )5 DIE FAHLE STIMME Kippt das Traggerät! Hinter diese Mauer Wird keiner getragen. Hinter diese Mauer Geht jeder selber. 4 Das Begräbnis 93 DER AUSRUFER Die Soldaten kippen das Traggerät. Der Feldherr Steht jetzt aufrecht, ein wenig unsicher. Sein Philosoph will sich ihm gesellen Einen weisen Spruch auf den Lippen. Aber... í DIE FAHLE STIMME Bleib zurück, Philosoph. Hinter dieser Mauer Beschwatzest du keinen. DER AUSRUFER Sagt die Stimme, die befiehlt hier, und <° Darauf tritt der Advokat vor Seinen Einspruch anzumelden. DIE FAHLE STIMME Abgeschlagen! DER AUSRUFER M Sagt die Stimme, die befiehlt hier. Und dem Feldherm sagt sie: DIE FAHLE STIMME Tritt jetzt in die Pforte! DER AUSRUFER '" Und der Feldherr geht zur kleinen Pforte Bleibt noch einmal stehn, sich umzuschauen Und er sieht mit ernstem Auge die Soldaten Sieht die Sklaven, die das Bildwerk schleppen Sieht den Buchsbaum, letztes Grün. Er zögert. *» Da die Halle offen steht, dringt Wind ein Von der Straße. £1« Windstoß. DIE FAHLE STIMME Nimm den Helm ab! Unsre Pfort ist niedrig. 5= DER AUSRUFER Und der Feldherr nimmt den schönen Helm ab. Und tritt ein, gebückt. Aufatmend drängen Aus der Grabstätt die Soldaten, fröhlich schwatzend. 94 Das Verhör des Lukullus (1940) í Abschied der Lebenden die soldaten i Servus, Lakalles Wir sind quitt, alter Bock! Raus aus dem Beinhaus! Einen heben! Ruhm ist nicht alles 10 Man muß auch leben. Wer kommt mit? Unten am Dock Ist ein Weinhaus. Du hieltst auch nicht Schritt. 11 Ich komm mit. Verlaß dich drauf. Und wer zahlt? Sie schreiben auf. Wie er strahlt! 10 Ich geh rüber auf den Rindermarkt. Zu der kleinen Schwarzen? Du, wir kommen mit. Nein, nicht zu dritt. Hat sie schon einmal verargt. Dann >í Gehen wir zum Hunderennen. Mann Das kosť Eintritt. Nicht, wenn sie dich kennen. Ich komm mit. Also los! Ohne Tritt jo Marsch! í■ ' ■- ■ - l í 1 6 Der Empfang 95 6 Der Empfang Die fahle Stimme ist die Stimme des Türhüters des Schattenreichs. Sie erzählt jetzt weiter. DIE FAHLE STIMME Seit der Neue eingetreten ist Steht er neben der Tür, unbeweglich, den Helm unter dem Arm Sein eigenes Standbild. Die anderen Toten, die neu gekommen sind Hocken auf der Bank und warten Wie sie gewartet haben dereinst viele Male Auf das Glück und auf den Tod: In der Schenke, bis sie ihren Wein erhielten Und am Brunnen, bis die Geliebte kam Und im Gehölz, in der Schlacht, bis der Befehl gegeben wurd. Doch der Neue Scheint das Warten nicht gelernt zu haben. lükullüs plötzlich: Was, bei Jupiter Soll das bedeuten? Ich stehe und warte hier! Noch schallt Rom, die größte Stadt der Erdkugel, wider Von der Trauer um mich und hier Ist niemand, der mich empfängt! Vor meinem Kriegszelt Haben sieben Könige auf mich gewartet! Ist hier keine Ordnung? Stille. Ich befehle, daß man mich von hier geleitet! Stille. Soll ich hier bei diesem Volk stehn? Stiüe. Ich beschwere mich. Zweihundert Schiffe Eisengepanzen, fünf Legionen Stießen vor auf meines kleinen Fingers Wink einst. Ich beschwere mich. Stille. $6 Das Verhör des Lukullus (1940) STIMME EINER WARTENDEN ALTEN FRAU Setz dich nieder, Neuer. Das viele Metall, das du schleppst, der schwere Helm Und das Brustschild müssen dich doch müde machen. , Also setz dich. Lukullus schweigt. DIE ALTE FRAU Sei nicht trotzig. So lang, als du hier warten mußt Kannst du nicht stehen. Vor dir bin noch ich dran. m Wie lang ein Verhör drinnen dauert, kann man nicht sagen. Es ist auch verständlich, daß die Prüfung genau gemacht wird Jedes einzelnen, ob er verurteilt wird In den finsteren Hades einzugehen oder rS In die Gefilde der Seligen. Manchmal Ist die Prüfung ganz kurz. Den Richtern genügt ein Blick. Dieser da, sagen sie Hat ein unschuldiges Leben geführt und es vermocht Seinen Mitmenschen zu nützen, denn auf den Nutzen io eines Menschen Geben sie das meiste. Bitte, sagen sie zu ihm Geh dich ausruhn. Freilich bei anderen Dauert das Verhör ganze Tage, besonders bei denen Die hierherunter in das Reich der Schatten u Einen schickten bevor seines Lebens Zugemessene Zeit verlaufen war. Der jetzt grad drinnen ist Wird kaum lang brauchen. Ein kleiner Bäcker ohne Arg. Was mich betrifft Bin ich etwas besorgt, jedoch hoffe ich darauf jo Daß unter den Geschworenen drinnen wie ich höre Kleine Leute sind, die ganz genau wissen Wie schwer für unsereinen in den kriegerischen Zeiten das Leben ist. Ich rate dir, Neuer... 3 j Eine dreifaltige Stimme unterbricht sie. DIE DREIFALTIGE STIMME Tertullia! DIE FAHLE STIMME Der Neue ist verstockt an der Pforte gestanden 7 Wahl des Fürsprechers 97 Aber die Last seiner Ehrenzeichen Sein eigenes Gebrüll Und die freundlichen Worte der Alten haben ihn geändert. Er sieht sich um, ob er wirklich allein ist, jetzt Geht er doch auf die Bank zu. Aber bevor er sich setzen % kann Wird er gerufen werden. Den Richtern genügte Bei der Alten ein Blick. DIE DREIFALTIGE STIMME Lakalles! m LUKULLUS Ich heiße Lukullus! Wißt ihr hier meinen Namen nicht? Ich bin aus einem berühmten Geschlecht Von Staatsmännern und Feldherrn. Nur in den Vorstädten Den Docks und Soldatenkneipen, in den ungewaschenen i( Mäulern Der Ungebildeten und des Abschaums Heißt mein Name Lakalles. DIE DREIFALTIGE STIMME Lakalles! » DIE FAHLE STIMME Und so mehrmals aufgerufen In der verachteten Sprache der Vorstädte Meldet sich Lukullus, der Feldherr Der den Osten erobert hat 11 Der sieben Könige gestürzt hat Der die Stadt Rom mit Reichtümern gefüllt hat Zu der abendlichen Zeit, da Rom sich über den Gräbern zum Essen setzt Vor dem Höchsten Gericht des Schattenreichs. )0 7 Wahl des Fürsprechers der sprecher des totengerichts !i Vor dem Höchsten Gericht des Schattenreichs Erscheint der Feldherr Lakalles, der sich Lukullus nennt. Unter dem Vorsitz des Totenrichters Führen fünf Schöffen die Untersuchung 98 Das Verhör des Lukullus (1940) Einer einst ein Bauer Einer einst ein Sklave, der Lehrer war Eine einst ein Fischweib Einer einst ein Bäcker ! Eine einst eine Kurtisane. Sie sitzen auf einem hohen Gestühl Ohne Hände, zu nehmen und ohne Münder, zu essen Unempfindlich für Glanz die lange erloschenen Augen Unbestechliche, sie, die Ahnen der Nachwelt. 10 Der Totenrichter beginnt das Verhör. DER TOTENRICHTER Schatte, du sollst verhört werden. Du sollst Rechenschaft ablegen über dein Leben unter den Menschen, u Ob du ihnen genützt, ob du ihnen geschadet hast Ob man dein Gesicht sehen will In den Gefilden der Seligen. Du brauchst einen Fürsprecher. Hast du einen Fürsprecher in den Gefilden der Seligen ? » LUKULLUS Ich beantrage, daß der große Alexander von Makedemon gerufen wird. Daß er zu euch spricht als Sachverständiger Über Taten wie die meinen. 1, die Dreifaltice stimme ruft in den Gefilden der Seligen am: Alexander von Makedemon! Schweigen. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Der Gerufene meldet sich nicht. ja DIE DREIFALTIGE STIMME In den Gefilden der Seligen Ist kein Alexander von Makedemon. DER TOTENRICHTER Schatte, dein Sachverständiger u Ist unbekannt in den Gefilden der Seligen. LUKULLUS Was? Der ganz Asien eroberte bis zum Indus Der Unvergeßliche Der seinen Schuh unverkennbar dem Erdball eindrückte Der gewaltige Alexander! 8 Herbeischaffen des Frieses 99 DER TOTENRICHTER Ist nicht bekannt hier. Sülle. LUKULLUS Dann beantrage ich s Daß der Fries zu meinem Grabmal Auf dem mein Triumphzug dargestellt ist, geholt wird. Aber wie Soll er geholt werden? Ihn schleppen Sklaven. Sicher Ist den Lebenden hier ,„ Der Zutritt verwehrt. DER TOTENRICHTER Nicht den Sklaven. Sie Trennt nur so weniges von den Toten. Von ihnen kann man sagen 1 í Daß sie nur beinahe leben. Der Schritt von der Welt oben Herab in das Schattenreich Ist für sie nur ein kleiner. Der Fries soll gebracht werden. 30 8 Herbeischaffen des Frieses die fahle stimme Immer noch verharren seine Sklaven >i An der Mauer, ungewiß. Wohin mit dem Fries? Bis eine Stimme Plötzlich durch die Mauer spricht: DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Kommt! i° DIE FAHLE STIMME Und sie schleppen Durch dies eine Wort verwandelt Nun zu Schatten, ihre Bürde Durch die Mauer mit dem Buchsbaum. » CHOR DER SKLAVEN Aus dem Leben in den Tod Schleppen wir die Bürde ohne Weigrung. Lange schon war unsre Zeit nicht unsre loo Das Verhör des Lukullus (1940) Unsres Weges Ziel uns unbekannt. Also folgen wir der neuen Stimme Wie den alten. Warum fragen? Lassen nichts zurück, erwarten nichts. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und so geh n sie durch die Mauer Denn die nichts zurückhält, hält auch Diese Mauer nicht zurück. Und sie stellen ihre Bürde Vor das Oberste Gericht der Schatten Jenen Fries mit dem Triumphzug. Ihr Totenschöffen, betrachtet ihn: Einen gefangenen König, traurig blickend Eine fremdäugige Königin mit koketten Schenkeln Einen Mann mit einem Kirschbäumchen, eine Kirsche verzehrend Einen goldenen Gott, von zwei Sklaven getragen, sehr dick Zwei Jungfraun mit einer Tafel, darauf die Namen von 53 Städten Einen sterbenden Legionär, seinen Feldherrn grüßend Einen Koch mit einem Fisch. DER TOTENRICHTER Sind das deine Zeugen, Schatte? LUKULLUS Das sind sie. Aber wie Sollen sie reden? Sie sind Steine, sie sind stumm. DER TOTENRICHTER Nicht für uns. Sie werden reden. Seid ihr bereit, ihr Gestalten Ihr steinernen Schatten Hier Zeugnis zu geben? CHOR DER FRIESGESTALTEN Wir Bilder, bestimmt einst, im Lichte zu bleiben Die steinernen Schatten versunkener Opfer Um oben zu reden und oben zu schweigen Wir Bilder, bestimmt einst, die Niedergeworfnen Des Atems Beraubten, Verstummten, Vergessnen Im Auftrag des Siegers im Licht zu vertreten Sind wilÜg zu schweigen und willig zu reden. 9 Das Verhör 101 DER TOTENRICHTER Schatte, die Zeugen deiner Größe Sind bereit, uns zu berichten. 9 Das Verhör DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und der Feldherr tritt vor und zeigt auf den König. LUKULLUS io Hier seht ihr einen, den ich besiegt habe. In den wenigen Tagen zwischen Neumond und vollem Mond Habe ich sein Heer geschlagen mit all seinen Streitwagen und Panzerreitern, if In diesen wenigen Tagen Ist sein Reich zerfallen, wie eine Hütte, in die der Blitz fährt. Als ich auftauchte an seiner Grenze, begann er die Flucht Und die wenigen Tage des Kriegs Langten kaum aus für uns beide 20 Die andere Grenze seines Reiches zu erreichen. So kurz dauerte der Feldzug, daß ein Schinken Den mein Koch im Rauch mir aufhing Noch nicht durchgeräuchert war, als ich zurückkam. Und von sieben, die ich schlug, war der nur einer. i( DER TOTENRICHTER Ist das wahr, König? DER KÖNIG Es ist wahr. DER TOTENRICHTER jo Eure Fragen, Schöffen! DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und der Schatte Sklave, der einst Lehrer war Beugt sich finster vor und fragt; DER LEHRER ii Und wie kam es? DER KÖNIG Wie er sagt: wir wurden überfallen. Der Bauer, der sein Heu auflud I02 Das Verhör des Lukullus (1940) Stand noch mit erhobener Gabel und schon Wurde sein Wagen, der kaum vollgeladene Ihm weggefahren. Noch war des Bäckers Brotlaib nicht gebacken 5 Als schon fremde Hände nach ihm griffen. Alles, was er euch sagt Über den Blitz, der in eine Hütte fuhr, ist wahr. Die Hütte Ist zerstört. Hier Steht der Blitz. w DER LEHRER Und von sieben warst du... DER KÖNIG Nur einer. DEK SPRECHER DES TOTENGERICHTS .< Und es wird still. Die Totenschöffen bedenken Das Zeugnis des Königs. Stille. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und der Schatte, der einst Kurtisane war w Stellt eine Frage: DIE KURTISANE Du don, Königin Wie kamst du hierher? DIE KÖNIGIN Als ich einst in Taurion ging Früh am Tag zum Baden Stiegen vom Olivenhang Fünfzig fremde Männer, jo Haben mich besieget. Hatt als Waffe einen Schwamm Als Versteck klar Wasser Nur ihr Panzer schützte mich it Und nicht allzu lange. Wurde schnell besieget. DIE KURTISANE Und warum gehst du nun hier im Zug? 9 Das Verhör 103 DIE KÖNIGIN Ach, den Sieg zu zeigen. DIE KURTISANE Welchen Sieg, den über dich? DIE KÖNIGIN Und das schöne Taurion. DIE KURTISANE Und was nannte er Triumph? DIE KÖNIGIN Daß der König, mein Gemahl Nicht mit seinem ganzen Heer Seine Habe schützen konnte Vor dem ungeheuren Rom. DIE KURTISANE Schwester, dann ist unser Los das gleiche. Denn auch mich Könnt das ungeheure Rom Vor dem ungeheuren Rom nicht schützen. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und es wird still. Die Totenschöffen bedenken Das Zeugnis der Königin. Stille. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und der Totenrichter wendet sich zum Feldherrn. DER TOTENRICHTER Schatte, wünschst du fortzufahren? LUKULLUS Ja. Ich merke wohl, die Geschlagenen Haben eine süße Stimme. Jedoch Einst war sie rauher. Dieser König da Der euer Mitleid fängt, als er noch oben war War besonders grausam. An Zinsen und Steuern Nahm er nicht weniger als ich. Die Städte, die ich ihm entriß Verloren nichts an ihm, aber Rom gewann S3 Städte durch mich. die Jungfrauen mít der Tafel: Mit Straßen und Menschen und Häusern Tempel und Wasserwerk Standen wir in der Landschaft, heute Stehen nur noch unsre Namen auf dieser Tafel. 104 Das Verhör des Lukullus (I94o) DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und der Schatte Schöffe, der einst Bäcker war Beugt sich finster vor.und fragt: DER BÄCKER t Warum das? DIE JUNGFRAUEN Eines Mittags brach da ein Getöse los In die Straßen schwemmte da ein Fluß Der hatte menschliche Wellen und trug ro Unsre Habe hinweg. Am Abend Zeigte nur noch eine Säule Rauch Daß an dem Ort einst eine Stadt war. DER BÄCKER Was dann [j Führte er weg, der den Fluß schickte und sagt Daß erden Römern 53 Städte gab! DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und die Sklaven, die den goldenen Gott schleppen Fangen an zu zittern und schreien: 10 DIE SKLAVEN Uns! Glückliche einst, nun billiger als Ochsen Die Beute zu schleppen, selber Beute! DIE JUNGFRAUEN ;t Einst die Erbauer Von J3 Städten, von denen nur Name und Rauch blieb! LUKULLUS Ja, ich trieb sie weg. Es waren jo Zweimalhundertfünfzigtausend. Einstmals Feinde, doch jetzt nicht mehr Feinde! DIE SKLAVEN Einstmals Menschen, doch Jetzt nicht mehr Menschen! LUKULLUS ;i Und mit ihnen trieb ich ihren Gott weg Also daß der Erdkreis unsre Götter Größer sah als alle andern Götter. DIE SKLAVEN Und der Gott war hochwillkommen ro Rom 105 Denn er war aus Gold und wog zwei Zentner. Und auch wir sind jeder ein Stück Gold wert Von der Größe eines Fingerknochens. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und der Totenschöffe, der einst Bäcker war In Marsilia, der Stadt am Meer Beugt sich vor und sagt gelassen: DER BÄCKER Also schreiben wir zu deinen Gunsten, Schatte Einfach nieder: brachte Gold nach Rom. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und es wird still. Die Totenschöffen bedenken Das Zeugnis der Städte. Stille. DER TOTENRICHTER Der Verhörte scheint müde. Ich mache eine Pause. 10 Rom der sprecher des totengerichts Und die Richter entfernen sich. Der Verhörte setzt sich nieder. Am Türpfosten kauert er, den Kopf zurückgelehnt. Er ist erschöpft, aber er hört ein Gespräch hinter der Tür an Wo neue Schatten erschienen sind. EIN SCHATTE Ich kam zu Schaden durch einen Ochsenkarren. LUKULLUS leise: Ochsen karren. DER SCHATTE Er brachte noch eine Ladung Sand zu einer Baustelle. LUKULLUS leise: Baustelle. Sand. ANDERER SCHATTE Ist jetzt nicht Essenszeit? DER ERSTE SCHATTE Essenszeit? Mein Brot und meine Zwiebel ioé Das Verhör des Lukullus (1940) Hatte ich bei mir. Ich habe kein Zimmer mehr. Die Unzahl von Sklaven Die sie aus allen Himmelsgegenden hereintreiben Haben das Schustergewerbe ruiniert. i DER ZWEITE SCHATTE Auch ich war Sklave. Sagen wir: die Glücklichen Kommen durch die Unglücklichen ins Unglück. lukullus etwas lauter: Ihr da, geht der Wind noch droben? re DER ZWEITE SCHATTE Horch, da fragt jemand was! DER ERSTE SCHATTE laut: Ob Wind geht oben? Vielleicht. Mag sein in den Garten. In den stickigen Gassen 15 Ist er nicht zu bemerken. 11 Das Verhör wird fortgesetzt so der sprecher des totengerichts Und die Schöffen kehren zurück. Das Verhör beginnt wieder. Und der Schatte, der einst Fischweib war Sagt: i i DAS FISCH WEIB Da war von Gold die Rede. Ich lebte auch in Rom. Doch ich habe nichts bemerkt von Gold da, wo ich lebte. Wüßte gern, wo's hinkam. LUKULLUS ja Welche Frage! Sollte ich mit meinen Legionen Ausziehn, einem Fischweib Einen neuen Schemel zu erbeuten? DAS FISCH WEIB jí Brachtest du uns so nichts auf den Fischmarkt Holtest du dir doch vom Fischmarkt etwas: unsre Söhne. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und die Schöffin Spricht den Krieger auf dem Fries an: 11 Das Verhör wird fortgesetzt 107 DAS FISCHWEIB Sagt, was trieb er mit euch in den beiden Asien? DER ERSTE KRIEGER Ich entrann. DER ZWEITE KRIEGER Und ich wurde verwundet. DER ERSTE KRIEGER Ich schleppte ihn nach. DER ZWEITE KRIEGER Und so fiel er denn auch. DAS FISCHWEIB Warum ließest du Rom? DER ERSTE KRIEGER Ich habe gehungert. DAS FISCHWEIB Und was holtest du dort? DER ZWEITE KRIEGER Ich holte mir nichts. DAS FISCHWEIB Du streckst deine Hand aus. War's, den Feldherrn zu grüßen? DER ZWEITE KRIEGER Es war, ihm zu zeigen Daß sie immer noch leer war. LUKULLUS Ich lege Verwahrung ein. Ich beschenkte die Legionäre Nach jedem Feldzug. DAS FISCHWEIB Aber nicht die toten. LUKULLUS Ich lege Verwahrung ein. Wie sollen den Krieg beurteilen Die ihn nicht verstehen. DAS FISCHWEIB Ich verstehe ihn. Mein Sohn Ist im Krieg gefallen. Ich war Fischweib auf dem Markt am Forum. Eines Tages hieß es, daß die Schiffe io8 Das Verhör des Lukullus (1940) Der Zurückgekommnen aus dem Asienkriege Eingelaufen sein. Ich lief vom Markte Und ich stand am Tiber viele Stunden Wo sie ausgebootet wurden und am Abend 1 Waren alle Schiffe leer, mein Sohn war Über ihre Planken nicht gekommen. Da es zugig war am Hafen, fiel ich Nachts in Fieber und im Fieber suchte Ich nun meinen Sohn und tiefer suchend .o Fror ich mehr und dann gestorben, kam ich Hier ins Schattenreich und suchte weiter. Faber! rief ich, denn das war sein Name. Und ich lief und lief durch Schatten Und vorbei an Schatten hin zu Schatten 15 Faber! rufend, bis ein Pförtner drüben In den Lagern der im Krieg Gefallnen Mich am Ärmel einhielt und mir sagte: Alte, hier sind viele Faber. Vieler Mütter Söhne, viele, sehr vermißte 10 Doch die Namen haben sie vergessen Dienen nur, sie in das Heer zu reihen Und sind nicht mehr nötig hier. Und ihren Müttern wollen sie nicht mehr begegnen Seit die sie dem blutigen Kriege ließen. !( Und ich stand, am Ärmel eingehalten Und mein Rufen blieb mir weg im Gaumen. Schweigend kehrt ich um, denn ich begehrte nicht mehr Meinem Sohne ins Gesicht zu sehen. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS jo Und der Totenrichter sucht Die Augen der Schöffen und verkündigt: DER TOTENRICHTER Das Gericht erkennt: die Mutter Versteht den Krieg. it DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und es wird still. Die Totenschöffen bedenken Das Zeugnis der Krieger. Stille. ij Das Verhör wird fortgesetzt 109 DER TOTEN RICHTE R Doch die Schöffin ist erschüttert In der schwanken Hand mag ihr die Waage zittern. Sie benötigt Ihren Gleichmut zu gewinnen 1 Eine Pause. 12 Rom, noch einmal der sprecher des totengerichts Und wieder Setzt der Verhörte sich nieder und hört Dem Gespräch der Schatten hinter der Tür zu. Noch einmal n Dringt von oben, aus jener Welt Ein Hauch. DER ZWEITE SCHATTE Und warum liefst du so? DER ERSTE SCHATTE w Mich zu erkundigen: Es hieß, sie werben Legionäre an In den Schenken am Tiber, für den Krieg im Westen Der jetzt erobert werden soll. Das Land heißt Gallien. der zweite Schatte Nie gehört davon. >i DER ERSTE SCHATTE Diese Länder kennen nur die Großen. 13 Das Verhör ■wird fortgesetzt ä<> DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und der Richter lächelt zu der Schöffin Ruft den Prüfling und besieht ihn traurig. DER TOTENRICHTER jf Unsre Zeit entflieht. Du nützt sie nicht. Erzürne uns lieber nicht weiter mit deinen Triumphen! Hast du keine Zeugen Für irgendeine Schwache, Mensch? i lo Das Verhör des Lukullus {1940) Deine Sache steht ungünstig. Deine Tugenden Scheinen wenig nützlich, vielleicht Ließen deine Schwächen Lücken In der Kette der Gewalttaten? Entsinne dich, Schatte Ich rate dir, deiner Schwächen! DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und der Schöffe, der einst Bäcker war Stellt eine Frage: DER BÄCKER Dort sehe ich einen Koch mit einem Fisch Der sieht lustig aus. Koch Erzähl uns, wie du in den Triumphzug kamst. DER KOCH Nur anzuzeigen Daß er beim Kriegsgeschäft noch Zeit fand Ein Kochrezept für einen Fisch zu finden. Ich war sein Koch. Ich gedenke Der schönen Fleische noch oft Des Geflügels und schwarzen Wildbrets Die er mich braten ließ. Und saß nicht nur am Tische Gab mir ein lobend Wort Stand oft bei mir an der Pfanne Und mischte selbst ein Gericht. Lammfleisch ä la Lukullus Machte uns r e Küche berühmt. Von Syrien bis nach Pontus Sprach man von Lukullus' Koch. DER SPRECHER DES TOTEN GERICHTS Sprach der Schöffe, der einst Lehrer war: DER LEHRER Was soll uns das, daß er gern aß ? DER KOCH Aber mich ließ er kochen Nach Herzenslust. Ich dank es ihm. DER BÄCKER Ich verstehe ihn, ich, der Bäcker war! Wie oft mußte ich Kleie in den Teig rühren Der armen Kunden wegen. Dieser da Durfte ein Künsder sein. 13 Das Verhör wird fortgesetzt 111 ER KOCH . Durch ihn! Ich nenne ihn menschlich drum. Im Triumph Führte er mich hinter den Königen - Und erwies meiner Kunst Achtung. Und ich weiß auch Daß er in Amisus, der Tochterstadt des herrlichen Athen Voll bis zum Rand von Kunstschätzen und Büchern, beir Plünderung Seine Soldaten mit Tränen beschwor, nicht Feuer zu legen. Naß von Tränen kam er mir zum Nachtmahl. Auch das war menschlich, bedenkt das! ;ER SPRECHER DES TOTEN GERICHTS Und es wird still. Die Totenschöffen bedenken Das Zeugnis des Kochs. Stille. jER SPRECHER DES TOTEN GERICHTS Und der Schöffe, der einst Bauer war Stellt eine Frage: ;er BAUER ;.i Da ist auch einer, der einen Obstbaum trägt. ER KIRSCHBAUMTRÄGER -, Das ist ein Kirschbaum. Den :;' Brachten wir von Asien. Im Triumphzug 1 Führten wir ihn mit. Und pflanzten ihn " Auf den Hängen des Apennin. "ER BAUER -; Ach, du bist das, Lakalles, der ihn brachte? Ich pflanzt ihn auch einst, doch ich wußte nicht ,,: Daß er von dir stammt. ER SPRECHER DES TOTENGERICHTS Und freundlich lächelnd £i Unterhält sich der Schöffe, der einst ein Bauer war ;š Nun mit dem Schatten, der einst ein Feldherr war '= Über den Baum: "R BAUER Er ist sparsam mit Boden. KULLUS Doch den Wind verträgt er schlecht. ni Das Verhör des Lukullus (1940) DER BAUER Die roten Kirschen haben mehr Fleisch. LUKULLUS Und die schwarzen sind süßer. , DER SAUER Ihr Freunde, dies von allem, was erobert Durch blutigen Krieg verhaßten Angedenkens Nenn ich das Beste. Denn dies Stämmchen lebt. Ein neues, freundliches gesellt es sich io Dem Weinstock und dem fleißigen Beerenstrauch Und wachsend mit den wachsenden Geschlechtern Trägt's Frucht für sie. Und ich beglückwünsch dich Der's uns gebracht. Wenn alle Siegesbeute Der beiden Asien längst schon vermodert ist ., Wird jedes Jahr aufs neue den Lebenden Wohl diese schönste deiner Trophäen noch Im Frühling mit den blütenweißen Zweigen im Wind von den Hügeln flattern. 10 14 • Spreu und Weizen der totenrichter Und so beschließ ich das Verhör, is Von deinen Zeugen, Schatte Waren die glänzenden nicht die dir günstigsten. Jedoch Fanden sich kleine am Schluß. Nicht ganz leer Sind deine blutigen Hände befunden. Freilich War selbst für die beste Gabe, den Kirschbaum jo Die Bezahlung sehr hoch, leicht Hättest du mit nur noch einem Mann Diese Eroberung machen können, aber 80000 Schicktest du in den Orkus dafür. Jetzt Müssen wir vorlieb nehmen mit ein paar ji Glücklichen Stunden für einen Koch, Tränen Uber die Vernichtung von Büchern und derlei wenig Nützlichem Ach, mit all dieser Gewalt und Eroberung Wachst nur ein Reich an und das ist Das Reich der Schatten! 14 Spreu und Weizen 113 DIE TOTENSCHÖFFEN Wir aber, bestimmt, die Gestorbenen zu richten Betrachten, was sie, die Erde verlassend Der Erde gegeben. DER SPRECHER DES TOTENGERICHTS 5 Und vom hohen Gestühle erheben sich Die Ahnen der Nachwelt Der mit den vielen Händen, zu nehmen Der mit den vielen Mündern, zu essen Der schwer zu tauschenden, eifrig sammelnden ,„ Fröhlichen Nachwelt. Der Gerichtshof Zieht sich zur Beratung zurück.