Die Welt der Musik kennt Tausende von Talenten, doch nur wenige Persönlichkeiten erlangen derartige Berühmtheit wie Wolfgang Amadeus Mozart (27. 1. 1756 – 5. 12. 1791). Ihm gelang es, in seinem kurzen Leben 626 Werke einmaliger Schönheit zu schaffen. Sein Werk gehört zu den Pfeilern des europäischen Kulturerbes. Prag darf sich dessen rühmen, Mozart einige schöne Lebensmomente bereitet zu haben. Im Dezember 1786 führte der italienische Impressario Pasquale Bondini im Nostitz-Theater (dem heutigen Ständetheater) die Hochzeit des Figaro auf. Im Gegensatz zu Wien, wo die Oper nicht sonderlich begeisterte und bald aus dem Repertoire gestrichen wurde, erntete die Prager Aufführung riesigen Erfolg. Im Januar 1787 kam der Komponist zum ersten Mal nach Prag und dirigierte sein Werk persönlich. Am 19. Januar selbigen Jahres folgte die Aufführung der Symphonie No. 38 in D-Dur, seit jenem Zeitpunkt bekannt als die „Prager Symphonie“. Während seines Aufenthaltes komponierte er außerdem die Sechs deutschen Tänze für den Grafen Pachta und schloss mit Bondini einen Vertrag für eine neue Oper ab – für die Herbstsaison. So entstand Don Giovanni, auf der Grundlage eines Textes des Wiener Hofdichters und Librettisten Lorenzo da Ponte. Mozart vollendete die Oper in Prag, studierte sie selbst ein und dirigierte am 29. Oktober 1787 im Nostitz-Theater die erste Vorstellung. Der Erfolg dieses unsterblichen Werks, dem in seiner Zeit auf den meisten ausländischen Bühnen wenig Verständnis zuteil wurde, war beim tschechischen Publikum nur mit dem Erfolg Figaros vergleichbar. Bei seinen Besuchen verbrachte Mozart viel Zeit bei den Eheleuten Dušek in der Villa Bertramka. Für die hervorragende Sängerin Josefina Dušková komponierte er auch die Konzertarie Bella mia fiamma, addio. Der letzte Prager Aufenthalt des Komponisten im August und September 1791, während dem er noch einmal die Gelegenheit hatte, seinen Don Giovanni mit praktisch der gleichen Gesangsbesetzung wie bei der Premiere zu dirigieren, wurde für den bereits damals kranken Mozart zu einem unerfreulichen Ereignis. Die Oper La clemenza di Tito, aufgeführt anlässlich der Krönung Leopolds II zum König Böhmens, stieß bei der Prager Uraufführung am 6. September 1791 beim kaiserlichen Hof nicht auf Anerkennung. Nach seiner Rückkehr nach Wien schickte der Komponist seinem Freund Anton Stadler noch sein einziges Klarinetten-Konzert (in A-Dur) für dessen erste Aufführung. Die Premiere fand am 16. Oktober in Prag statt, sieben Wochen vor dem Tod des Komponisten. Als man in Prag von Wolfgang Amadeus Mozarts Tod am 5. Dezember 1791 erfuhr, veranstalteten die Mitglieder des Prager Theaterorchesters am 14. Dezember in der St.Nikolaus-Kirche auf der Kleinseite eine riesige Trauerfeier. An die viertausend Prager kamen, um Mozart die letzte Ehre zu erweisen. Mozart und Prag, diese beiden Namen bilden zusammen bis heute ein harmonisches Paar. Prag kehrt mit Freude und Begeisterung zum Meisterwerk zurück, und deshalb lässt man in Böhmen Mozarts Kompositionen im Jubiläumsjahr 2006 in ungekanntem Umfang erklingen. Mozarts erster Prag-Besuch, Januar - Februar 1787 Eine Reise nach Prag hatte Mozart bereits im Jahre 1777 ein Freund empfohlen, der Komponist Josef Myslivecek. Doch Mozart hatte damals andere Pläne, er war um eine Anstellung als Kapellmeister oder Komponist an einem der vornehmen Höfe Deutschlands bemüht. Mozart kam nicht nach Prag, nicht einmal auf eine Einladung durch die Eheleute Josepha und Franz Duschek hin, mit denen er befreundet war. Es dauerte ganze zehn Jahre, bis günstigere Umstände Mozart zu einer Reise nach Prag zu bewegen vermochten. Im Dezember 1786 präsentierte der italienische Impressario Pasquale Bondini im Prager Nostitz'schen Theater mit großem Erfolg Le nozze di Figaro. Und Anfang 1787 ersuchte man Mozart, die Vorstellung selber zu dirigieren. Unmittelbar, nachdem er am 11. Januar in Prag angekommen und sich im Palais seines Bewunderers Graf Thun (heute die Britische Botschaft in der Thunovská ulice 14 in der Altstadt) einquartiert hatte, begann für Mozart ein reges gesellschaftliches Leben. Er staunte über die Begeisterung, die man seiner Musik in der Stadt entgegenbrachte. In einem Brief erinnert er sich daran, dass man nur über Figaro sprach. In relativ kurzer Zeit schrieben die Komponisten Vincenc Maschek und Jan Křtitel Kuchař Auszüge für Klavier . Im Gegensatz zu Wien, wo der Erfolg der Oper bald nachließ und das Stück aus dem Repertoire verschwand, gab die vom Publikum begeistert empfangene Prager Aufführung dem Komponisten die nötige Genugtuung. Die Aufführung fand am 17. Januar statt, und dank des großen Erfolges musste sie – erneut unter der Leitung Mozarts – bereits nach drei Tagen wiederholt werden. Auf der Akademie im Prager Theater führte er danach mit genauso großem Erfolg die neue große Symphonie in D-Dur auf, welche als die „Prager Symphonie“ in die Geschichte eingehen sollte. Prag stellte also für Mozart eine Oase von Freundschaft und unbedingtem künstlerischem Verständnis dar. Nur am Rande bemerkt: in Prag erhielt Wolfgang für seinen Auftritt bei seinem ersten Besuch 1'000 Gulden, in Wien hatte er für die Hochzeit des Figaro und die Entführung aus dem Serail zusammen 120 Gulden weniger erhalten. Während seines Aufenthaltes komponierte Mozart außerdem die „Sechs deutschen Tänze“ für den Grafen Pachta. Vor der Abreise unterschrieb er mit Pasquale Bondini den Vertrag für eine weitere Oper für die herbstliche Stagione. Man wählte das Sujet Don Giovanni, welches bei den Pragern sehr beliebt war. Und so machte sich Mozart nach seiner Rückkehr nach Wien mit dem Librettisten da Ponte an die Arbeit. Mozarts zweiter Prag-Besuch, Herbst 1787 Im Oktober 1787 kam Mozart in Begleitung des hervorragenden Librettisten da Ponte nach Prag. Hier erwartete ihn die Premiere seiner neuen Oper Don Giovanni. Beide, der Komponist und der Dichter, waren unweit des Nostitz'schen Theaters untergebracht: Mozart im Gasthof U trí lvu ("Zu den drei Löwen", heute Uhelný trh 1/420) und da Ponte im hinteren Trakt des Gasthofes Platteis; so wohnten sie einander direkt gegenüber, nur eine kleine Gasse trennte sie voneinander. Später wohnte Mozart in der Villa Bertramka bei seinen Freunden, der phantastischen Sängerin Josepha Duschek und ihrem Gatten, dem Komponisten Franz Xaver Duschek. Hier blieb Mozart bis zu seiner Abreise, und hier vollendete er bedeutende Teile der Oper Don Giovanni, unter anderem deren Finale und die gesamte Ouvertüre. Vor der Abreise komponierte er für Josepha noch die große Konzertarie Bella mia fiamma, addio. Die in der Betramka verbrachte Zeit gehörte in seinem Leben bestimmt zu den schönsten. Auf einem der Spaziergänge durch die Umgebung sah er sich gemeinsam mit Josepha Duschek auch das Kloster Strahov an, welches für seine musikalische Tradition und die phänomenale Orgel berühmt war. Mozart wollte die Orgel hören und spielte darauf. Der anwesende Organist Norbert Lehmann beschrieb die Szene später wie folgt: „Dann entwickelte Mozart das Thema einer Fuge aus Brixis Requiem in c-moll, und dies auf eine völlig neue Art und derart künstlerisch, dass man wie angewurzelt stehen blieb.“ Der Besuch Prags stand aber hauptsächlich unter dem Stern der Premiere von Don Giovanni, deren Vorbereitung in Anbetracht des anspruchsvollen Niveaus des Stücks nicht problemlos verlief. Die Aufführung der Oper am 29. Oktober 1787 in Prag brachte Mozart dagegen den großen Erfolg. Dies beweist unter anderem das hohe musikalische Kunstverständnis im damaligen Böhmen. Der Erfolg dieses Stücks, welches zu Lebzeiten des Komponisten auf den meisten Bühnen anderer Länder nur Unverständnis hervorrief , konnte einzig mit dem Erfolg von Figaro verglichen werden. Es gab freilich auch Leute, welche Mozarts Größe zu schätzen wussten. Im Dezember 1787 traf in Prag ein Brief des Komponisten Joseph Haydn ein, den man ersucht hatte, für Prag eine Oper zu schreiben: „Könnte ich […] den Großen die unnachahmlichen Arbeiten Mozarts, so tief und […] mit einer so großen Empfindung in die Seele prägen, als ich sie begreife und empfinde: so würden die Nationen wetteifern, ein solches Kleinod in ihren Ringmauern zu besitzen. Prag soll den teuren Mann festhalten – aber auch belohnen!“ Doch Mozart reiste knapp drei Wochen nach der Premiere Don Giovannis zurück nach Wien, in der Hoffnung, dass der Oper dort der gleiche Erfolg wie in Prag zuteil würde und er am Wiener Hof eine Anstellung als Kapellmeister erhielte. Mozarts dritter Prag-Besuch, August - September 1791 Die letzte Prag-Reise des Komponisten verlief bereits nicht mehr in so guter Stimmung wie die vorangehenden zwei. Im Sommer 1791, als er an der Zauberflöte und an dem Requiem arbeitete, erhielt Mozart den Auftrag, anlässlich der Krönung Leopolds II. zum König Böhmens eiligst eine Oper zu schreiben. Opern hatten den Krönungen in Prag bereits seit 1627, als Ferdinand II. König Böhmens wurde, traditionell den feierlichen Glanz verliehen. Mozart kam Ende August nach Prag, wenige Tage vor der Krönung, welche am 6. September stattfinden sollte. Sehr wenig Zeit, um die Oper fertig zu schreiben und einzustudieren. Hinzu kam die Aufforderung, am 2. September die feierliche Aufführung von Don Giovanni zu dirigieren. Dieser Abend sollte für Mozart der vermutlich glücklichste Moment seines gesamten letzten Prager-Besuchs werden. Die Aufführung wurde vom gesamten Wiener Hof besucht, und laut Zeitzeugen handelte es sich um einen künstlerischen Anlass höchsten Ranges. Die offizielle Krönungszeitung merkte zum Beispiel an: „Man muss zugeben, dass die Gesellschaft von Herrn Guardasoni dieses Stück vortrefflich aufführt." Im Gegensatz zu diesem Erfolg stieß die Oper La clemenza di Tito, deren Premiere am 6. September 1791 stattfand, beim Hof nicht auf großes Interesse. Die Kaiserin soll die Oper mit dem Ausruf "Una porcheria tedesca" ("eine deutsche Schweinerei") verurteilt haben, auch wenn dies nicht direkt bezeugt ist. Zeitgenössische Dokumente deuten freilich an, dass es von Seiten des Wiener Adels viel mehr um Voreingenommenheit gegenüber Mozart als um das Niveau der Musik selbst ging. Der Misserfolg trug freilich zu seiner allgemein kläglichen Situation bei, welche durch Krankheit und finanzielle Probleme verursacht war. Wenige Tage nach der Premiere verabschiedete sich Mozart von Prag, nun bereits zum letzten Mal. Seine Abreise wurde durch František Nemecek, den ersten Mozart-Biographen, wie folgt beschrieben: "Seine Haut war blass und sein Antlitz traurig, obwohl er seinen lebendigen Humor in der Gesellschaft von Freunden häufig mit frohen Scherzen zum Ausdruck brachte. - Beim Abschied von Freunden war er so traurig, dass er weinte. Es scheint, dass die schwermütige Laune aus der Vorahnung entsprang, dass sein Leben dem Ende nah war – denn bereits damals trug er den Keim der Krankheit in sich, die bald seinen Tod bedeuten würde." Als Mozart bald darauf, am 5. Dezember 1791, starb, gedachte Prag seiner Person mit einer Trauermesse von Franz Anton Rößler-Rosetti unter der künstlerischen Teilnahme von Josepha Duschek, veranstaltet durch Mitglieder des Prager Theater-Orchesters, in der Kleinseitner St. Niklaus-Kirche, in welcher sich, eng zusammengedrängt, an die viertausend Prager einfanden. Im Herbst 1790 gab Leopold II, Nachfolger von Joseph II. auf den österreichischen Thron, seine Einwilligung dazu, zum König Böhmens gekrönt zu werden. Den böhmischen Ständen war an der Krönung viel gelegen, denn sie erkannten darin die Gelegenheit, ihren relativ geringen Einfluss auf die Verwaltung des Landes zu vergrößern. Sie wollten die Krönung so feierlich wie möglich veranstalten – man begann, sich Gedanken über eine Oper zu machen. Im Vertrag, den die Stände mit dem erfahrenen Impresario Guardasoni abschlossen, ist Mozarts Namen freilich erstaunlicherweise nicht angeführt. Guardasoni hatte bei der Wahl des Komponisten also freie Hand, und weil er die Prager und deren Vorliebe für Mozart kannte, wandte er sich an ihn. Eile war geboten, zudem erreichte der Auftrag Mozart voll beschäftigt mit der Arbeit an der Zauberflöte und am Requiem. Mozart musste den Auftrag jedoch annehmen, die kritische finanzielle Lage ließ ihm keine andere Wahl. Weil die Zeit fehlte, ein neues Libretto zu besorgen, sollte Mozart eine Oper zum Sujet Tito des Librettisten Pietro Metastasio schreiben. Nicht zuletzt wegen des Textes des Librettos erreicht das Werk nicht die Dramatik von Figaro oder Don Giovanni. Das Datum der Premiere wurde auf den 6. September 1791 festgelegt, den Abend nach der Krönung. Obwohl die Oper durch die erste Garde von Guardasonis Gesellschaft interpretiert wurde, blieb das Ergebnis hinter den Erwartungen zurück. Die Vorstellung war den gesellschaftlichen Eliten der Monarchie vorbehalten gewesen und diese verließen das Nostitz’sche Theater gewiss nicht zufrieden. Die Kaiserin Maria Luise soll die Komposition sogar als "porcheria tedesca" (deutsche Schweinerei) bezeichnet haben. Tito hatte gänzlich versagt. Mozart kehrte, enttäuscht von dem Prager Misserfolg, nach Wien zurück, wo ihm nur noch wenige Monate bis zum Tod blieben. Die einzige Belohnung für die anstrengende Arbeit war für ihn der Widerhall beim Prager Publikum, welches die folgende Aufführung auf außergewöhnliche Weise aufgenommen haben soll – nach jedem Stück wurde applaudiert.