icjiiii duvciiiuigi uaucii. Daß jeder, der über die albanische Kultur etwas erfahren möchte, unbedingt Lungro besuchen mußte und am besten auf dem Weg dorthin in den albanischen Gemeinden San Ba-sile, Firmo, Acquaŕbrmosa Rast einlegen sollte, hatte mir ein eleganter älterer Herr empfohlen, auf den ich in der Dunkelheit vor der Kirche von Civira gestoßen war. Ein schlanker Mann von einigen sechzig Jahren, die Lesebrille lässig in den grauen Haarschopr hochgeschoben, den Anzug aus feinem dunkelblauen Tuch geschneidert, war er eben dabei gewesen, die Kirche, seine Chiesa S. Maria Assunta, zuzusperren. Hochwürden Antonio Trupo würde man, wenn man ihn nicht gerade bei dieser Tätigkeit anträfe, kaum für einen Pfarrer, eher für einen Rechtsanwalt oder Steuerberater halten, der seine letzten Jahre vor der Pensionierung gemessenen Schrittes und mit milder Ironie angeht. Als er die Kirche, noch bevor ich ihn hätte bitten können, wieder aufgesperrt und mich ins Innere geführt hatte, wies er mich gleich darauf hin, daß hier baulich zwei Gegensätze aufgehoben und liturgisch zwei verschiedenartige Traditionen vereint worden seien. Der drei-schiŕfige Kirchenraum war nicht anders, als man es vom katholischen Barock nördlich der Alpen gewohnt ist, aber dort, wo es zum Altar ging, stand eine große Holzwand, die vollständig mit Ikonen vor einem prächtigen goldglänzenden Hintergrund bemalt war. Vor dieser Wand, der Ikonostase, steht während der Messe der Geistliche, der bei den Arbereshe weder katholischer Priester noch orthodoxer Pope ist, und hält die gesamte Messe singend, bis er durch eine der drei Türen in der Ikonostase zu dem dahinter verborgenen Altar tritt, wo er die Verwandlung von Brot und Wein vornimmt. 112 In der griechisch-orthodoxen Form ihres Katholizismus sehen die Arbereshe auch heute noch ihre Identität bewahrt, sodaß selbst jene, die das Gotteshaus nur höchst selten besuchen, von der Schönheit der Messen schwärmen und die Bedeutung, die die Religion für das Volksleben, für das kulturelle Überleben hat, emphatisch betonen. Dem Vatikan wiederum war es lieber, den Albanern ein paar Privilegien zu gewähren, als sich im Süden Italiens ein Bollwerk der Orthodoxie oder gar ein paar von der heiligen römisch-katholi- "i sehen Kirche abgefallene Ketzergemeinden zu schaffen. Darum haben die Päpste unsere Rechte immer wieder bestätigt, sogar der jetzige, sagte Don Antonio mit einem Lächeln, in dem nur eine Andeutung von Hochmut und Ironie blitzte: »Sogar der jetzige Papst, der die verheitateten Priester nicht so liebt, nein, daß er sie nicht liebt, kann man gar nicht sagen, denn er liebt alle, wirklich alle! Sogar Papst Johannes Paul II., der den Wunsch der Priester, sich zu verheiraten, nicht so recht verstehen kann, verwehrt es uns nicht!« Ich stand mit dem Pfarrer in der dunklen Kirche, deren Kühle der überwältigend süße Duft des Weihrauchs durchdrang, und wurde darüber aufgeklärt, daß die Heilige Messe nicht nur in Civita dreisprachig abgehalten werde. Je nachdem, wie weit er mit der Messe vorangekommen war, verwendete Don Antonio das Griechische für die ewiggleichen zeremoniellen Passagen, das Albanische, wenn er sich dem Volk mit Belehrung und Ermahnung zuwandte, und das Italienische, soferne er unter den gezählten Kirchgängern Angehörige der im Ort ja auch vorhandenen italienischen Volksgruppe erblickte. Er hatte, als er das Gotteshaus zusperren wollte, gerade die Kerzen von der Abendmesse gelöscht. Er beschwerte sich nichr, aber gestand ohne Umschweif, daß wieder fast nur alte Frauen in der Kirche gewesen waren. Ich harte das Gefühl, daß er darin nicht nur ein religiöses Problem sah, sondern sich so sehr wie um das Seelenheil seiner Leute auch um ihr Albaner-tum sorgte. Wie werden die Arbereshe Arbereshe bleiben können, wenn sie nicht mehr in die Kirche gehen? Die Sprache, zäh über so viele Generationen bewahrt, war das eine, was sie zu dem machte, was sie waren. Der orthodoxe Ritus, eingebettet in den katholischen Glauben, war das andere. Wie bei den Sorben im Osten Deutschlands traf ich auch bei den Albanern im Süden Italiens Leute, die selber kaum mehr religiös 114 waren, mich aber wortreich zu überzeugen suchten, daß der Glaube, der Kirchgang, die Teilhabe am religiösen Gemeindeleben für ihre Volksgruppe überlcbenswichtig seien. Über der Kirche S. Maria Assunta kreisten jetzt schwarz ein paar große Vögel, deren Namen ich nicht verstand, wiewohl Hochwürden ihn mir zwei Mal wiederholte, und aus der Tiefe rauschte mächtig der Roganello. Der Hauptplatz harte sich noch immer nicht geleert, doch die freundlichen alten Männer standen nahezu stumm beisammen, auch an den Tischen der Kartenspieler war kein Gelächter mehr zu hören, sondern nur gelegentlich ein lautes Klatschen, wenn einer, der am Siegen war, die Karten mit kräftigem Schlag auf den Tisch zählte. Der Priester, der aussah wie ein großstädtischer Bürger und für eine Handvoll alter Frauen die Messe las, hatte die Kirche jetzt endgültig abgesperrt, nicht ohne mich zum Abschied an Lungro zu erinnern. Wie er ins Dunkel enteilte, war um ihn die leuchtende Aura von Vergeblichkeit und Entsagung.