5Ü UllVCLlIlillV,ll «,1 LÍ*^ELW11II»-H ll.UH. , IUI! tlIIWII itlcu l!.-^-, ^v.i. Wir waren im Hotel Epinal im Zentrum untergebracht, einem unansehnlichen Getüm mit zwölf oder vierzehn Stockwerken. Karabatak hatte uns erzählt, daß das Hotel aus geweihtem, geschändetem Boden wuchs, denn dies war der Platz, auf dem bis in die fünfziger Jahre die aromunische Kirche gestanden hatte. Dann war die Kirche, aus städtebaulichen Gründen, wie es hieß, aus dem Zentrum entfernt und Stück für Stück abgetragen worden. Weil sie als Kulturdenkmal anerkannt war und der Streit mit der aromunischen Gemeinde nicht eskalieren sollte, wurde sie in einem stillen Vorort wieder aufgebaut. Als wir am Sonntagvormittag auf die Suche gegangen waren, konnten wir die Kirche zuerst gar nicht entdecken. Gut verborgen von ein paar größeren Wohnhäusern stand sie in einem Innenhof neben Werkstätten und Garagen. Vier sehr alte Herren, die Hosen hoch bis zur Brust heraufgezogen, breite Krawatten zu großen Sonntagsknoten gebunden, waren in der Sakristei gesessen, und mir kam nicht vor, daß wir sie in einem Gespräch gestört hatten, sondern daß sie es gewohnt waren, seit vielen Jahren so beisammen zu sitzen und Wache zu halten, Wache zu halten, daß ihre Kirche nicht wieder abgetragen wird, daß keiner von ihnen sich aus dem Staub macht und unerlaubterweise stirbt, daß die Welt noch eine Weile erhalten bleibt und es noch eine Weile diese Sonntage, dieses gemeinsame Warten und Wachehalten gibt. Gleich standen sie auf und führten uns in eine geradezu innig ausgestartete Kirche, in der es stark nach Weihrauch roch und sehr warm war, weil Hunderte kleiner und größerer Kerzen brannten, in Töpfe und Kästchen mit Sand gesteckt. Zur Messe am Sonntag um halb acht Uhr früh kamen nur mehr Z13 fünfzehn Leute, gaben die Alten zu, zum Hochamt zu Ostern aber wären es noch immer ein paar Hundert. Die großen Kerzen wurden zur Verehrung der Heiligen angezündet, die kleinen zum Gedächtnis der Toten. Die alten Herren folgten uns auf jeden Schritt, den wir taten, unsere Unterhaltung beschränkte sich auf freundliches Murmeln und Zunicken, wenn wir wieder etwas Neues gesehen harren und uns anerkennend zu ihnen wandten. Als wir zurück in der Sakristei waren, wollten uns die alten Herren, von denen kein lautes Wort zu hören war und die wirkten, als hätten sie die Kraft zu lauten Worten schon eingebüßt, etwas anbieten, wie es sich Gästen gegenüber gehört. Aber sie hatten nichts. Eindringlich flüsterten sie, dann schlurfte einer von ihnen hinaus, während wir, die zurückblieben, einander aufmunternd zunickten, bis nach einigen Minuten das Schlurfen wieder näherkam, der Alte von vorher eintrat und sich mit verlegenem Kopfschütteln zu seinen Gefährten gesellte. Als wir auf der Bank vor der Kirche saßen, begann einer der Alten, nachdem er die dazu notwendigen Utensilien umständlich aus seiner Rocktasche geholt hatte, mit zittrigen Fingern eine Zigarette zu drehen. Es dauerte eine Weile, bis er sie, in der freundlichen Stille von uns allen dabei beobachtet, fertig harre, ein redlich unansehnliches, unregelmäßig gestopftes Ding. Feierlich überreichte er mir die Zigarette, die alten Herren nickten heftig und musterten mich, ob mir das Geschenk auch zusagte, und ich begann meine ersre Zigarette nach sechzehn Jahren mit der inständigen Hoffnung zu rauchen, doch nicht hier in Bitola, auf dieser aro-munischen Reise durch Mazedonien, wieder zum Raucher zu werden. Aber schon der erste Zug schmeckte, anders als ich mir das lange eingeredet harte, ganz ausgezeichnet. 214