Die Wortbildung Das Kapitel Wortbildung enthält: * Die Wortbildung und andere Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung: Hier wird die Wortbildung als eine der meistgenutzten Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung beschrieben und von anderen Möglichkeiten (nämlich der Entlehnung, der Bedeutungsveränderung und der Urschöpfung) abgegrenzt. * Die Einheiten der Wortbildung: Hier werden die wortbildenden Einheiten (nämlich das Wort, das Konfix, das Wortbildungsaffix, die Phrase und der Satz, die unikale Einheit und das Fugenelement) definiert und dargestellt. * Die Wortbildungsarten: Hier werden die Wortbildungsverfahren Komposition, Derivation, Kurzwortbildung, Neumotivierung und Wortspiel definiert und dargestellt. * Die Wortbildungsbedeutung: Hier wird erläutert, wie Wortbildungsprodukte interpretiert werden können. Darüber hinaus werden im Glossar zahlreiche Termini der Wortbildung erklärt und im Grammatischen Wörterbuch sämtliche Affixe beschrieben. Weiterführende allgemeine Literatur in Auswahl: Eichinger et al. 2008; Barz et al. 2007; Donalies 2007; Eisenberg 2006; Adamzik 2005; Eichinger 2000. Die Wortbildung und andere Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung Wortbildung ist eine der Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung. Zur Wortschatzerweiterung wird im Deutschen am häufigsten neben der Wortbildung die Entlehnung genutzt. Außerdem kann der Wortschatz durch Bedeutungsveränderung und durch Urschöpfung erweitert werden. Die Wortbildung als Möglichkeit der Wortschatzerweiterung Wortbildung ist die Bildung von Wörtern aus Sprachmaterial, das innerhalb einer Sprache vorhanden ist. Im Deutschen wird der Wortschatz vor allem durch die Kombination von Wörtern, Konfixen und Affixen oder durch die morphologische Umwandlung von Wörtern erweitert, z.B. werden die Wörter Dach und Haus zu Hausdach zusammengesetzt, die Konfixe -nom und öko- werden zu Ökonom zusammengesetzt, Fisch wird von der Wortart Nomen zur Wortart Verb abgeleitet zu fisch(en). Vgl. Die Wortbildung. Die Entlehnung als Möglichkeit der Wortschatzerweiterung Entlehnung ist die Übernahme von Sprachmaterial aus einer Herkunftssprache (z.B. dem Englischen) in eine Zielsprache (z.B. das Deutsche). Übernommen werden vor allem Wörter und Phrasen (z.B. Crash, Camouflage, Tohuwabohu, tough, ab ovo), aber auch Konfixe (z.B. ident-, öko-, therm-/-therm) und Affixe (z.B. prä-, -abel, -ing). Wortbildung unterscheidet sich von der Entlehnung also dadurch, dass Wortbildung ausschließlich mit Sprachmaterial der eigenen Sprache arbeitet, Entlehnung dagegen mit Sprachmaterial einer anderen Sprache. In eine Zielsprache übernommene Entlehnungen gehören zum Wortschatz der Zielsprache, unterscheiden sich aber mitunter in Gebrauch und Grammatik von den einheimischen Teilen der Zielsprache. Auch die Wortbildung mit entlehnten Einheiten ist als Lehnwortbildung* mit einigen eigenen Gesetzmäßigkeiten von der Wortbildung mit einheimischen Einheiten abzugrenzen. *Lehnwortbildung Lehnwortbildung ist die Bildung von Wörtern mit Einheiten, die aus anderen Sprachen ins Deutsche entlehnt sind (z.B. Kino, bio-, -ität). Dabei kann das entstehende Wortbildungsprodukt ausschließlich aus entlehnten Wortbildungseinheiten bestehen (z.B. Kinofilm, Biotop, Identität, bibliophil) oder aus einheimischen und entlehnten Einheiten (z.B. Kinoleinwand, Biogemüse, tütophil). Aus entlehnten Einheiten können alle im Deutschen üblichen Wortbildungsprodukte gebildet werden, also Komposita (z.B. Kinoleinwand, Biotop, bibliophil) und Derivate (z.B. Identität, identisch, identifizieren) sowie Kurzwörter (z.B. Mathe). Die Bedeutungsveränderung als Möglichkeit der Wortschatzerweiterung Wie die Wortbildung ist auch die Bedeutungsveränderung ein Prozess innerhalb einer Sprache. Verändert wird die Bedeutung eines Wortes. Bedeutungsveränderung ist u.a. Bedeutungserweiterung (z.B. ich stehe auf dem Bahnsteig neben ich stehe auf Chaos 'ich mag Chaos, ich finde Chaos wunderbar'), Bedeutungsverengung (z.B. mhd. varn allgemein 'sich fortbewegen, gehen' zu fahren 'sich mit einem Fortbewegungsmittel, meist einem mit Rädern, fortbewegen'), Bedeutungsverschiebung (z.B. mhd. zwec 'Nagel' zu Zweck 'Ziel, Sinn') sowie Bedeutungsübertragung, Metaphorisierung, Metonymisierung (z.B. Fuchs 'schlauer Mensch', der Rücken eines Buches, der Ledermantel stand im Tordurchgang und beobachtete die Straße) und Bedeutungsaufwertung (z.B. toll 'psychisch gestört, verrückt' zu toll 'großartig, wunderbar') bzw. Bedeutungsverschlechterung (z.B. Dirne 'Mädchen' zu Dirne 'Prostituierte'). Wortbildung unterscheidet sich also von der Bedeutungsveränderung dadurch, dass Bedeutungsveränderung ausschließlich die Inhaltsseite eines Wortes betrifft, Wortbildung dagegen zwar meist ebenfalls inhaltsseitige Veränderungen mit sich bringt, vor allem aber immer Veränderungen der Ausdrucksseite, der Morphologie. Die Urschöpfung als Möglichkeit der Wortschatzerweiterung Urschöpfung, auch weniger deutlich Wortschöpfung genannt, ist ein Verfahren, bei dem Wörter aus Lauten kreiiert werden, die bislang innerhalb einer Sprache so noch nicht zu einem Wort verbunden wurden. Wortbildung unterscheidet sich also von der Urschöpfung dadurch, dass Wortbildung Wörter überwiegend aus bedeutungshaltigen Einheiten erzeugt, Urschöpfung dagegen Wörter aus einzelnen Lauten zusammenfügt. Durch Urschöpfung entstehen vor allem Interjektionen (z.B. Oh! Igitt!) und Onomatopoetika, d.h. Schallnachahmungen wie miau, kikeriki, platsch, plopp, pardauz. Onomatopoetika sind textsortenspezifisch; sie finden sich vor allem in der sogenannten Ammensprache (also der verniedlichenden Sprache, die Erwachsene zu kleinen Kindern sprechen, etwa in Kindermärchen und -liedern) und in der Comicsprache (z.B. grrg, grumpf). Der Bedarf an Urschöpfungsprodukten und die Verständigung mit ihnen ist begrenzt. Interjektionen und Schallnachahmungen sind zwar meist nachvollziehbar (vgl. aber die teils sehr unterschiedlichen Tierlautwörter in verschiedenen Sprachen, z.B. dt. kikeriki, engl. cock-a-doodle-doo, frz. cocorico, russ. kukareku, litauisch kakarieku, armenisch tsughrughu), andere Urschöpfungen haben aber ihrer Unmotiviertheit wegen kaum Aussicht auf Nutzung oder sogar Etablierung im Wortschatz, vgl. das Nonsensgedicht Das große Lalula von Morgenstern (1932) mit Sätzen aus lauter Urschöpfungprodukten wie Hontraruru moromente zasku zes rü rü? Urschöpfung wird daher nur sehr selten zur Wortschatzerweiterung genutzt. Die Einheiten der Wortbildung Wortbildung ist die Bildung von Wörtern aus vorhandenem Sprachmaterial. Im Deutschen werden dazu verwendet: * DAS WORT (z.B. in Hutschachtel, Bioyoghurt, goldig, bereden), * DAS KONFIX (1)(z.B. in Bioyoghurt, Biotop, Geologie, identisch), * DAS WORTBILDUNGSAFFIX (z.B. in Schönheit, goldig, identisch, bereden), * DER SATZ UND DIE PHRASE (z.B. in eine Sag-niemals-nie-Haltung, Vergissmeinnicht). An der Wortbildung beteiligt ist außerdem: * DAS FUGENELEMENT (z.B. in Hochzeitstorte, Thermostat). Nicht mehr produktiv, aber in etablierten Wortbildungsprodukten isolierbar ist: * DIE UNIKALE EINHEIT (z.B. Himbeere, Bräutigam, vergessen). (1) Das Konfix Zur Bildung von Wörtern werden im Deutschen vor allem Wörter (z.B. Hut, gelb, auf, wir), Wortbildungsaffixe (z.B. -heit, -lich, un-, be-) und Konfixe (z.B. ident-, therm-/-therm) verwendet. Konfixe (zu lat. configere 'miteinander verbinden') sind Einheiten, die in Texten nur gebunden vorkommen, also weder selbst frei in Texten erscheinen noch unmittelbar mit Flexionsaffixen syntaktisch nutzbar gemacht werden können (z.B. in seine *Ident ist noch nicht geklärt, ihre *Identen sind noch nicht geklärt). Konfixe sind demnach keine Wortformen. Sie sind aber wie Wörter die unmittelbare oder mittelbare morphologische Basis expliziter Derivate, d.h. Konfixe können mit Wortbildungsaffixen abgeleitet werden: Unmittelbare Basen sind Konfixe z.B. in thermisch, Identität. Dagegen sind Konfixe, die nur mit anderen Konfixen zusammen basisfähige Konfixe bilden können, mittelbare Basen (z.B. -log): So bilden z.B. geo- und -log das komplexe Konfix geolog-, das zu Geologe, Geologie, geologisch abgeleitet werden kann. Im Gegensatz zu Wörtern werden Konfixe nicht zur Bildung von impliziten Derivaten oder Konvertaten verwendet. Einige Konfixe sind nicht nur basis-, sondern auch kompositionsgliedfähig, d.h. sie bilden mit Wörtern oder Konfixen Komposita, z.B. Thermojacke, Thermostat, Biotop, Politclown, Invest-Angebot, bibliophil, tütoman. Vgl. auch der "Squawker", ein mittlerweile ausgestorbenes Quäkophon, das der Drummer nebenbei zu blasen hat (TAZ 2.1.1998: 20, Cosmas), königlicher Schnorrosoph (TAZ 26.11.1991: 23, Cosmas), zum Ufo-Flug mit Esonaut Virgil Armstrong (TAZ 8.11.1991: 28, Cosmas), ein "Satzomat" erlaubt spaßige Nonsens-Formulierungen (SPIEGEL 49/1994: 61, Cosmas), Karin Struck, die Sprachschöpferin des "Babycaust" (ZEIT 3.3.1995, Cosmas). Nur ganz wenige Konfixe bilden ausschließlich Komposita (z.B. -drom in Aquadrom, Eurodrom oder -mat in Automat, Waschomat). Eine große Gruppe von Konfixen kommt ausschließlich als Ersteinheit vor (z.B. bio- in Bioyoghurt, Biotop, biotisch, fanat- in Fanatiker, fanatisch, fanatisieren, honor- in Honorar, honorabel, honorieren, ident- in Identität, identisch, identifizieren, invest- in investieren, Investfond, rhythm- in Rhythmik, rhythmisch, simul in Simulant, simulieren). Einige Konfixe sind ausschließlich als Zweiteinheit zu finden (z.B. -drom in Aquadrom, Eurodrom, -lekt in Dialekt, Soziolekt und -zid in Biozid, Herbizid). Einige Konfixe sind nicht positionsfest; sie können als Erst- und als Zweiteinheit verwendet werden (z.B. graf-/-graf in Grafie, Biograf, phil-/-phil in Philosoph, bibliophil, phob-/-phob in phobisch, tütophob oder therm-/-therm in thermisch, endotherm). Um in diesem Zusammenhang einem häufigeren terminologischen Missverständnis zu begegnen: Der Bestandteil -fix in Konfix besagt keineswegs, dass hier etwas 'fest' wäre; vielmehr leitet sich der Terminus Konfix ab aus lat. configere 'etwas aneinanderheften' analog Affix zu lat. affigere 'anheften, irgendwo dran befestigen'. Auch Affixe sind ja keineswegs fest: Sie stehen mal vorne (dann heißen sie Präfixe), mal hinten (dann heißen sie Suffixe), mal um eine Basis herum (dann heißen sie Zirkumfixe). Wer also möchte, kann Konfixe analog den Affixen weiter unterteilen in erstens Präkonfixe, zweitens Subkonfixe oder nach Eisengerg (2004, S. 244) und drittens Konfixe, die präkonfixal und subkonfixal vorkommen. Als Zweiteinheiten bestimmen Konfixe jeweils die grammatische Kategorie des Wortbildungsprodukts, also die Wortart, das Genus usw. Selten gibt es bei den reinen Zweiteinheiten wortartunspezifische Konfixe wie -zid in Herbizid, bakteriozid. Semantisch gesehen kann ein Konfix sowohl Determinans (z.B. in Politclown) als auch Determinatum sein (z.B. in mannheimerophil). Konfixe sind vor allem Einheiten der Lehnwortbildung, also der Wortbildung mit entlehnten Einheiten. Mit Fleischer (1995) werden hier aber auch einheimische Einheiten wie stief-, schwieger- und zimper- als Konfixe betrachtet, weil sie den Hauptkriterien zur Definition von Konfixen entsprechen: Sie sind gebunden und zumindest begrenzt basisfähig (z.B. stieflich, schwiegerlich, zimperlich). Vgl. auch Stieflinge (Kerr nach Holbein 1996: 78). Konfixe werden also nicht nur entlehnt (z.B. bio- aus griech. bios) oder entstehen aus mittelbar verwendbaren Konfixen (z.B. geolog-), sondern sind auch Relikte der Sprachgeschichte (z.B. zimper-). Sehr selten entstehen Konfixe außerdem durch Kürzung, z.B. Prol- <- Prolet, vgl. Die Kurzwortbildung, besonders Das Kurzwort und das Konfix. Spezialliteratur zum Konfix: Donalies 2000; Fleischer 1995; Grimm 1997; Starke 1994. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 24.04.2007 15:30. Das Wortbildungsaffix Im Deutschen werden Wörter vor allem gebildet aus vorhandenen Wörtern (z.B. König, klug, auf, wir), Konfixen (z.B. bio-, ident-, therm-/-therm) und Wortbildungsaffixen, auch Ableitungs- oder Derivationsaffixe, Ableitungs- oder Derivationsmorpheme,"Formantien (Singular: Formans, d.h. 'bildendes Morphem'), Formationsmorpheme oder - vorschlagsweise - Derivateme [...] genannt" (Erben 1993: 26). Affixe sind vor allem an der expliziten Derivation beteiligt; ganz selten werden Affixe konvertiert (z.B. ein Ismus). Vgl. Das Nomenkonvertat. Will man Affixe von Wörtern und Konfixen abgrenzen, kommen hierfür nur morphologische Kriterien in Frage: Affixe sind im Gegensatz zu Wörtern gebunden, d.h. sie kommen weder selbst frei vor, noch können sie durch Anhängen von Flexionsaffixen syntaktisch unmittelbar nutzbar gemacht werden. Außerdem sind Affixe im Gegensatz zu Wörtern und Konfixen weder kompositionsglied- noch basisfähig (z.B. *verlich), Affixe können nur mit Wörtern oder Konfixen Wörter bilden (z.B. Schönheit, Pseudovergnügen, Gerede, identisch, unschön, festigen, vergolden, ermutigen). Vgl. -heit, pseudo-, ge-...-e, -isch, un-, -ig. Die Wortbildung mit Affixen wird explizite Derivation genannt. In der Forschungsliteratur wird über diese Definition hinaus häufig auch "Reihenbildung" als typisches Merkmal der Affixe angegeben. Darunter "ist das wiederholte Vorkommen des Affixes in Wortbildungskonstruktionen ein und desselben Modells zu verstehen" (Fleischer/Barz 1995: 28). Das Definitionskriterium der Reihenbildung ist jedoch zu Recht umstritten, weil auch Wörter oder Konfixe Reihen in Wortbildungsprodukten ein und desselben Modells bilden können, z.B. Holztisch, Holzhaus, Holzstuhl, Holzpuppe, Holzlöffel oder Ökowein, Ökobrot, Ökobutter, Ökolandwirtschaft, Ökobauer. Morphologisch gesehen sind Wortbildungsaffixe als gebundene Einheiten einerseits abzugrenzen von den ebenfalls gebundenen, aber im Gegensatz zu den Wortbildungsaffixen semantisch leeren Fugenelementen (z.B. in -s- in Hochzeitstorte) sowie andererseits von den gebundenen, aber nicht zur Wortbildung, sondern zur Syntax gehörenden Flexionsaffixen (z.B. -ete in er redete nie viel). Die meisten Affixe haben sich aus einheimischen Wörtern entwickelt (z.B. -heit aus mhd. heit 'Art und Weise, Eigenschaft, Person, Stand', vgl. -heit), einige Affixe auch aus entlehnten Affixen (z.B. -er aus lat. -arius, vgl. -er); einige Affixe sind Entlehnungen (z.B. -abel, vgl. -abel). Vgl. Lehnwortbildung. Einheiten, die diachron betrachtet möglicherweise auf dem Wege von Wörtern zu Affixen sind, werden mitunter als Affixoide oder Halbaffixe bezeichnet (z.B. frei in atomfreie Zone). Der Affixoidbegriff wird jedoch in der neueren Forschungsliteratur überwiegend als unnötig angesehen. [LINK] Das Affixoid Das Affixoid Affixoide sind Nicht-mehr-Wörter auf dem Wege zum Noch-nicht-Affix. Dass sich aus Wörtern Affixe entwickeln, ist ein häufigeres Phänomen der Sprachgeschichte: So ist z.B. das nominale Suffix -heit aus mhd. heit 'Art und Weise, Beschaffenheit, Eigenschaft, Person' entstanden. Der Affixoidgedanke nun beruht im Wesentlichen auf der synchronen Beobachtung, dass einige 'affixartige' Wortbildungseinheiten (z.B. -werk in Astwerk, Buschwerk, Laubwerk usw.) eine stärkere Eigensemantik haben, als das Wortbildungsaffixen sonst zugestanden wird, d.h. einerseits Wortstatus haben. (Vgl. zur Eigensemantik der Affixe dagegen den hier vertretenen Ansatz: [LINK] Das transponierende, das determinierende und das determinierte Wortbildungsaffix.) Den Verfechtern der Affixoidhypothese zufolge sollen Einheiten wie -werk ihrer vermeintlichen Gebundenheit wegen aber nicht als Wörter gelten, also als Einheiten, die in Texten als Wortformen frei vorkommen; ihrer Gebundenheit wegen haben sie andererseits eher Affixstatus. Um diesem Dilemma zwischen Wort- und Affixstatus zu entgehen, wurde in der Forschungslitertaur eine Zwischenkategorie Affixoid konstruiert, die alle Einheiten aufnehmen sollte, die man nicht ganz den Wörtern, aber auch nicht ganz den Affixen zuordnen wollte. Auf die Problematik des Affixoidgedankens, die bereits Schmidt (1987) ausführlich reflektiert hat, soll hier nicht noch einmal detailliert eingegangen werden. Schmidt (ebd.: 100f) resümiert: "Nach allem, was ich über Affixoide gelesen habe, kann ich dem Begriff jedoch keine besondere Nützlichkeit zuerkennen. Zwar gibt es die Möglichkeit, schwierige Fälle von den leichten abzutrennen und der Entscheidung für die eine oder andere der vorhandenen Kategorien auszuweichen, doch bringt er damit keine Lösung, sondern nur einen Aufschub. Dazu kommt, dass bei dem Versuch, eine Grenze zwischen den Kern- und den Zwischenphänomenen zu ziehen, die Differenzierung so weit getrieben wird, dass am Ende ein recht kompliziertes Bild entsteht, das die angestrebte Vereinfachung oder Erleichterung wieder aufhebt". Teils im Anschluss an Schmidt, teils unabhängig von ihm ist das Erklärungsmodell Affixoid in der neueren Forschung nach eingehender Untersuchung zu Recht weitgehend ad acta gelegt worden, so u.a. von Hansen/Hartmann (1991), Fleischer/Barz (1992 bzw. 1995), Fandrych (1993) und Eisenberg (1998). Zumindest skeptisch ist Günther (in Glück 1993 und 2000). Hansen/Hartmann (1991: 40) plädieren für eine klare Zuordnung zu den beiden vorhandenen Kategorien Wort versus Wortbildungsaffix: "Wenn ein komplexes Wort sich praktisch nicht von einem Kompositum unterscheidet, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass es kein Kompositum ist. Wenn das Affixoid hingegen semantisch und funktional nichts mehr mit dem freien Morphem gemein hat, sollte es als Affix bezeichnet werden". Fandrych (1993: 101) schließlich hofft mit seiner gründlichen Untersuchung vermeintlicher Affixoide wie -frei, -reich und -voll gezeigt zu haben, dass "keinerlei zwingende Notwendigkeit für eine solche Kategorie besteht; vielmehr würde diese Kategorie mehr Gemeinsamkeiten verdecken als Erklärungskraft besitzen. Dass diese Bildungen häufig als Paradebeispiel für die Notwendigkeit einer solchen Kategorie genannt wurden (vgl. zuletzt Tellenbach 1985), kann aus dieser Sicht nur wunder nehmen". © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 10.09.2001 11:23. Affixe werden entweder vor einer Basis, nach einer Basis oder um eine Basis herum positioniert: Affixe vor einer Basis heißen Präfixe (z.B. in Unglück, urgemütlich, erblühen). Vgl. un-, ur-, er-. Affixe nach einer Basis heißen Suffixe (z.B. in Schönheit, glücklich, diskutabel, festigen), vgl. -heit, -lich, -abel, -ig(en). Affixe um eine Basis herum heißen Zirkumfixe (z.B. Gerede, gefügig, beschönigen). Vgl. ge-...e, ge-...-ig und be-...ig(en). * Das Präfix. Nicht zu den Präfixen werden hier Einheiten wie an- in anstehen gerechnet. Vgl. [LINK] Die Präverbfügung. * Das Suffix. * Das Zirkumfix. Nicht benötigt wird hier die Kategorie Infix (z.B. -un- in verunehrt, funktionsuntüchtig). [LINK] Das Infix Während sich Affixe morphologisch klar von Wörtern und Konfixen abgrenzen lassen, sind sie semantisch gesehen nicht prinzipiell abzugrenzen: Einerseits können Affixe im Gegensatz zu Wörtern und Konfixen Transponierer sein (z.B. -heit in Schönheit); andererseits können Affixe ebenso wie Wörter und Konfixe Determinans (z.B. un- in unschön) oder Determinatum sein (z.B. -ling in Schönling). * Das transponierende Wortbildungsaffix * Das determinierende Wortbildungsaffix * Das determinierte Wortbildungsaffix © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 24.04.2007 15:37. Das Präfix In der deutschen Wortbildung werden explizite Derivate vor allem mit Präfixen (z.B.vergolden) und Suffixen (z.B. Schönheit), seltener auch mit Zirkumfixen gebildet (z.B. Gerede). Präfixe (zu lat. praefigere 'vorn anheften') werden morphologisch definiert als gebundene Einheiten, die vor (!) einer Basis positioniert sind (z.B. Minigarten, urgemütlich, vergolden). Sie bilden überwiegend Silben (Ausnahmen sind u.a. hyper-, mega-, mini-) "und sind entweder betont oder unbetont. Aus der Betontheit ergibt sich eine Reihe von prosodischen Beschränkungen. Viel mehr ist zur Phonologie der Präfixe nicht zu sagen" (Eisenberg 1998: 259). Präfixe verbinden sich mit Nomina (z.B. Megaparty, Misston, Untat), Adjektiven (z.B. hypernervös, missverständlich, unklug) und Verben (z.B. begehen, entzaubern, erhoffen, verspielen). Vgl. Das explizite Nomenderivat, Das explizite Adjektivderivat, Das explizite Verbderivat. Bei der Präfigierung von Nomina und Adjektiven spielen die Präfixe syntaktisch - im Gegensatz zu den Suffixen - keine Rolle: Während Suffixe als zweite Einheiten grundsätzlich alle grammatischen Merkmale eines Derivats bestimmen (z.B. legt das Suffix -heit fest, dass das mit ihm abgeleitete Derivat ein feminines Nomen ist), können Präfixe in Nomen- und Adjektivderivaten das nicht. Vgl. [LINK] Die Righthand Head Rule in der Wortbildung. Dagegen legen Präfixe bei denominalen und deadjektivischen Verbderivaten (z.B. vergolden, verarmen) alle grammatischen Merkmale fest, vgl. ver-. Hier besteht eine Ausnahme zur Righthand Head Rule, dem Prinzip der Rechtsköpfigkeit. Vgl. [LINK] Einige Schwierigkeiten bei der Analyse expliziter Verbderivate. Die zentralen einheimischen Präfixe, die aus Nomina oder Adjektiven Verben ableiten, nämlich be-, ent-, er-, ver-, gelegentlich auch zer- (vgl. z.B. be-, ent-, er-, ver-, zer-) werden ausschließlich zur Verbderivation verwendet. Davon abzugrenzen sind Präfixe, die mit allen drei Hauptwortarten kompatibel sind (z.B. miss-); Präfixe wie miss- leiten interessanterweise keine denominalen oder deadjektivischen Verben ab, sondern nur Verben aus Verben (z.B. missdeuten, missverstehen), vgl. miss-. Präfixe leiten Nomina, Adjektive, Verben ab. * Das Nomenderivat * Das Adjektivderivat * Das Verbderivat Im Gegensatz zu Suffixen können einige Präfixe vervielfacht werden, z.B. Malerinnen und Maler auf postpostmodernem Abenteuerkurs (ZEIT 9.6.1995, Cosmas), Urururururenkel, Antiantisemitismus. Besonders bei hervorhebenden Präfixen sind außerdem weiter hervorhebende Häufungen möglich, z.B. extramegaultraschlau. Zumindest auffällig wäre dagegen als Hervorhebung zu lesendes ?Missmisserfolg, ?ununschön, ungrammatisch und semantisch sinnlos wären *bebezahlen, *ververgolden oder *bevergolden. Semantisch gesehen kann ein Präfix ein Determinans (z.B. in Minigarten, beladen) oder ein Determinatum sein (z.B. in vergolden, vereinsamen). Vgl. [LINK] Das transponierende, das determinierende und das determinierte Wortbildungsaffix. Zu einzelnen Präfixen vgl. Das Grammatische Wörterbuch. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 09.03.2005 16:16. Das Suffix In der deutschen Wortbildung werden explizite Derivate vor allem mit Präfixen (z.B. erblühen) und mit Suffixen (z.B. Schönheit), seltener auch mit Zirkumfixen gebildet (z.B. Gerede). Suffixe (zu lat. suffigere 'hinten anheften') werden morphologisch definiert als gebundene Einheiten, die hinter (!) einer Basis positioniert sind, z.B. in Schönheit, glücklich, festig(en), vgl. -heit, -lich, -ig(en). Suffixe bestimmen als zweite Einheiten grundsätzlich die grammatischen Merkmale des Derivats: So legt z.B. das Suffix -heit fest, dass das Derivat Schönheit ein feminines Nomen ist. Vgl. [LINK] Die Righthand-Head-Rule in der Wortbildung. Suffixe leiten Nomina, Adjektive, Verben und andere Wortarten ab. * Das Nomenderivat * Das Adjektivderivat * Das Verbderivat * Das Derivat anderer Wortarten Einige Suffixe wie das Diminutivsuffix -chen bewirken systematisch eine Stammvokaländerung (z.B. Gärtchen, Hütchen), und zwar auch dann, wenn im Flexionsparadigma der Basis kein Umlaut vorkommt (z.B. Pfötchen, Pünktchen); Präfixe dagegen bewirken weniger systematische Umlautungen (z.B. vergüten, aber vermuten, vgl. ver-). Zu weiteren morphologisch-phonologischen Besonderheiten vgl. [LINK] Die Suffixerweiterung sowie Eisenberg (1998: 259ff) und Eschenlohr (1999: 101f). Semantisch gesehen kann ein Suffix ein Transponierer (z.B. Schönheit, wacklig), ein Determininans (z.B. Dichterling, grünlich) oder ein Determinatum sein (z.B. Lehrer, Sensibelchen, Konditorei). Vgl. [LINK] Das transponierende, das determinierende und das determinierte Wortbildungsaffix. Eine rein stilistische Funktion haben Suffixe, die - vor allem in legereren Sprachstilen der Umgangssprache, etwa unter Jugendlichen - klangspielerisch an Wörter angehängt werden, z.B. in geilo, teuriös, bis baldinowski, Pilsinger. Androutsopoulos (1998: 125) nennt solche Suffixe sprachkritisch "parasitär". Zu einzelnen Suffixen vgl. Das grammatische Wörterbuch. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 10.09.2001 12:50. Das Zirkumfix In der deutschen Wortbildung werden explizite Derivate vor allem mit Präfixen (z.B. vergolden) und Suffixen (z.B. Schönheit), seltener auch mit Zirkumfixen gebildet. Zirkumfixe (zu lat. circumfigere 'ringsum umwickeln') werden morphologisch definiert als gebundene Einheiten, die um eine Basis herum positioniert sind, z.B. Gerede, gefügig, beschönigen, vgl. ge-...-e, ge-...-ig, be-...ig(en). In der Forschungsliteratur ist umstritten, ob diese Einheiten als Kombination aus Präfix und Suffix (wie u.a. bei von Polenz 1980: 170 und Fleischer/Barz 1995: 46) oder wie hier als gesonderte Affixart analysiert werden sollen: * Nach der Kombinationshypothese werden Wortbildungsprodukte wie Gerede als dreiteilige Strukturen aus einem Präfix (Ge-), einer Basis (red-) und einem Suffix (-e) verstanden: Ge(1)-red(2)-e(3). * Nach der Zirkumfixhypothese werden sie als ein (!) Affix angesehen: Ge(1)-red(2)-e(1). Die zweite Hypothese wird hier bevorzugt, weil sie die elementare Grundregel der Binarität expliziter Derivate nicht verletzt. Außerdem ermöglicht sie eine Unterscheidung zu Wortbildungsprodukten, bei denen Präfix und Suffix zeitlich versetzt aufeinanderfolgend ableiten. So leitet z.B. das Präfix be- das bereits mit -ig suffigierte Verb festigen zum Derivat befestigen ab. Die Ableitung findet in zwei Schritten statt; als Basis können jeweils festigen und fest segmentiert werden: Erster Schritt ist fest + -ig = festigen, zweiter Schritt ist festigen + be- = befestigen. Zirkumfixderivation findet dagegen offenbar nicht in zwei Schritten statt: Ein Verb wie beschönigen ist ja keine be-Präfigierung zu *schönigen, denn es gibt kein gebräuchliches Verb *schönigen; beschönigen ist also ein Derivat mit der Basis schön und einem in einem Schritt ableitenden Zirkumfix be-...-ig: schön + be-...-ig = beschönigen. Zur Ablehnung der Hypothese virtueller Verben vgl. [LINK] Einige Schwierigkeiten der Analyse expliziter Verbderivate. Zirkumfixe leiten Nomina (z.B. Gerede), Adjektive (z.B. gefügig) und Verben ab (z.B. besänftigen). * Das explizite Nomenderivat * Das explizite Adjektivderivat * Das explizite Verbderivat Semantisch gesehen sind Zirkumfixe Transponierer (z.B. Gerede) oder Determinata (z.B. beschönigen). Zu einzelnen Zirkumfixen vgl. Das grammatische Wörterbuch. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 10.09.2001 12:56. Das transponierende Wortbildungsaffix Unter Transposition (zu lat. transponere 'an einen anderen Ort versetzen, überführen') wird hier ein semantisch definierter Wortbildungsvorgang verstanden. Vgl. [LINK] Die Transposition. Transposition ist ein Wortbildungsvorgang, bei dem ein Wort in eine andere Wortart überführt wird, ohne dass sich an der kategoriellen Bedeutung etwas ändert, z.B. schön ->Schönheit. Verändert wird lediglich die grammatische Funktion, also das, was grundsätzlich z.B. Nomen von Adjektiven oder von Verben syntaktisch unterscheidet. Transponieren können Suffixe und Zirkumfixe, z.B. in Schönheit und Gerede. Vgl. [LINK] Das transponierende, das determinierende und das determinierte Wortbildungsaffix. Das transponierende, das determinierende und das determinierte Wortbildungsaffix Explizite Derivate sind stets binär aufgebaut. Sie bestehen meist erstens aus einem Wort oder Konfix, das die morphologische Basis bildet, und zweitens einem Wortbildungsaffix, das die Ableitung bewirkt. Aus diesen morphologischen Grundtatsachen wird in der Forschungsliteratur häufig auch ein prinzipieller semantischer Unterschied erschlossen: Wortbildungsaffixe werden definiert als Einheiten mit "weitgehend verblasster Eigenbedeutung" (Bußmann 1990: 53); Affixe dienen, heißt es, in erster Linie der Derivation, sie haben eine Funktion, keine Semantik, sie bilden niemals "das lexikalische Zentrum von Wörtern" (Naumann 1992: 97). Die Analyse expliziter Derivate ergibt jedoch, dass keineswegs alle Wortbildungsaffixe so beschrieben werden können (vgl. Donalies 1999a). Vielmehr liegt nahe anzunehmen, dass Affixe transponieren, determinieren und determiniert werden können. Diese Affixmerkmale lassen sich durch zwei einander ergänzende Prüfmethoden ermitteln, die zum einen nach Veränderungen der grammatischen Funktion, zum anderen nach Veränderungen der kategoriellen Bedeutung fragen: Zum einen wird erfragt, ob die Affixe eine Veränderung der grammatischen Funktion bewirken, d.h. ob die Basis und das Derivat verschiedenen Wortarten angehören und folglich zwischen Basis und Derivat ein Unterschied in der syntaktischen Verwendbarkeit besteht oder nicht. Wortarten sind vor allem Adjektiv, Nomen und Verb. Gleichen Wortarten gehören z.B. Dichter und das daraus abgeleitete Dichterin an; beide sind Nomina. Verschiedenen Wortarten gehören z.B. das Adjektiv naiv und das daraus abgeleitete Nomen Naivling an. Zum anderen wird erfragt, ob die Affixe eine Veränderung der kategoriellen Bedeutung bewirken, d.h. ob Basis und Derivat verschiedene Arten von Entitäten bezeichnen oder nicht. Arten von Entitäten sind vor allem Eigenschaft, Sache und Tätigkeit. Diese Entitäten entsprechen bekanntlich nicht immer den Wortarten. Üblicherweise bezeichnen zwar Nomina Sachen, Sachverhalte, Gegenstände u.ä. und Adjektive Eigenschaften, das Nomen Schönheit z.B. bezeichnet aber eine Eigenschaft. Bergung ist zwar ein Nomen, bezeichnet aber eine Tätigkeit. Auf einer Ebene unterhalb dieser allgemeinen Ebene der Entitäten lassen sich weitere definieren, z.B. kann die Entität Sache/Sachverhalt weiter aufgefächert werden in Entitäten wie Lebewesen, Ort usw. Diese weitere Auffächerung ist notwendig, um den Unterschied zwischen Typ III und IV zu kennzeichnen: Dichterin (Typ III) und Lyriker (Typ IV) haben zwar gemeinsam, dass sie wie ihre Basen Sachen bezeichnen, dass also ihre kategorielle Bedeutung auf der obersten, der relativ allgemeinen Ebene nicht verändert wird; sie unterscheiden sich aber insofern, als Dichterin ebenso wie Dichter auch auf einer feiner differenzierten Ebene zur gleichen Entität, nämlich zur Entität Lebewesen gehört, während Lyriker der Entität Lebewesen, Lyrik aber der Entität Literaturgattung angehört. Zwischen der Basis Lyrik und dem Derivat Lyriker findet also auf einer unteren, einer differenzierteren Ebene eine kategorielle Bedeutungsveränderung statt. Es besteht folgende Kreuzklassifikation: Die Affixe der Typen I-IV sind nun wie folgt zu beschreiben: * Typ I: Affixe mit dem Merkmal (+-), die nur transponieren, d.h. einen Wortartwechsel bewirken (+), ohne dass mit diesem Wortartwechsel eine kategorielle Bedeutungsveränderung verbunden ist (-). Derivate mit transponierenden Affixen sind z.B. Schönheit und Bergung: Schönheit ist eine Eigenschaft, Bergung eine Tätigkeit. * Typ II: Affixe mit den Merkmalen (++), die durch eine morphologische Basis determiniert werden. Dabei ändern sie die Wortart der Basis (+); Basis und Derivat gehören verschiedenen Entitäten an (+). Derivate mit determiniertem Affix sind z.B. Naivling 'Person, und zwar eine naive' und vergolden 'etwas hinzufügen, und zwar Gold'. Die hier postulierte starke semantische Eigenständigkeit einiger Affixe ist in der Forschungsliteratur nach wie vor umstritten (vgl. ausführlich Donalies 1999a). Dies mag u.v.a. daran liegen, dass Wortstrukturen üblicherweise in Paraphrasen beschrieben werden, z.B. das Kompositum Königsmantel als 'Mantel eines Königs'. Strukturen mit determinierten Affixen lassen sich nicht analog beschreiben, weil Affixe als nicht wortfähig definiert werden, also als in Texten nicht frei vorkommend. Daher klingen erklärende Paraphrasen ungrammatisch, z.B. Naivling '-ling, der naiv ist'. * Typ III: Affixe mit dem Merkmal (--), die weder transponieren (-), noch die Basis entitätisch verändern (-), sondern lediglich die Basis determinieren, d.h. semantisch näher bestimmen, die Bedeutung modifizieren und nuancieren. Derivate mit determinierendem Affix sind z.B. gelblich und Dichterin: gelblich ist eine bestimmte Art gelb, eine Dichterin ein (weiblicher) Dichter. Zu Typ III ist auch die Negation zu stellen: Bei der Negation (z.B. bei schön -> unschön) verändert sich die Wortart nicht; Negationsaffixe modifizieren die Basis, es verändert sich also eigentlich auch entitätisch nichts. Allerdings zeigt die Paraphrasierung sofort eine störende Uneleganz: gelblich ist gelb, aber unschön ist eben gerade nicht schön. Für die Negation könnte daher ein eigener Sondertyp angesetzt werden.Weil es aber bei Übersichtstabellen ums Prinzip und weniger ums Detail geht, wird hier auf eine solche Detaillierung verzichtet. Und auch in einer weiteren Hinsicht soll der Typ III hier nicht weiter ausdetailliert werden: Bei Typ III findet kein Wortartwechsel statt, allerdings ändern sich mitunter andere grammatische Merkmale wie das Genus, z.B. bei der Dichter, die Dichterin oder der Hase, das Häschen. * Typ IV: Affixe mit den Merkmalen (-+), die wie die Affixe des Typs II von der morphologischen Basis determiniert werden: Ein Lyriker ist eine durch -er bezeichnete Person, die etwas mit Lyrik zu tun hat. Dabei ändern sie nicht die Wortart der Basis (-); Basis und Derivat gehören aber verschiedenen Unterarten von Entitäten an (+). © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 10.09.2001 11:22. Das determinierende Wortbildungsaffix Unter Determination (zu lat. determinare 'begrenzen, eingrenzen, festlegen, bestimmen') wird die semantische Bestimmung einer Einheit durch eine andere verstanden. Vgl. [LINK] Die Determination. Determinieren können sowohl Wörter (z.B.in Königsmantel) und Konfixe (z.B. in Biobutter) als auch Präfixe (z.B. in unschön, beladen) und Suffixe (z.B. in Kindchen, grünlich, hüsteln). Mit determinierenden Wortbildungsaffixen kann vor allem ausgedrückt werden: * eine positive oder negative Bewertung, z.B. in Missheirat, Unwort, Romänchen, Dichterling. Der Sprecherschreiber bringt zum Ausdruck, dass er das von der Basis Bezeichnete goutiert oder ablehnt. Hierzu werden auch Diminutiva wie Kindchen gerechnet, weil deren Semantik (nach Würstle 1993) weniger verkleinernd gemeint als affektiv ist: Ein Kindchen ist ein besonders liebes, besonders geliebtes, besonders schützenswertes Kind. * eine Hervorhebung, z.B. in Erzbösewicht, Megaunfall, Unzahl, hypersympathisch, ultraschön. Der Sprecherschreiber hebt das mit dem Derivat Bezeichnete aus der normalen Menge des mit der Basis Bezeichneten hervor: Ein Erzbösewicht ragt aus der Menge aller Bösewichte dadurch heraus, dass er die charakteristischen Eigenschaften des normalen Bösewichts in besonders krasser Weise zeigt. * eine Relativierung, z.B. in Pseudovergnügen, paramilitärisch, grünlich. Der Sprecherschreiber relativiert den Aussagegehalt des von der Basis Bezeichneten: Ein Pseudovergnügen scheint zwar auf den ersten Blick ein Vergnügen zu sein oder wird als solches angepriesen, ist aber eigentlich keines. * eine Verneinung, z.B. in Undank, ahistorisch, destabil, unwesentlich. Der Sprecherschreiber stellt in Abrede, dass das von der Basis Bezeichnete überhaupt zutrifft: Undank ist kein Dank Das determinierte Wortbildungsaffix Unter Determination (zu lat. determinare 'begrenzen, eingrenzen, festlegen, bestimmen') wird die semantische Bestimmung einer Einheit durch eine andere verstanden. Vgl. [LINK] Die Determination. Das Determinatum ist nun diejenige Einheit eines komplexen Wortes, die semantisch bestimmt wird. Es trägt die Hauptbedeutung des Wortbildungsproduktes trägt. In der Forschungsliteratur wird üblicherweise nur den morphologischenBasen, also Wörtern und Konfixen, dieser Status zugebilligt, doch spricht Vieles dafür, auch Affixe als Determinatum zu analysieren. Vgl. [LINK] Das transponierende, das determinierende und das determinierte Wortbildungsaffix . Sowohl Präfixe als auch Suffixe und Zirkumfixe können das Determinatum eines komplexen Wortes sein. Explizite Derivate, bei denen das Affix determiniert wird, sind z.B. Lehrer, Schönling, Sensibelchen, vergolden, verarzten, vereinsamen, beschönigen. Lehrer bezeichnet eine durch -er benannte Person, die lehrt; Schönling bezeichnet eine durch -ling benannte (negativ konnotierte) Person, die die Eigenschaft hat, schön zu sein; vergolden bezeichnet eine durch ver-(en) benannte Tätigkeit, bei der das obligatorische Objekt mit Gold versehen wird (z.B. die Restaurateure vergolden das Eisengitter); beschönigen bezeichnet eine durch be-ig(en) benannte Tätigkeit, bei der das obligatorische Objekt mit der Eigenschaft schön versehen wird (z.B. Immer beschönigt er seine Fehler). Zu unterscheiden sind dabei aus morphologischen Gründen einerseits Bildungen, die aus anderen Wortarten abgeleitet sind, bei denen also ein Worartwechsel stattfindet (z.B. Naivling), und andererseits Bildungen, die aus der gleichen Wortart abgeleitet sind, bei denen also kein Wortartwechsel stattfindet (z.B. Lyriker). Dass in den angeführten Beispielen das Affix das Determinatum ist, heißt nicht, dass Affixe auch morphologisch basisfähig sind; vielmehr ist die morphologische Basis grundsätzlich ein Wort oder Konfix. Wie prinzipiell in der Wortbildung, sollte man auch hier semantische und morphologische Kriterien klar voneinander trennen. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 10.09.2001 11:18. Der Satz und die Phrase Sätze und Phrasen sind ungewöhnliche Einheiten der Wortbildung, insofern sie aus mehreren Teilen, nämlich aus mindestens zwei Wörtern bestehen (z.B. grüne Bohnen). Dennoch kann auch hier von Einheiten gesprochen werden, weil Sätze und Phrasen in der Wortbildung offenbar als in sich stabile Ein(!)heiten wahrgenommen und verwendet werden, z.B. in Grüne-Bohnen-Eintopf, Sag-niemals-nie-Haltung, das ewige Am-Computer-sitzen-müssen, Vergissmeinnicht. Mit Sätzen und Phrasen werden Komposita gebildet (z.B. Grüne-Bohnen-Eintopf, ihr unwirscher Ich-kann-das-nicht-glauben-Blick). Vgl. vor allem Das Satz-Nomen- und das Phrase-Nomen-Kompositum. Sätze und Phrasen werden außerdem konvertiert (z.B. Vergissmeinnicht, Schluckauf, das Arbeitenmüssen). Vgl. vor allem Das konvertierte Nomenderivat. Schließlich sind Phrasen auch Basis von expliziten Derivaten (z.B.blauäugig). Vgl. [LINK] Die Zusammenbildung. Die Zusammenbildung Unter Zusammenbildung, einem "von W.Henzen 1965, H. Pauls Anregung folgend, eingeführten Begriff" (Bzdega 1999: 13), wird "in der älteren Wortbildungsforschung" (Günther in Glück 1993: 708) eine verhältnismäßig produktive Wortbildungsart verstanden, mit der vor allem Nomina und Adjektive wie Appetithemmer, Dickhäuter, Vogelscheuche, blauäugig, viertürig, scharfzüngig gebildet werden. Diese Wortbildungsprodukte werden in der Forschungsliteratur verschieden analysiert und verschieden eingeordnet: Zwar den Komposita zugehörig, aber als Sonderfall betrachten sie u.a. Engel (1988: 522) und Eisenberg (1998: 222). Wörter wie Appetithemmer und viertürig sind für diese Autoren deshalb Sonderfälle, weil sie ihrer Ansicht nach den zentralen Kriterien der Komposita nicht entsprechen: Komposita bestehen per definitionem aus Wörtern und/oder Konfixen.Appetithemmer und viertürig bestehen augenscheinlich jedoch nicht aus Wörtern oder Konfixen; ihre zweite Einheit ist weder ein übliches Wort (*Hemmer, *Häuter, *türig), noch kann die zweite Einheit sinnvollerweise als Konfix definiert werden: Typische Konfixe sind bio-, therm-/-therm und ident-; sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie wie *Hemmer, *türig usw. nicht frei vorkommen, aber anders als diese grundsätzlich basisfähig sind, d.h. mit Wortbildungsaffixen abgeleitet werden können (z.B. biotisch, thermisch, identisch, identifizieren, Identität). *Hemmer und *türig dagegen sind Derivate, d.h. bestehen aus erstens einer Basis (hemm- bzw. Tür) und zweitens einem Wortbildungsaffix (-er bzw. -ig). Mitunter werden Wortbildungsprodukte wie Appetithemmer dieser Besonderheit wegen auch als Mischphänomene der Komposition und Derivation bzw. als eigenständige Zwischenphänomene zwischen Komposition und Derivation gestellt, so u.a. bei von Polenz (1980: 170). Häufig wird außerdem der Unterschied zwischen Zusammenbildung und Zusammenrückung nicht klar getroffen. Vgl. den fundiert kritischen Forschungsüberblick bei Leser (1990). Auf den Terminus Zusammenbildung "und die damit explizierte Sonderstellung der betreffenden Wortbildungskonstruktion kann" jedoch verzichtet werden (Fleischer/Barz 1995: 47; so auch Leser 1990: 107); die Wortbildungsprodukte lassen sich als explizite Derivate bzw. Komposita bestimmen: Recht plausibel ist der Vorschlag von Fleischer/Barz (zuletzt 1995: 46f, so auch Ortner et al. 1991: 121f und daran anschließend Motsch 1999: 8), Wörter wie Appetithemmer, Arbeitnehmer oder viertürig als explizite Derivate mit einer Phrase als Basis zu analysieren: * (den) Appetit hemm(en) + -er * vier Tür(en) + -ig Gegen diese syntaktisch argumentierende Analyse spricht jedoch, wie Leser (1990: 30) einwendet, dass die Phrase mitunter "nicht einer frei auftretenden (syntaktischen) Wortgruppe entspricht" (z.B. bei Grablegung gegenüber ins Grab legen, Dankeschön gegenüber Ich danke schön). Bei Wortbildungsprodukten aus bzw. mit Phrasen wird die Phrase allerdings normalerweise nicht um Wortbestandteile gekürzt (z.B. ihr Das-darf-doch-nicht-wahr-sein-Augenaufschlag, Vergissmeinnicht). Daher analysiert er in Analogie zu den englischen synthetic compounds (z.B. blue-eyed) Wortbildungsprodukte wie Appetithemmer und viertürig als Determinativkomposita; er segmentiert in * Appetit + Hemmer * vier + türig Dass die zweiten Einheiten normalerweise nicht vorkommen, begründet er damit, dass sie eine semantische Spezifizierung verlangen, z.B. Hemmer ebenso wie das Verb hemmen eine Spezifizierung dessen, was gehemmt wird (z.B. hemm(en) + den Appetit, Hemmer + des Appetits). Dieses Phänomen ist in der Linguistik als Argumentvererbung bekannt. Auch türig (oder beinig, armig, äugig, rädrig) verlangen seiner Meinung nach eine derartige Spezifizierung; sie sind für sich genommen semantisch sinnlos: Dass Autos Türen und Menschen Beine haben, muss nicht eigens ausgedrückt werden, hingegen ist z.B. kommunikationsrelevant, wie viele Türen ein Auto (z.B. zwei oder vier) oder wie beschaffene Beine ein Mensch hat (z.B. kurze oder lange). In diesem Sinne versteht Leser Einheiten wie Hemmer auch durchaus als Wörter, also als syntaktisch frei vorkommende Einheiten; sie benötigen eben nur eine bestimmte semantische Umgebung: der Hemmer meines Appetits. Dieser Ansatz ist im Prinzip bedenkenswert, doch sollte folgender elementare Unterschied nicht übersehen werden: Während Appetithemmer ein normales Determinationskompositum mit Determinativrelation ist (Hemmer des Appetits, vgl. auch [LINK] Rektionskomposita wie Romanleser), trifft dies auf Bildungen des Typs Dickhäuter und viertürig nicht zu. Hier bestimmt die erste Einheit keineswegs die zweite semantisch näher (*dicker Häuter), vielmehr wird die Ableitungsbasis der zweiten Einheit (Haut) determiniert (dicke Haut). Insofern ist es plausibler, derartige Bildungen als Phrasenderivate zu sehen: dicke Haut + -er (Vgl. Donalies 2001). Daraus ergibt sich, dass die Kategorie Zusammenbildung nicht benötigt wird; die fraglichen Bildungen werden analysiert als: * Komposita mit deverbalen Zweiteinheiten und determinierenden Ersteinheiten: Appetithemmer, Vogelscheuche. * Explizite Derivate aus denominalen bzw. deverbalen Zweiteinheiten und adjektivischen Ersteinheiten, die die Basis der Zweiteinheit attribuieren: Dickhäuter, Schwarzseher, Langschläfer, viertürig, blauäugig. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 18.05.2005 13:59. Die unikale Einheit Diachron, d.h. im Schnitt durch die Sprachgeschichte betrachtet, sind unikale, also nur einmal vorhandene Einheiten (auch unikale, blockierte, Quasi- oder Pseudomorpheme bzw. -plereme genannt) überkommene Relikte aus früheren Epochen. Ehemals Wörter (z.B. lind 'Schlange'), sind sie heute als selbständige Einheiten veraltet, treten aber noch gebunden, sozusagen gefroren in Komposita oder Derivaten auf (z.B. in Lindwurm, Schornstein, Himbeere, Brombeere, Nachtigall, Bräutigam, Sintflut, Unflat, beginnen, vergessen, verhunzen, verlieren, plötzlich, ledig, fähig, deftig). Synchron, d.h. auf einer Zeitebene betrachtet, sind unikale Einheiten gegenwartssprachlich zwar leicht isolierbare, aber unverständliche Einheiten der Wortbildung, die nicht mehr bei der Bildung von Wörtern verwendet werden. Unter diesem streng synchronem Aspekt verstehen Fleischer/Barz (1995: 34) auch solche Einheiten als unikal, deren Bedeutung heute nicht mehr aus der tatsächlichen Basis erklärt werden kann: So ist z.B. gehören zwar sprachgeschichtlich wirklich auf hören zurückzuführen, lässt sich aber heute nicht mehr daraus erhellen. Dass hören heute gehören nicht mehr motiviert, liegt daran, dass das Derivat gehören umgedeutet wurde. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 05.09.2001 14:42. Das Fugenelement Wortbildungsprodukte bestehen im Deutschen vor allem aus Wörtern, Konfixen und Wortbildungsaffixen, die miteinander kombiniert werden (z.B. Hutschachtel, Hochzeitstorte, Mondenschein, Thermometer, Kongolese, mehrheitsfähig, öffentlich, identisch, bereden). Zwischen den segmentierbaren Einheiten, also z.B. zwischen Hut und Schachtel, befindet sich die Fuge: * Hut-[FUGE]-schachtel Die Fuge ist meist leer (z.B. bei Hutschachtel, identisch, bereden), mitunter aber durch ein Fugenelement ausgefüllt (z.B. bei Hochzeitstorte, Thermometer, mehrheitsfähig): * Hochzeit- [FUGEN-s] -torte Fugenelemente finden sich vor allem in nominalen und adjektivischen Komposita (z.B. Hochzeitstorte, Thermometer, Stratigraphie, mehrheitsfähig, semantosyntaktisch). [LINK] Das Kompositionsfugenelement Das Kompositionsfugenelement Nach Ortner et al. (1991: 54) weist "der weitaus größte Teil der Komposita" kein Fugenelement auf, nämlich 72,8% ihrer nominalen und 69,2% ihrer Adjektivkomposita, wobei Ortner et al. zahlreiche Elemente als Fugenelemente sehen, die hier als Flexionsaffixe verstanden werden (z.B. das Genitiv-s in Haushalts-). Die Fuge bei Verbkomposita ist bislang weniger exakt erforscht; soweit zu erkennen, ist sie immer leer. Im Deutschen finden sich in Komposita die Fugenelemente * -i- (z.B. Stratigraphie) * -o- (z.B. Thermometer) * -s- (z.B. Geschwindigkeitsrausch) Das Fugen-i- Das aus dem Lateinischen entlehnte Fugenelement -i- wird extrem selten in Komposita, und zwar solchen, die nur aus Konfixen bestehen, verwendet (z.B. Stratigraphie, Plastinaut). Es ist gegenwärtig in der deutschen Standardsprache kaum produktiv. Das Fugen-o- In Komposita mit Konfixen griechischer Herkunft steht in der Regel das aus dem Griechischen entlehnte Fugenelement -o- (z.B. in Thermometer, anglophil, semantosyntaktisch). Auch Komposita aus Konfixen und einheimischen Wörtern zeigen -o- (z.B. Filzokratie, Tütophobie, Thermojacke). Das Fugen-o- wird offenbar nur in der Lehnwortbildung verwendet. Dabei zeigt sich eine Besonderheit: Während bei der Wortbildung mit einheimischen Einheiten die erste Einheit die Verwendung des Fugenelements steuert, richtet sich die prinzipielle Verwendung des Lehn-o- offenbar nicht nur nach der ersten, sondern ebenso nach der zweiten Einheit: Es kann auftreten, ganz gleich, ob die erste oder die zweite Einheit eine Lehneinheit ist, z.B. Tütophobie und Thermojacke. Endet die erste Einheit auf -o-, fällt das Auslaut-o- mit dem Fugen-o- zusammen (z.B. Biotop, egoman). Vgl. Das Konfixkompositum. In Komposita finden sich folgende Fugenelemente: Das Fugen-s- Das einheimische Fugenelement -s- steht in der Regel in Komposita nach Ersteinheiten mit folgenden Suffixen: * -heit (z.B. Schönheitswahn, mehrheitsfähig) * -ion (z.B.Unionsvertreter, emotionsstark). * -ität (z.B. Identitätskrise, realitätsfern) * -keit/-igkeit (z.B. Flüssigkeitsdepot, höflichkeitshalber) * -schaft (z.B. Freundschaftsdienst, gemeinschaftsdienlich) * -ung (z.B. Heizungsmonteur, erwartungsgemäß). Darüber hinaus zeigt sich eine Tendenz, das Fugen-s- immer dann einzusetzen, wenn die Ersteinheit komplex ist, z.B. Hochzeit in Hochzeitstorte. Im Gegensatz dazu wird bei Komposita, deren Ersteinheit einsilbig ist, häufig kein Fugen-s- verwendet (z.B. Zeitmaß). Vgl. dazu auch Eisenberg (1998: 232), Fuhrhop (1998: 180). Hier richtet sich die Verwendung des Fugenelements offenbar nach der Ersteinheit. Mitunter zeigen sich regionale Unterschiede, etwa schweizerisch Abfahrtzeit gegenüber bundesdeutschem Abfahrtszeit, österreichisch Fabriksarbeiter gegenüber bundesdeutschem Fabrikarbeiter (nach Fleischer/Barz 1995: 141). © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 05.02.2003 18:20. Fugenelemente kommen außerdem in expliziten Derivaten vor. Sie treten zwischen Basis und Suffix (z.B. in öffentlich, Kongolese). [LINK] Das Derivationsfugenelement Das Derivationsfugenelement Sehr viel seltener als [LINK] Kompositionsfugenelemente finden sich Fugenelemente zwischen Basis und Suffix in expliziten Derivaten, z.B. in öffentlich, Bekenntnis.. Fraglich ist, ob diese Einheiten überhaupt als Fugenelemente analysiert werden sollten. * Zum einen werden diese Elemente in der Forschungsliteratur als eine eigene Parallelkategorie von den Kompositionsfugenelementen separiert. Für diese eigene Kategorie hat sich der Terminus Interfix durchgesetzt. * Zum anderen werden diese Elemente als Bestandteile der nachfolgenden Suffixe angesehen, also als Suffixerweiterungen. Die Derivate sind danach zu analysieren als: öffen- (= Basis) + -tlich (= Suffix). Gegen die Interfixhypothese spricht: * Während sich das einheimische Kompositionsfugenelement -s- sprachhistorisch aus Flexionsaffixen entwickelt hat, gibt es für die Fugenelemente in Derivaten offenbar keine vergleichbar klare Entwicklungslinie. Vgl. [LINK] Fugenelement versus Flexionsaffix. Dieser sprachhistorische Unterschied genügt allerdings nicht, Derivationsfugenelemente als eigene Kategorie von den Fugenelementen abzugrenzen, zumal die Gemeinsamkeit der Merkmale mit den Kompositionsfugenelementen überwiegen: Derivationsfugenelemente sind ebenso wie Kompositionsfugenelemente semantisch leere Einheiten, die die Wortbildungsfuge füllen und vor allem der leichteren Aussprache und Rezeption dienen. Zudem ist der Terminus Interfix ungünstig, weil er suggeriert, die mit ihm bezeichneten Elemente gehörten zu den anderen mit -fix bezeichneten Einheiten der Wortbildung, seien also in eine Reihe zu stellen mit Konfix, Präfix, Suffix oder Zirkumfix. Zwischen Interfixen und den übrigen mit -fix bezeichneten Einheiten bestehen jedoch erhebliche Unterschiede: Interfixe sind semantisch leere Elemente, während Konfixe und Affixe überwiegend Bedeutung haben. Die als Interfixe bezeichneten Einheiten fungieren als phonologischer Kitt zwischen den Wortbildungseinheiten, während Konfixe und Affixe selbst Wörter bilden. Gegen die Suffixerweiterungshypothese spricht: * Elemente wie das -t- in öffentlich und Bekenntnis dienen eindeutig der leichteren Aussprechbarkeit, siehe vor allem *Bekennnis; sie werden zwischen Basis und Suffix geschoben und gehören offensichtlich nicht zum Suffix. Während sich nämlich Suffixerweiterungen immer sprachhistorisch rechtfertigen lassen (vgl. [LINK] Die Suffixvariante), ist dies bei Elementen wie dem -t- nicht der Fall. Daher werden hier Elemente wie das -t- in öffentlich als Fugenlemente angesehen. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 16.10.2001 09:41. Fugenelemente sind semantisch leer. Sie haben ausschließlich morphologische Funktionen. Verwendungsgründe für die Fugenelemente sind u.a.die Erleichterung der Aussprache (z.B. bei öffentlich) und der Erleichterung der Rezeption eines komplexen Wortes. So gibt es nach Gallmann (1999: 187f) eine Tendenz, z.B. Kompositastrukturen durchsichtiger zu machen, indem die Grenze durch ein Fugenelement markiert wird. Nicht als Fugenelemente werden hier alle Einheiten verstanden, die im Flexionsparadigma der ersten Einheit vorhanden sind: So ist z.B. das -es- in Sohnespflicht oder das -s- in Gehaltserhöhung im Flexionsparadigma als Genitivmarker (Pflicht des Sohnes, Erhöhung des Gehalts), das -e- in Ärztehaus, das -er- in Bücherregal oder das -en in Ionenaustausch als Pluralmarker zu erkennen (Haus für Ärzte, Regal für Bücher, Austausch von Ionen). Ob die Ersteinheiten von Komposita wie Sohnespflicht Wortformen sind, ist umstritten; Genitivformen in Komposita gelten allgemein als defunktionalisiert. Vgl. [LINK] Fugenelement oder Flexionsaffix. Im Gegensatz dazu ist z.B. das -s- in Arbeitsanzug, Hochzeitstorte, Elektrizitätswerk, Armutszeugnis, Schmerzensschrei keinesfalls als Flexionsaffix zu erklären, weil es keineWortform *des Arbeits, *der Hochzeits gibt. Diese Einheiten können deshalb nur als Fugenelemente aufgefasst werden. Ebenfalls nicht als Fugenelement wird hier das -e- in Komposita mit verbaler Ersteinheit wie Haltestelle, Hebebühne, Liegestuhl, Lösegeld, Redeverbot, werbewirksam verstanden: Mit Gallmann (1999: 185) wird vielmehr angenommen, dass mit dem relativ regelmäßigen -e- bei Verbstämmen auf -b (z.B. heb-), -d (z.B. red-), -g (z.B. lieg-), -s (z.B. lös-) oder -t (z.B. halt-) eine Stammvariante vorliegt "und nicht ein eigentliches Fugenelement". © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 17.07.2002 12:27. **XY** Die Wortbildungsarten Wortbildung ist die Bildung von Wörtern aus Sprachmaterial, das innerhalb einer Sprache vorhanden ist. Im Deutschen sind die Verfahren, mit denen Wörter aus vorhandenem Sprachmaterial gebildet werden: * Die Komposition (z.B. Königsmantel, Biotop, seine Man-weiß-ja-nie-Haltung, Schickimicki, Mammufant). * Die Derivation (z.B. Schönheit, identisch, beladen, Wurf, tränken, fischen). * Die Kurzwortbildung (z.B. Prof, Foto, O-Saft, Azubi). Zu den Wortbildungsarten gehören außerdem: * Die Neumotivierung (z.B. Hoch-Zeit). * Das Wortspiel (z.B. Obertan, Klebewesen, Schwachfug). Die Komposition Die Komposition (zu lat. compositio 'Zusammenstellung'), auch Zusammensetzung genannt, ist im Deutschen neben der Derivation eines der beiden Hauptverfahren zur Bildung neuer Wörter. Vgl. [LINK] Komposition versus Derivation. Bei der Komposition werden mindestens zwei Wörter (z.B. König, elegant, knirsch-, vor, wir) und/oder Konfixe (z.B. bio-, polit-, therm-/-therm, phil-/-phil) zu einem Kompositum zusammengesetzt. Komposita sind z.B. Königsmantel, Biotop, Politthriller, Vordach, Wir-Gefühl, pantherelegant, bibliophil, knirschkau(en). Es können auch mehr als zwei Wörter und/oder Konfixe miteinander kombiniert werden (z.B. Königsmantelfabrikant, wintergrasgrün). Zu unterscheiden sind vor allem: * Determinativkomposita (z.B. pantherelegant). * Kopulativkomposita (z.B. schwarzweiß). Zur Komposition werden hier auch die selteneren Wortbildungsarten Reduplikation (z.B. Wirrwarr, Schickimicki) und Kontamination (z.B. Mammufant, fahrradiesisch) gerechnet. Einige der sogenannten Zusammenbildungsprodukte (z.B. Appetithemmer) werden hier als Determinativkomposita verstanden. Sie als eigenen Kompositatyp anzusetzen, ist unnötig. Vgl. [LINK] Die Zusammenbildung Außerdem werden in der Forschungsliteratur mitunter die Produkte der sogenannten Zusammenrückung als Komposita angesehen (z.B. Vergissmeinnicht, Möchtegern). Diese Bildungen werden hier als Konvertate aus Sätzen bzw. Phrasen, also als Derivate, analysiert. Vgl. [LINK] Die Zusammenrückung. Die Komposition ist eine leicht handhabbare Wortbildungsart; besonders die Bildung von Nomina ist kaum beschränkt. * Das Nomenkompositum * Das Adjektivkompositum * Das Verbkompositum * Das Konfixkompositum * Das Kompositum anderer Wortarten Wie alle anderen Wortbildungsprodukte auch werden Komposita stets zusammengeschrieben. Besonders bei Determinativkomposita kommen aber relativ häufig mehr oder weniger sprachkreative Abweichungen von dieser Rechtschreibregel vor. Vgl. [LINK] Die Besonderheiten der Kompositaschreibung. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 24.04.2007 15:45. Das Determinativkompositum Determinativkomposita sind der Normaltyp der Komposita. Typische Determinativkomposita sind z.B. Königsmantel, Hutschachtelhersteller, Biotop, erzengelstreng, biodynamisch, knirschkau(en). Folgende Merkmale sind charakteristisch für Determinativkomposita: * Merkmal 1: Determinativkomposita sind binär. * Merkmal 2: Die zweite Einheit bestimmt die grammatischen Merkmale des Kompositums (z.B. die Wortart). * Merkmal 3: Zwischen den Einheiten eines Kompositums besteht eine spezifische Bedeutungsbeziehung. Die zweite Einheit bei Determinativkomposita bestimmt die Bedeutung des Kompositums. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 12.03.2001 12:41. Die Binarität der Komposita Unabhängig davon, aus wie vielen Einheiten ein Determinativkompositum besteht, ist es (ebenso wie jedes explizite Derivat) binär strukturiert, d.h. Determinativkomposita sind so aufgebaut, dass sie in jeweils zwei Einheiten unterteilt werden können: * Gartenhaus(1)idylle(2), * Garten(1)haus(2) Vgl. [LINK] Die Segmentierung von Komposita Die Segmentierung von Komposita Meist ist ein des Deutschen mächtiger Hörerleser in der Lage, Komposita in sinnvolle Einheiten zu segmentieren, d.h. zu zerlegen, zu zergliedern. Extreme Segmentierungen wie Pedalanordnung (Pedalanordnung) oder Blumentopferde (Blumentopferde) kommen zwar beim Lesen immer mal wieder vor, werden aber überwiegend sofort als unstimmig erkannt. Segmentierung ist also kein ernsthaftes Problem für die Verständigung. Linguisten beschäftigen sich dennoch gerne mit ihr: Wie z.B. Rickheit 1992: 37f entwickelt, gibt es besonders bei Nomina rein morphologisch gesehen zahlreiche Möglichkeiten der Segmentierung. Sie spielt für Straßenbahner folgende Möglichkeiten durch: * Interpretation als Derivat:Straßenbahnfahr + -er. Vgl. dazu [LINK] Die Zusammenbildung. * Segmentierung in eine"lineare Morphemsequenz" (ebd.: 37):Straße + n + bahn + fahr + -er. * Segmentierung in Wörter:Straßenbahn + fahrer. * Alternative Segmentierung in Wörter:Straßen + bahnfahrer. * Segmentierung in Wörter unter Berücksichtigung der paradigmatischen Fugenelemente:Straße + n + bahnfahrer. * Relativ undifferenzierte Segmentierung in Wörter:Straßen + bahn + fahrer. * Gleiche Segmentierung unter Berücksichtigung der paradigmatischen Fugenelemente:Straße + n + bahn + fahrer. * Gleiche Segmentierung unter Berücksichtigung von Wortbildungsaffixen: Straßen + bahn + fahr + -er. "Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, welche dieser Segmentierungen nun die richtige ist, ob es vielleicht sogar alle auf irgendeine Art sind oder ob es Präferenzen für mehrere akzeptable Lösungen gibt, während andere unakzeptabel sind, weil sie zu Inkonsistenzen in der Strukturbeschreibung führen. Wie immer die Antwort ausfällt, man wird nicht umhin können, die einschlägigen morphologischen Kenntnisse um eine gewisse semantische Theoriebildung zu erweitern, wenn man das gegebene Beispielwort im Hinblick auf seine interne Struktur untersuchen will" (Rickheit 1992: 38). Als semantisch sinnvoll ergeben sich grundsätzlich die in Merkmal 1 beschriebenen binären Strukturen. So ist es in Rickheits Beispiel am plausibelsten, in Straßenbahn und Fahrer zu zerlegen, weil Straßenbahnfahrerden Fahrer einer Straßenbahn bezeichnet. Mitunter sind bei Segmentierungen jedoch die Grenzen nicht immer eindeutig zu bestimmen: Je nach Kontext kann z.B. Kindergeburtstagsfeier sowohl zerlegt werden in Kindergeburtstagsfeier 'Geburtstagsfeier mit Kindern oder für Kinder' oder in Kindergeburtstagsfeier 'Feier anlässlich eines Kindergeburtstags, z.B. mit den Großeltern und einer angeheirateten Tante'. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 05.09.2001 16:03. Keine Ausnahmen davon sind Komposita mit Fugenelementen (z.B. Arbeitsamt, Thermometer). Fugenelemente sind lediglich Verbindungskitt zwischen zwei Einheiten, sie sind semantisch leer und gehören nicht eigentlich zur Struktur: * Arbeit(1)-s-amt(2) Die auf den einzelnen Zerlegungsstufen jeweils isolierbaren Einheiten (z.B. Gartenhaus und Idylle oder Garten und Haus) werden unmittelbare Konstituenten genannt. Vgl. [LINK] Die Kompositastruktur im Baumdiagramm · · Nominalphrasen Die Kompositastruktur im Baumdiagramm Die jeweils binär verzweigte Struktur der Determinativkomposita kann hierarchisch in einem Baumdiagramm dargestellt werden: Zu unterscheiden sind (um im Bild eines Baumes mit Zweigen zu bleiben) links-, rechts- und beidseitig verzweigte Determinativkomposita. Linksverzweigte Determinativkomposita Rechtsverzweigte Determinativkomposita Beidseitig verzweigte Determinativkomposita Zur grundsätzlichen Binarität von Determinativkomposita vgl. den ausführlichen Forschungsüberblick bei Meineke 1991: 38-45. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 05.09.2001 16:02. Die grammatischen Merkmale von Komposita Bei Determinativkomposita legt die zweite Einheit die grammatischen Merkmale des Kompositums fest, d.h. die zweite Einheit bestimmt in Determinativkomposita u.a., welcher Wortart ein komplexes Wort angehört: * grau + Schleier = Grauschleier = Nomen * Nebel + grau = nebelgrau = Adjektiv Die Regel, dass stets die letzte, die rechte Einheit ausschlaggebend für die syntaktische Verwendung eines komplexen Wortes ist (so auch bei expliziten Derivaten), wird nach amerikanischem Vorbild Righthand Head Rule genannt. Vgl. [LINK] Die Righthand Head Rule in der Wortbildung. Ausschließlich die zweite Einheit wird flektiert: * des Holzhauses - des *Holzeshauses * die Hutschachteln - die *Hüteschachteln Nur bei ganz wenigen etablierten Komposita findet sich mitunter "die interne Flexion relikthaft bewahrt" (Fleischer/Barz 1995: 88), z.B. aus Langerweile neben heute offenbar üblicherem aus Langeweile. Keine Binnenflexion hingegen liegt vor bei Komposita wie Sohnespflicht, Kindergarten oder Grüne-Bohnen-Eintopf, Gelbe-Rüben-Torte. Komposita dieses Typs werden analysiert als Bildungen mit einer Wortform (z.B. mit der Genitivform Sohnes oder der Pluralform Kinder) bzw. mit einer Phrase als Ersteinheit (z.B. grüne Bohnen, gelbe Rüben). Vgl. [LINK] Fugenelement oder Flexionsaffix?. Der Hauptakzent liegt bei Determinativkomposita stets auf der ersten Einheit (z.B. Hutschachtel), vgl. aber Ausnahmen wie Schienenersatzverkehr). "Verbunden damit ist die zusammenfassende Aussprache der Bestandteile des Kompositums unter einem einzigen Klangbogen" (Meineke 1991: 28f). Bei Kopulativkomposita hingegen werden beide Einheiten gleichermaßen betont (z.B. armenisch-deutsche Beziehungen). © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 19.12.2006 10:13. Die semantischen Merkmale von Komposita Zwischen den Einheiten eines Determinativkompositums besteht (ebenso wie zwischen den Einheiten eines expliziten Derivats) eine spezifische Bedeutungsbeziehung. Vgl. [LINK] Komposition versus Derivation. Für Determinativkomposita gilt grundsätzlich, dass die zweite Einheit durch die erste determiniert wird, d.h. semantisch näher bestimmt, eingegrenzt. So determiniert z.B. Hut in Hutschachtel die zweite Einheit Schachtel; die semantische Eingrenzung besteht darin, dass durch Hut ein bestimmter Zweck von Schachtel thematisiert wird: Hutschachtel bezeichnet eine Schachtel zur Aufbewahrung eines Huts. Die determinierte, übergeordnete Einheit (z.B.Schachtel) heißt Grundwort oder Determinatum, die determinierende, untergeordnete Einheit (z.B. Hut) heißt Bestimmungswort oder Determinans. Das Grundwort oder Determinatum bestimmt grundsätzlich nicht nur die grammatischen Merkmale und damit die kategorielle Bedeutung (vgl. Die grammatischen Merkmale von Komposita), sondern auch die lexikalische Bedeutung des Kompositums: So bestimmt z.B. das Determinatum Garten, dass die Komposita Kleingarten und Gemüsegarten einen Garten bezeichnen. Das Grundwort oder Determinatum ist das Hyperonym, d.h. der Oberbegriff. Es gilt: AB ist B, z.B. eine Hutschachtel ist eine Schachtel, pantherelegant ist elegant. In diesem Zusammenhang wird häufig auf die prinzipielle Unvertauschbarkeit von Einheiten in Determinativkomposita im Gegensatz zur Vertauschbarkeit der Einheiten in Kopulativkomposita hingewiesen. Damit ist gemeint, dass charakteristischerweise die Einheiten von Determinativkomposita nicht vertauscht werden können, ohne dass eine wesentliche Bedeutungsveränderung eintritt: Ein Bierfass ist nicht Fassbier, fingerlang ist kein Langfinger. Dieses Merkmal trifft auf Determinativkomposita tatsächlich zu (vgl. Donalies 1999b), es eignet sich jedoch nicht zur Abgrenzung der Determinativ- von den Kopulativkomposita (z.B. schwarzweiß, krummgelb), denn auch bei Kopulativkomposita sind Vertauschungen mitunter aus semantischen Gründen nicht möglich. Vgl. Das Kopulativkompositum. Ein semantisch abzugrenzender Untertyp der Determinativkomposita sind die exozentrischen Komposita, z.B. Wirrkopf 'Person, die einen Wirrkopf hat'. Komposita dieses Typs sind besonders zur Bezeichnung von Lebewesen (Personen, Tieren, Pflanzen) relativ häufig, z.B. Langbein 'Person, die lange Beine hat', Hinkebein 'Person, die ein Hinkebein hat', Rotkehlchen 'Vogel, der ein rotes Kehlchen hat', ,Nashorn 'Säugetier, das ein Horn auf der Nase hat', Weißwurz, auch Weißwurzel 'Pflanze, die eine weiße Wurzel hat', Schwarzdorn 'Pflanze, die schwarze Dornen hat'. Daneben finden sich aber auch Bezeichnungen für Gegenstände, z.B. Dreirad 'Fahrgerät, das drei Räder hat', Viereck 'Ding, das vier Ecken hat'. An exozentrischen Komposita ist außergewöhnlich, dass nicht gilt: AB ist ein B, vgl. Schwarzdorn *'ein Dorn, und zwar ein schwarzer'. Vielmehr wird etwas bezeichnet, das außerhalb von B und auch von A liegt: Schwarzdorn 'Strauch mit schwarzen Dornen'. Vgl. [LINK] Das exozentrische Kompositum © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 13:25. Das exozentrische Kompositum Exozentrische Komposita, traditionell vor allem Possessivkomposita, mitunter auch Bahuvrihi genannt, werden in der Forschungsliteratur häufig als eigener Kompositatyp neben Determinativ- und Kopulativkomposita gestellt. Hier werden sie dagegen als semantischer Untertyp der Determinativkomposita gesehen und zwar aus folgenden Gründen: Exozentrische Komposita stehen vor allem in Opposition zu den Determinativkomposita. Bei Determinativkomposita bestimmt die erste Einheit die zweite näher, d.h. die erste grenzt die Bedeutung der zweiten ein. So bezeichnet z.B. Grünspecht einen Specht, der grün ist; Specht ist das Hyperonym, d.h. der Oberbegriff, zu Grünspecht. Bei den exozentrischen Komposita dagegen ist die zweite Einheit keineswegs das Hyperonym des Kompositums: Rotkehlchen bezeichnet kein Kehlchen, das rot ist, sondern etwas, das sich sozusagen außerhalb der Bezeichnung befindet (daher exozentrisches Kompositum), nämlich einen Vogel, der ein rotes Kehlchen hat (daher Possessivkompositum oder altindisch Bahuvrihi 'viel Reis habend'). Die Termini Possessivkompositum und Bahuvrihi sind übrigens insofern irreführend, als ja auch bei den üblichen Determinativkomposita Haben-Relationen bestehen, nämlich zwischen Einheiten wie Korb und Henkel in Henkelkorb 'Korb, der einen Henkel hat', so auch Bilderbuch, Schnabeltasse, Stachelschwein. Der Terminus exozentrisches (Determinativ)Kompositum ist wesentlich eindeutiger und wird daher hier bevorzugt. * Determinativkompositum: Grünspecht 'grüner Specht' * Exozentrisches Kompositum: Rotkehlchen 'Vogel mit rotem Kehlchen' Trotz dieser Abweichung sind exozentrische Komposita jedoch ihrer morphologischen Struktur nach Determinativkomposita: rot determiniert Kehlchen. Daher liegt es nahe, anzunehmen, dass exozentrische Komposita lediglich semantisch weiterentwickelte, umgedeutete Determinativkomposita sind. Zunächst entstand ein übliches Determinativkompositum mit Determinatum und Determinans, das in einem weiteren metonymischen Etablierungsschritt verwendet wurde, um nun auch Sachen zu bezeichnen, die nicht das Bezeichnete selbst sind, sondern das Bezeichnete charakteristischerweise haben. Wörter können bekanntlich prinzipiell in dieser Weise umgedeutet werden, z.B. im Krankenhausjargon: das Herz in Zimmer 202 hat Besuch von seiner Mutter. Hier wird eine Person bezeichnet, deren Charakteristikum das medizinisch behandelte Herz ist. Vgl. auch Die eine gelbe Bluse wurde stutzig [...] Die misstrauische gelbe Bluse musterte mich von Kopf bis Fuß (Japrisot 1999: 164). In diesem Sinne sollten exozentrische Komposita nicht als ein eigenständiger Kompositatyp neben Determinativ- und Kopulativkomposita gestellt, sondern als Untertyp den Determinativkomposita zugeordnet werden. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 05.09.2001 15:58. Das Kopulativkompositum Das Erklärungsmodell Kopulativkompositum ist notwendig, um die morphologische und semantische Stuktur einiger Adjektivkomposita beschreiben zu können. Adjektivkomposita wie in deutsch-armenische Beziehungen, Deutschlands schwarz-rot-goldene Flagge, eine krummgelbe Banane lassen sich nämlich nicht als Determinativkomposita analysieren, weil sie deren wesentlichen Definitionskriterien nicht entsprechen: Sie sind z.T. nicht binär strukturiert (z.B. schwarz(1)-rot(2)-gold(3)); die erste Einheit bestimmt keineswegs die zweite Einheit semantisch näher, z.B. bedeutet schwarzweiß eindeutig 'schwarz und weiß', z.B. ein schwarzweißes Schachbrett, ein schwarzweißes Zebra. Und auch im Bananenkontext soll wohl mit krummgelb eher nicht *'gelb, und zwar krumm' ausgedrückt werden. Obwohl unter bestimmten Umständen sicher ein krummes Gelb vorstellbar ist, liegt die Interpretation nahe, dass der Sprecherschreiber die Banane als krumm und gelb beschreiben will. Hier sind die Einheiten also semantisch gleichgeordnet. So auch in ein großes, mager-strenges Mädchen (Fuchs 1992: 19, Eigenbeleg). Dass die Einheiten von Kopulativkomposita prinzipiell semantisch gleichrangig sind, bedeutet jedoch nicht, dass sie grundsätzlich beliebig vertauscht werden können: Zwar lassen sich tatsächlich, auch wenn dies so nicht etabliert ist, bei einigen Kopulativkomposita die Einheiten verkehren, z.B. ist relativ beliebig, ob man schwarzweißes Schachbrett oder weißschwarzes Schachbrett sagt. Zum großen Teil sind aber die Einheiten von Kopulativkomposita nur bedingt vertauschbar, u.a. weil eine bestimmte Reihenfolge signalisiert werden soll, z.B. in eine rot-gelb-grüne Ampel, Armeniens rot-blau-orange Flagge. In der Forschungsliteratur werden darüber hinaus auch einige Nomen- und Verbkomposita als kopulativ aufgefasst. Dafür gibt es aber nach aktuellen Forschungsstand keine zwingende Notwendigkeit. Vgl. [LINK] Das Kopulativkompositum in der Forschungsliteratur © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 05.09.2001 14:54. Die Reduplikation Die Reduplikation (zu lat. reduplicare 'verdoppeln, wiederholen'), auch Iteration genannt (zu lat. iteratio 'Wiederholung'), ist eine kaum produktive Wortbildungsart, bei der durch Doppelung eines Wortes ein Kompositum gebildet wird. Überwiegend wird dabei der Vokal variiert, relativ regelmäßig i zu a, z.B. Mischmasch (zu misch(en)), Wirrwarr (zu wirr), Tingeltangel (zu tingel(n)), mitunter auch der konsonantische Anlaut, z.B. Schickimicki (zu schick). Reduplikate gehören in der Regel einem eher legeren Sprachstil an. Nicht zur Reduplikation gehören Onomatopoetika wie Kuckuck, Tamtam, Wauwau, die nicht aus Wörtern gebildet, sondern lautmalerisch urgeschöpft werden. Sie sind besonders im Umgang mit Kindern gebräuchlich. Wortschöpfung durch urschöpfende Onomatopoiie, d.h. Klangmalerei, Schallnachahmung, ist im Deutschen neben Wortbildung, Entlehnung und Bedeutungsveränderung eine der Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung. Vgl. Wortbildung und andere Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung. Ebenfalls nicht als Reduplikate, sondern als Determinativkomposita werden hier die sogenannten Selbstkomposita verstanden, die vorrangig der Hervorhebung dienen (z.B. Film-Film, graugraue Hemden). © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 24.04.2007 15:25. Die Kontamination Die Kontamination (zu lat. contaminare 'miteinander in Berührung bringen'), auch Wortkreuzung, Wortverschmelzung, Wortmischung, Kontraktion oder nach englischem Vorbild Blending genannt, ist eine nicht besonders produktive Wortbildungsart, bei der in der Regel zwei Wörter ineinander verschachtelt werden (z.B. Kurlaub, Mammufant): * Mammu(t + Ele)fant Morphologisch sind dabei zwei Typen von Kontaminaten zu unterscheiden: Zum einen Komposita wie Mammufant, deren Einheiten keine gemeinsamen Laut- bzw. Buchstabenfolgen haben und daher einfach irgendwie z.B. nach Kriterien der Aussprechbarkeit ineinandergeschoben werden, und Komposita wie Lakritzelei (Beispiel von Heringer 1989: 192) oder Kurlaub, deren Einheiten gemeinsame Laut- bzw. Buchstabenfolgen haben und die sich genau darin überschneiden: * Mammut + Elefant * Lakritz + Kritzelei Gebildet werden vor allem Nomina, seltener auch Verben und Adjektive, z.B. Demokratur, Pädagongschlag, akadämlich (Beispiele von Heringer 1989: 192), Rüpelradler seien sie und Rowdys [...], die sich "fahradiesische Freiheiten" herausnähmen (TAZ 15.6.1991, Cosmas), Anpasser-Wossi (SPIEGEL 52/1993: 56, Cosmas), Dann könne jeder, der wolle, gefahrlos [...] in künstliche Paradiese ab- oder auch nur seine Stimmung anheben. Bis es solche "Utopiate" (von utopische Opiate) geben wird [...] (ZEIT 13.19.1995: 45, Cosmas), eine nicht ungefährliche Etymogelei (FAZ, Cosmas), Ich bin ein Gourmeggle (Werbespruch für Kräuterbutter der Firma Meggle, nach Hars 1999: 169). Vgl. auch die durch die Binnengroßschreibung betonte Bildung NatUrlaub. Die Kontamination bedingt, dass bei den beteiligten Einheiten Laut- bzw. Buchstabenfolgen wegfallen. Dies hat sie mit der Kurzwortbildung gemeinsam. Kontamination ist aber keine Kurzwortbildung. Bei der Kurzwortbildung wird nämlich ein Wort oder eine Phrase zu einer inhaltlichen Dublette verkürzt (z.B. Auszubildender -> Azubi, Institut für Deutsche Sprache -> IDS), vgl. Die Kurzwortbildung, während bei der Kontamination mindestens zwei Wörter zu einem inhaltlich ganz neuen Wort zusammengefügt werden. Kontamination ist ein Untertyp der Komposition. Wie bei anderen Komposita (z.B. Königsmantel) wird auch bei der Kontamination ein Wort gebildet durch Zusammensetzung von mindestens zwei Wörtern. Die Besonderheit ist die Verschachtelung. Kontaminate beruhen mitunter auf einem Versprecher (z.B. sich vereinstimmen aus sich verständigen und übereinstimmen). Auch Kinder, die die Sprache ja erst noch erlernen, erfreuen sich und ihre Umwelt gelegentlich mit Kontaminationen (z.B. Advester aus Advent und Silvester). Gehemmtere Erwachsene nehmen Kontaminate überwiegend als auffällige Wortwitzeleien; Kontaminate lenken in der Tat die Aufmerksamkeit auf sich; die meisten sind Gelegenheitsbildungen. Nur selten finden sich Kontaminate mit Bestand in der Standardsprache, z.B. Kurlaub. Die in der Forschungsliteratur ansonsten mitunter angeführten Beispiele etablierter Kontaminate wie Motel, Smog und neuerdings Netiquette sind aus dem Englischen entlehnt, also keine im Deutschen gebildeten Wörter, sondern Entlehnungen. Vgl. zur Entlehnung auch Wortbildung und andere Möglichkeiten der Wortschatzerweiterung. Von der Kontamination abzugrenzen sind die sogenannten Verschmelzungen (z.B. am, beim, unters), die nicht zur Wortbildung, sondern zur Syntax gehören. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 24.04.2007 15:50. Das Nomenkompositum Die Komposition ist eine leicht handhabbare Wortbildungsart. Besonders der Wortschatz der Nomina, aber auch der der Adjektive wird durch Komposition stark erweitert, während die Komposition von Verben eine untergeordnete Rolle spielt. Die vielfältigen morphologischen Kompositionsmöglichkeiten sind eine typologische Eigenart des Deutschen; insbesondere die Nomen-Nomen-Komposition ist zumindest theoretisch nahezu unbeschränkt. Dies betrifft u.a. die Länge der möglichen Komposita: "Manche deutsche Wörter sind so lang, dass man sie nur aus der Ferne sehen kann", z.B. Generalstaatsverordnetenversammlung (Twain nach 1878: 539). Sehr lange Komposita wie im folgenden (sicher nicht ganz ernst gemeinten) Text sind zwar regelgerecht, sollten aber vermieden werden, weil sie unübersichtlich und dadurch hörerleserunfreundlich sind: Super, dass man die Australienlangstreckendirektflugstopoverspezialisten von Quantas gebührenfrei erreichen kann (Die Woche 1994, nach Braun 1997: 152). So auch Gegenzugoffenfachdoppelhubschaftmaschine (nach Ortner et al. 1991: 30). Bei derart langen Komposita wird zur Erleichterung des Lesens der sogenannte Durchkopplungsbindestrich empfohlen. Vgl. [LINK] Die Besonderheiten der Kompositaschreibung. Mitunter werden lange Komposita in ihrem allmählichen Etablierungsprozess auch durch Kürzung leichter rezipierbar gemacht. Ungeachtet der Zahl ihrer Einheiten sind nominale Komposita grundsätzlich binär, d.h. sie werden bei den einzelnen Segmentierungsschritten jeweils in zwei Einheiten, die unmittelbaren Konstituenten, unterteilt, z.B. Generalstaatsverordneten(1)versammlung(2). Vgl. [LINK] Die Kompositastruktur im Baumdiagramm. Für die Analyse der morphologischen Struktur eines Kompositums ist also nicht ausschlaggebend, welche Wortarten in ihm überhaupt vorkommen, sondern welcher Wortart die unmittelbaren Konstituenten angehören: So ist zwar im Kompositum Fertighauskatalog das Adjektiv fertig enthalten; da das Kompositum aber als Fertighaus(1)katalog(2) analysiert wird und sowohl Fertighaus(1) als auch Katalog(2) Nomina sind, wird es als Nomen-Nomen-Kompositum verstanden. Das Kompositum Fertig(1)haus(2) dagegen ist ein Adjektiv-Nomen-Kompositum. Nomina können mit verschiedensten Einheiten zusammengesetzt werden. Nach Wortart zu unterscheiden sind: * Das Nomen-Nomen-Kompositum * Das Adjektiv-Nomen-Kompositum * Das Verb-Nomen-Kompositum * Das Konfix-Nomen-Kompositum * Das nominale Konfix-Konfix-Kompositum * Das Satz-Nomen und das Phrase-Nomen-Kompositum * Das nominale Kompositum mit anderen Ersteinheiten Semantisch gesehen sind besonders die Nomen-Nomen-Komposita sehr vielfältig. Sie bilden die meisten semantischen Muster. Vgl. Einige Lesarten zu nominalen Wortbildungsprodukten. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 18.05.2005 11:30. Das Nomen-Nomen-Kompositum Der im Deutschen sprachhistorisch älteste Kompositatyp, das Nomen-Nomen-Kompositum (z.B. Hutschachtel, Königsmantel, Gartenidylle), ist das morphologisch und semantisch variationsreichste Wortbildungsprodukt. Nomen-Nomen-Komposita können deutlich länger als alle anderen Wortbildungsprodukte sein und dadurch auf knappstem Raum sehr viele Informationen transportieren, z.B. Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (Beispiel von Augst 2001: 210). Auch Okkasionalismen sind hier besonders häufig zu finden, z.B. der Spannungskopfschmerzmensch (Mannheimer Morgen 21.8.1985: 3, Cosmas), eine Welle von Mutterwut (Spengler 1991: 64); eine Vierjährige benennt "eine Schnecke, die sie zusammen mit Bauernkindern gefunden hat" mit Bauernschnecke (Stern/Stern 1928: 397). Morphologisch gesehen ist der Gebrauch nominaler Ersteinheiten weitgehend unbeschränkt; es kommen nahezu alle Nomina in Frage, u.a. nominale Komposita (z.B. Nudelsauce in Nudelsaucenrezept, Nudensaucenrezept in Nudelsaucenrezeptesammler usw.) sowie Derivate (z.B. in Hoffnungsschimmer) oder Kurzwörter (z.B. in Unialltag, IDS-Tagung, S-Bahn-Geleise). Vgl. auch [LINK] Die Komposition mit Kurzwörtern. Bei Konvertaten ist nicht zu entscheiden, ob es sich um das Basisadjektiv bzw. -verb oder die nominale Ableitung handelt (z.B. in Startposition 'Position, aus der heraus man startet', 'Position am Start'); Infinitivkonvertate wie das Laufen werden als Ersteinheiten in Komposita offenbar gemieden. Semantisch gesehen sind besonders die nominalen Komposita "schwarze Löcher mit unwiderstehlichem Deutungssog" (Heringer 1984: 10). Bedeutungsbeziehungen zwischen den Einheiten in Komposita müssen vom Hörerleser anhand verschiedener Indizien rekonstruiert werden: Zum Beispiel haben Hundekuchen und Mandelkuchen dieselbe morphologische Struktur, sind jedoch üblicherweise semantisch keineswegs gleich zu interpretieren. Dagegen sind die semantischen Beziehungen zwischen Wörtern in Phrasen, die Vergleichbares ausdrücken, sehr viel klarer; die Beziehungen werden z.B. durch Präpositionen festgelegt: Kuchen für Hunde, Kuchen aus Mandeln. Während in Phrasen die semantischen Relationen also meist deutlich sind, scheinen besonders nominale Komposita - mit Ausnahme der [LINK] Rektionskomposita (z.B. Frauenkenner) - relativ frei auslegbar zu sein. So gibt Heringer (1984: 2) für das Kompositum Fischfrau u.v.a. folgende Deutungen an: * 'Frau, die Fisch verkauft' * 'Frau eines Fisches' * 'Frau, die Fisch isst' * 'Frau, die Fisch produziert' * 'Frau, die kühl wie ein Fisch ist' * 'Frau, die den Fisch gebracht hat' * 'Frau, die bei dem Fisch steht' Die Freiheit der Wortbildung ist jedoch zu relativieren, denn die Interpretation wird in der Regel durch den direkten Kontext gesteuert, in dem die aktuelle Bedeutung realisiert wird. Steht z.B. in einem Märchen und der Fisch und seine Fischfrau lebten glücklich und zufrieden, ist die Interpretation 'Frau eines Fisches' plausibel. Darüber hinaus können Hörerleser auch auf ihr Weltwissen, auf den Kontext im weiteren Sinne zurückgreifen; sie können sich an Erfahrungswerten und der Logik von Zusammenhängen orientieren. Dass z.B. das als Hundekuchen Bezeichnete aller Wahrscheinlichkeit nach kein Kuchen aus oder mit Hunden ist (etwa analog Mandel- oder Rosinenkuchen), sondern ein Kuchen für Hunde (analog Babybrei und Herrentorte), lässt sich aus Kulturspezifika schließen: In unseren Breiten werden normalerweise keine Kuchen aus Hunden oder Torten aus Herren angeboten. Die Auswahl der Interpretationsmöglichkeiten eines Kompositums wird schließlich auch eingeschränkt, weil sich ein Hörerleser an die ihm geläufigen Komposita hält. Er wählt nicht aus a l l e n potentiell möglichen Interpretationen aus, sondern greift auf ein verhältnismäßig festes Inventar vorhandener Muster zurück. So ist ihm z.B. von Bildungen wie Hundekuchen, Herrentorte, Kinderschokolade das Muster 'B, das für A bestimmt ist, das von A konsumiert wird etc.' bekannt, das - nach Prüfung des Kontextes - auch auf zuvor noch nicht gehörte oder gelesene Komposita wie Nilpferdkekse angewendet werden kann. Ähnlich gilt für den Sprecherschreiber, dass er sich vorhandener Muster bedient. Nicht nur der Wortschatz, also das Inventar der Wörter, sondern auch das Inventar gemeinsamer Wortbildungsmuster garantiert eine im Wesentlichen reibungslose Kommunikation. Nur für Nomen-Nomen-Komposita wird in der Forschungsliteratur mitunter der Sonderfall der sogenannten Klammerform angenommen (z.B. Bier(glas)deckel). Vgl. [LINK] Die Klammerform Ebenfalls nur bei der Nomen-Nomen-Komposition wird besonders alltagssprachlich mitunter die Regel umgangen, nach der grundsätzlich die zweite Einheit die grammatischen und semantischen Merkmale des Kompositums festlegt. Einige Sprecherschreiber nehmen jedoch auf die erste Einheit syntaktisch-semantisch Bezug, z.B. am heutigen Wahltag der Mitarbeiter. Hier bezieht sich die Genitivphrase der Mitarbeiter auf die erste Einheit Wahl, nicht auf Tag; es geht um die Wahl der Mitarbeiter, nicht um einen Tag der Mitarbeiter. Vgl. [LINK] Das Verweisen auf Ersteinheiten von Komposita © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 24.04.2007 15:56. Das Adjektiv-Nomen-Kompositum Im Vergleich zur Nomen-Nomen- und Verb-Nomen-Komposition ist die Adjektiv-Nomen-Komposition (z.B. Buntpapier, Suggestivfrage) morphologisch und semantisch deutlich stärker beschränkt. Diese Beschränkung ist jedoch meist weniger eine Frage des Wortbildungssystems als der Norm: Bildungen, die vom System her möglich wären, werden aus bislang ungeklärten Gründen von Sprecherschreibern nicht genutzt; die Wortbildungsprodukte sind systematisch durchaus richtig, aber unüblich. Vgl. [LINK] System und Norm in der Wortbildung. Welche Adjektive gebräuchlicher sind als andere, ist nicht erkennbar: Gleichermaßen genutzt werden einsilbige und mehrsilbige Adjektive (z.B. bunt, kalt, bitter, dunkel), simplizische und komplexe Adjektive (z.B. bitter, bunt, mehrfach, schwarzweiß), derivierte und zusammengesetzte Adjektive (z.B. mehrfach, universal, rotgrün, schwarzweiß) oder einheimische und entlehnte Adjektive (z.B. bunt, mager, light, soft). Alle Aussagen zu Produktivität und Häufigkeit lassen sich jeweils nur für einzelne Adjektive treffen; mitunter sind aber Tendenzen erkennbar: So werden z.B. Adjektivderivate mit den Suffixen -bar, -lich, -ig üblicherweise nicht als Ersteinheiten verwendet. Etablierte Komposita sind u.a. Altbundeskanzler, Alternativmedizin, Bestnote, Blindflug, Brachialgewalt, Buntmetall, Dunkelmänner, Endlospapier, Exklusivinterview, Falschgeld, Gebrauchtwagen, Gemischtwaren, Lebendgruppe, Lightprodukte, Magersucht, Magerquark, Magermilch, Mehrfachstecker, Mürbeteig, Rotgrünblindheit, Schwarzweißfernseher, Softeis, Süßspeise, Süßkartoffel, Universalgelehrter. Die adjektivischen Einheiten dieser Komposita werden jedoch keineswegs allgemein frei zur Komposition herangezogen, nicht etabliert sind z.B. Alternativwerbung, Bestschüler, Buntkleid, Klargedanke, Magerwurst, Schwarzweißschlips, Süßcreme. Auch andere Bildungen sind auffällig, z.B. Die Vorteile der Unendlich-Optik (Mannheimer Morgen 24.4.1986: 3, Cosmas), Dringlichschalter (nach Ortner et al. 1991: 802), Gutbürgerlichküche (TAZ 11.2.1991: 28, Cosmas), gemeinsam beim Teueritaliener(Rühmkorf 1995: 35), wohl einfach analog zu Billigitaliener, der ürrsünnig berlinernden und Falschdeutsch sprechenden Oma (ebd.: 125), ein Bewohner des Offenlandes (Reichholff 1997: 43), Grünkohl - neben dem Brokkoli der Gesundkohl (elle bistro 2/1997: 48), Topaktuelle Bewegtbild-Information (Beilage zur Telefonrechnung November 1997). Wie die Belege zeigen, sind Sprecherschreiber solchen Bildungen gegenüber erfreulicherweise aber durchaus offen. Alternativ zu suffigierten Adjektiven werden der Einfachheit halber meist die weniger komplexen Basen verwendet. So steht Demutsgeste statt Demütiggeste, Klapptisch statt Klappbartisch, Pflanzenkost statt Pflanzlichkost, Sonnenwetter statt Sonnigwetter, Steinskulptur statt Steinernskupltur. Vgl. Das Nomen-Nomen-Kompositum. Die adjektivischen Ersteinheiten treten mitunter als wortbildungsspezifische Varianten zu den frei vorkommenden Formen auf, z.B. Spezialverfahren gegenüber spezielles Verfahren, so auch Eventualfall, Individualverkehr, Sexualverhalten. Semantisch gesehen sind alle Adjektiv-Nomen-Komposita nach dem gleichen vagen Muster gebildet: Das Adjektiv attribuiert das Nomen in gleicher Weise wie in Nominalphrasen (z.B. Buntpapier = buntes Papier, Blaukraut = blaues Kraut , so auch Alternativmedizin, Billigmedikament, Dickmilch, Doppelkinn, Einfachlösung, Flachdach, Elementarerlebnis, Endlosmonolog). Auch wenn durch die Komposition immer ein spezieller Effekt erreicht wird, entsprechen Phrasen und Komposita grundsätzlich einander; das Determinans bestimmt das Determinatum hinsichtlich seiner charakteristischen Eigenschaft: die Halbliterflasche mit Weithals (elle bistro 3/1998: 14) ist die Halbliterflasche mit weitem Hals. Nur einige wenige Adjektiv-Nomen-Komposita gehören vermeintlich nicht diesem Attributmuster an. So bedeutet z.B. Akutbett nicht unmittelbar 'akutes Bett', vgl. auch Immunbiologe, Schnellstraße, Schwarzweißfernseher. In der Forschungsliteratur werden solche Komposita daher mitunter als Klammerformen (z.B. Akut(fall)bett) interpretiert; die erste Einheit soll dieser Ansicht zufolge kein Adjektiv, sondern ein gekürztes Nomen sein: Akut- soll hier für Akutfall stehen. Terminus und Begriff Klammerform sind jedoch fragwürdig. Vgl. [LINK] Die Klammerform. Komposita wie Akutbett erklären sich nämlich nicht nur durch die unbefriedigende Annahme irgendwie verlorengegangener Einheiten, sondern sind plausibel damit zu begründen, dass Beziehungen zwischen den Einheiten von Komposita prinzipiell sehr vage sein können: Im Deutschen erlaubt gerade die Komposition, stark zu komprimieren; nicht alle Informationen müssen dabei expliziert werden. Komposita wie Akutbett sind in diesem Sinne morphologisch als Zusammensetzung aus Adjektiv plus Nomen und semantisch vage als 'Bett, das mit etwas Akutem zu tun hat' zu analysieren. Was Akutbett genau bezeichnet, erhellt sich aus dem Weltwissen: Es handelt sich hier um ein Bett (und zwar, wie man sich ebenfalls dazudenken muss, um ein Klinik-, Krankenhaus- oder Praxisbett), das für akute Fälle bereit gehalten wird. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 14:11. Das Verb-Nomen-Kompositum Die Verb-Nomen-Komposition ist deutlich weniger eingeschränkt als die Adjektiv-Nomen-Komposition. Die Norm lässt hier weitaus mehr zu, auch Okkasionalismen sind meist unauffällig. Vgl. [LINK] System und Norm in der Wortbildung Verwendet werden fast alle Typen von Verben, und zwar gleichermaßen einsilbige und mehrsilbigeVerben (z.B. bind(en), mogel(n)), simplizische und komplexe Verben (z.B. mogel(n), rasier(en)), abgeleitete und zusammengesetzte Verben (z.B. entkodier(en), rasier(en), spritzgieß(en)) sowie einheimische und entlehnte Verben (z.B. bind(en), box(en)). Etabliert sind z.B. Bindfaden, Boxring, Bratkartoffeln, Charterflug, Fahrschüler, Gießkanne, Heftklammer, Kletterbaum, Kratzspuren, Modelliermasse, Mogelpackung, Nieselregen, Putzsucht, Rasierspiegel, Sitzvolleyball, Spritzgießmaschine, Stehkragen, Stolperdraht, Suchmaschine, Surfbrett, Talkrunde, Tänzelschritt, Tarnmantel, Trödelheini, Waschfrau, Wanderschuhe. Vgl. auch okkasionelleres mit seinen schönen Schmachtaugen (Broch 1950; 102, Eigenbeleg), mit geschultertem Setzspaten (Lenz 1989: 44, Eigenbeleg), Wirft Knüllpapier in das Ofenloch (Hahnfeld 1996: 163, Eigenbeleg). Auch Präfixverben (z.B. begehen) und Präverbfügungen (z.B. eingehen, Rad fahren) finden sich sehr viel zahlreicher, als dies in der Forschungsliteratur meist dargestellt wird. Etabliert sind z.B. Abbeizmittel, Anmeldepflicht, Auffahrunfall, Ausgehuniform, Bedenkzeit, Begleitbuch, Einfüllstutzen, Fernsehprogramm, Radfahrweg, Rechtschreibübung, Umhängebeutel, Überziehpullover, Verladearbeiten, Verschnaufpause, Wegwerfgesellschaft, Wohlfühlwetter, Zugehfrau, Zuschneideapparat. Vgl. auch okkasionelleres Umrührkakao (nach Stern et al. 1928: 396), Mitklatschtempel (SZ 1977, nach Ortner et al. 1991: 630), Ausdenksachen (Presse 1977, nach Ortner et al. 1991: 610), als ich Anmachholz hackte (Aiken 1995: 39, Eigenbeleg), Bezahl-Tv (Die Woche 7.8.1998: 19, Eigenbeleg). Alternativ dazu sind als Ersteinheit aber häufig auch die vom Präfixverb abgeleiteten Nomen lexikalisiert, z.B. Begehungstermin statt Begehtermin, so auch Besteuerungspflicht, Einladungsschreiben, Übungsbuch, Verständnisfrage oder Verstehensbereitschaft (Zeit, COSMAS); Bildungen wie im folgenden Beleg sind auffällig: Das Verstehverhältnis ihrerseits sei "so 50 zu 50 in etwa", sagt Herr Wang (taz 1997, COSMAS). Über nominale Komposita mit konvertierten Verben schließlich kann nichts ausgesagt werden, weil weder morphologisch noch semantisch festzustellen ist, ob es sich bei Bildungen wie Butterfass um eine Zusammensetzung mit einem konvertierten Verb (butter(n)) oder mit dessen Basis (Butter) handelt: Butterfass 'Fass, in dem man buttert' oder 'Fass, in dem Butter hergestellt wird', so auch bei Hamsterfahrt, Zeltplatz u.ä. Bei der nominalen Komposition mit Verben werden überwiegend Verbstämme herangezogen (z.B. bind- in Bindfaden); Ausnahmen sind die finiten Formen einiger Modal- und Kopulaverben, z.B. in Kann-Bestimmung, Muss-Vorgaben, Ist-Zustand. Bei Verben wie rechnen und zeichnen werden als Ersteinheiten die kompositionsspezifischen Varianten rechen- und zeichen- verwendet (z.B. Rechenaufgaben, Zeichentisch). Fugenelemente gibt es bei Verb-Nomen-Komposita offenbar nicht. Nicht als Fugenelement, sondern als Element einer Stammvariante wird hier das -e- in Komposita wie Bindeglied, Haltestelle, Hebebühne, Liegestuhl, Lösegeld, Meldeformular, Redeverbot verstanden. Vgl. Das Fugenelement Auch semantisch gesehen sind Verb-Nomen-Komposita deutlich vielfältiger als Adjektiv-Nomen-Komposita. Während bei Adjektiv-Nomen-Komposita nur ein semantisches Muster anzusetzen ist, nämlich die Zuweisung einer durch das Adjektiv bezeichneten Eigenschaft (z.B. Sauerkraut 'saures Kraut'), finden sich bei Verb-Nomen-Komposita verschiedene Muster, die sich aus der Ausrichtung der vom Verb bezeichneten Tätigkeit ergeben, z.B. Tanzbär 'Bär, der tanzt' (nomen agentis), Tanzstück '(Theater)Stück, das von jemandem getanzt wird' (nomen patientis) und Tanzsaal 'Saal, in dem getanzt wird' (nomen loci). © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 05.09.2001 14:47. Das Konfix-Nomen-Kompositum Konfixe sind anders als Wörter gebundene Einheiten; ihre Verwendung ist eingeschränkt. Bei weitem nicht alle Konfixe sind kompositionsgliedfähig: So gibt es zahlreiche Konfixe, die ausschließlich als Ersteinheiten von Suffixderivaten verwendete werden wie fanat-, faszin-, ident-, neg-, nomin-, postul-, präfer-, oper-, revid-/revis-, suggest-, toler-, veget- (z.B. in fanatisieren, Fanatismus, Identität, operieren, tolerabel). Nur wenige Konfixe dieses Typs werden zur Komposition herangezogen, z.B. invest- in Investangebot, Investbank. Kompositionsgliedfähige Konfixen sind u.a.anthrop-, bio-, geo-, therm-/-therm, z.B. in Bioyoghurt, Geophysik, Hydrokultur, Ökofreak, Thermojacke. Vgl. auch Anthropo-Seminare (TAZ 10.9.1994: 21, Cosmas). Auch die wenigen einheimischen Konfixe werden zur Komposition herangezogen, z.B. schwieger-, stief- und zimper- in Schwiegertochter, Stiefkind, Zimperliese. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 14:16. Das nominale Konfix-Kompositum Konfixe können nicht nur als Ersteinheiten mit nominalen Zweiteinheiten nominale Komposita bilden (z.B. Bioyoghurt, Thermojacke, vgl. Das Konfix-Nomen-Kompositum), sondern werden auch häufig als genusmarkierte Zweiteinheiten zur Bildung von nominalen Komposita verwendet, z.B. Anthroposoph, Aquadrom, Astronaut, Biograf, Chronometer, Genozid, Philosoph. Vgl. auch eher okkasionelle Verwendungen wie in steht es nun jedem Cybernaut offen, in einen Raum einzudringen, den das Hirn als real analysiert (TAZ 15.9.1990: 32, Cosmas). Nominal markierte Konfixe als Zweiteinheiten können sich außer mit Konfixen auch mit Wörtern verbinden, z.B. mit Nomina oder Verben wie in königlicher Schnorrosoph (TAZ 26.11.1991: 23, Cosmas), ein "Satzomat" erlaubt spaßige Nonsens-Formulierungen (SPIEGEL 49/1994: 61, Cosmas), Karin Struck, die Sprachschöpferin des "Babycaust" (ZEIT 3.3.1995, Cosmas), Wer einrückte, musste in vorderster Linie Schützengräben ausheben [...] wobei zuerst die Intellektuellen und Angehörigen qualifizierter Berufe erfasst wurden - was man zu Recht als "Elitozid" bezeichnet (TAZ 31.10.1995: 12, Cosmas). In der Regel haben Komposita mit Konfixen aus dem Griechischen oder Lateinischen ein Fugen-o-, z.B. Ethn-o-graph. Auch bei der Kombination von Konfixen als Zweiteinheiten mit einheimischen Wörtern steht dieses ins Deutsche entlehnte und nicht ein einheimisches Fugenelement, z.B. Filzokrat. Offensichtlich richtet sich die Wahl des Fugenelements hier nach der zweiten Einheit. Vgl. [LINK] Das Kompositionsfugenelement. Nicht als Konfix-Konfix-Komposita werden hier Bildungen wie Geologie verstanden; sie werden als komplexe Konfixe (geolog-) aus zwei Konfixen (geo- und -log) analysiert, die wiederum Basen von Derivaten wie Geolog-e, Geolog-ie, geolog-isch usw. sind. Vgl. Das Konfix. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 14:23. Das Satz-Nomen- und das Phrase-Nomen-Kompositum Relativ unbeschränkt können Nomina mit Sätzen oder Phrasen zusammengesetzt werden, z.B. eine Art von Großer-Freundin-bis-Ersatzmutter-Gehabe (Reimann/Wolf 1993: 79), mit diesem Ich-mach-aus-dir-Hackfleisch-Blick (SPIEGEL 29/1994: 90, Cosmas), das "Vorne-hui-hinten-egal"-Konzept (Allegra 5/1995: 13), Immer-schon-Fans (TAZ 13.7.1995: 28, Cosmas), seit seinem Übernacht-Erfolg (Cinema 10/1996: 28), Augen-zu-und-durch-Politik (ZEIT 11.7.1997: 8, Cosmas), Fünf-Gänge-Menü, Möchtegernnachfolger. Vgl. Der Satz und die Phrase. Zur nominalen Komposition werden als Ersteinheiten herangezogen: * Sätze, z.B. ihr Was-soll-das-denn-heißen-Geschrei. * Nominalphrasen, z.B. Grüne-Bohnen-Eintopf, Hundertmarkschein. Besonders die Komposita mit Mengen-, Dimensions-, Wert und Zeitangaben sind häufig, z.B. 10-Liter-Kanister, 10-Zentner-Bombe, 100-Quadratmeter-Grundstück, Zehn-Uhr-Nachrichten, Fünf-Gänge-Dinner, Hundert-Betten-Hotel, Hundertmarkschein. Eine Besonderheit sind Ersteinheiten wie in Vater-Tochter-Beziehung, Ost-West-Vertrag: Sie können keinesfalls als Komposita analysiert werden (das *Vater-Tochter, ein *Ost-West), sind aber auch keine Phrasen im eigentlichen Sinne (*Vater Tochter), sondern bestehen aus zwei gleichwertigen Phrasenteilen, die eigens für die Bildung eines Kompositums in ein appositionelles Verhältnis gestellt werden: Vater-Tochter-Beziehung 'Beziehung zwischen Vater und Tochter'. * Verbphrasen, z.B. Palettenstapelmaschine, Radiorepariermethode. * Adjektivphrasen, z.B. Noch-nicht-ganz-Hochzeit. * Adverbphrasen, z.B. Immer-noch-Kanzler. * Präpositionalphrasen, z.B. Ohne-mich-Haltung. * Partikelkombinationen, z.B. sein unverschämtes Wohl-kaum-Gehabe. * Mischformen wie in Ihr globales-Kunden-Mitarbeiter-Lieferanten-Partner-Intra-Extra-Inter-Cross-Plattform-das-hier-ist-alle s-viel-zu-kompliziert-eBusiness (Anzeige von Novell im Spiegel 41/2000: 130). Bei einigen nominalen Komposita mit unübersichtlichen Phrasen sollte zur Erleichterung für den Leser ein Durchkopplungsbindestrich gesetzt werden, z.B. ihr Das-darf-doch-nicht-wahr-sein-Grinsen gegenüber ihr Dasdarfdochnichtwahrseingrinsen. Vgl. [LINK] Die Besonderheiten der Kompositaschreibung. Semantisch gesehen sind drei Haupttypen zu unterscheiden: * Komposita wie eine Was-soll-denn-das-bedeuten-Frage oder Immer-feste-druff-Manier, "na-und"-Mentalität. Hier haben Sätze und Phrasen Zitatcharakter, das Nomen bezeichnet eine Äußerungsform, eine Haltung u.ä. * Komposita wie Fünf-Gänge-Menü, Hundertmarkschein, bei denen Angaben zu Mengen usw. gemacht werden. * Komposita wie Arzt-Patienten-Gespräch, Ost-West-Antipathien, bei denen die Phrase die Beteiligten an dem bezeichnet, was das Nomen bezeichnet. Das Nomen bezeichnet eine Interaktion im weitesten Sinne (Gespräch, Diskussion, Vertrag, Bund, Antipathie). Das nominale Kompositum mit anderen Ersteinheiten Als Ersteinheiten bei der nominalen Komposition werden außer Nomina, Adjektiven, Verben, Konfixen und Sätzen oder Phrasen weitere Einheiten herangezogen. Es kommen vor: * Adverbien, z.B. in Abwärtstrend, Alleinanspruch, Beinahe-Unfall, Jetztzeit, Quasifreispruch, Sofortmaßnahme. Vgl. auch ungewöhnlichere Bildungen wie in Immersäufer höhnten aus dem Gasthausfenster (Strittmatter 1963: 34), mit einer Sowieso-Reise nach Berlin verbinden (Reimann/Wolf 1993: 46), Die [...] Finanzstruktur aus Bund, Berliner Senat, Immer-ARD und Gelegentlich-ZDF bröckelte (TAZ 30.10.1996: 18, Cosmas). Auffällige Bildungen sind z.B. Schlechthin-Chirurg (nach Ortner et al 1991: 693) und Keineswegs-Selbstverständlichkeit (TZ 1982, nach Fleischer/Barz 1995: 119). Semantisch gesehen gehören Adverb-Nomen-Komposita verschiedenen Mustern an. * Präpositionen, z.B. in Beiprogramm, Mitbruder, Nebenschauplatz, Nachdichtung, Vordach, Zwischenkommentar. Präpositionen determinieren das vom Nomen Bezeichnete vor allem räumlich (z.B. in Vordach) und zeitlich (z.B. in Vorspiel). * Partikeln, vor allem Fokuspartikeln, so u.a. die Negationspartikel nicht, z.B. Die Sieger sind die Geschlagenen, und die Nicht-Sieger bestimmen den Lauf der Welt (Broch 1950: 155), beim Übergang vom Nichtkrieg zum Frieden (FAZ 1995, Cosmas), verkörperte Russland das Nichteuropa des Despotismus (ZEIT 16.8.1996, Cosmas) sowie die Partikeln auch und nur, z.B. der ehrfürchtige junge Auch-Dichter (ZEIT 6.10.1995, Cosmas), Nurhausfrau. * Pronomina, darunter Personal-, vor allem Sprecherpronomina (z.B. in Ich-Kult, Wir-Gefühl) sowie w-Pronomina (z.B. in Was-Frage). Ausgesprochen selten und daher auffällig sind Possessivpronomina, z.B. indem ich nur meinen Ich- und Mein-Gefühlen Rechnung trug (Thomas Mann, Cosmas). * Konjunktoren und Subjunktoren, z.B. in Dass-Satz. * Interjektionen, z.B. in Aha-Erlebnis, Buh-Rufe, Wow-Stimmung. * Artikel, z.B. ein Der-Anschluss im Relativsatz. Nicht als Ersteinheiten kommen Zahlwörter vor: Komposita wie Zweitfrau und Millionending werden hier analysiert als Komposita mit adjektivischer (zweite) bzw. nominaler Ersteinheit ((eine) Million). Viele dieser Ersteinheiten in nominalen Komposita haben Zitatcharakter, so in den Komposita mit w-Pronomina, Konjunktoren, Subjunktoren, Interjektionen und Partikeln. Diese Einheiten werden metasprachlich verwendet, z.B. Dass-Satz 'Satz, in dem ein 'dass' vorkommt'. Außerdem zur nominalen Komposition verwendet werden * Buchstaben, z.B. in B-Movie, O-Beine. Die Buchstaben-Nomen-Komposita lassen sich in zwei semantische Hauptgruppen unterteilen. Zum einen stehen die Buchstaben für eine Rangfolge, z.B. manch dubioses B-Produkt (TAZ 30.12.1995: 17, Cosmas), so auch A-Klasse, B-Movie, C-Jugend, mitunter auch nur für eine wertfreie Durchnummerierung (z.B. die Schüler der A-Klasse). Zum anderen haben die Buchstaben eine ikonische Funktion; sie werden als grafische Form zum Vergleich herangezogen, z.B.O-Beine 'Beine, die wie ein O aussehen', so auch S-Kurve, T-Träger, V-Ausschnitt, X- und Y-Chromosom. Vgl. darüber hinaus Buchstaben mit Platzhalterfunktion wie in X-Magazin (TAZ 30.12.1993: 14, Cosmas). Nicht hierher, sondern zur Kurzwortbildung gehören Bildungen wie A-Bombe, O-Saft, U-Bahn; diese Buchstaben sind die zu Buchstaben gekürzten Ersteinheiten Atom, Orangen, Untergrund. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 14:14. Das Adjektivkompositum Die Komposition ist eine leicht handhabbare Wortbildungsart. Besonders der Wortschatz der Nomina, aber auch der Wortschatz der Adjektive wird durch Komposition stark erweitert, während Verbkomposition eine untergeordnete Rolle spielt. Adjektivkomposita werden überwiegend aus nur zwei simplizischen Einheiten zusammengefügt (z.B. bittersüß, brüllkomisch, butterweich, schwarzweiß, treffgenau, zitronengelb), obwohl das Wortbildungssystem des Deutschen auch komplexere Einheiten zulässt (z.B. stachelbeerstrauchbraun, königsmantelrot, butterkuchenschwer, ein schwarz-weiß-grün-violett-pink-graues Kleid), nutzen Sprecherschreiber solche Möglichkeiten eher selten. Im Gegensatz zu den vielfach genutzten nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der nominalen Komposition (z.B. Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwenkompositabildungsexpertenrunde) sind der adjektivischen Komposition durch die Norm Beschränkungen auferlegt. Vgl. [LINK] System und Norm in der Wortbildung. Vielgliedrige Bildungen sind bei Adjektiven eher die Ausnahme, z.B. das Determinativkompositum in vom rotgraublauweißschwarzgesprenkelten Schüttstein in der Küche (Späth 1978: 36) oder das Kopulativkompositum in unter landsmännisch-heimatlich-festlichen Umständen (Thomas Mann, nach Fleischer/Barz 1995: 241). Adjektivkomposita können aus verschiedenen Einheiten gebildet werden: * Das Nomen-Adjektiv-Kompositum * Das Adjektiv-Adjektiv-Kompositum * Das Verb-Adjektiv-Kompositum * Das Konfix-Adjektiv-Kompositum * Das adjektivische Konfix-Konfix-Kompositum * Das adjektivische Nomen-Konfix-Kompositum * Das Satz-Adjektiv und das Phrase-Adjektiv-Kompositum * Das adjektivische Kompositum mit anderen Einheiten Besonders Nomen-Adjektiv-Komposita sind semantisch relativ vielfältig; andere adjektivische Komposita sind weniger ausgebaut. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 09:12. Das Nomen-Adjektiv-Kompositum Nomina sind die in der Wortbildung produktivsten Einheiten; auch als Ersteinheiten in Adjektivkomposita werden sie sehr häufig genutzt, z.B. in daumendick, geheimnisvoll, haushoch, hautnah, inhaltsleer, kostenneutral, landesweit, lebensmüde, pantherelegant, schadstoffreduziert, schneeblind, spannungsreich. Dabei gibt es offenbar keine Beschränkungen hinsichtlich des Nomens: In großer Zahl kommen vor ein- und mehrsilbige Nomina (z.B. in fischgrün, zimtsüß, himmelblau, meterlang), simplizische und komplexe Nomina (z.B. in butterweich, hundsgemein, ölsardinendicht am Strand liegen, sommerwiesenbunt), derivierte und zusammengesetzte Nomina (z.B. in erwartungsfroh, abflugbereit, hundehüttengroß, donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwentraurig) sowie einheimische und entlehnte Nomina (z.B. in bildschön, potthässlich, anekdotenmüde, appetitanregend). Vgl. auch okkasionelle Bildungen wie Er war dorffremd, aber die Leute grüßten ihn (Seghers 1933: 77),die schwarze Masse der Leiber, biervoll, geldvoll, schuldvoll, bösheitsvoll (Broch 1950: 209), eifersuchtszermürbt (Fuchs 1992: 219), Algensorten [...] sollen salat- und eintopftauglich sein (Spiegel 1994, Cosmas), erschien ein Roman von ihm mit dem direkt bestsellerstarken Titel "Und keiner weint mir nach" (Zeit 1996, Cosmas), Das liegt vor allem an der fußnotenfleißig verschachtelten Dramaturgie (Zeit 1996, Cosmas), Max Ernst malte geschichtsleere Landschaften nach der Sintflut (Zeit 1997, Cosmas), während Pavarotti sich dianagramgebeugt von zwei Bodyguards hereintragen ließ (taz 1997, Cosmas). Semantisch gesehen wird offenbar das vergleichende Muster am kreativsten genutzt, z.B. "ich werde immer nur fischstäbchenbraun" (taz 1994, Cosmas), achillessehnendick (taz 1994, Cosmas), kartoffelgelb (taz 1996, Cosmas), einem sirupschwarzen Flüsschen (Aehnlich 1998: 6). © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 11 Das Adjektiv-Adjektiv-Kompositum Während die Nomen-Adjektiv-Komposition weitgehend unbeschränkt ist, schränkt der Kommunikationsbedarf die Adjektiv-Adjektiv-Komposition ein. Zwar gibt es keine Reglementierung etwa hinsichtlich morphologischer Merkmale der adjektivischen Ersteinheit, doch werden Adjektiv-Adjektiv-Komposita, in denen Eigenschaften durch Eigenschaften näher bestimmt werden, offenbar einfach nicht besonders oft benötigt. Gebildet werden vor allem Determinativkomposita wie orangerot, höflich-bestimmt. Genutzt wird auch die Bildung von Kopulativkomposita, also von Komposita mit hierarchisch gleichgestellten Einheiten, besonders von Komposita aus Farbadjektiven oder Adjektiven, die Personengruppen, Institutionen u.Ä. bezeichnen, z.B. in Armeniens blau-rot-ockerne Flagge, das schwarzweiße Schachbrett, armenisch-deutsche Beziehungen. Überwiegend in der Belletristik finden sich Kopulativkomposita wie in ein kleindickliches Mädchen, eine krummgelbe Banane. Vgl. Das Kopulativkompositum. Gelegentlich finden sich Superlative als Ersteinheiten, die allerdings auf eine festes Inventar etablierter Formen und Verwendungen begrenzt sind, z.B. bestbezahlt, größtmöglich, meistbewundert. Zu den in der Forschungsliteratur unterschiedlich analysierten Adjektiv-Adjektiv-Komposita des Typs schwer verletzt vgl. [LINK] Die Zusammenrückung. Semantisch gesehen sind adjektivische Ersteinheiten von Adjektivkomposita wenig aufgefächert. Außer der kopulativen Lesart 'A und B' (z.B. kleindicklich 'klein und dicklich') wird wie bei der Adjektiv-Nomen-Komposition attribuiert: Ein höflich-bestimmtes Auftreten ist ein bestimmtes, aber höfliches Auftreten. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 09:15. Das Verb-Adjektiv-Kompositum Adjektivische Komposita mit einem Verb als Ersteinheit sind keineswegs ungewöhnlich, allerdings werden offenbar auch sie nicht allzu häufig benötigt. Fleischer/Barz (1995: 247) nennen vor allem ein begrenztes Inventar etablierter Verbindungen, so u.a. mit den Adjektiven fähig, fest, kundig, sicher und tüchtig, z.B. in fahrtüchtig, gehfähig, schreibkundig, treffsicher, trinkfest.Vgl. außerdem u.a. abfahrbereit, denkfaul, fragwürdig, knallbunt, pflückreif, springlebendig, triefnass, werbewirksam. Auch die Ersteinheiten sind aus Normgründen begrenzt; auffällig sind etwa lauftüchtig, lerntüchtig, springtüchtig, suchtüchtig. Vgl. aber okkasionelle Verb-Adjektiv-Komposita wie in zubeißbereite Zähne (Broch 1950: 69), die mitsingtaugliche Bierstimmung (TAZ 1992, Cosmas), Das große Talent, dribbelstark und pfeilschnell (FAZ 1995, Cosmas), werbestarke Markenartikler wie Ferrero (ZEIT 1996, Cosmas), Bücher, die warm und freundlich sind, brüllkomisch und tränentreibend sentimental (AMICA 9/1998: 22), der krachdürre Busch [Afrikas] ringsum, alles beginnt unwirklich zu glühen (GEO 1/1999: 109). Adjektivische Zusammensetzungen mit Verb-Ersteinheit zeigen mitunter ein -e-, das hier nicht als Fugenelement betrachtet wird, vgl. bademüde, lesekundig, siedeheiß, werbewirksam, so auch umsteigefreie Verbindung nach Kopenhagen (ZEIT 1996, Cosmas). Vgl. Das Fugenelement. Semantisch sind die Beziehungen zwischen Adjektiv und determinierendem Verb eher beschränkt. Häufig wird ein konsekutives, d.h. Folgen angebendes Muster genutzt, z.B. eine tropfnasse Hose 'eine Hose, die so nass ist, dass sie tropft'. Daneben gibt es u.a. auch ein kausales, d.h. Ursachen angebendes Muster, z.B. die Schuljugend, französisch lernblass, eifrig, wohlgesittet (Koeppen 1961: 83) 'blass vom Lernen'. Keine Komposita sind Bildungen wie debattierfreudig, kauflustig, sammelwütig. Sie werden hier vor allem aus semantischen Gründen analysiert als -ig-Derivate zu Nomina wie Debattierfreude, Kauflust, Sammelwut. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 13:02. Das Konfix-Adjektiv-Kompositum Konfixe sind anders als Wörter gebundene Einheiten; ihre Verwendung ist insofern eingeschränkt. Bei weitem nicht alle Konfixe sind kompositionsgliedfähig, so u.a. die meisten Konfixe des Typs fanat-, faszin-, ident-, neg-. Diese Konfixe sind vor allem für die Derivation relevant (z.B. fanatisch, Fanatismus). Aber auch die vor allem zur Nomenkomposition herangezogenen Konfixe wie bio- und therm-/-therm kommen in Kombination mit Adjektiven eher selten vor. Sie werden meist mit entlehnten Adjektiven kombiniert, z.B. bioaktiv, geopolitisch, ökosozialistisch, thermonuklear. Vgl. auch ökolibertär (TAZ 15.3.1999: 10, Cosmas), die philoarabische Fraktion (TAZ 25.1.1991: 12, Cosmas). Vgl. dagegen die zahlreichen Das Konfix-Nomen-Komposita. Das adjektivische Konfix-Konfix-Kompositum Konfixe können als Ersteinheiten nicht nur zusammen mit Adjektiven adjektivische Komposita bilden (z.B. bioaktiv, thermonuklear, vgl. Das Konfix-Adjektiv-Kompositum), sondern werden auch mit einer begrenzten Anzahl von als Zweiteinheiten vorkommenden Konfixen zu Adjektiven kombiniert, z.B. bibliophil, homonym, megaloman, xenophob, so auch in bibliophil? oder bibliosoph? Oder vielleicht gar bibliomanisch? (TAZ 6.4.1990: 27, Cosmas). Im Vergleich zum nominalen Konfix-Konfix-Kompositum nutzen Sprecherschreiber diese Möglichkeit allerdings deutlich seltener. Vgl. Das nominale Konfix-Konfix-Kompositum. In der Regel haben Komposita mit Konfixen aus dem Griechischen oder Lateinischen ein Fugen-o-, z.B. bibli-o-phil. Vgl. [LINK] Das Kompositionsfugenelement. Das adjektivische Nomen-Konfix-Kompositum Adjektivische Komposita können nicht nur aus zwei Konfixen (vgl. Das adjektivische Konfix-Konfix-Kompositum), sondern auch aus einem adjektvmarkierten Konfix als Zweiteinheit und einem einheimischen oder entlehnten Nomen als Ersteinheit zusammengesetzt werden. Bildungen des letzten Typs sind allerdings weitgehend Okkasionalismen, z.B. bremophil, jazzoman, tütophob. Vgl. auch die hektische und suchtophile Gesellschaft [die tageszeitung, 06.10.1993, S. 19], dönerphobe Zeitgenossen [Zeit, 1996]. Außer Konfixen und Nomina werden zur Komposition mit adjektivischen Konfixen derzeit keine sonstigen Ersteinheiten herangezogen: Außnahmen ist eine Bildung wie in der libertärophile Schreibknecht des FAZ-Feuilletons [die tageszeitung, 02.06.1995, S. 23], die rein morphologisch betrachtet als Bildung mit einer adjektivischen Ersteinheit (libertär) interpretiert werden könnte, aus semantischen Gründen aber auch als Kompositum mit einer nominalen Ersteinheit, nämlich als 'der das Libertäre liebende Schreibknecht'. Prinzipiell ist die sich im Deutschen gerade erst entfaltende Konfixbildung aber wohl offen für Muster mit weiteren Einheiten. Auch bei der Kombination mit einheimischen Nomina stehen keine einheimischen Fugenelemente, vielmehr wird das entlehnte Fugen-o- verwendet, z.B. brem-o-phil. Offensichtlich richtet sich die Wahl des Fugenelements hier nach der zweiten Einheit. Vgl. [LINK] Das Kompositionsfugenelement. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 02.05.2005 12:34. Das Satz-Adjektiv- und das Phrase-Adjektiv-Kompositum Offenbar neigen Sprecherschreiber, obwohl dies vom System her angeboten wird, nicht dazu, Adjektivkomposita mit einem Satz oder einer Phrase als Ersteinheit zu bilden. Vgl. dagegen Das Phrase-Nomen-Kompositum. Es lassen sich nur wenige Phrase-Adjektiv-Komposita belegen, z.B. vielhundertmetertiefe Abgründe (Weltbühne 1979, nach Fleischer/Barz 1995: 250), Mozart müsse vor allem Karl-Böhm-schön sein (taz 1991, Cosmas), nachthimmelschwarz, ach was, abgestandenesgetriebeölschwarz (taz 1999, Cosmas). Satz-Adjektivkomposita dagegen sind mir noch nicht begegnet, z.B. ? da ist sie ziemlich ich-fass-es-einfach-nicht-laut geworden. © IDS Mannheim. Zuletzt geändert am 11.09.2001 12:23. Das adjektivische Kompositum mit anderen Ersteinheiten Als Ersteinheiten bei der adjektivischen Komposition werden außer Nomina, Adjektiven, Verben und Konfixen auch wenige andere Einheiten herangezogen. Es kommen vor: * Präpositionen, z.B. übervorsichtig, vorschnell, vorwissenschaftlich, widernatürlich. Dagegen bringt in Bildungen wie mitentscheidend, mitschuldig, zugeknöpft bereits die Basis (mitentscheiden, Mitschuld, zuknöpfen) die Präposition mit; die Präposition wird nicht erst an das Adjektiv angefügt; solche Bildungen sind also nicht Komposita aus Präposition und Adjektiv. * Pronomina, z.B. ichbezogen. Wortbildungsprodukte mit in der Forschungsliteratur auch als Zahlwörter interpretierten Ersteinheiten wie dreitürig werden hier als Bildungen mit Adjektiv verstanden und im Übrigen der Derivation zugerechnet.Vgl. [LINK] Die Zusammenbildung. Entscheidet sich ein Sprecherschreiber für eine systemgemäße Zusammenschreibung, werden die Bildungen als Komposita analysiert. Das gilt auch für die selten belegten Formen mit Adverbien wie in zwischen beinahe-gleichen Wörtern (Herder, nach Fleischer/Barz 1995: 249), endet in einer quasi-akademischen Auseinandersetzung (TAZ 15.3.1994: 15, Cosmas), mit den extra-fröhlichen Linkssentimentalen (TAZ 14.12.1996: 21, Cosmas). Dass sie als ein Wort erscheinen, ist eine individuelle Schreibgewohnheit, die wohl auch eine kompositaeigene Betonung mit sich bringt. Vgl. daneben als quasi redaktionellen Beitrag (TAZ 8.11.1986: 5, Cosmas), ein beinahe alltäglicher Fall (Berliner Zeitung 12.11.1997: 3, Cosmas), extra trashige Nacktfotos (Berliner Zeitung 15.11.1997: 11, Cosmas). Vgl. [LINK] Orthografie und Wortbildung. © IDS Mannheim. Zuletzt ge